Dein Businessplan fürs Handwerk: So baust du ein Fundament, das wirklich hält
Ich seh’s immer wieder bei den jungen Leuten, die frisch ihren Meister in der Tasche haben. Dieser stolze Moment, das Zertifikat in der Hand – und dann dieser Blick, als würden sie vor einer riesigen, unbezwingbaren Wand stehen. Der eigene Betrieb. Die Idee ist da, das Können sowieso, aber wie zum Teufel kriegt man das alles auf Papier? Einen Plan, der nicht nur für einen selbst, sondern auch für die Bank und die Ämter Hand und Fuß hat.
Inhaltsverzeichnis
- 1 1. Warum ein Plan mehr ist als nur Papier für die Bank
- 2 2. Jetzt geht’s ans Eingemachte: Dein Finanz-Fundament
- 3 3. Vorlagen: Gutes Werkzeug, aber kein Wundermittel
- 4 4. Dein Revier: Warum der Standort alles ändert
- 5 5. Typische Fehler, die du vermeiden solltest
- 6 6. Dein Plan ist ein lebendes Dokument
Ganz ehrlich? Ein Geschäftsplan ist kein lästiges Übel. Er ist das Fundament für deine Bude. Stell dir vor, du baust ein Haus. Du würdest doch auch nicht einfach anfangen, Ziegel aufeinanderzuschichten, oder? Du brauchst einen Bauplan, eine Statik, eine glasklare Vorstellung, wo jede Wand, jede Leitung und jedes Fenster hingehört. Genau das ist dein Businessplan. Wenn dieses Fundament Risse hat, wird das ganze Haus wackeln – egal, wie gut du dein Handwerk beherrschst.

Vergiss die hochtrabenden Ratgeber von Leuten, die noch nie eine Werkstatt von innen gesehen haben. Ich will dir hier aus der Praxis erzählen, worauf es wirklich ankommt. Als Handwerksmeister, nicht als Berater.
1. Warum ein Plan mehr ist als nur Papier für die Bank
Viele denken, den Geschäftsplan braucht man nur einmal: für den Gründungszuschuss vom Amt oder den Kredit bei der Hausbank. Ein riesiger Fehler. Der Plan ist in erster Linie für DICH. Er zwingt dich, deine Idee von allen Seiten zu beleuchten und knallhart ehrlich zu dir selbst zu sein.
Die eigentliche Arbeit ist das Denken, bevor du auch nur ein Wort schreibst. Stell dir die richtigen Fragen:
- Ist meine Idee wirklich tragfähig oder nur ein schöner Traum?
- Wer sind meine Kunden ganz genau und warum sollten sie ausgerechnet zu mir kommen?
- Was kostet mich der Laden jeden Monat, selbst wenn null Aufträge reinkommen?
- Wie viel muss am Monatsende übrig bleiben, damit ich meine Miete, mein Essen und meine Versicherungen bezahlen kann?
Diese Fragen klingen simpel, aber die Antworten sind es oft nicht. Ein guter Plan deckt die Schwachstellen auf, bevor sie dich echtes Geld kosten. Er ist deine Landkarte für die ersten, oft stürmischen Jahre. Ohne ihn fährst du im tiefsten Nebel.

Die wichtigste Regel im Geschäft: Liquidität ist alles
Im Handwerk arbeiten wir mit handfesten Dingen. Holz, Metall, Stein. Aber im Geschäft gibt es ein ganz eigenes Naturgesetz: das der Liquidität. Klingt kompliziert, ist aber einfach: Du musst jederzeit deine Rechnungen bezahlen können. Punkt.
Hier ein kleines Beispiel aus der Werkstatt, damit das sitzt: Du baust einen Schrank und verkaufst ihn für 1.000 € (das ist dein Umsatz). Das Holz hat dich 300 € gekostet, also hast du 700 € verdient (das ist dein Gewinn). Klingt super, oder? Aber der Kunde hat ein Zahlungsziel von 90 Tagen. Dein Kontostand ist also für die nächsten drei Monate exakt 0 €, obwohl du „Gewinn“ gemacht hast. Wenn in der Zeit der Lieferant für das Holz sein Geld will, bist du pleite. Das ist Liquidität – und die brutale Wahrheit.
