Holunder verarbeiten wie ein Profi: Dein ehrlicher Guide für Saft, Sirup & Co.

von Angela Schmidt
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Seit ich denken kann, steht hinter meiner Werkstatt ein alter Holunderbusch. Er ist für mich mehr als nur eine Pflanze – er ist ein lebendiger Kalender. Seine weißen Blütendolden im späten Frühling sind das Versprechen des Sommers. Und wenn im Spätsommer die schweren, schwarzen Beeren die Äste nach unten ziehen, weiß ich: Der Herbst klopft an.

Über die Jahre habe ich gelernt, Materialien zu respektieren. Holz, Metall, Stein … sie alle haben ihre Eigenheiten. Und der Holunder? Der ist da nicht anders. Er ist unglaublich großzügig, aber er verlangt nach Wissen und Sorgfalt. Falsch behandelt, kann er, ehrlich gesagt, ziemlich unangenehm werden. Richtig verarbeitet, ist er aber ein echter Schatz für die Küche und die Hausapotheke.

Viele denken bei Holunder nur an Saft. Aber da steckt so viel mehr drin! In diesem Guide teile ich mein gesammeltes Wissen mit dir. Das hier ist kein schnell hingeschriebener Blogartikel, sondern die Essenz aus unzähligen Versuchen, Erfolgen und auch ein paar Pannen. Ich zeige dir, wie du den Holunder sicher erkennst, ihn erntest, ohne dem Strauch zu schaden, und wie du seine Gaben sicher und lecker verarbeitest. Direkt, ehrlich und ohne Schnickschnack.

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Teil 1: Sicher ist sicher – Den echten Holunder erkennen

Das Wichtigste zuerst: Du musst dir zu 100 % sicher sein, dass du den Schwarzen Holunder (Sambucus nigra) vor dir hast. Eine Verwechslung ist kein Spaß und kann im schlimmsten Fall gefährlich werden. Bevor wir also an Töpfe und Flaschen denken, schauen wir uns die Pflanze ganz genau an.

Der gute alte Schwarze Holunder

Der Schwarze Holunder ist ein Strauch, der auch zu einem kleinen Baum heranwachsen kann und dabei locker sechs bis sieben Meter Höhe erreicht. Sein Holz ist ziemlich weich und hat innen ein ganz markantes, weißes Mark. Typisch sind auch die Äste, die sich oft nach unten biegen, besonders wenn sie voller Beeren hängen.

  • Die Rinde: An jungen Trieben ist sie glatt und grün. Ältere Äste bekommen eine rissige, grau-braune Rinde mit kleinen, korkartigen Poren.
  • Die Blätter: Sie sind unpaarig gefiedert, was bedeutet, dass ein Blatt aus fünf bis sieben einzelnen, eiförmigen Blättchen mit einem scharf gesägten Rand besteht. Reib mal an einem Blatt – der Geruch ist sehr speziell, fast ein wenig streng. Ein gutes Zeichen!
  • Die Blüten: Im späten Frühling erscheinen die großen, flachen Blütenschirme, die wir Dolden nennen. Hunderte kleine, cremeweiße Blüten verströmen einen intensiven, süßen Duft. An einem warmen Tag riecht man den Holunder oft schon, bevor man ihn überhaupt sieht.
  • Die Beeren: Nach der Blüte werden die Früchte erst grün, dann rötlich und schließlich, im Spätsommer, glänzend schwarz-violett. Ganz wichtig: Die reifen Dolden hängen immer schwer nach unten. Merk dir das!
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Achtung, giftige Doppelgänger!

Ich kann es nicht oft genug sagen: Sicherheit geht vor. Nimm diese Warnungen bitte ernst.

Der gefährlichste Doppelgänger ist der Zwerg-Holunder, auch Attich genannt. Der entscheidende Unterschied: Er ist eine Staude, kein Strauch. Er wächst jedes Jahr neu aus dem Boden und wird nur etwa 1,5 Meter hoch. Seine Stängel sind krautig und gerillt. Das absolut wichtigste Erkennungsmerkmal: Seine schwarzen Beeren stehen in Dolden nach oben! Der Zwerg-Holunder ist komplett giftig.

