Johanniskraut: Dein kompletter Guide für Öl, Tee & Co. – Sicher und einfach selbst gemacht
Ich bin praktisch mit Johanniskraut aufgewachsen. Bei uns zu Hause war es einfach immer da, dieses leuchtend gelbe Kraut, das die sonnigen Hänge erobert hat. In meiner Familie hieß es immer, es fängt das Licht der Sommersonnenwende ein, um es uns in der dunklen Jahreszeit zurückzugeben. Eine wunderschöne Vorstellung, oder? Und ehrlich gesagt, steckt da auch eine Menge Wahrheit drin.
Inhaltsverzeichnis
- 0.1 Schritt 1: Das Echte Johanniskraut finden (und nicht verwechseln!)
- 0.2 Schritt 2: Richtig ernten und vorbereiten
- 0.3 Schritt 3: Das berühmte Rotöl herstellen – Dein Helfer für die Haut
- 0.4 Schritt 4: Tee & Tinktur – Die Kraft für innen
- 0.5 DIY oder Kaufen? Wann lohnt sich was?
- 0.6 DAS WICHTIGSTE: Risiken und Wechselwirkungen – Bitte lies das!
- 0.7 Dein Vorrat für den Winter: Richtig trocknen und lagern
- 0.8 Ein letztes Wort
- 1 Bildergalerie
Heute, nach vielen Jahren, in denen ich mich mit Heilpflanzen beschäftige, weiß ich: Johanniskraut ist ein echtes Kraftpaket. Aber – und das ist mir super wichtig – es ist kein Wundermittel für alles und jeden. Es hat klar definierte Stärken, aber eben auch Risiken, die man kennen MUSS. Es geht darum, dieses Geschenk der Natur mit Verstand und Respekt zu nutzen. In diesem Guide zeige ich dir alles, was du wissen musst: vom sicheren Erkennen über die Verarbeitung bis zur verantwortungsvollen Anwendung. So, als würden wir gemütlich zusammensitzen und plaudern.

Schritt 1: Das Echte Johanniskraut finden (und nicht verwechseln!)
Bevor wir loslegen, müssen wir sicherstellen, dass wir die richtige Pflanze vor uns haben. Es gibt nämlich mehrere Arten der Gattung Hypericum, aber wir wollen nur eine: das Echte Johanniskraut, auch Tüpfel-Johanniskraut genannt. Und dieser Name ist schon der beste Hinweis.
Mit diesen drei Tests bist du auf der sicheren Seite:
- Der Blätter-Check: Pflück ein einzelnes Blatt und halte es gegen das Licht. Siehst du die unzähligen kleinen, hellen Pünktchen? Es sieht aus, als hätte jemand das Blatt mit einer Nadel perforiert. Das sind die kleinen Öldrüsen, die dem Kraut seinen botanischen Namen perforatum geben. Ohne diese „Löcher“ ist es nicht das, was wir suchen.
- Der Blüten-Check: Die Blüten leuchten goldgelb und haben fünf Blätter. Und jetzt kommt der magische Moment: Zerreib eine voll aufgeblühte Blüte zwischen deinen Fingern. Es tritt ein dunkelroter, fast violetter Saft aus – das ist das wertvolle Hypericin. Es fühlt sich wirklich an, als würde die Blüte „bluten“. Spätestens jetzt hast du Gewissheit.
- Der Stängel-Check: Fühle den Stängel. Er ist nicht rund, sondern hat zwei spürbare Längskanten. Wenn du ihn zwischen den Fingern rollst, merkst du das sofort. Die Pflanze selbst wird meist so zwischen 30 und 80 Zentimeter hoch.
Kleiner Quick-Win für Ungeduldige: Keine Zeit für die große Sammelaktion? Finde nur eine einzige Johanniskrautblüte, mach den Blütentest und schau dir an, wie der rote Saft austritt. Das ist die pure Magie der Pflanze in einem winzigen Moment!

