Jiaogulan: Dein kompletter Guide für Anbau & Pflege – auch ohne grünen Daumen
Ganz ehrlich? In meiner Zeit als Gärtner habe ich unzählige Pflanzen-Trends kommen und gehen sehen. Aber Jiaogulan, manchmal auch ehrfürchtig „Kraut der Unsterblichkeit“ genannt, ist einfach geblieben. Als ich das erste Mal auf diese unscheinbare Rankpflanze stieß, war ich skeptisch. Ein Kollege, ein echter Fuchs für asiatische Kräuter, drückte mir ein paar Triebe in die Hand und meinte nur: „Kümmer dich gut drum. Das Zeug hat’s in sich.“ Und er hatte so recht.
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Hinter dem zarten Grün von Gynostemma pentaphyllum – so der botanische Name – steckt eine unglaubliche Lebenskraft. Heute ist diese Pflanze ein fester Bestandteil in vielen Gärten, die ich betreue, und sie macht einfach nur Freude. Vorausgesetzt, man kennt ihre wenigen, aber wichtigen Bedürfnisse.
In diesem Guide packe ich alles aus, was ich über die Jahre gelernt habe. Kein trockenes Gärtner-Latein, sondern handfeste Tipps aus der Praxis für dich. Vom richtigen Topf über die perfekte Erde bis hin zur Ernte und den rechtlichen Dingen, die du unbedingt wissen solltest.

Erst mal verstehen: Was ist das für eine Pflanze?
Bevor wir die Hände in die Erde stecken, lass uns kurz klären, mit wem wir es hier zu tun haben. Jiaogulan gehört zur Familie der Kürbisgewächse. Ja, richtig gelesen! Das erklärt auch seine enorme Wuchskraft und warum es so gerne klettert. Ursprünglich kommt die Pflanze aus den Bergregionen Südchinas, wo sie in lichten, feuchten Wäldern wächst. Und genau dieses Wissen ist der Schlüssel für deinen Erfolg.
Das wichtigste Merkmal sind die Blätter. Der Name pentaphyllum bedeutet „fünfblättrig“, und das ist es auch schon: Jedes Blatt besteht aus fünf kleinen Fiederblättchen. Zerreib mal eines vorsichtig zwischen den Fingern – du wirst einen leichten, süßlich-herben Duft wahrnehmen, der ein bisschen an Lakritz erinnert. Ein super Erkennungszeichen!
Achtung, Verwechslungsgefahr! Jiaogulan vs. Wilder Wein
Immer wieder kommt die Frage: Kann ich das mit dem giftigen Wilden Wein verwechseln? Die Sorge ist berechtigt, denn auf den ersten Blick sehen sie sich ähnlich. Aber es gibt drei bombensichere Merkmale, mit denen du immer auf der sicheren Seite bist:

- Die Kletterhilfe: Das ist der einfachste Test! Jiaogulan bildet dünne, spiralförmige Ranken, mit denen er sich um Gitter oder Stäbe windet. Wilder Wein hingegen hat kleine Haftscheiben am Ende seiner Ranken, mit denen er sich wie mit Saugnäpfen an Mauern festsaugt. Ein Riesenunterschied!
- Die Blätter fühlen: Jiaogulan-Blätter sind weich und zart. Die Blätter des Wilden Weins fühlen sich viel fester, fast schon ledrig an. Im Herbst färbt sich Wilder Wein außerdem oft knallrot, während Jiaogulan bei Frost einfach welk wird.
- Die Blattanzahl: Jiaogulan hat so gut wie immer genau fünf Fiederblätter. Wilder Wein ist da unzuverlässiger und kann auch mal drei oder mehr haben. Verlass dich also lieber auf die Kletterhilfen und das Gefühl.
Wenn du deine Pflanze aus einer Gärtnerei oder einem seriösen Online-Shop beziehst, bist du sowieso sicher. Eine junge Pflanze bekommst du oft schon für 5 bis 10 Euro.
So klappt der Anbau: Die Profi-Anleitung für zu Hause
Jiaogulan ist wirklich dankbar, aber ein paar Dinge will er einfach haben. Wenn du die beachtest, wirst du mit üppigem Wachstum belohnt.