Dann gibt es noch den Roten Holunder. Den findet man eher in Wäldern und höheren Lagen. Seine Blüten kommen früher im Jahr und wachsen in einer kegelförmigen Rispe, nicht in einer flachen Dolde. Seine Beeren sind leuchtend rot und roh ebenfalls giftig. Man kann sie zwar kochen, aber das Entfernen der Kerne ist eine Heidenarbeit. Für den Anfang: Finger weg!

Mein Rat: „Zweimal prüfen, einmal ernten.“ Im Zweifel lässt du die Pflanze lieber stehen.

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Gut zu wissen: Warum Holunder immer gekocht werden muss

Rohe Holunderbeeren, aber auch die Blätter und die Rinde, enthalten den Stoff Sambunigrin. Dieser kann im Körper Blausäure freisetzen, was zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfall führt. Keine Panik, das ist nicht tödlich, aber wirklich unangenehm.

Die gute Nachricht: Sambunigrin hasst Hitze. Sobald du die Beeren für ein paar Minuten auf über 80 Grad Celsius erhitzt, zerfällt der Stoff und wird unschädlich. Deshalb ist kaltgepresster roher Holundersaft eine ganz schlechte Idee. Das ist keine Meinung, sondern simple Chemie.

Teil 2: Die Ernte – Das richtige Timing und die richtige Technik

Der Kalender und das Wetter sind deine wichtigsten Werkzeuge bei der Ernte. Der perfekte Zeitpunkt entscheidet über den Geschmack.

Blüten ernten

Der beste Moment ist ein sonniger, trockener Vormittag, nachdem der Morgentau verdunstet ist. Dann sind die Blüten voller aromatischem Pollen. Ernte niemals nach Regen, der wäscht das ganze gute Zeug weg.

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Nimm eine scharfe Schere und schneide die kompletten Dolden mit einem kurzen Stiel ab. Leg sie vorsichtig in einen Korb oder eine Papiertüte – bloß keine Plastiktüte, darin schwitzen sie und werden braun. Schüttle die Dolden sanft aus, um kleine Käfer zu entfernen. Und ganz wichtig: Blüten niemals waschen! Du spülst sonst das ganze Aroma weg.

Beeren ernten

Hier ist Geduld gefragt. Warte, bis wirklich alle Beeren an einer Dolde tiefschwarz und prall sind. Wenn du eine Beere zerdrückst, sollte der Saft tiefrot sein. Die Erntezeit ist meist von Ende August bis Ende September.

Schneide wieder die ganzen Dolden ab. Zuhause kommt dann die meditative Arbeit: das Abrebeln. Am einfachsten geht das mit einer Gabel. Kämme die Beeren vorsichtig von den Stielen in eine große Schüssel. Entferne so viele grüne Stielchen wie möglich, denn die schmecken bitter. Plane dafür ruhig etwas Zeit ein, das ist nichts für fünf Minuten zwischendurch.

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Holunderblüten Rezepte – Gesundes aus der Natur!

Kleine Faustregel für die Planung: Aus einem vollen 10-Liter-Eimer mit Beerendolden kannst du am Ende mit etwa 3 bis 4 Litern reinem Saft rechnen. Das hilft ungemein, die Menge an Flaschen und Zucker abzuschätzen!

Und anders als die Blüten solltest du die abgerebelten Beeren kurz, aber gründlich in einem Sieb waschen, um Staub und feinen Schmutz zu entfernen. Das bisschen Wasser schadet hier nicht.

Teil 3: Ab in die Küche – Vom Saft zum Sirup

Jetzt wird’s spannend! Aber bevor wir loslegen, kommt der wichtigste Schritt für die Haltbarkeit, den viele vergessen.

Das A und O: Gläser und Flaschen sterilisieren

Die ganze Arbeit ist umsonst, wenn dir der Saft nach drei Wochen schimmelt. Sauberes Arbeiten ist alles! Es gibt zwei einfache Methoden:

  • Im Backofen: Spüle Flaschen und Gläser heiß aus und stelle sie (ohne Deckel) für 15 Minuten bei 130°C in den Backofen. Die Deckel kochst du separat in einem kleinen Topf mit Wasser für 5 Minuten aus.
  • Mit kochendem Wasser: Fülle die sauberen Flaschen und Gläser mit kochendem Wasser, lass es kurz stehen und gieß es dann aus. Oder koche alles für 10 Minuten in einem großen Topf komplett unter Wasser aus.