Deshalb ist ein Liquiditätsplan das Herzstück deines Geschäftsplans. Hier listest du Monat für Monat auf, was reinkommt und was rausgeht. So siehst du frühzeitig, wenn ein Engpass droht, und kannst reagieren. Ohne diesen Plan merkst du das Loch erst, wenn du schon drinsteckst.

2. Jetzt geht’s ans Eingemachte: Dein Finanz-Fundament
Reden wir Tacheles. Der Textteil deines Plans ist wichtig, aber die Leute bei der Bank oder der Handwerkskammer schauen zuerst auf die Zahlen. Wenn die nicht stimmen, lesen sie den Rest gar nicht erst. Dein Finanzplan muss absolut wasserdicht sein. Und dazu gehört mehr als nur die laufenden Kosten.
Schritt 1: Was kostet der Start überhaupt? (Der Investitionsplan)
Noch bevor der erste Kunde anruft, musst du Geld in die Hand nehmen. Das ist der Kapitalbedarf. Eine realistische Liste könnte so aussehen:
- Fahrzeug: Ein gebrauchter, zuverlässiger Transporter ist oft die größte Investition. Plane hier mal realistisch zwischen 8.000 € und 15.000 €.
- Werkzeug & Maschinen: Je nach Gewerk kann das schnell teuer werden. Für eine solide Grundausstattung solltest du mindestens 3.000 € bis 7.000 € einplanen.
- Werkstattausstattung & Kaution: Miete, Kaution (oft 3 Monatsmieten!), vielleicht ein neuer Anstrich oder ein stabiler Werktisch. Das läppert sich.
- Büroausstattung: Ein einfacher Laptop, Drucker, vielleicht eine Buchhaltungssoftware (Abo-Kosten beachten, oft so 20-50 € im Monat).
- Erstes Marketing: Gestaltung von Visitenkarten und Flyern, eine einfache Webseite (kann man heute mit Baukästen für ca. 150-300 € im Jahr selbst machen).
- Puffer für die Durststrecke: GANZ WICHTIG! Plane unbedingt Geld ein, um die ersten 3 Monate deine laufenden Kosten und deinen Lohn zu decken, auch wenn keine Aufträge reinkommen. Das ist deine Überlebensversicherung.
Diese Summe ist die erste große Hürde. Sie entscheidet, wie viel Startkapital du wirklich brauchst.

Schritt 2: Wie viel verdienst du überhaupt? (Die Umsatzplanung)
Das ist die schwierigste Frage. Aber bitte nicht raten! Rechne es dir von unten nach oben aus. Hier ein Beispiel für einen Elektromeister:
- Verfügbare Stunden: Ein Jahr hat ca. 250 Arbeitstage. Zieh Urlaub (z.B. 30 Tage) und Krankheit (realistisch sind 10 Tage) ab. Bleiben 210 Tage.
- Produktive Stunden: An einem 8-Stunden-Tag kannst du keine 8 Stunden abrechnen. Du schreibst Angebote, holst Material, machst Buchhaltung. Seien wir ehrlich: 5-6 abrechenbare Stunden pro Tag sind schon gut. Nehmen wir 5.
- Die Rechnung: 210 Tage x 5 Stunden/Tag = 1.050 abrechenbare Stunden im Jahr.
- Dein Stundensatz: Was ist in deiner Region und deinem Gewerk üblich? Hör dich um, frag Kollegen. Nehmen wir mal 65 Euro an.
- Jahresumsatz: 1.050 Stunden x 65 Euro/Stunde = 68.250 Euro.
Das ist eine nachvollziehbare Zahl. Eine Fantasiezahl von 150.000 Euro im ersten Jahr glaubt dir niemand und bringt dich nur in Schwierigkeiten.