Gibt es gefährliche Doppelgänger?
Gute Frage! Die beruhigende Antwort ist: In unseren Breitengraden gibt es keine giftigen Pflanzen, die dem Echten Johanniskraut zum Verwechseln ähnlich sehen. Es gibt andere Johanniskraut-Arten, die du vielleicht findest. Das Schlimmste, was hier passieren kann, ist, dass dein Öl oder Tee einfach nicht die gewünschte Wirkung hat, weil die Wirkstoffe fehlen. Die drei Checks von oben sind also dein Qualitäts- und Sicherheits-Siegel.
Schritt 2: Richtig ernten und vorbereiten
Der beste Zeitpunkt zum Sammeln ist traditionell rund um die Sommersonnenwende, wenn die Pflanze in voller Blüte steht und die Tage am längsten sind. Dann hat sie die meiste Power. Geh am besten an einem sonnigen Vormittag los, wenn der Tau schon getrocknet ist. Nasse Kräuter sind nämlich eine Einladung für Schimmel.
Achtung! Bitte sei nachhaltig. Schneide immer nur das obere Drittel der Pflanze ab – also die Blüten und oberen Blätter. Reiß niemals die ganze Pflanze raus! So kann sie weiterwachsen und du hast auch im nächsten Jahr noch Freude daran. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz unter Kräuterkennern: Nimm nur, was du brauchst, und schütze die Quelle.

Gut zu wissen – Frisch vs. Trocken: Für das Öl nehmen wir frisches Kraut, für Tee und Tinktur getrocknetes. Als Faustregel kannst du dir merken: Du brauchst etwa die dreifache Menge an frischem Kraut, um die gleiche Menge an getrocknetem zu erhalten.
Schritt 3: Das berühmte Rotöl herstellen – Dein Helfer für die Haut
Das Johanniskrautöl, oder auch Rotöl, ist ein Klassiker in der Hausapotheke. Es ist fantastisch bei leichten Verbrennungen, Sonnenbrand, Muskelverspannungen oder zur Narbenpflege. Die Herstellung ist echt einfach, braucht aber etwas Geduld.
Was du brauchst & was es kostet: – Frische Johanniskrautblüten und -knospen (kostenlos, wenn du sie selbst sammelst!) – Ein sauberes Schraubglas (ca. 500 ml, findest du für 2-3 € im Supermarkt oder bei Bauhaus) – Ein gutes, kaltgepresstes Öl. Ich liebe Bio-Olivenöl, weil es selbst schon pflegt. Rechne hier mit 8-15 € für einen halben Liter. Alternativ geht auch Sonnenblumen- oder Mandelöl. – Eine dunkle Flasche zur Aufbewahrung (ca. 3 € in der Apotheke oder online)

So geht’s Schritt für Schritt:
- Fülle dein Schraubglas locker zu etwa drei Vierteln mit den frischen Blüten und Knospen. Nicht stopfen!
- Gieße das Olivenöl darüber, bis wirklich alle Pflanzenteile gut bedeckt sind. Es darf nichts mehr herausschauen, sonst schimmelt es.
- Und jetzt kommt der wichtigste Tipp, den viele falsch machen: Verschließe das Glas in den ersten 3-5 Tagen NICHT luftdicht. Decke es nur mit einem Stück Stoff oder Gaze ab (mit einem Gummiband fixieren). So kann die Restfeuchte aus den frischen Blüten entweichen. Stell das Glas an einen warmen, sonnigen Platz.
- Ganz ehrlich? Mein allererstes Rotöl ist mir jämmerlich verschimmelt, weil ich zu ungeduldig war und den Deckel sofort fest zugedreht habe. Aus diesem Fehler habe ich gelernt!
- Nach den ersten Tagen kannst du den Deckel fest zuschrauben und das Glas für 4 bis 6 Wochen in der Sonne stehen lassen. Schüttle es jeden Tag einmal sanft durch. Du wirst sehen, wie das Öl langsam seine Farbe von grünlich zu einem tiefen Rubinrot ändert. Das ist die pure Magie des Sonnenlichts!
- Wenn das Öl tiefrot ist, seihst du es durch ein feines Sieb oder ein sauberes Tuch in deine dunkle Flasche ab. Drück die Blütenreste gut aus, da steckt noch viel Power drin! Beschriften, kühl und dunkel lagern – fertig. So hält es sich mindestens ein Jahr.
Was, wenn mein Öl nicht rot wird? Keine Panik. Manchmal braucht es einfach mehr Zeit oder einen sonnigeren Standort. Gib ihm noch ein oder zwei Wochen.

