Backen mit Hanfmehl: Dein ehrlicher Guide für geniales Brot (und wie du Ziegelsteine vermeidest)
Seit ich denken kann, stehe ich in der Backstube. Ich habe mit Mehlen gearbeitet, die kamen und gingen, aber in letzter Zeit taucht immer wieder ein Kandidat auf, der für viele noch ein großes Fragezeichen ist: Hanfmehl. Manche halten es für ein Superfood, andere sind einfach nur neugierig. Ich sehe es als das, was es ist – ein unglaublich spannendes, aber auch etwas anspruchsvolles Material für alle, die gerne backen und Neues ausprobieren.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Was ist Hanfmehl eigentlich? Ein kleiner Blick hinter die Kulissen
- 2 So klappt’s in der Praxis: Meine bewährten Techniken
- 3 Qualität, Preis und wo man es findet
- 4 Ein einfaches Rezept für den Start
- 5 Was tun, wenn’s schiefgeht? (Kleine Pannen-Hilfe)
- 6 Sicherheit und richtige Lagerung
- 7 Mein Fazit
- 8 Bildergalerie
Aber bevor wir überhaupt den Knethaken auspacken, räumen wir mal mit der einen großen Frage auf, die wirklich JEDER stellt: Macht das high? Die Antwort ist ein klares, lautes und deutliches: NEIN. Das Hanfmehl, das du bei uns im Laden kaufen kannst, stammt aus Nutzhanf. Diese Sorten sind extra so gezüchtet, dass sie so gut wie kein THC enthalten – der gesetzliche Grenzwert ist verschwindend gering. Du könntest also ein ganzes Brot davon essen und das Einzige, was du spürst, ist ein angenehmes Sättigungsgefühl. Versprochen.

Was ist Hanfmehl eigentlich? Ein kleiner Blick hinter die Kulissen
Um mit einem Material gut arbeiten zu können, muss man es verstehen. Ganz einfach. Und Hanfmehl ist eben kein typisches Getreidemehl. Wusstest du übrigens, dass Hanf eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit ist? Wir nutzen das Zeug schon ewig. Das Mehl selbst ist eigentlich ein Nebenprodukt, und genau das ist der Schlüssel zu all seinen Eigenschaften.
Stell es dir so vor: Zuerst werden die kleinen Hanfsamen kalt gepresst, um das wertvolle Hanföl zu gewinnen. Übrig bleibt der sogenannte Presskuchen – eine ziemlich feste, trockene Masse, die aber immer noch vollgepackt ist mit Nährstoffen. Und genau dieser Presskuchen wird dann ganz fein vermahlen. Das Ergebnis ist dieses grünlich-braune Pulver, das so herrlich nussig und erdig riecht. Wenn du eine Packung aufmachst, weißt du sofort, was ich meine. Das ist eine ganz andere Welt als Weizenmehl.
Warum dein Teig sich damit anders verhält
Jeder, der schon mal Brot gebacken hat, kennt Gluten. Dieses Klebereiweiß ist der Star im Weizen-, Dinkel- oder Roggenteig. Es bildet ein elastisches Netz, das die Gase der Hefe einfängt und das Brot schön luftig macht.

Hanfmehl hat null Gluten. Nichts. Nada.
Das ist die wichtigste Eigenschaft, die du dir merken musst. Ohne Gluten kein Gerüst. Ein Brot nur aus Hanfmehl würde ein flacher, harter Ziegelstein werden. Das liegt nicht an dir, das liegt in der Natur der Sache.
Dazu kommen noch zwei entscheidende Punkte:
- Es ist extrem durstig: Durch den hohen Anteil an Ballaststoffen und Proteinen saugt Hanfmehl Wasser auf wie ein Schwamm. Dein Teig wird also von Natur aus etwas schwerer und kompakter. Du musst also immer mehr Flüssigkeit zugeben als im Originalrezept.
- Es bringt eigenes Fett mit: Ein kleiner Rest Öl bleibt immer im Mehl. Das sorgt für den tollen Geschmack und eine gewisse Saftigkeit, macht es aber auch empfindlicher. Es kann schneller ranzig werden als normales Mehl.
Wenn du diese drei Dinge im Kopf behältst – kein Gluten, durstig, etwas Öl – dann bist du schon auf dem besten Weg, ein Top-Ergebnis zu erzielen. Man muss mit dem Mehl arbeiten, nicht gegen es.

