Echte Qualität erkennt man mit den Händen: Ein Blick auf Frankens Handwerkskunst

von Adele Voß
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Man hat mich gebeten, etwas über Franken zu schreiben. Aber ich bin kein Reiseblogger. Ich bin Handwerker, ein Zimmermann, um genau zu sein. Seit einer gefühlten Ewigkeit arbeite ich mit Holz, Stein und Lehm. Mein Wissen stammt nicht aus Büchern, sondern aus der Praxis – aus sanierten Fachwerkhäusern in der Fränkischen Schweiz, gesicherten Dachstühlen in alten Städten und der Ausbildung von jungen Leuten, denen ich die alten Techniken beibringe. Das ist eine Welt, die man riechen und fühlen kann: der Duft von frischer Eiche und der Staub von altem Sandstein unter den Fingernägeln.

Heute wird das Wort „Qualität“ oft mit Luxus verwechselt. Ein schickes Hotel, ein teures Essen. Das ist ja auch alles schön und gut, aber es ist nur die Oberfläche. Echte, tiefgreifende Qualität, so wie sie mir von den alten Meistern beigebracht wurde, steckt woanders. Sie steckt im Material selbst, in Techniken, die über Generationen verfeinert wurden, und im Wissen, warum etwas genau so und nicht anders gemacht wird.

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Komm mit, ich zeige dir, wo du diese ehrliche, fränkische Qualität findest. Nicht nur im Wirtshaus, sondern in den Mauern der Häuser und in der Landschaft selbst.

1. Alles fängt im Boden an: Stein, Erde und Wein

Was uns die Steinbrüche lehren

Alles beginnt mit dem Fundament. In Franken ist das oft Sandstein. Aber Sandstein ist nicht gleich Sandstein. Wenn du durch Nürnberg, Bamberg oder Rothenburg schlenderst, siehst du ihn überall: den warmen, rötlichen Ton des Buntsandsteins oder den helleren, fast gelblichen Schilfsandstein. Als Handwerker muss ich den Stein lesen können. Ich muss wissen, wie er auf Feuchtigkeit reagiert, wie er altert und wie er bricht.

Die alten Steinmetze wussten das instinktiv. Sie kannten den Unterschied zwischen „Lagerfugen“ und „Stoßfugen“ – ein Grundprinzip, das heute oft ignoriert wird. Ein Stein muss immer so verbaut werden, wie er in der Erde gewachsen ist, quasi in seiner natürlichen Schichtung. Macht man das falsch, dringt Wasser ein, gefriert im Winter und sprengt den Stein von innen. Ich habe Fassaden gesehen, die nach 30 Jahren schlimmer aussahen als unberührte Mauern nach 300. Einfach, weil jemand dachte, er könnte die Natur überlisten.

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Kleiner Tipp für deinen nächsten Stadtbummel: Fass mal eine alte Sandsteinmauer an. Fühlt sie sich fest und ganz leicht sandig an? Perfekt. Fühlt sie sich aber weich und bröselig an, fast wie ein nasser Keks? Achtung! Dann wurde sie wahrscheinlich falsch behandelt. Ein häufiger Fehler ist die Reinigung mit dem Hochdruckreiniger. Das zerstört die natürliche Schutzschicht des Steins, die sogenannte Sinterhaut. Eine absolute Todsünde im Handwerk. So was zu reparieren ist eine mühsame Arbeit mit speziellem Steinergänzungsmörtel und wird nie wieder so gut wie das Original.

Vom Stein zum Wein: Der Geschmack des Bodens

Derselbe Boden, der uns die Baustoffe liefert, prägt auch den Geschmack dessen, was auf ihm wächst. Rund um Würzburg, in Unterfranken, sind das die Muschelkalkböden. Dieser Boden speichert die Sonnenwärme und verleiht dem Wein eine unverwechselbare mineralische Note. Der Silvaner, der hier zu Hause ist, schmeckt genau deshalb anders als überall sonst. Er ist kein lauter, aufdringlicher Wein. Er ist ehrlich, direkt und hat Charakter – ein bisschen wie die Menschen hier.

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Ein guter Winzer, ganz wie ein guter Handwerker, arbeitet mit dem, was die Natur ihm gibt. Er versteht den Boden, das Klima und die Rebe. Wenn du also einen fränkischen Wein trinkst, schmeckst du nicht nur Trauben, sondern auch den Muschelkalk, die Sonne und die Arbeit von Generationen. Das ist eine Qualität, die man nicht im Labor herstellen kann.

