Indienreise planen? Mein ehrlicher Werkstatt-Guide für dein erstes Abenteuer

von Angela Schmidt
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Ich kann mich noch genau an das Gefühl meiner ersten Indienreise erinnern. Ich hatte mir alles in Büchern angelesen und dachte, ich wüsste Bescheid. Pustekuchen. Als ich damals aus dem Flughafengebäude in Delhi trat, hat mich die Realität einfach umgehauen. Die Gerüche, die Geräuschkulisse, diese unfassbare Menge an Menschen und Leben – ich war komplett überfordert.

Ganz ehrlich? An diesem Tag habe ich das Wichtigste gelernt: Indien kann man nicht theoretisch planen. Man muss es fühlen. Aber man braucht einen verdammt guten Plan, der trotzdem genug Luft für das Unerwartete lässt.

In meiner Werkstatt zeige ich Leuten, wie man ein solides Möbelstück baut. Man startet mit gutem Material und einer klaren Idee. Bei einer Indienreise ist das ganz genauso. Die schicken Hochglanzprospekte sind nur die polierte Oberfläche. Dieser Guide hier ist die Werkbank. Ich gebe dir die Werkzeuge an die Hand, mit denen du deine eigene, stabile und unvergessliche Reise zimmern kannst. Ohne Schnickschnack, dafür mit ehrlichen Tipps aus der Praxis.

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Das Fundament: Deine wichtigsten Entscheidungen vorab

Bevor du auch nur an Flüge oder Hotels denkst, müssen wir das Fundament gießen. Wer ohne grobe Richtung nach Indien fliegt, wird von den Ereignissen einfach überrollt. Das ist dann kein Abenteuer mehr, sondern purer Stress. Also, lass uns drei entscheidende Fragen klären.

Erste Frage: Nord oder Süd?

Vergiss die Vorstellung, Indien sei ein einziges Land. Es ist ein Kontinent. Der Norden und der Süden sind so verschieden wie Skandinavien und Süditalien. Der größte Fehler, den du machen kannst, ist zu versuchen, beides in eine kurze Reise von zwei oder drei Wochen zu quetschen. Das endet nur in endlosen, verlorenen Reisetagen.

Der Norden – Das historische Herz
Hier erwartet dich das, was viele als das „klassische“ Indien im Kopf haben. Mächtige Festungen in Rajasthan, die heilige Stadt Varanasi am Ganges, natürlich das Taj Mahal und das pulsierende, laute Chaos von Delhi. Die Geschichte der Moguln und Maharadschas ist an jeder Ecke spürbar. Die Landschaften sind oft trockener, die Kultur fühlt sich irgendwie… intensiver an.
Für wen ist das was? Perfekt für Geschichtsfans, Fotografen und alle, die den ultimativen, manchmal auch herausfordernden Kulturschock suchen.

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Der Süden – Die tropische Seele
Denk an sattgrüne Reisfelder, die stillen Backwaters in Kerala, gigantische Tempelanlagen in Tamil Nadu und die entspannten Strände von Goa. Das Leben läuft hier gefühlt einen Gang langsamer. Das Essen ist anders, oft noch einen Tick schärfer und stark von Kokosnuss geprägt.
Für wen ist das was? Ideal für Naturliebhaber, Yogis, Ayurveda-Interessierte und alle, die es etwas ruhiger angehen lassen wollen. Der Einstieg hier ist oft sanfter.

Mein Tipp für die erste Reise: Such dir EINE Region aus und tauche richtig ein. Weniger ist in Indien fast immer mehr.

Zweite Frage: Wann ist die beste Zeit?

Die Reisezeit ist absolut entscheidend. Das Klima wird grob von drei Jahreszeiten bestimmt, die sich aber regional stark unterscheiden.

