70er-Jahre-Style für Männer: So rockst du den Look heute – ohne wie aus dem Kostümverleih auszusehen

von Mareike Brenner
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Wenn ich heute durch die Stadt schlendere, sehe ich immer öfter wieder Schlaghosen und Hemden mit wilden Mustern. Ehrlich gesagt? Ich find’s klasse! Es erinnert mich an meine Anfangszeit im Schneiderhandwerk. Die Siebziger waren eine unglaublich spannende Epoche für uns Profis. Wir haben mit Stoffen experimentiert, die es vorher so nicht gab, und Schnitte umgesetzt, die einfach alles auf den Kopf gestellt haben.

Viele denken bei der Herrenmode von damals nur an Disco-Kugeln und schrille Farben. Aber das ist nur ein kleiner Teil der Geschichte. Mode ist ja immer auch ein Ausdruck des Zeitgeistes, und damals lag ein echter Umbruch in der Luft. Man wollte sich von den steifen Regeln der Vergangenheit befreien. Kleidung wurde plötzlich zum Statement, zu einem Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Unsere Aufgabe im Atelier war es, diesen neuen Wünschen eine Form zu geben – mal eine Herausforderung, mal das pure Vergnügen.

In diesem Guide nehme ich dich mit in meine Werkstatt. Ich zeige dir, was den Stil wirklich ausgemacht hat: die Stoffe, die Schnitte und wie du das Ganze heute authentisch und cool auf die Straße bringst. Also, los geht’s!

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Das A und O: Die Stoffe, die eine Ära prägten

Die größte Revolution fand damals direkt im Stoffregal statt. Synthetikfasern waren plötzlich überall und machten Mode viel erschwinglicher und – das war das Zauberwort – pflegeleicht. Das hatte riesige Vorteile, aber auch ein paar Tücken, die man kennen sollte.

Polyester: Der unverwüstliche, aber tückische Alleskönner
Polyester war der unangefochtene Star. Anzüge und Hemden aus diesem Material waren unglaublich formstabil. Waschen, aufhängen, anziehen. Bügeln? War oft nicht nötig. Das war für viele Männer eine echte Erlösung. Darauf leuchteten die Farben auch viel intensiver, was die legendären Musterhemden erst möglich machte. Ein gutes Vintage-Hemd aus Polyester findest du heute auf Flohmärkten oder online oft schon für 15 € bis 40 €.

Aber, und das ist ein großes Aber: Das Zeug ist nicht atmungsaktiv. Im Sommer fühlt es sich schnell an, als würdest du eine schicke Plastiktüte tragen. Man schwitzt ordentlich. Und Achtung, kleiner Sicherheitshinweis aus der Praxis: Polyester ist leicht entflammbar und schmilzt bei Hitze. Also Vorsicht mit Zigaretten oder offenem Feuer – ein Funke kann ein fieses Loch ins Hemd brennen.

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Cord: Der gemütliche Stoff für Denker und Macher
Ganz anders war da der gute alte Cord. Cordhosen waren die Uniform der Studenten, Künstler und Intellektuellen. Sie strahlen einfach eine gewisse Lässigkeit und Gemütlichkeit aus. Es gab den feineren, weicheren Feincord und den robusteren Breitcord, meist in erdigen Farben wie Braun, Beige, Weinrot oder Dunkelgrün. Eine gut erhaltene Cord-Schlaghose aus der Zeit kostet heute so zwischen 25 € und 50 €.

Kleiner Profi-Tipp zur Pflege: Cord immer auf links waschen und nicht zu heiß bügeln, sonst werden die Rippen platt. Am besten bügelst du die Hose von der Rückseite, während sie noch leicht feucht ist, und legst ein Handtuch drunter. So bleibt die Struktur schön erhalten.

Denim: Die Jeans wird zum Freiheits-Symbol
Die Jeans war plötzlich mehr als nur eine Arbeitshose. Sie wurde zum Symbol für Rebellion und Freiheit. Besonders die Schlagjeans eroberte die Herzen. Als Schneider hatten wir damals Hochkonjunktur mit Reparaturen: kaputte Reißverschlüsse, aufgerissene Knie. Heute nennt man das Flicken „Visible Mending“ und es ist wieder total angesagt.