So klappt’s in der Praxis: Meine bewährten Techniken
Okay, genug Theorie. Ran an den Teig! Über die Jahre haben sich ein paar goldene Regeln herauskristallisiert, die ich jedem mit auf den Weg gebe.
Kleiner Tipp für die ganz Vorsichtigen: Bevor du dich an ein ganzes Brot wagst, probier doch erstmal, einen Esslöffel Hanfmehl in deinen Pfannkuchenteig oder Smoothie zu rühren. So lernst du den Geschmack kennen, ganz ohne Risiko. Eine tolle Möglichkeit, um zu sehen, ob dir diese nussige Note überhaupt zusagt.
Die Goldene Regel: Niemals mehr als 30 %
Das ist das A und O. Ersetze in einem normalen Rezept für Brot oder Kuchen nie mehr als 20 bis 30 % des Hauptmehls durch Hanfmehl. Für den Anfang würde ich dir sogar raten, mit 10-15 % zu starten. Wenn im Rezept also 500 g Weizenmehl stehen, nimmst du 450 g Weizen und 50 g Hanf.
Bis zu dieser Grenze profitierst du vom Geschmack und den Nährstoffen, ohne die Backeigenschaften zu ruinieren. Das Gluten aus dem restlichen Mehl schafft es dann noch, ein stabiles Gerüst zu bauen. Gehst du drüber, wird’s schnell zu dicht und krümelig.

Die Sache mit der Flüssigkeit: Hier ist Gefühl gefragt
Wie gesagt, Hanfmehl ist durstig. Als Faustregel kannst du pro 100 g Hanfmehl etwa 15-20 ml extra Wasser oder Milch einplanen. Aber verlass dich bitte nicht blind auf Zahlen! Mehl ist ein Naturprodukt. Fühle den Teig. Gib die zusätzliche Flüssigkeit langsam dazu und schau, was passiert. Der Teig sollte schön geschmeidig sein, aber nicht matschig. Mit der Zeit kriegst du dafür ein echtes Gefühl.
Die besten Partner im Teig
Hanfmehl braucht starke Partner mit gutem Klebergerüst. Hier sind meine Lieblingskombinationen:
- Für Brote: Dinkelmehl (Type 630 oder 1050) ist der absolute Traumpartner. Der mild-nussige Geschmack harmoniert perfekt. Weizenmehl (Type 550 oder 1050) ist natürlich der Klassiker und funktioniert immer.
- Für Süßes wie Kuchen & Muffins: Auch hier ist Dinkelmehl 630 super. Besonders in Schokokuchen oder Brownies ist Hanfmehl eine Offenbarung – es hebt das Kakaoaroma auf ein ganz neues Level. Aber Achtung: Bei einem feinen Vanillekuchen würde ich es nicht nehmen. Ich hab mal einen Sandkuchen damit versucht… der kräftige Hanfgeschmack hat die zarte Vanille komplett erschlagen. Lektion gelernt!
- Für Pfannkuchen oder Waffeln: Hier kannst du mutiger sein und sogar bis zu 40 % Hanfmehl nehmen. Da der Teig nicht aufgehen muss, ist das fehlende Gluten egal. Die Dinger machen dafür unglaublich satt.