Der perfekte Standort: Halbschatten ist Trumpf
Denk an seine Heimat, den lichten Wald. Das bedeutet: Er liebt es hell, aber die pralle Mittagssonne im Hochsommer ist Gift für ihn. Die Blätter bekommen dann schnell „Sonnenbrand“, werden gelb und trocken. Ein Plätzchen an der Ost- oder Westseite des Hauses oder auf einem entsprechenden Balkon ist ideal. Unter einem lichten Baum fühlt er sich ebenfalls pudelwohl.
Hast du nur einen Südbalkon? Kein Problem. Stell ihn einfach so, dass er über die Mittagsstunden durch eine Markise oder eine größere Pflanze etwas Schatten abbekommt.
Die richtige Erde: Mein Gärtner-Geheimrezept (und die schnelle Alternative)
Das A und O ist die Erde. Sie muss Wasser gut speichern können, aber Staunässe ist der absolute Todfeind – die Wurzeln faulen blitzschnell weg. Gleichzeitig darf der Ballen nie komplett austrocknen. Klingt kompliziert? Ist es aber nicht.
Bevor es an die Erde geht: die Topfgröße! Starte mit einem Kübel, der mindestens 5 Liter fasst, das entspricht einem Durchmesser von etwa 20-25 cm. So hat die Pflanze genug Platz zum Wachsen. Wichtig: Immer eine Drainageschicht aus Kies oder Blähton unten rein!

Hier ist eine kleine Einkaufsliste für die perfekte Mischung:
- Gute Kübelpflanzenerde (ca. 50%): Die Basis für Nährstoffe und Struktur.
- Reifer Kompost (ca. 30%): Der natürliche Feuchtigkeitsspeicher und Dünger.
- Sand oder feiner Blähton (ca. 20%): Sorgt für lockeren Boden und verhindert Staunässe.
Kleiner Tipp für Faule: Keine Lust zu mischen? Kann ich verstehen. Nimm einfach eine hochwertige Kräutererde aus dem Baumarkt (kostet meist um die 5-8 Euro pro Sack) und mische eine gute Handvoll Sand unter. Das ist schon viel besser als nichts und für den Anfang absolut ausreichend!
Gießen und Düngen: Weniger ist oft mehr
Die goldene Regel ist der Fingertest. Steck deinen Finger etwa 2-3 cm tief in die Erde. Fühlt es sich trocken an? Dann gieß kräftig, bis unten Wasser rausläuft. Ist die Erde noch feucht? Dann warte lieber noch einen Tag. Staunässe im Untersetzer unbedingt vermeiden!
Von Frühling bis Spätsommer wächst Jiaogulan wie verrückt und hat Hunger. Alle zwei bis drei Wochen ein flüssiger Bio-Kräuterdünger im Gießwasser reicht völlig aus. Ab September ist dann Schluss mit Düngen, damit die Pflanze sich auf den Winter vorbereiten kann.

Wachstum und Schnitt: Gib ihm Halt!
Ohne Rankhilfe wächst Jiaogulan als Bodendecker. Kann auch schön sein! Besser ernten lässt er sich aber an einem Gitter oder Obelisken. Im ersten Jahr kannst du bei guter Pflege mit Trieben von 1-2 Metern Länge rechnen. Regelmäßiges Ernten der Triebspitzen (mehr dazu später) sorgt dafür, dass die Pflanze schön buschig wird. Im Herbst, nach dem Frost, stirbt der oberirdische Teil ab. Dann kannst du alles runterschneiden.
Die Überwinterung: Der kniffligste Teil
Jiaogulan gilt als winterhart bis ca. -15 °C, aber das ist ein Laborwert. Ein nasskalter Winter ist viel schlimmer als trockene Kälte. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Die sicherste Methode ist die Überwinterung im Topf.
Ganz ehrlich, meine erste im Freiland ausgepflanzte Pflanze habe ich an einen nassen Winter verloren. Seitdem schwöre ich auf die Topf-Methode: Stell den Topf an eine geschützte Hauswand, am besten auf eine Styroporplatte gegen die Kälte von unten. Wickle den Topf mit Jute oder Vlies ein. An frostfreien Tagen nur ganz wenig gießen, damit der Ballen nicht austrocknet. Noch sicherer ist ein kühler, heller Keller oder ein unbeheiztes Treppenhaus.