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Dein 70er-Jahre Starter-Kit: Mit diesen 3 Teilen liegst du immer richtig

Du willst den Look ausprobieren, aber nicht gleich dein ganzes Erspartes ausgeben oder wie auf dem Weg zu einer Mottoparty aussehen? Kein Problem. Aus meiner Erfahrung brauchst du eigentlich nur drei Schlüsselstücke, um den Vibe authentisch rüberzubringen:

  1. Ein gemustertes Hemd mit großem Kragen: Das ist das Herzstück. Ob Paisley, geometrisch oder floral – trau dich was! Die Kragenspitzen dürfen ruhig mal das Revers deines Sakkos berühren.
  2. Eine Hose mit leichtem Schlag: Es muss keine extreme Trompetenform sein. Eine gut sitzende Bootcut-Jeans oder eine Cordhose mit leicht ausgestelltem Bein reicht völlig aus, um die typische Silhouette zu erzeugen.
  3. Lederstiefeletten mit Blockabsatz: Die Schuhe machen den Look komplett. Chelsea Boots oder Stiefeletten mit einem kleinen, markanten Absatz sind die perfekte Wahl für den Alltag und passen zu Jeans und Stoffhosen.

Mit dieser Kombination hast du eine super Basis, die du mit modernen Teilen wie einem schlichten T-Shirt oder einer coolen Lederjacke mixen kannst.

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Die Looks im Detail: Von Disco-Fever bis Alltags-Chic

Natürlich gab es nicht den einen Stil. Je nach Anlass und Typ kleideten sich die Männer ganz unterschiedlich. Hier mal die drei großen Strömungen:

Der Disco-Look: Für die Könige der Tanzfläche

Klar, der weiße Anzug, das enge schwarze Hemd, weit aufgeknöpft, dazu Plateauschuhe. Dieser Look war reine Selbstdarstellung und für die Nacht gemacht. Die Anzüge waren meist aus glänzendem Polyester, die Hemden aus Satin. Das war aber wirklich nur was für den Club. Im Alltag wärst du damit aufgefallen wie ein bunter Hund.

Shopping-Liste für Mutige:

  • Weißer oder heller Anzug aus Polyester: (Vintage schwer zu finden, ca. 80–150 €)
  • Glänzendes Hemd mit Riesenkragen: (ca. 20–45 €)
  • Plateauschuhe: (Echte Vintage-Stücke sind selten, oft 50–100 €+)

Der Hippie- & Folk-Einfluss: Lässig, natürlich, unangepasst

Hier ging’s um das genaue Gegenteil: Naturverbundenheit und Protest. Weite Schlaghosen aus Jeans oder Cord, gebatikte T-Shirts, Tuniken, Wildlederjacken mit Fransen. Die Farben waren erdig: Braun, Ocker, Olivgrün.

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Ach ja, und hier kommt ein kleiner DIY-Trick direkt aus der Werkstatt von damals! Wenn du keine passende Schlaghose findest, kannst du sie dir selbst machen. Das haben wir ständig gemacht:

So machst du deine eigene Schlaghose: 1. Nimm eine Hose, die dir an Oberschenkel und Po gut passt. 2. Trenne die äußere Beinnaht vorsichtig vom Knöchel bis knapp unters Knie auf. 3. Schneide dir zwei dreieckige Stoffstücke zurecht. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt – anderer Jeansstoff, Cord, ein buntes Mustertuch … 4. Nähe diese Keile in die offenen Nähte ein. Am besten mit einer robusten Nähmaschine. Zack, fertig ist deine individuelle Schlaghose!

Der Alltags-Look: So sah die Mehrheit wirklich aus

Der Stil, den die meisten Männer tagtäglich trugen, war eine coole Mischung aus neuen Impulsen und Bequemlichkeit. Die Geburtsstunde des „Casual Looks“! Die Farben waren mutiger – Orange, Grün und Braun dominierten. Das war die Mode, die man im Büro und auf der Straße sah.