Qualität, Preis und wo man es findet
Ganz ehrlich, nicht jedes Hanfmehl ist gleich. Gute Qualität erkennst du an einer frischen, grün-braunen Farbe und einem intensiv nussigen Geruch. Riecht es muffig oder sieht grau aus – Finger weg!
Achte am besten auf Bio-Qualität aus der EU, da sind die Kontrollen am strengsten. Und wo findest du das? Du musst nicht unbedingt eine kleine Mühle auf dem Land kennen. Gutes Hanfmehl gibt es mittlerweile in vielen Bio-Märkten wie Alnatura oder Denns, aber auch in den Bio-Ecken von Drogeriemärkten wie dm und Rossmann. Online gibt es natürlich auch eine riesige Auswahl.
Ach ja, und was kostet der Spaß? Hanfmehl ist definitiv teurer als Standard-Weizenmehl. Rechne mal mit etwa 5 bis 9 Euro für eine 500g-Packung. Da du aber immer nur kleine Mengen brauchst, relativiert sich das wieder. Es ist eine Investition in Geschmack und Nährstoffe.
Ein einfaches Rezept für den Start
So, jetzt aber! Hier ist ein super einfaches Rezept für ein Kastenbrot, das fast immer gelingt und dir zeigt, wie gut Hanfmehl funktionieren kann.

Kurzer Kostencheck: Für die Zutaten dieses Brotes musst du mit etwa 3-4 Euro rechnen, wobei das Hanfmehl der teuerste Posten ist.
Saftiges Hanf-Dinkel-Kastenbrot
Was du brauchst:
- 400 g Dinkelmehl, Type 1050
- 100 g Hanfmehl
- 1 Päckchen Trockenhefe
- 10 g Salz (ca. 2 TL)
- 1 EL Apfelessig (alternativ geht auch ein Schuss Zitronensaft – die Säure hilft dem Teig)
- ca. 360 ml lauwarmes Wasser
- Optional: eine Handvoll Sonnenblumenkerne
So geht’s:
- Trockene Zutaten mischen: Gib beide Mehle, die Hefe und das Salz in eine große Schüssel und vermische alles gut.
- Flüssigkeit dazu: Gieß das Wasser und den Essig hinein.
- Kneten: Jetzt wird für 10 Minuten geknetet, entweder mit der Maschine oder mit den Händen. Der Teig wird etwas dunkler und klebriger als ein reiner Dinkel-Teig sein, das ist völlig normal. Wenn du magst, knete am Ende noch die Sonnenblumenkerne unter.
- Gehen lassen: Decke die Schüssel ab und lass den Teig an einem warmen Ort für 60-90 Minuten gehen, bis er sich deutlich vergrößert hat.
- Formen & nochmal gehen: Fette eine Kastenform ein. Knete den Teig kurz durch, forme einen Laib und lege ihn in die Form. Nochmal abdecken und weitere 30 Minuten gehen lassen.
- Backen: Heize den Ofen auf 220°C (Ober-/Unterhitze) vor. Stell eine kleine Schale mit Wasser mit in den Ofen, das sorgt für eine tolle Kruste. Backe das Brot für 10 Minuten, reduziere dann die Hitze auf 190°C und backe es für weitere 35-40 Minuten fertig.
- Abkühlen: Es ist fertig, wenn es hohl klingt, wenn du auf die Unterseite klopfst. Unbedingt auf einem Gitter komplett auskühlen lassen, bevor du es anschneidest!

