Essen wie ein Handwerker: Die vergessene Anleitung für mehr Energie und Genuss

von Mareike Brenner
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In meiner Werkstatt gibt es eine eiserne Regel, die jeder vom ersten Tag an lernt: Respekt vor dem Material und dem Werkzeug. Man hetzt nicht. Man pfuscht nicht. Jeder Handgriff sitzt und hat ein Ziel. Was die meisten aber überrascht: Genau dasselbe Prinzip gilt bei uns auch am Mittagstisch. Denn ganz ehrlich, die Art, wie wir essen, sagt verdammt viel darüber aus, wie wir arbeiten und leben.

In unserer hektischen Welt haben wir das richtige Essen komplett verlernt. Wir schlingen, statt zu schmecken. Wir füllen nur ein Loch im Bauch, aber nähren weder den Körper noch den Geist. Das hier ist also keine Diät-Anleitung. Es ist viel mehr eine Art Lebensphilosophie, die mir mein alter Lehrmeister mit auf den Weg gegeben hat und die sich seit Jahrzehnten bewährt. Es geht darum, eine Mahlzeit wieder als das zu sehen, was sie ist: ein wertvolles Ritual, das uns Kraft gibt und den Kopf freimacht.

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Die Mechanik dahinter: Was wirklich in deinem Körper passiert

Um ein Problem zu lösen, muss man die Ursache kennen. Kennst du das? Du isst zu Mittag und fühlst dich danach müde, aufgebläht oder einfach nur unzufrieden. Die Antwort darauf ist simple Biologie, die wir ständig ignorieren. Stell es dir wie Holzleim vor: Gibst du ihm nicht genug Zeit zum Abbinden, hält die beste Verbindung nicht. Bei unserer Verdauung ist es exakt dasselbe.

Dein Mund ist das wichtigste Werkzeug
Die Verdauung startet nicht erst im Magen, sondern schon im Kopf, wenn du das Essen siehst und riechst. Richtig los geht’s aber im Mund. Deine Zähne sind das erste, grobe Werkzeug – sie zerkleinern alles mechanisch. Das ist harte Arbeit, für die der Magen gar nicht ausgelegt ist. Gleichzeitig sorgen Enzyme im Speichel für die „chemische“ Vorbereitung, sie spalten schon mal die ersten Kohlenhydrate auf. Wer sein Brot also kaum kaut, schickt einen riesigen, unvorbereiteten Klumpen auf die Reise. Der Magen muss dann Schwerstarbeit leisten, und das raubt dir die Energie, die du eigentlich für den Nachmittag bräuchtest.

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Die 20-Minuten-Regel deines Gehirns
Das ist vielleicht der wichtigste Fakt von allen: Das Signal „Ich bin satt“ braucht ungefähr 20 Minuten, um vom Magen im Gehirn anzukommen. Wer sein Essen also in fünf Minuten runterschlingt, isst fast zwangsläufig zu viel. Dein Gehirn hat schlicht keine Chance, rechtzeitig die Bremse zu ziehen. Das Ergebnis? Völlegefühl, das berühmte „Fresskoma“ und auf Dauer eine enorme Belastung für deinen Körper. Ein Handwerker, der die Eigenschaften seines Materials ignoriert, produziert Ausschuss. Wer die Signale seines Körpers ignoriert, tut im Grunde dasselbe mit sich selbst.

Übrigens, ich hatte mal einen jungen Gesellen, der nach dem Mittagessen immer völlig platt war. Wir haben nichts an seinem Essen geändert, nur daran, WIE er es isst. Nach einer Woche kam er zu mir und meinte, er hätte zum ersten Mal gemerkt, dass die Kantinen-Karotten eigentlich süß schmecken – und müde war er danach auch nicht mehr. Eine kleine Änderung, riesiger Effekt.

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Deine Techniken: So wird jede Mahlzeit zum Meisterstück

Bewusstes Essen ist keine Raketenwissenschaft. Es sind einfache Techniken, die man üben kann wie das Führen einer Säge. Am Anfang fühlt es sich vielleicht komisch an, aber bald geht es dir in Fleisch und Blut über.