  • Winter (Oktober bis März): Das ist die absolute Hauptsaison für die meisten Gegenden. Die Temperaturen sind super angenehm, es regnet kaum. Perfekt für Rajasthan, das Goldene Dreieck (Delhi, Agra, Jaipur), Goa und Kerala. Achtung: Im Himalaya liegt dann tiefster Winter, viele Pässe sind dicht.
  • Sommer (April bis Juni): Puh, jetzt wird es brutal heiß, besonders im Norden. Temperaturen über 40 Grad sind keine Seltenheit. Reisen ist dann extrem anstrengend. Die einzige Ausnahme sind die Bergregionen wie Himachal Pradesh oder Ladakh – dort fängt die Saison gerade erst an.
  • Monsun (Juni bis September): Heftige Regenfälle ziehen übers Land, es kann zu Überschwemmungen kommen. Reisen wird mühsam und unberechenbar. Es gibt aber zwei Ausnahmen: Ladakh im hohen Norden liegt im Regenschatten des Himalayas und hat dann seine beste Zeit. Und für eine Ayurveda-Kur in Kerala ist der Monsun perfekt, weil der Körper die Behandlungen dann angeblich besser aufnimmt.
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Dritte Frage: Wie viel Zeit (und Geld) hast du?

Die meisten unterschätzen die Reisedauer komplett. Eine Zugfahrt, die auf der Karte aussieht wie von Hamburg nach München, kann locker eine ganze Nacht dauern. Sei realistisch!

  • 2 Wochen: Reicht für einen ersten, guten Eindruck. Konzentrier dich auf eine kleine Region, zum Beispiel das Goldene Dreieck. Mehr ist Stress.
  • 3-4 Wochen: Das ist eine super Reisedauer. Du kannst eine Region wie Rajasthan oder Kerala intensiv erkunden und hast auch mal Puffer für unvorhergesehene Verspätungen oder um einfach mal einen Tag nichts zu tun.
  • 6 Wochen oder mehr: Jetzt wird’s richtig gut. Du kannst anfangen, Regionen zu kombinieren, zum Beispiel vom Norden in den Süden fliegen und hast genug Zeit, auch mal abseits der Hauptrouten zu schnuppern.

Und was kostet der Spaß? Eine grobe Hausnummer:

Das ist natürlich total individuell, aber als Orientierung hilft das vielleicht:

  • Sparfuchs-Budget: Mit ca. 25-35 € pro Tag kommst du gut durch. Du schläfst in einfachen Guesthouses oder Hostels (5-8 €), isst an Straßenständen (ein Thali für 1-2 €) und fährst Sleeper Class im Zug.
  • Goldene Mitte: Plane mit 50-70 € pro Tag. Dafür gibt’s saubere Doppelzimmer in schönen Mittelklassehotels (15-30 €), du isst in guten Restaurants und leistest dir auch mal eine klimatisierte Zugfahrt oder ein Taxi.
  • Komfort-Genießer: Ab 100 € pro Tag aufwärts ist alles möglich. Du übernachtest in charmanten Haveli-Hotels, nimmst dir öfter ein Auto mit Fahrer und gehst in schicken Restaurants essen.

Kleiner Tipp: Nimm für die erste Woche immer etwas mehr Budget mit, bis du ein Gefühl für die lokalen Preise bekommst.

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Die Werkzeugkiste: Deine konkrete Vorbereitung

Okay, das Fundament steht. Jetzt packen wir die Werkzeugkiste für unterwegs. Eine gute Vorbereitung erspart dir unterwegs eine Menge Kopfschmerzen.

Das Pflichtprogramm: Visa, Impfungen, Versicherung

Hier gibt es keine Kompromisse. Das sind die drei Säulen deiner Sicherheit.