Wichtiger Hinweis: Das Öl macht die Haut lichtempfindlicher. Also nicht vor dem Sonnenbaden auftragen, sondern lieber danach oder die behandelten Stellen gut abdecken.
Schritt 4: Tee & Tinktur – Die Kraft für innen
Während das Öl äußerlich wirkt, sind Tee und Tinktur für das innere Wohlbefinden gedacht. Sie sind bekannt dafür, die Stimmung bei leichten Tiefs, nervöser Unruhe oder dem typischen Winterblues sanft aufzuhellen. Aber erwarte keine Wunder über Nacht. Die Wirkung baut sich langsam über mehrere Wochen auf.
Der Johanniskraut-Tee
Ein Tee ist die sanfteste Methode. Nimm 1-2 Teelöffel getrocknetes Kraut pro Tasse, übergieße es mit heißem, aber nicht mehr kochendem Wasser (ca. 80-90°C) und lass es zugedeckt exakt 10 Minuten ziehen. Nicht kürzer und nicht länger! Sonst wird er entweder zu schwach oder zu bitter durch die Gerbstoffe. Für eine spürbare Wirkung solltest du über 4-6 Wochen täglich 2-3 Tassen trinken.
Die Johanniskraut-Tinktur
Eine Tinktur ist ein Alkoholauszug und deutlich konzentrierter als Tee. Sie ist super, weil sie lange haltbar ist und sich gut dosieren lässt. Dafür brauchst du 100g getrocknetes Kraut und 500ml Alkohol (mind. 40%, z.B. Korn oder Wodka für ca. 10-15€). Gib beides in ein Schraubglas, verschließe es und lass es 2-4 Wochen an einem warmen, aber nicht sonnigen Ort ziehen. Täglich schütteln! Danach durch einen Kaffeefilter in eine dunkle Tropfflasche füllen. Übliche Dosis: 2-3 mal täglich 20-30 Tropfen in etwas Wasser.

DIY oder Kaufen? Wann lohnt sich was?
Das ist eine superwichtige Frage. Lass es uns mal aufdröseln:
- Das Öl: Selbst machen lohnt sich hier IMMER. Es ist einfach herzustellen, die Qualität ist unschlagbar und du weißt genau, was drin ist. Perfekt für die Hautpflege, bei kleinen Wehwehchen oder Verspannungen.
- Der Tee: Ideal für dich, wenn du eine sanfte, begleitende Unterstützung bei saisonalen Stimmungstiefs oder innerer Unruhe suchst. Er ist mehr ein wohltuendes Ritual. Gekaufte Tees aus der Apotheke sind eine gute Alternative, wenn du keine Zeit zum Sammeln hast.
- Die Tinktur & Kapseln: Wenn es um eine gezielte Behandlung einer leichten depressiven Verstimmung geht, würde ich ehrlich gesagt zu standardisierten Fertigpräparaten (Kapseln) aus der Apotheke raten. Warum? Weil sie eine garantierte und gleichbleibende Wirkstoffmenge enthalten. Das ist bei einer innerlichen Kur für die Psyche einfach sicherer und verlässlicher. Deine selbstgemachte Tinktur ist super für eine kürzere, weniger intensive Anwendung.
DAS WICHTIGSTE: Risiken und Wechselwirkungen – Bitte lies das!
Okay, jetzt wird’s ernst. Und diesen Abschnitt darfst du auf keinen Fall überspringen. Johanniskraut ist eine hochwirksame Arzneipflanze. Das bedeutet, sie hat nicht nur Wirkungen, sondern auch Nebenwirkungen und gefährliche Wechselwirkungen.