Hilfe, meine Pflanze schwächelt! Erste Hilfe für Gärtner
Keine Panik, wenn mal was nicht rund läuft. Das sind die zwei häufigsten Probleme und ihre Lösungen:
Problem 1: Die Blätter werden gelb. Das ist fast immer ein Zeichen für entweder zu viel direkte Sonne (siehe Standort) oder – und das ist häufiger – zu viel Wasser. Prüfe die Erde. Ist sie patschnass? Dann lass sie erst mal gut abtrocknen und gieße in Zukunft weniger.
Problem 2: Die Pflanze wächst kaum. Wenn sie an einem guten Standort steht, hat sie wahrscheinlich Hunger. Hast du sie seit dem Einpflanzen nicht gedüngt? Dann wird es Zeit für eine Dosis Flüssigdünger. Manchmal ist auch einfach der Topf zu klein geworden und die Wurzeln haben keinen Platz mehr.
Ernte und Verwendung: Der Lohn der Mühe
Das Beste kommt zum Schluss! Du kannst von Mai bis zum ersten Frost durchgehend ernten. Zupfe einfach die Triebspitzen ab. Das ist wie ein Haarschnitt für die Pflanze – sie treibt danach noch buschiger aus.

Die frischen Blätter schmecken super im Salat, in Smoothies oder einfach gehackt auf einem Butterbrot. Der Geschmack ist leicht süßlich und erfrischend.
Für einen Teevorrat kannst du die Blätter trocknen. Einfach kleine Sträuße binden und an einem luftigen, schattigen Ort aufhängen. Für eine Tasse Tee nimmst du etwa einen Teelöffel getrocknete Blätter (oder 5-6 frische) und übergießt sie mit heißem, nicht mehr kochendem Wasser (ca. 80 °C). Lass ihn 5-10 Minuten ziehen, je nachdem, wie kräftig du ihn magst.
Wichtiger Hinweis: Was du unbedingt wissen musst!
Jetzt wird’s ernst, aber das ist superwichtig. In der EU gibt es die sogenannte Novel-Food-Verordnung. Die besagt ganz einfach, dass Pflanzen, die hier nicht schon traditionell als Lebensmittel bekannt waren, eine spezielle Zulassung brauchen. Jiaogulan fällt darunter.
Das bedeutet: Offiziell darf Jiaogulan in der EU nicht als Lebensmittel (z.B. Tee) verkauft werden. Deshalb findest du ihn in Gärtnereien immer nur als „Zierpflanze“. Das ist keine Böswilligkeit der Händler, sondern Gesetz. Der Anbau für den Eigengebrauch ist davon aber nicht betroffen.

Außerdem gilt: Wenn du Vorerkrankungen hast, Medikamente (besonders Blutverdünner) nimmst, schwanger bist oder stillst, sprich bitte unbedingt mit deinem Arzt oder Apotheker, bevor du Jiaogulan verwendest. Sicherheit geht immer vor!
Ach ja, und was ist mit Schnecken? Gute Nachrichten! Aus meiner Erfahrung machen die allermeisten Schnecken einen großen Bogen um Jiaogulan. Ein echter Pluspunkt für jeden Garten!
Jiaogulan ist eine faszinierende Pflanze, die dich mit üppigem Grün belohnt. Mit diesen Tipps und dem nötigen Respekt wirst du garantiert viel Freude an deinem eigenen kleinen „Unsterblichkeitskraut“ haben.
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Hilfe, mein Jiaogulan bekommt gelbe Blätter! Was mache ich falsch?
Keine Panik, das ist meist kein Zeichen für eine Krankheit, sondern eher ein Hilferuf der Wurzeln. Die häufigste Ursache ist Staunässe. Jiaogulan mag zwar feuchte Erde, aber „nasse Füße“ führen schnell zu Wurzelfäule und gelben Blättern. Prüfen Sie mit dem Finger, ob die Erde tief im Topf noch nass ist, bevor Sie erneut gießen. Seltener kann es auch ein Nährstoffmangel sein. Ein Schuss organischer Flüssigdünger, wie der „COMPO BIO Obst- und Gemüsedünger“, alle vier Wochen in der Wachstumsphase wirkt hier Wunder.