Schritt 3: Was geht jeden Monat weg? (Die gnadenlose Kostenplanung)
Hier wird am liebsten geschummelt, vor allem sich selbst gegenüber. Schreib alles auf, wirklich ALLES. Hier eine kleine Hilfestellung, damit du nichts vergisst:
Kosten für die Werkstatt & Betrieb
- Kaltmiete, Nebenkosten (Strom, Wasser, Heizung). Achtung: Der Strom für die Maschinen ist ein echter Posten!
- Werkzeug & Material: Budget für Wartung und Ersatz. Meine erste große Säge ging nach zwei Jahren kaputt. Das war eine Ausgabe, die weh tat. Plane sowas ein!
Kosten fürs Fahrzeug
- Leasingrate oder Abschreibung, Versicherung, Steuern, Sprit, Reparaturen. Rechne mit mindestens 500-800 Euro im Monat, das ist nicht übertrieben.
Bürokram, Abgaben & Versicherungen
- Telefon, Internet, Buchhaltungssoftware, Steuerberater (spar hier nicht am falschen Ende, ein guter spart dir mehr Geld, als er kostet).
- Betriebshaftpflicht (absolut unverzichtbar!), Inhaltsversicherung für die Werkstatt.
- Beiträge für Berufsgenossenschaft, Handwerkskammer/IHK. Die sind Pflicht!
Werbung & Marketing
- Webseite, Visitenkarten, vielleicht mal eine Anzeige im lokalen Käseblatt. Fang klein an, aber plane es ein.
Dein eigener Lohn

- Das vergessen die meisten! Du musst von etwas leben. Das ist ein Kostenpunkt für die Firma, kein „Was-übrig-bleibt“-Posten.
Kleiner Tipp für heute Abend: Nimm dir 15 Minuten Zeit, setz dich hin und rechne aus, was du privat JEDEN Monat zum Leben brauchst (Miete, Essen, Versicherungen, Auto, Freizeit). Das ist die absolute Untergrenze für deinen Unternehmerlohn. Diese Zahl brauchst du!
3. Vorlagen: Gutes Werkzeug, aber kein Wundermittel
Eine gute Vorlage ist wie eine Führungsschiene für die Handkreissäge: Sie hilft dir, einen geraden Schnitt zu machen. Aber sie nimmt dir die Arbeit nicht ab.
Worauf solltest du achten?
- Das Herzstück ist eine Excel-Tabelle: Ein Plan nur aus Text ist wertlos. Der Finanzteil muss eine verknüpfte Kalkulation sein. Änderst du eine Zahl beim Umsatz, muss sich der Rest automatisch anpassen.
- Sie stellt die richtigen Fragen: Statt leerer Felder hat sie Leitfragen, die dich zwingen, ins Detail zu gehen.
- Sie passt zum Handwerk: Eine Vorlage für ein IT-Startup ist für einen Maurer nutzlos. Gute Vorlagen fürs Handwerk findest du oft kostenlos auf den Seiten deiner lokalen Handwerkskammer oder bei den Förderbanken wie der KfW. Einfach mal googeln: „Geschäftsplan Vorlage Handwerkskammer [Deine Stadt]“.
- Sie ist schlicht und sachlich: Bunte Grafiken beeindrucken deinen Bankberater nicht. Er will Fakten und eine klare Struktur.
- Du kannst alles anpassen: Dein Plan muss deine persönliche Handschrift tragen. Es ist deine Geschichte, dein Projekt.
Und sei skeptisch, wenn dir jemand das Blaue vom Himmel verspricht. „Erfolgreich gründen in 24 Stunden“ ist Quatsch. Ein guter Plan braucht Zeit und reift wie ein gutes Stück Holz.
4. Dein Revier: Warum der Standort alles ändert
Ein Dachdecker in den Alpen hat andere Anforderungen als einer an der Nordseeküste. Das muss dein Geschäftsplan widerspiegeln.