1. Bereite deinen Arbeitsplatz vor
Kein guter Handwerker arbeitet im Chaos. Bevor ich loslege, richte ich meine Werkzeuge und sorge für eine saubere Fläche. Mach das auch mit deiner Mahlzeit!

  • Deck den Tisch. Ja, auch wenn du alleine isst. Ein Teller, Besteck, ein Glas Wasser. Das signalisiert deinem Gehirn: Achtung, jetzt passiert etwas Wichtiges.
  • Keine Ablenkungen. Fernseher aus, Handy weglegen (und zwar außer Reichweite!). Keine Zeitung, keine Rechnungen auf dem Tisch. Für die nächsten 15 bis 20 Minuten gehört deine Aufmerksamkeit nur dir und deinem Essen.
  • Setz dich hin. Im Stehen vor dem Kühlschrank essen? Das ist eine Respektlosigkeit dir selbst gegenüber. Im Stehen kann dein Körper nicht entspannen und verdauen.

2. Der allererste, winzige Schritt für heute (Dein Quick-Win)
Okay, bevor du jetzt denkst „Das ist mir alles zu viel“, probier heute beim Mittagessen nur eine einzige Sache aus: Nimm einen Bissen und lege dein Besteck danach bewusst neben den Teller. Nimm es erst wieder in die Hand, wenn dein Mund komplett leer ist. Das allein wird dein Tempo schon drastisch verändern.

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3. Die Kunst des Kauens: Dein Präzisionswerkzeug
Konzentrier dich mal auf deinen Mund. Was schmeckst du? Süß, salzig, sauer, bitter? Welche Textur hat das Essen? Knusprig, weich, cremig? Hier ein ganz konkreter Tipp: Zähl bei den ersten drei Bissen mal innerlich bis 20, während du kaust. Klingt albern, ich weiß. Aber nur so merkst du, wie schnell du sonst bist. Es ist wie das Anzeichnen vor dem Sägen – es zwingt zur Genauigkeit. Kauen, bis der Bissen seine ursprüngliche Form fast verloren hat, ist das Ziel.

4. Das 80-%-Prinzip: Satt sein, nicht vollgestopft
In Japan gibt es dafür einen Spruch, „hara hachi bu“, was so viel bedeutet wie „Iss nur, bis dein Magen zu 80 Prozent voll ist“. Das ist eine alte Weisheit, die wir völlig verlernt haben. Das Ziel ist nicht, pappsatt und unbeweglich vom Tisch zu wanken. Das Ziel ist, angenehm gesättigt zu sein. Wie fühlt sich das an? Es ist der Moment, in dem der erste Heißhunger weg ist und du denkst: „Ach, ein kleiner Nachschlag ginge noch…“ – und GENAU DANN hörst du auf. Du bist satt, aber nicht voll. Du könntest danach noch locker einen Spaziergang machen, ohne zu stöhnen. Das ist der Sweet Spot.

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Praktische Lösungen für den chaotischen Alltag

„Dafür habe ich doch keine Zeit!“ – höre ich schon die Einwände. Das ist, ehrlich gesagt, eine Ausrede. Es geht nicht um Stunden. Es geht um 15 konzentrierte Minuten. Und die hat jeder.

Wenn es der Schreibtisch sein muss…
Manchmal geht es nicht anders. Aber auch eine Schreibtisch-Mahlzeit kann man mit Würde einnehmen. Schieb die Tastatur zur Seite. Leg eine Serviette hin. Richte dein Essen auf einem echten Teller an, nicht aus der Plastikschale, die du für 8,50 € beim Imbiss geholt hast. Klapp für diese 15 Minuten den Laptop zu oder dreh den Monitor weg. Der Unterschied in deiner Konzentration am Nachmittag wird gewaltig sein, versprochen.

Und was sagen die Kollegen oder die Familie?
Das ist ein wichtiger Punkt. Vielleicht erntest du am Anfang komische Blicke. Steh einfach dazu. Sag mit einem Lächeln: „Ich probiere mal aus, mein Essen wirklich zu genießen, statt es nur runterzuschlingen.“ Meistens führt das zu interessanten Gesprächen. Und bei der Familie? Führt eine Regel ein: Eine Mahlzeit am Tag ist bildschirmfrei. Am Anfang gibt’s vielleicht Protest, aber Kinder lernen am Vorbild. Wenn sie sehen, dass du das Essen zelebrierst, färbt das ab.