Fülle deine heißen Produkte immer in die noch heißen Gläser oder Flaschen. So verhinderst du, dass sie durch den Temperaturunterschied springen.

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Saft machen: Zwei Methoden im Vergleich

Welche Methode ist die richtige für dich? Das hängt von deiner Ausstattung und deiner Geduld ab.

Die Profi-Methode mit dem Dampfentsafter: Ganz ehrlich, wenn du öfter Obst verarbeitest, ist ein Dampfentsafter die beste Investition. Gute Modelle aus Edelstahl bekommst du für 50 bis 100 Euro, zum Beispiel bei Haushaltswarengeschäften oder online. Der Vorteil ist riesig: Er entsaftet und pasteurisiert in einem Rutsch. Der Saft, der aus dem Schlauch kommt, ist bereits heiß genug und kann direkt in die sterilen Flaschen. Das ist sauber, effizient und liefert einen wunderbar klaren Saft. Rechne mit 60 bis 90 Minuten für einen vollen Durchgang.

Die klassische Topf-und-Tuch-Methode: Das ist die kostenlose Alternative, wenn du keinen Entsafter hast. Sie funktioniert super, ist aber etwas aufwendiger und, seien wir ehrlich, eine größere Sauerei. Du kochst die Beeren mit ganz wenig Wasser in einem Topf weich (ca. 15-20 Min.) und gießt dann alles durch ein Sieb, das mit einem sauberen Tuch ausgelegt ist. Für klaren Saft lässt du ihn einfach abtropfen. Wenn du mehr Ausbeute willst und dich ein trüberer Saft nicht stört, kannst du das Tuch am Ende auspressen. Wichtig: Den so gewonnenen Saft musst du vor dem Abfüllen nochmal auf über 80 Grad erhitzen.

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Holunderblüten Rezept- die natürliche Grundlage für die gesunde und saisonale Küche

Der Klassiker: Holunderblütensirup selbst gemacht

Dieser Sirup ist der pure Sommer im Glas. Perfekt für Schorle, Sekt oder Desserts.

Deine Einkaufsliste für ca. 2 Liter Sirup:

  • 20-25 große Holunderblütendolden
  • 2 Liter Wasser
  • 2 kg Zucker (ca. 2-3 €)
  • 50 g Zitronensäure (in Pulverform, gibt’s im Supermarkt beim Backzubehör, ca. 1-2 €)
  • 2 Bio-Zitronen

So geht’s:

  1. Koche das Wasser auf, nimm den Topf vom Herd und löse Zucker und Zitronensäure darin komplett auf. Lass die Lösung abkühlen.
  2. Währenddessen die Blütendolden gut ausschütteln und die dicken grünen Stiele größtenteils abschneiden. Die Zitronen heiß abwaschen und in Scheiben schneiden.
  3. Blüten und Zitronenscheiben in ein großes Gefäß aus Glas oder Edelstahl geben.
  4. Die abgekühlte Zuckerlösung darübergießen, bis alles bedeckt ist.
  5. Mit einem Tuch abdecken und an einem kühlen, dunklen Ort 3 bis 5 Tage ziehen lassen. Einmal am Tag sanft umrühren.
  6. Den fertigen Sirup durch ein feines Sieb oder Tuch abseihen. Um ihn haltbar zu machen, kurz auf ca. 80 Grad erhitzen und sofort in sterile Flaschen füllen.

Die Zitronensäure ist übrigens nicht nur für den Geschmack da, sie ist auch ein natürliches Konservierungsmittel.

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Teil 4: Meister-Tipps & was tun, wenn’s schiefgeht?

Auch in der besten Werkstatt geht mal was daneben. Hier sind Lösungen für die häufigsten Pannen.