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Deine Einkaufsliste für den perfekten Alltags-Look:

  • Braune oder beige Cordhose: (ca. 25–50 €)
  • Gemustertes Hemd (Polyester-Mix) mit großem Kragen: (ca. 15–40 €)
  • Lederstiefelette mit kleinem Blockabsatz: (ca. 30–70 €)
  • Breiter Ledergürtel mit markanter Schnalle: (ca. 15–30 €)

Vintage-Jagd: So findest du echte Schätze (und vermeidest Fehlkäufe)

Authentische Stücke zu finden, ist eine kleine Schatzsuche. Die besten Chancen hast du in Second-Hand-Läden, auf Flohmärkten oder online. Schau mal auf Vinted, eBay Kleinanzeigen oder Etsy. Gib Suchbegriffe wie „70er Hemd Herren“, „Vintage Schlaghose Cord“ oder „Retro Sakko“ ein.

Wenig bekannter Trick zur Echtheitsprüfung: Schau dir die Details an! Originale haben oft noch die alten Marken-Etiketten, deren Schriftarten und Logos ganz anders aussahen. Ein super Indiz sind auch die Reißverschlüsse. Oft sind es robuste Metallreißverschlüsse von alten Marken wie Opti oder riri.

Bevor du kaufst, check das Teil aber genau. Halte Wollsachen gegen das Licht, um Mottenlöcher zu entdecken. Rieche daran – ein muffiger Kellergeruch geht manchmal nie wieder raus. Und plane eventuell ein paar Euro für die Änderungsschneiderei ein. Eine Hose zu kürzen oder ein Sakko zu taillieren, kann Wunder wirken und kostet meist nur 15–25 €.

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Dos & Don’ts: So trägst du den 70er-Stil heute

Damit der Look modern und nicht verkleidet wirkt, hier ein paar einfache Regeln:

  • DO: Setze auf ein starkes Statement-Teil. Kombiniere eine krasse 70er-Musterhose mit einem schlichten, modernen T-Shirt. Oder trage das auffällige Hemd zu einer gut sitzenden, dunklen Jeans.
  • DON’T: Vermeide den Komplett-Look von Kopf bis Fuß. Das Musterhemd zur Muster-Schlaghose und dazu noch das passende Sakko? Das ist super für die Bühne, aber im Alltag schnell zu viel des Guten.
  • DO: Achte auf die Silhouette. Ein Sakko mit breitem Revers sieht super aus, wenn der Rest des Outfits schlicht bleibt.
  • DON’T: Billige Polyester-Kopien aus dem Karnevalsshop kaufen. Investiere lieber in ein echtes Vintage-Teil oder eine hochwertige moderne Interpretation. Die Qualität spürt und sieht man.

Ein paar abschließende Gedanken…

Die Herrenmode der Siebziger war mutig, manchmal ein bisschen verrückt, aber vor allem ein Ausdruck von Freiheit. Sie hat die Regeln, was ein Mann tragen darf, für immer verändert. Die Experimente mit Farben, Schnitten und Materialien haben den Weg für die Lässigkeit geebnet, die wir heute in der Männermode für selbstverständlich halten.

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Wenn ich heute so ein altes Stück in der Hand halte, sehe ich mehr als nur Kleidung. Ich sehe eine Geschichte. Eine Geschichte über den Mut zur Veränderung und den Wunsch, zu zeigen, wer man ist. Und ganz ehrlich: Das ist ein Stil, der niemals aus der Mode kommt.

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Laut dem Magazin „American Fabrics and Fashions“ machten Schlaghosen 1973 bereits 75 % aller in den USA verkauften Hosen aus.

Diese Zahl zeigt, wie tiefgreifend der Wandel war. Die Schlaghose war kein Nischenprodukt mehr, sondern der Mainstream. Sie stand symbolisch für eine ganze Generation, die sich von den engen, geraden Schnitten der Elterngeneration lossagte. Das Tragen einer Schlaghose war ein kleines, alltägliches Statement für mehr Lässigkeit und eine neue, fließende Silhouette.