Das Hauptproblem: Johanniskraut kurbelt in der Leber ein System an, das für den Abbau von Medikamenten zuständig ist. Das führt dazu, dass viele andere Medikamente viel schneller abgebaut werden und dadurch ihre Wirkung verlieren. Das kann lebensgefährlich sein!
Nimm Johanniskraut NIEMALS innerlich (als Tee, Tinktur oder Kapsel) ohne Rücksprache mit deinem Arzt oder Apotheker, wenn du eines der folgenden Medikamente nimmst:
- Die Anti-Baby-Pille: Die verhütende Wirkung kann verloren gehen!
- Blutverdünner (z.B. Marcumar): Das Risiko für Thrombosen steigt.
- Immunsuppressiva (nach Organtransplantationen): Lebensgefahr durch Organabstoßung!
- Bestimmte Antidepressiva (SSRIs): Gefahr eines lebensbedrohlichen Serotonin-Syndroms.
- Medikamente gegen HIV/AIDS oder Krebs.
- Herzmedikamente.
Diese Liste ist nicht vollständig. Die goldene Regel lautet: Nimmst du IRGENDEIN Medikament regelmäßig ein, ist Johanniskraut für dich innerlich TABU, bis ein Profi grünes Licht gibt. Das ist nicht verhandelbar.
Dein Vorrat für den Winter: Richtig trocknen und lagern
Wenn du mehr gesammelt hast, als du für dein Öl brauchst, kannst du den Rest trocknen. Binde kleine, lockere Sträuße und hänge sie kopfüber an einen trockenen, luftigen und vor allem dunklen Ort. Ein Dachboden oder ein Heizungskeller sind super. Niemals in der Sonne trocknen, denn Licht zerstört die wertvollen Inhaltsstoffe! Nach 1-2 Wochen ist das Kraut trocken, wenn die Stängel brechen und die Blätter rascheln. Rebel die Blüten und Blätter dann ab und lagere sie in einem dunklen, luftdichten Glas. So hast du für ein Jahr einen wunderbaren Vorrat.

Ein letztes Wort
Johanniskraut ist eine faszinierende Pflanze und ein wahrer Segen für Haut und Seele. Aber sie ist kein Spielzeug. Die Natur gibt uns mächtige Werkzeuge, aber es liegt an uns, sie mit Wissen und Respekt zu nutzen. Fang klein an. Mach vielleicht erstmal nur ein Glas Rotöl und spüre seine Wirkung auf einer verspannten Schulter. Und wenn es um die innere Anwendung geht: Sei umsichtig und frag im Zweifel immer einen Experten. Dann wird dieses Sonnenkraut zu einem treuen Begleiter in deiner Hausapotheke.
Bildergalerie


Seinen Namen verdankt das Johanniskraut dem Johannistag am 24. Juni. Um die Sommersonnenwende herum steht die Pflanze in voller Blüte und erreicht ihre höchste Heilkraft – genau dann, wenn die Tage am längsten sind und das Licht am intensivsten ist.

Hilfe, mein selbst gemachtes Johanniskrautöl wird trüb! Was mache ich falsch?
Das ist ein Klassiker! Der häufigste Grund ist Restfeuchtigkeit in den Blüten. Um das zu vermeiden, lassen Sie die frisch gesammelten Blüten und Knospen für ein paar Stunden auf einem Tuch anwelken, bevor sie ins Glas kommen. So verdunstet der Morgentau und ein Teil des Wassers aus der Pflanze. Erst dann ins Öl geben! Für ein hochwertiges Rotöl eignet sich ein stabiles, natives Bio-Olivenöl besonders gut. Geduld ist hier der Schlüssel zu einem klaren, kräftigen Öl.

Die Kommission E, das wissenschaftliche Gremium für pflanzliche Arzneimittel in Deutschland, hat die innere Anwendung von Johanniskraut bei leichten bis mittelschweren depressiven Episoden offiziell anerkannt.
Diese Anerkennung unterstreicht die nachgewiesene Wirksamkeit der Pflanze. Die Hauptwirkstoffe, insbesondere Hyperforin, scheinen die Konzentration von Botenstoffen wie Serotonin und Dopamin im Gehirn zu regulieren. Genau deshalb ist aber auch Vorsicht geboten: Johanniskraut kann die Wirkung anderer Medikamente (z.B. die Pille oder Blutverdünner) stark beeinflussen. Eine Anwendung bei depressiven Verstimmungen gehört daher immer in Absprache mit einem Arzt oder einer Ärztin.
Der Tee: Ein Aufguss aus getrocknetem Johanniskraut ist die sanfteste Variante. Ideal für einen beruhigenden Moment am Abend oder zur leichten Stimmungsaufhellung. Die Wirkung ist mild und entfaltet sich über die Regelmäßigkeit.
Die Tinktur: Hier werden die Wirkstoffe mit hochprozentigem Alkohol (z.B. Weingeist oder Prima Sprit aus der Apotheke) extrahiert. Das Ergebnis ist ein hochkonzentrierter Auszug, der tropfenweise eingenommen wird und viel länger haltbar ist als Öl oder Tee.
Für den schnellen Genuss ist der Tee perfekt, für eine langlebige und potente Hausapotheke ist die Tinktur oft die bessere Wahl.