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Kleiner Tipp zum Sparen: Bewusstes Essen heißt nicht, dass du jetzt nur noch im Bioladen für 150 € die Woche einkaufen musst. Im Gegenteil! Eine ehrliche Kartoffelsuppe, mit Zutaten für vielleicht 5 Euro und mit Hingabe gekocht, ist für deinen Körper wertvoller als ein teures Steak, das du in Eile verschlingst. Du wirst auch merken, dass du weniger brauchst, um satt zu werden. Das spart am Ende locker 20-30 € im Monat an unnötigen Snacks und zu großen Portionen.

Für Fortgeschrittene: Die Meisterklasse des Genießens

Wenn die Grundlagen sitzen, kannst du noch einen Schritt weitergehen. Ein guter Handwerker hört schließlich nie auf zu lernen.

Das Ess-Tagebuch (die einfache Version)
Führe mal für eine Woche ein simples Notizbuch. Notiere nicht Kalorien, sondern Gefühle. Ein Eintrag könnte so aussehen:

  • Vor dem Essen: Magen knurrt, echter Hunger. Fühle mich etwas gestresst vom Vormittag.
  • Nach dem Essen (ca. 1 Stunde später): Angenehm satt, nicht voll. Der Stress ist weg. Fühle mich klar und bereit für den Nachmittag.

Dieses Protokoll ist wie eine Fehleranalyse am Werkstück. Du lernst die Reaktionen deines Körpers auf bestimmte Lebensmittel und Essgewohnheiten kennen. Das ist wertvoller als jeder allgemeine Ernährungsplan.

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Typische Anfängerfehler – und wie du sie vermeidest
Gerade am Anfang verfällt man schnell in alte Muster. Ganz normal. Hier ein paar Tricks:

  • Problem: Ich vergesse es immer wieder!
    Lösung: Schaffe dir eine visuelle Erinnerung. Leg deinen Löffel quer über den Teller, bevor du anfängst. Das durchbricht die Automatik. Oder kleb dir einen Zettel an den Monitor: „WERKZEUG ABLEGEN!“
  • Problem: Ich habe emotionalen Hunger (aus Stress/Langeweile).
    Lösung: Der 5-Minuten-Stopp. Wenn der Drang kommt, stell einen Wecker auf fünf Minuten. Frag dich in dieser Zeit: „Was fühle ich wirklich?“ Oft ist der Impuls danach weg. Wenn nicht, iss bewusst eine Kleinigkeit, aber im Sitzen und von einem Teller.

Ein wichtiges Wort zum Schluss

Bei allem, was ich hier erzähle, ist mir eines wichtig: Ich bin Handwerksmeister, kein Arzt. Meine Ratschläge stammen aus Lebenserfahrung und sind für gesunde Menschen gedacht, die ihre Lebensqualität verbessern wollen. Wenn du an einer ernsthaften Krankheit oder einer Essstörung leidest, brauchst du professionelle Hilfe von einem Facharzt. Das hier kann unterstützen, aber niemals eine Therapie ersetzen.

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Achtung, eine ganz reale Gefahr gibt es noch: Verschlucken. Ich hab’s in der Kantine oft genug gesehen. Hektisches Essen, dabei reden und lachen – und plötzlich bekommt jemand keine Luft mehr. Langsames Kauen ist die beste Versicherung dagegen. Allein das sollte Grund genug sein.

Am Ende ist es ganz einfach. So wie jedes gute Werkstück Zeit und Sorgfalt braucht, so braucht sie auch unser Körper. Die Mahlzeit ist nicht die lästige Unterbrechung des Tages – sie ist das Fundament. Behandle sie mit der Sorgfalt eines Meisters, dann wirst du mit Kraft und Zufriedenheit belohnt. In diesem Sinne: Guten Appetit.

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Aber wie soll das im stressigen Alltag funktionieren?