2. Das Skelett Frankens: Die geniale Logik des Fachwerks

Holz, das atmet und arbeitet

Das Fachwerkhaus ist für viele das Symbol Frankens. Für mich ist es ein offenes Lehrbuch für Statik und Holzbau. Die Basis ist fast immer Eichenholz. Eiche ist dank ihrer Gerbsäure unglaublich widerstandsfähig gegen Feuchtigkeit und Schädlinge. Selbst wenn ich eine uralte Eichenschwelle ausbaue, riecht das Kernholz immer noch frisch und würzig.

Traditionell wird das Holz im Winter gefällt, wenn der Baum „ruht“, und muss dann jahrelang an der Luft trocknen. Dabei verliert es langsam an Feuchtigkeit und wird unglaublich zäh und stabil. Heute wird Holz oft schnell in Kammern getrocknet. Das spart Zeit, aber das Holz wird spröde, es verliert seine Seele. Der Unterschied ist spürbar: Wenn ich mit dem Beil eine alte, luftgetrocknete Eiche bearbeite, dann „singt“ das Holz. Bei kammergetrocknetem Holz „schreit“ es eher.

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Verbindungen, die ganz ohne Metall auskommen

Das wirklich Geniale am Fachwerk ist die Konstruktion selbst. Hier gibt es keine Schrauben oder Metallwinkel. Alle Verbindungen sind aus Holz gefertigt: Zapfen greifen in Zapfenlöcher, Hölzer werden kunstvoll ineinander verkeilt (Verblattung) und mit Holznägeln gesichert.

Die Physik dahinter ist verblüffend einfach. Das ganze Haus ist ein elastisches System aus Druck und Zug. Die Balken arbeiten gegeneinander und stabilisieren sich so von selbst. Ein Fachwerkhaus ist nicht starr, es kann sich bewegen, es atmet mit den Jahreszeiten. Genau deshalb überdauern diese Häuser Jahrhunderte. Sie kämpfen nicht gegen die Natur, sondern arbeiten mit ihr.

Gefache: Die Füllung, die mehr kann

Zwischen den Balken befindet sich das Gefach. Früher wurde das oft mit einem Geflecht aus Weidenruten gefüllt und mit einem Gemisch aus Lehm, Stroh und Tierhaaren beworfen. Lehm ist ein fantastischer, aber leider unterschätzter Baustoff. Er ist diffusionsoffen, das heißt, er kann Feuchtigkeit aus der Raumluft aufnehmen und bei Bedarf wieder abgeben. Das sorgt für ein unglaublich gesundes Raumklima. Im Winter speichert er Wärme, im Sommer kühlt er. Besser als jede Klimaanlage!

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Achtung, teurer Fehler! Der größte anzunehmende Unfall bei einer Fachwerkhaussanierung ist die Verwendung moderner, dichter Materialien. Styropor-Dämmung, Zementputz oder Dispersionsfarben sind pures Gift für ein altes Haus. Das Fachwerk wird luftdicht eingepackt, die Feuchtigkeit gefangen, und die Eichenbalken, die Jahrhunderte überlebt haben, verrotten von innen heraus. Ich habe schon Tragbalken gesehen, die man mit der bloßen Hand zerbröseln konnte. So eine Sanierung im Nachhinein kostet ein Vermögen – wir reden hier schnell von 50.000 € und mehr, Genehmigungen vom Denkmalschutzamt nicht eingerechnet.

3. Woran erkennt man einen echten Profi?

Okay, wie findest du jetzt einen Handwerker, der so etwas richtig kann? Das ist gar nicht so einfach. Sei misstrauisch bei jedem, der behauptet, alles allein und am besten zu können.

Gutes Handwerk ist Teamarbeit und ehrliche Selbsteinschätzung. Hier sind ein paar Fragen, die du stellen solltest, um die Spreu vom Weizen zu trennen:

  • Frage nach Referenzen: „Können Sie mir Projekte an denkmalgeschützten Gebäuden zeigen?“
  • Teste das Materialwissen: „Welche Erfahrungen haben Sie mit Lehmputz oder Kalkfarben?“
  • Prüfe die Herangehensweise: „Wie planen Sie, die historische Bausubstanz zu erhalten?“

Ein guter Betrieb wird dir stolz seine Arbeiten zeigen und offen über die Herausforderungen sprechen. Oft lohnt auch ein Anruf bei der lokalen Handwerkskammer oder beim Landesamt für Denkmalpflege, die können meist spezialisierte Betriebe empfehlen.

4. Selber machen oder machen lassen? Wo Heimwerker an ihre Grenzen stoßen

Ich bin ein großer Fan von Eigenleistung, aber bei einem alten Haus muss man wissen, wo die Grenze ist. Sonst wird der Traum vom Eigenheim schnell zum finanziellen Albtraum.