Der lokale Markt und deine Konkurrenz
Deine Marktanalyse darf nicht allgemein sein. Analysiere deinen direkten Wettbewerb im Umkreis von 20-30 Kilometern. Wer sind die Platzhirsche? Wo gibt es eine Nische? Vielleicht spezialisierst du dich auf die Sanierung von Altbauten, während die anderen nur Neubau machen.
Kleine Anleitung zur Konkurrenz-Analyse:
- Google-Maps-Spionage: Wer taucht in deiner Umgebung auf, wenn du nach deinem Gewerk suchst? Schau dir die Webseiten an. Sind sie modern? Haben sie gute Bewertungen? Was bieten sie an?
- Der getarnte Anruf: Ruf bei zwei, drei Konkurrenten an und frage unverbindlich nach einem Angebot für ein kleines Projekt. Wie schnell reagieren sie? Wie freundlich sind sie am Telefon? Das verrät dir viel über deren Service.
- Die Baustellen-Beobachtung: Fahr durch dein zukünftiges Einsatzgebiet. Welche Firmennamen siehst du auf den Transportern und Schildern? Das ist Marktforschung auf Handwerker-Art: praktisch und direkt.
Diese Infos gehören in deinen Plan. Sie zeigen, dass du deinen Markt verstehst.
Die Besonderheiten deines Gewerks
Jedes Handwerk hat seine Eigenheiten. Ein Bäcker hat irre Energiekosten, ein Kfz-Mechatroniker braucht teure Diagnosegeräte und ein Installateur muss sich ständig mit neuen Normen auseinandersetzen. Beschreibe diese Besonderheiten. Das zeigt deine Fachkompetenz und schafft Vertrauen.
5. Typische Fehler, die du vermeiden solltest
Ich hab nicht nur meine eigenen Fehler gemacht, sondern auch die von vielen anderen gesehen. Hier die häufigsten Stolpersteine:
- Zu optimistische Planung: Ich habe noch keinen Gründer erlebt, dessen Plan im ersten Jahr 1:1 aufgegangen ist. Es kommt immer anders. Plane konservativ und rechne einen Puffer von 20% für Unvorhergesehenes ein.
- Steuern vergessen: Das Finanzamt ist dein stiller Teilhaber. Die Umsatzsteuer, die du einnimmst, ist nicht dein Geld! Leg sie sofort auf ein separates Konto. Sonst kommt am Jahresende das böse Erwachen.
- Selbstausbeutung: Viele Gründer zahlen sich am Anfang keinen Lohn aus. Das hältst du vielleicht ein paar Monate durch, aber dann bist du ausgebrannt. Dein Unternehmen muss so kalkuliert sein, dass es dir ein Leben ermöglicht.
- Alles allein machen wollen: Du bist Handwerker, kein Anwalt oder Steuerberater. Hol dir Hilfe. Die Gründungsberatung der Handwerkskammer ist oft kostenlos oder sehr günstig. Ein Meister weiß, wann er einen Spezialisten rufen muss.
6. Dein Plan ist ein lebendes Dokument
Noch was Wichtiges zum Schluss. Die Betriebshaftpflicht ist die wichtigste Versicherung überhaupt. Ohne die solltest du nicht mal einen Schraubenzieher in die Hand nehmen. Ein kleiner Fehler kann dich deine Existenz kosten.
Und wenn du gegründet hast? Dann gehört der Plan nicht in die Schublade. Hol ihn alle paar Monate wieder raus. Vergleiche die Planzahlen mit der Realität. Wo lagst du richtig, wo daneben? Warum? So wird der Plan zu deinem Cockpit, mit dem du deine Firma steuerst.
Der Schritt in die Selbstständigkeit ist riesig. Er braucht Mut, Fleiß und einen klaren Kopf. Der Geschäftsplan ist das perfekte Werkzeug, um diesen klaren Kopf zu bekommen und zu behalten. Nimm dir die Zeit, bau dein Fundament sorgfältig und ehrlich. Dann hast du die beste Chance, etwas aufzubauen, das wirklich Bestand hat.
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