Betrachten Sie Ihre Mittagspause nicht als verlorene Zeit, sondern als das wichtigste Werkzeug-Schärfen des Tages. Ein Handwerker, der mit einer stumpfen Säge arbeitet, braucht mehr Kraft und macht mehr Fehler. Genauso ist es mit Ihrem Kopf. Eine echte, bildschirmfreie Pause von nur 15 bis 20 Minuten ist keine Unterbrechung, sondern ein strategischer Reset. Sie investieren in einen klareren, leistungsfähigeren Nachmittag. Es geht nicht darum, Zeit zu finden, sondern sie sich bewusst zu nehmen – als Investition in die Qualität Ihrer restlichen Arbeit.


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Laut einer Studie der University of Birmingham neigen Menschen, die abgelenkt essen, dazu, bei der nächsten Mahlzeit deutlich mehr zu sich zu nehmen.

Das Gehirn registriert die Mahlzeit schlichtweg nicht als vollwertig, wenn es mit E-Mails, Nachrichten oder Social Media beschäftigt ist. Es ist, als würde man versuchen, eine präzise Messung bei laufender Kreissäge durchzuführen – das Ergebnis kann nicht stimmen. Wer seinem Essen die volle Aufmerksamkeit schenkt, gibt dem Gehirn die Chance, das Sättigungsgefühl korrekt zu „vermessen“ und zu verarbeiten.

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Die Werkbank für Ihre Mahlzeit

Ein guter Handwerker arbeitet nie im Chaos. Übertragen Sie dieses Prinzip auf Ihr Essen. Anstatt am Schreibtisch zwischen Tastatur und Unterlagen zu essen, schaffen Sie sich eine saubere „Werkbank“:

  • Ein freier Platz: Ein aufgeräumter Tisch, frei von Ablenkungen.
  • Richtiges Werkzeug: Nutzen Sie einen Teller und Besteck, nicht nur die Verpackung.
  • Kein Lärm: Schalten Sie den Fernseher aus, legen Sie das Smartphone weg. Die einzigen Geräusche sollten die des Essens sein.
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Der Material-Check: Tankstellen-Snack vs. Handwerker-Stulle

Option A: Das Fertig-Sandwich. Meist labbriges Weißbrot, eine undefinierbare Sauce und Zutaten, die mehr auf Haltbarkeit als auf Nährwert getrimmt sind. Es füllt kurz den Magen, aber liefert kaum nachhaltige Energie – wie billiges Sperrholz, das schnell bricht.

Option B: Die gute, alte Stulle. Ein kräftiges Sauerteigbrot von „Zeit für Brot“, belegt mit einem würzigen Bergkäse, ein paar Scheiben Gurke und Tomate. Jeder Bestandteil hat Charakter und Qualität. Das Ergebnis: Langanhaltende Energie und echter Genuss.

Der vergessene Sinn: Schmecken ist nur ein Teil der Arbeit. Bevor Sie den ersten Bissen nehmen, riechen Sie bewusst an Ihrem Essen. Ein guter Apfel duftet, ein frisches Brot hat ein unverwechselbares Aroma. Dieser Schritt signalisiert dem Gehirn „Achtung, jetzt kommt Gutes!“ und startet die Produktion von Verdauungsenzymen, noch bevor etwas im Mund gelandet ist. Ein einfacher Trick, der die gesamte Mahlzeit wertvoller macht.

Mareike Brenner

Mareike ist 1991 in Bonn geboren und hat ihr Diplom in der Fachrichtung Journalistik an der TU Dortmund erworben. Sie hat einen Hintergrund im Bereich Design, da sie an der HAW Hamburg Illustration studiert hat. Mareike hat aber einen Sprung in die Welt des Journalismus gemacht, weil sie schon immer eine Leidenschaft für kreatives Schreiben hatte. Derzeit ist sie in der Redaktion von Freshideen tätig und schreibt gern Berichte über Schönheitstrends, Mode und Unterhaltung. Sie kennt übrigens alle Diäten und das Thema „Gesund abnehmen“ wird von ihr oft bevorzugt. In ihrer Freizeit kann man sie beim Kaffeetrinken mit Freunden antreffen oder sie bleibt zu Hause und zeichnet. Neulich hat sie eine neue Leidenschaft entdeckt, und das ist Online-Shopping.