Was du als ambitionierter Laie oft selbst machen kannst:

  • Alte Dielenböden abschleifen und mit Naturölen behandeln.
  • Innenwände mit Lehm- oder Kalkfarben streichen (gibt’s im gut sortierten Fachhandel).
  • Kleine Ausbesserungen am Lehmputz vornehmen.

Wo du UNBEDINGT die Finger von lassen solltest:

  • Alles, was die Statik betrifft: Balken austauschen, Wände entfernen – das ist ein Job für den Zimmermann und Statiker.
  • Die Außendämmung und Fassade: Hier entscheidet das richtige Material über Leben und Tod des Hauses.
  • Dacharbeiten: Von der Eindeckung bis zur Dämmung – ein undichtes oder falsch gedämmtes Dach kann das ganze Haus ruinieren.

Ganz ehrlich: Jeder Euro, den du hier in einen echten Fachmann investierst, sparst du später doppelt und dreifach bei der Vermeidung von Folgeschäden.

5. Ein Haus, eine Region, viele Gesichter

Ein Tourist sieht vielleicht nur „Franken“, aber ein Handwerker sieht die feinen, regionalen Unterschiede. Die zeigen sich in der Bauweise, im Essen, im Dialekt. Man muss nur genau hinsehen.

In Oberfranken, rund um Bamberg, ist die Welt des Bieres zu Hause. Die Bauweise ist oft etwas schroffer, die Fachwerkhäuser manchmal mit Schiefer verkleidet, um dem raueren Klima zu trotzen. Das Essen ist deftig: ein Schäufele mit krachender Kruste und Klößen. Oder die Coburger Bratwurst, die über Kiefernzapfen gegrillt wird und dadurch ihr einzigartiges, harziges Aroma bekommt.

In Mittelfranken, mit Nürnberg als Zentrum, spürt man den alten Reichtum der Handelsstadt. Statt Fachwerk dominieren massive Sandsteinbauten. Kulinarisch gibt’s hier den Aischgründer Karpfen (traditionell in den Monaten mit „r“) und natürlich die kleinen Nürnberger Rostbratwürste, die angeblich so winzig sind, damit man sie auch nach Torschluss noch durchs Schlüsselloch verkaufen konnte.

Und Unterfranken? Hier bestimmt der Main das Leben und der Wein die Landschaft. Die Dörfer sind oft aus hellem Muschelkalk gebaut, das Fachwerk ist schlichter. Man trinkt Silvaner aus dem Bocksbeutel und isst dazu vielleicht einen „Gerupften“ (ein angemachter Camembert). Die Küche ist etwas leichter, man spürt die Nähe zu den benachbarten Regionen.

6. Ein Fazit aus der Werkstatt

So, das war ein kleiner Einblick in meine Welt aus Holz, Stein und ehrlicher Arbeit. Das ist für mich die wahre Seele Frankens. Sie ist nicht immer auf den ersten Blick sichtbar. Man muss genauer hinschauen, die Maserung des Holzes fühlen, die Kühle des Steins spüren.

Wenn du also das nächste Mal durch ein fränkisches Dorf spazierst, bleib mal vor einem alten Fachwerkhaus stehen. Schau dir die Holzverbindungen an und bewundere die Kunstfertigkeit, die ohne Computer und Maschinen auskam. Und wenn du dann im Wirtshaus sitzt und ein Schäufele bestellst, dessen Kruste perfekt kracht, dann weißt du: Das ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis von Wissen, Erfahrung und dem Stolz darauf, etwas Richtiges und Gutes zu machen.

Diese Haltung – dieser Respekt vor dem Material und der Tradition – das ist es, was wir bewahren müssen. Sie ist robust, langlebig und ehrlich. Und sie ist jeden Aufwand wert.

Adele Voß

Adele Voß ist 1979 in Wien geboren und hat dort Kunstgeschichte studiert. Deshalb sind ihre Interessen als Online-Autorin auf die Bereiche Kunst und Kultur gerichtet.  Ihrer Meinung nach muss man Mode und Design ebenso als Quellen kreativer Inspiration betrachtet und als Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit. Adele macht ihre Leser gerne aufmerksam auf die tiefere Bedeutung der Trends im Innendesign im Konkreten und auch in der modernen Lebensweise im Allgemeinen. Adele Voß schreibt darüber hinaus gerne übers Thema Gesundheit. Es umfasst Artikel über gesundes Abnehmen, gesunde Speisen und Getränke und auch über sportliche Aktivitäten in jedem Alter. In ihrer Freizeit kocht sie gern für die Familie und sie alle reisen oft zusammen.