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Wie integriere ich den 70er-Look, ohne verkleidet auszusehen?

Die goldene Regel lautet: Konzentrieren Sie sich auf ein einziges, prägnantes 70er-Jahre-Teil und halten Sie den Rest modern und schlicht. Kombinieren Sie ein auffälliges Hemd mit geometrischem Muster zu einer gut sitzenden, modernen Chino oder einer dunklen Jeans. Oder tragen Sie eine klassische Schlaghose zu einem einfachen, weißen T-Shirt und cleanen Sneakern von Marken wie Veja oder Common Projects. Der Kontrast zwischen Vintage-Statement und zeitgenössischer Basis macht den Look authentisch und stilvoll.

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Cord: Der Stoff der Intellektuellen und Künstler. Eine Breitcordhose in Braun oder Beige strahlt eine lässige Eleganz aus und ist die perfekte, atmungsaktive Alternative zum Polyester-Anzug. Der Stoff ist weich, warm und entwickelt mit der Zeit eine einzigartige Patina.

Shearling (Lammfell): Der Inbegriff von coolem Luxus. Denken Sie an die legendären Mäntel und Jacken, oft in Wildlederoptik mit flauschigem Kragen. Ein solcher Mantel, zum Beispiel von Schott NYC, ist eine Investition, die jedem Winter-Outfit sofort Charakter verleiht.

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Das Accessoire, das alles verändert: Die richtige Sonnenbrille. Vergessen Sie dezente Fassungen. In den 70ern waren Brillen ein Statement. Denken Sie an große, getönte Pilotenbrillen wie die Carrera Champion oder quadratische Modelle mit dicken Rändern im Stil einer Vintage-Persol. Sie verleihen selbst einem einfachen Outfit sofort das richtige Flair und signalisieren Selbstbewusstsein, ohne dass der Rest überladen wirkt.

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  • Sie strecken die Silhouette optisch.
  • Sie lassen den Schlag der Hose perfekt fallen.
  • Sie verleihen dem Gang eine Prise Rock’n’Roll-Attitüde.

Das Geheimnis liegt im richtigen Schuhwerk. Flache Sneaker verschwinden oft unter dem weiten Saum einer Schlaghose. Setzen Sie stattdessen auf Schuhe mit etwas Absatz: Chelsea Boots mit Blockabsatz, derbe Plateauschuhe oder sogar Stiefel im Western-Stil sind die authentische Wahl. Marken wie Frye oder vintage Florsheim sind hier eine Goldgrube für Originale.

Die Farbpalette der 70er war erdig und warm, weit entfernt von den Neonfarben der 80er. Um den Look authentisch zu gestalten, setzen Sie auf diese Töne:

  • Senfgelb: Nicht grell, sondern satt. Perfekt für Rollkragenpullover oder Akzente.
  • Avocadogrün: Oft in Kombination mit Braun- und Orangetönen, besonders bei Hemdenmustern.
  • Gebranntes Orange: Die Signalfarbe des Jahrzehnts. Eine Cordhose oder eine Lederjacke in diesem Ton ist ein mutiger Hingucker.
  • Schokoladenbraun: Der ruhige Basiston, der die schrilleren Farben erdet.
Mareike Brenner

Mareike ist 1991 in Bonn geboren und hat ihr Diplom in der Fachrichtung Journalistik an der TU Dortmund erworben. Sie hat einen Hintergrund im Bereich Design, da sie an der HAW Hamburg Illustration studiert hat. Mareike hat aber einen Sprung in die Welt des Journalismus gemacht, weil sie schon immer eine Leidenschaft für kreatives Schreiben hatte. Derzeit ist sie in der Redaktion von Freshideen tätig und schreibt gern Berichte über Schönheitstrends, Mode und Unterhaltung. Sie kennt übrigens alle Diäten und das Thema „Gesund abnehmen“ wird von ihr oft bevorzugt. In ihrer Freizeit kann man sie beim Kaffeetrinken mit Freunden antreffen oder sie bleibt zu Hause und zeichnet. Neulich hat sie eine neue Leidenschaft entdeckt, und das ist Online-Shopping.