  • Visum: Als deutscher Staatsbürger brauchst du ein Visum. Für Touristen gibt es das praktische e-Visa, das du online beantragen kannst. Kümmer dich mindestens vier Wochen vorher darum und nutze AUSSCHLIESSLICH die offizielle Website der indischen Regierung. Es gibt unzählige Abzocker-Seiten, die nur deine Daten und dein Geld wollen.
  • Impfungen: Das ist kein Thema für ein Internetforum. Geh mindestens zwei Monate vor Abflug zu einem Tropen- oder Reisemediziner. Der checkt deinen Impfpass und gibt dir die richtigen Empfehlungen. Hepatitis A, Typhus und Tetanus sind meist Standard, je nach Route kann aber mehr nötig sein.
  • Auslandskrankenversicherung: Absolut unverzichtbar. Wenn du in Indien ernsthaft krank wirst, können die Kosten explodieren. Ein medizinischer Rücktransport kostet ein Vermögen. Eine gute Versicherung kostet dich vielleicht 50-80 € für mehrere Wochen, aber sie kann dich im Notfall vor dem finanziellen Ruin bewahren. Achte unbedingt darauf, dass ein Krankenrücktransport mit abgedeckt ist!
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Die Packliste eines Profis: Weniger ist wirklich mehr

Dein Rucksack ist dein Zuhause. Alles, was du einpackst, musst du schleppen. Also, pack schlau!

Das muss unbedingt mit:

  • Deine Reiseapotheke: Sprich mit deinem Arzt! Standard sind ein gutes Mittel gegen Durchfall, Schmerztabletten, Desinfektionsspray, Pflaster und ganz wichtig: Elektrolytpulver, um bei Magenproblemen nicht auszutrocknen.
  • Wasserfilter: Ein kleiner, leichter Wasserfilter mit Hohlfasermembran oder Entkeimungstabletten sind Gold wert. So machst du Leitungswasser trinkbar, sparst Plastikmüll und Geld.
  • Dokumentenkopien: Pass, Visum, Versicherungsschein. Am besten einmal auf Papier und zusätzlich digital in einer Cloud (z.B. Dropbox oder Google Drive) speichern.
  • Dünner Schlafsack-Inlet: Aus Seide oder Baumwolle. In günstigen Unterkünften oder Nachtzügen wirst du ihn lieben.
  • Bequeme, feste Schuhe: Auch wenn du Flip-Flops magst, die Straßen sind oft uneben und alles andere als sauber.
  • Eine starke Powerbank: Stromausfälle gehören zum Alltag. Ein voller Handy-Akku ist ein Sicherheits-Plus.
  • Ohropax und Schlafmaske: Deine besten Freunde für laute Nächte im Zug oder hellhörige Hotelzimmer.

Und was du getrost zu Hause lassen kannst: Zu viel Kleidung (waschen lassen ist spottbillig), teuren Schmuck (zieht nur die falsche Aufmerksamkeit an) und die deutsche Vorstellung von Pünktlichkeit (der Zug kommt, wenn er kommt).

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Die Ausführung: Clever unterwegs in Indien

Jetzt bist du da. Der Plan steht, der Rucksack ist gepackt. Ab jetzt geht es darum, das Land wirklich zu erleben.

Die ersten 24 Stunden: So überlebst du die Ankunft

Der Moment, wenn du den Flughafen verlässt, kann überwältigend sein. Hier ein kleiner Fahrplan:

  1. Geld am Flughafen: Hol dir deine ersten Rupien an einem Geldautomaten IM Flughafengebäude. Die sind sicherer als die draußen. Heb erstmal nur einen mittleren Betrag ab.
  2. SIM-Karte: Hol dir direkt am Flughafen eine indische SIM-Karte. Die Stände von Airtel oder Jio sind meist gut sichtbar. Du brauchst deinen Pass, dein Visum und ein Passfoto. Es dauert manchmal ein paar Stunden, bis sie aktiviert ist, aber es lohnt sich.
  3. Ins Hotel kommen: IGNORIERE alle, die dich ansprechen und dir ein Taxi anbieten wollen. Suche den Schalter für „Prepaid Taxi“. Dort bezahlst du eine feste, faire Rate für die Fahrt zu deiner Adresse, bekommst einen Beleg und wirst einem Fahrer zugewiesen. Das ist der sicherste und stressfreiste Weg in die Stadt und kostet je nach Stadt und Entfernung vielleicht 5-10 €.
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Von A nach B: Das Abenteuer auf Schienen und Straßen