  • „Hilfe, mein Gelee wird nicht fest!“ Keine Sorge, das passiert. Holunder hat wenig eigenes Pektin. Rühre einfach etwas mehr Gelierzucker (passend zum Verhältnis) oder einen Löffel reine Zitronensäure unter, koche alles nochmal 3-4 Minuten sprudelnd auf und mache eine neue Gelierprobe.
  • „Auf meinem Sirup-Ansatz bildet sich Schimmel!“ Das ist ärgerlich, aber hier gibt es nur eine Lösung: Alles wegwerfen. Schimmelpilze bilden unsichtbare Fäden im gesamten Ansatz. Abschöpfen reicht nicht. Das passiert, wenn Blüten nicht komplett mit der Zuckerlösung bedeckt waren oder unsauber gearbeitet wurde. Nächstes Mal besser darauf achten!
  • „Nix verschwenden: Was tun mit dem Beeren-Trester?“ Der Rest, der im Dampfentsafter oder Tuch übrig bleibt, ist viel zu schade für die Tonne! Mische ihn unter deinen Kompost, er ist ein super Dünger. Oder, für die Ambitionierten: Streiche ihn dünn auf ein Backblech und trockne ihn bei niedriger Temperatur im Ofen zu leckerem Fruchtleder.
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Teil 5: Für Fortgeschrittene – Mehr als nur Saft

Wenn du die Grundlagen draufhast, geht die Welt des Holunders erst richtig auf.

Hollerküchle: Das ist die wohl einfachste und leckerste Art, die Blüten zu genießen. Rühre einen einfachen, dünnen Pfannkuchenteig an (Mehl, Ei, Milch, Prise Salz & Zucker). Tauche frische Dolden in den Teig und backe sie in heißem Öl goldbraun aus. Auf Küchenpapier abtropfen lassen, mit Puderzucker bestreuen und direkt vom Stiel knabbern.

Gelee & Konfitüre: Hier brauchst du Gelierzucker. Das Verhältnis ist Geschmackssache: 1:1 ist klassisch und sehr süß, 2:1 ist ein guter Kompromiss (mein Favorit), und 3:1 ist sehr fruchtig, aber nach dem Öffnen nicht so lange haltbar.

Kleiner Tipp für Experten: Setze doch mal einen Holunderlikör an. Mische einfach den fertigen, heißen Saft mit Zucker nach Geschmack und fülle ihn zur Hälfte in eine große Flasche. Die andere Hälfte füllst du mit klarem Alkohol wie Korn oder Wodka (mind. 38 % vol.) auf. An einem dunklen Ort ein paar Wochen ziehen lassen – fertig!

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Teil 6: Ein ehrliches Wort zur Gesundheit & Lagerung

Bei uns zu Hause galt heißer Holundersaft schon immer als das beste Mittel bei einer nahenden Erkältung. Die moderne Wissenschaft bestätigt heute, was die Volksheilkunde lange wusste: Die dunklen Farbstoffe (Anthocyane) sind starke Antioxidantien und können das Immunsystem unterstützen. Aber ich bin Handwerker, kein Arzt. Holunderprodukte sind eine wunderbare Unterstützung aus der Natur, ersetzen aber bei ernsthaften Krankheiten niemals den Arztbesuch.

So lagerst du deine Schätze richtig

Der Lohn der Arbeit will gut aufbewahrt werden! Ungeöffneter, heiß abgefüllter Saft oder Sirup hält sich an einem kühlen, dunklen Ort (wie im Keller) problemlos mindestens ein Jahr. Einmal geöffnet, gehört die Flasche aber unbedingt in den Kühlschrank und sollte innerhalb weniger Wochen aufgebraucht werden.

Mein Fazit

Der Holunder ist ein geduldiger Lehrer. Er lehrt uns genaues Hinsehen, Sorgfalt und belohnt uns mit einem Geschmack, den man nicht kaufen kann. Und mit dem unbezahlbaren Gefühl, etwas Wertvolles mit den eigenen Händen geschaffen zu haben.

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Ich hoffe, dieser Guide gibt dir die Sicherheit, es selbst zu probieren. Fang klein an, vielleicht mit ein paar Hollerküchle. Respektiere die Pflanze und ihre Regeln. Dann wird der Holunder auch für dich zu einem treuen und leckeren Begleiter durchs Jahr.

Angela Schmidt

Nach dem Abschluss meines Studiums für Journalismus an der Uni- München, arbeite ich freiberuflich für diverse Formate und Produktionen. Freshideen ist für mich ein gegenseitiges Langzeitprojekt, mit dem ich meinen Alltag viel schöner gestalte. Die Themen der Nachhaltigkeit und der Umwelt bewegen mich am meisten, aber auch die kreativen DIY Ideen finden Platz in meinem Herzen.