Jiaogulan gilt als „Adaptogen“. Das bedeutet, die Pflanze enthält Wirkstoffe, die dem Körper helfen können, sich an emotionalen oder physischen Stress anzupassen und das innere Gleichgewicht zu fördern.
Dieser Begriff, der in den 1940er Jahren von sowjetischen Wissenschaftlern geprägt wurde, rückt das alte „Kraut der Unsterblichkeit“ in ein modernes Licht. Es geht nicht um ewiges Leben, sondern um tägliche Resilienz. Jiaogulan spielt damit in einer Liga mit anderen bekannten Adaptogenen wie Ginseng, Ashwagandha oder Rosenwurz.

Der richtige Topf: Terrakotta vs. Kunststoff
Terrakotta: Wunderschön und atmungsaktiv. Die poröse Struktur beugt Staunässe vor, lässt die Erde aber auch sehr schnell austrocknen. Für eine durstige Pflanze wie Jiaogulan bedeutet das im Sommer tägliches Gießen.
Kunststoff/Glasierte Keramik: Hält die Feuchtigkeit deutlich länger, was den Gießaufwand reduziert. Hier ist eine hochwertige Drainageschicht aus Blähton am Topfboden absolute Pflicht, um Wurzelfäule zu vermeiden. Für Balkongärtner sind Töpfe mit Wasserspeicher, z.B. von Lechuza, eine überlegenswerte Investition.

Die Ernte ist mehr als nur Blätterzupfen. Für eine buschige und ertragreiche Pflanze sollten Sie nicht einzelne Blätter, sondern ganze Triebspitzen mit einer Länge von 15-20 cm schneiden. Setzen Sie den Schnitt immer kurz über einem Blattansatz. Das regt die Pflanze an, sich an dieser Stelle zu verzweigen und zwei neue Triebe zu bilden. So ernten Sie nicht nur, Sie fördern aktiv ein dichteres Wachstum.

- Eine Pflanze wird im Handumdrehen zu einem Dutzend.
- Sie haben immer ein persönliches und gesundes Geschenk zur Hand.
- Junge Pflanzen können als Bodendecker unter größeren Kübelpflanzen dienen.
Das Geheimnis? Jiaogulan ist unglaublich vermehrungsfreudig. Schneiden Sie einfach einen gesunden, etwa 15 cm langen Trieb ab, entfernen Sie die untersten Blätter und stellen Sie ihn in ein Glas Wasser. Innerhalb von 10-14 Tagen bilden sich die ersten Wurzeln und Sie können Ihren neuen Schützling eintopfen.

Wichtiger Punkt: Die Überwinterung im Topf ist die größte Hürde. Während Jiaogulan im Freiland winterhart ist, friert der Wurzelballen in einem Kübel schnell durch. Wickeln Sie den Topf im Spätherbst dick in Jute oder Vlies ein und stellen Sie ihn auf eine Styroporplatte an eine geschützte Hauswand. Alternativ kann die Pflanze auch zurückgeschnitten an einem kühlen, hellen Ort im Haus überwintern, z.B. im Treppenhaus.

Sein Geschmack ist eine kleine Entdeckungsreise: Zuerst eine deutliche, lakritzartige Süße, die an Stevia erinnert, gefolgt von einer überraschend frischen, grünen Note, die fast an jungen Spinat oder Gurke gemahnt.
Geben Sie den Ranken eine Bühne! Statt sie einfach nur herunterhängen zu lassen, können Sie gestalterische Akzente setzen. Hier ein paar Ideen:
- Für den Balkon: Spannen Sie ein dezentes Jutenetz oder eine filigrane Rankhilfe aus Edelstahlseilen (z.B. von Carl Stahl) entlang des Geländers.
- Im Topf: Ein kleiner Obelisk aus Weiden- oder Bambusstäben, in die Erde gesteckt, wird schnell zu einem grünen Turm.
- Als Hängepflanze: In einer Makramee-Ampel gepflanzt, können die langen Triebe einen wunderschönen Vorhang aus Grün bilden.