Zugfahren – Die Lebensader Indiens
Zugfahren ist die beste Art, lange Strecken zurückzulegen. Es ist günstig, sicher und ein Fenster in die Seele des Landes. Die Klassen sind wichtig:

  • Sleeper Class (SL): Das ist die einfachste Klasse mit Liegen. Offene Abteile, Gitter vor den Fenstern, Ventilatoren an der Decke und immer was los. Ein echtes Abenteuer und der beste Weg, um mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen. Für die erste Reise vielleicht etwas heftig, aber unvergesslich.
  • AC Classes (klimatisiert): 3AC, 2AC und 1AC. Das ist die komfortablere Variante. 3AC hat drei Liegen übereinander, 2AC nur zwei (mehr Platz) und 1AC sind verschließbare Abteile mit maximaler Privatsphäre. Für lange Nachtfahrten ist 3AC oder 2AC der perfekte Kompromiss aus Komfort und Preis.

Ganz wichtig: Die Buchung! Züge sind oft Wochen im Voraus ausgebucht. Die offizielle Bahn-Webseite ist für Ausländer anfangs eine Katastrophe, da man oft eine indische Handynummer braucht. Einfacher für den Start sind internationale Buchungsportale oder Apps, die eine kleine Gebühr verlangen, dir aber Stunden an Frust ersparen.

Auto mit Fahrer – Der flexible Luxus
Gerade für Routen wie in Rajasthan ist ein Auto mit Fahrer eine geniale Sache. Du bist total flexibel, kannst anhalten, wo du willst, und dein Fahrer ist oft auch ein halber Guide. Hol dir unbedingt Angebote von mehreren Agenturen ein und kläre ganz genau, was im Preis alles drin ist (Steuern, Maut, Unterkunft für den Fahrer etc.).

Kultur-Knigge & typische Touristenfallen

Ein bisschen Grundwissen hilft, Fettnäpfchen zu vermeiden und nicht über den Tisch gezogen zu werden.

Ein paar schnelle Kultur-Tipps:

  • Die linke Hand gilt als unrein. Iss oder überreiche Dinge immer mit der rechten Hand.
  • Richte niemals deine Fußsohlen auf Menschen oder Götterstatuen.
  • In Tempeln, Moscheen und an heiligen Orten gilt: Schuhe aus, Schultern und Knie bedecken. Ein großes Tuch im Rucksack ist dafür super.

Und sei wachsam bei diesen typischen Maschen:

  • „Dein Hotel ist abgebrannt/geschlossen“: Der Klassiker. Ein Tuk-Tuk-Fahrer oder ein „freundlicher Helfer“ erzählt dir das, um dich in ein Hotel zu bringen, wo er eine hohe Provision kassiert. Glaube es nicht. Bestehe darauf, zu deiner gebuchten Adresse gefahren zu werden.
  • Der überteuerte Tuk-Tuk-Fahrer: Immer den Preis VOR der Fahrt verhandeln. Und zwar für die ganze Gruppe, nicht pro Person. Oder, wo es sie gibt, eine der Taxi-Apps wie Uber oder Ola nutzen.
  • Falsche „Tourist Infos“: Offizielle Touristeninformationen sind staatlich und sehen auch so aus. Jeder kleine Laden, der sich so nennt, will dir nur überteuerte Touren verkaufen.

Ach ja, und das Wichtigste zum Schluss: Atme tief durch. Indien ist intensiv, manchmal anstrengend, aber immer faszinierend. Lass dich auf das Chaos ein, sei offen für die Menschen und plane Puffer-Tage ein, an denen einfach nichts auf dem Programm steht. Das sind oft die Tage, an denen die besten Abenteuer passieren.

Angela Schmidt

Nach dem Abschluss meines Studiums für Journalismus an der Uni- München, arbeite ich freiberuflich für diverse Formate und Produktionen. Freshideen ist für mich ein gegenseitiges Langzeitprojekt, mit dem ich meinen Alltag viel schöner gestalte. Die Themen der Nachhaltigkeit und der Umwelt bewegen mich am meisten, aber auch die kreativen DIY Ideen finden Platz in meinem Herzen.