Was tun, wenn’s schiefgeht? (Kleine Pannen-Hilfe)
Auch in der besten Backstube geht mal was daneben. Keine Panik, das gehört dazu!
- Dein Brot ist ein Ziegelstein geworden? Das ist der Klassiker. Wahrscheinlich war der Hanfmehl-Anteil zu hoch oder du hast zu wenig Flüssigkeit verwendet. Geh beim nächsten Mal auf 10-15 % runter und sei etwas großzügiger mit dem Wasser.
- Dein Teig ist total matschig? Du hast es mit der Flüssigkeit zu gut gemeint. Hanfmehl saugt langsam. Gib nächstes Mal das Wasser nach und nach zu. Um den Teig zu retten, kannst du löffelweise Dinkelmehl unterkneten, bis die Konsistenz wieder passt.
Sicherheit und richtige Lagerung
Zwei letzte, aber super wichtige Punkte.
Achtung, Zöliakie-Betroffene! Hanf ist von Natur aus glutenfrei. ABER: Wenn es in einer Mühle verarbeitet wird, in der auch Weizen & Co. gemahlen werden, kann es zu Verunreinigungen kommen. Wenn du streng glutenfrei leben musst, kaufe ausschließlich Hanfmehl, das explizit als „glutenfrei“ zertifiziert ist. Das steht groß auf der Packung.

Und die Lagerung? Wegen des Restöls wird Hanfmehl bei Licht und Wärme schnell ranzig. Lagere es also immer kühl, dunkel und luftdicht. Der Kühlschrank ist ideal. Ein wenig bekannter Trick: Wenn du selten damit bäckst, kannst du angebrochenes Hanfmehl auch super in einem dichten Behälter einfrieren. Das verlängert die Haltbarkeit enorm und verhindert Verschwendung.
Mein Fazit
Hanfmehl ist kein Alleskönner, der unsere traditionellen Mehle ersetzt. Es ist eine fantastische Ergänzung. Ein Gewürz. Eine Zutat für alle, die neugierig sind und ihrem Gebäck einen besonderen Dreh geben wollen. Es verlangt ein bisschen mehr Aufmerksamkeit, belohnt dich aber mit einem unvergleichlichen Geschmack und tollen Nährwerten. Also, sei mutig, probier es aus. Und wenn der erste Versuch nicht perfekt wird – hey, so fängt jedes Handwerk an.
Bildergalerie


Die wichtigste Regel beim Experimentieren mit Hanfmehl ist, nicht gleich alles auf eine Karte zu setzen. Ersetzen Sie niemals das gesamte Mehl in einem glutenhaltigen Rezept, sonst ist der Ziegelstein-Effekt vorprogrammiert. Ein guter Startpunkt ist, nur einen Teil des Hauptmehls auszutauschen.
- Für den Anfang: Ersetzen Sie 10-15 % des Weizen- oder Dinkelmehls. So bekommen Sie ein Gefühl für den nussigen Geschmack, ohne die Brotstruktur zu gefährden.
- Für Fortgeschrittene: In saftigen Kuchen oder Brownies, wo die Krume dichter sein darf, können Sie bis zu 25 % ersetzen. Die Feuchtigkeit im Rezept verzeiht den Mangel an Gluten eher.

Hanfmehl ist eine der wenigen pflanzlichen Quellen, die ein komplettes Aminosäureprofil aufweisen.
Das klingt technisch, bedeutet aber etwas Geniales für Ihre Küche: Es liefert alle neun essenziellen Aminosäuren, die unser Körper nicht selbst herstellen kann. Während andere pflanzliche Proteine oft kombiniert werden müssen, um vollwertig zu sein, bringt Hanfmehl – wie das von Marken wie Davert oder Rapunzel – dieses Kraftpaket von Natur aus mit. Das macht Ihr selbstgebackenes Brot nicht nur zu einem Genuss, sondern auch zu einer echten Nährstoffquelle, besonders wertvoll in der vegetarischen und veganen Ernährung.
Wozu passt der intensive, erdige Geschmack von Hanfmehl eigentlich am besten?
Denken Sie an Aromen, die Tiefe und Komplexität vertragen! Hanfmehl harmoniert fantastisch mit dunkler Schokolade, Bananen und Datteln. In herzhaften Backwaren ist es ein genialer Partner für Gewürze wie Kümmel oder Koriander und passt wunderbar zu Rezepten mit Roter Bete oder Karotten. Es verleiht allem eine köstliche, rustikale Note.



