XXL-Stricken ohne Frust: Dein ehrlicher Guide für die perfekte Kuscheldecke
In meiner Werkstatt habe ich schon so manchen Trend miterlebt. Aber ganz ehrlich? Kaum einer hält sich so hartnäckig wie das Stricken mit dieser gigantischen Wolle. Immer wieder kommen Leute zu mir, oft mit einem Bild auf dem Handy, und wollen wissen, wie man diese beeindruckenden XXL-Decken hinbekommt. Und das finde ich super! Jede Handarbeit, die begeistert, ist ein Gewinn.
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Aber ich sehe eben auch die andere Seite der Medaille. Die Decken, die nach kurzer Zeit verfilzen, reißen oder einfach nur noch traurig aussehen. Das liegt so gut wie nie am fehlenden Talent, sondern meistens am falschen Material oder an kleinen, aber fiesen Fehlern in der Technik.
Deshalb gibt’s hier mal Klartext. Nicht wie in einer schnellen Hochglanz-Anleitung, sondern so, wie ich es auch einem Freund erklären würde: mit Sinn und Verstand, Respekt vor dem Material und dem Ziel, etwas zu schaffen, das nicht nur hammermäßig aussieht, sondern dir auch lange Freude macht.

Das richtige Material – Mehr als nur dicke Wolle
Der wichtigste Schritt passiert, bevor du überhaupt eine Nadel in die Hand nimmst. Die Wahl des Garns entscheidet knallhart über Erfolg oder Frust. Im Grunde gibt es drei Hauptdarsteller auf der XXL-Bühne, und jeder hat seine eigenen Spielregeln.
Merino-Kammzug: Der sensible Instagram-Star
Das ist das Zeug, das du auf all den stylishen Bildern siehst. Superweich, luxuriös und unfassbar fluffig. Aber Achtung: Das ist eigentlich gar keine gesponnene Wolle. Es ist ein sogenannter Kammzug – quasi die Vorstufe zum Garn. Du strickst hier also mit dem reinen, ungesponnenen Rohmaterial.
Physikalisch passiert da Folgendes: Die losen Fasern reiben bei jeder Bewegung aneinander und verhaken sich. Das nennt man Filzen. Anfangs ist deine Decke eine Wolke, aber durch den Gebrauch wird sie fester, dichter und, tja, leider auch anfällig für diese kleinen Knötchen, das Pilling. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Für ein reines Deko-Objekt, das man nur anschaut, ist es top. Aber für die tägliche Kuschel-Session auf dem Sofa? Nur bedingt geeignet.

Gut zu wissen: Achte beim Kauf auf Mulesing-freie Wolle (eine Frage des Tierschutzes) und idealerweise auf den Oeko-Tex Standard 100, damit keine fiesen Stoffe drin sind. Preislich liegst du hier im Premium-Bereich, rechne mal mit 35 € bis 50 € pro Kilo.
Schlauchgarn: Der robuste Alleskönner
Meine ehrliche Empfehlung für fast alle Projekte ist Schlauchgarn. Stell dir einen dünnen, gestrickten Baumwollschlauch vor, der mit weichen Polyester- oder Wollfasern gefüllt ist. Das sieht aus wie XXL-Wolle, ist aber um Welten stabiler.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Es gibt so gut wie kein Pilling, viele Garne sind sogar vorsichtig in der Maschine waschbar (ein RIESEN Pluspunkt!) und die Decke behält ihre Form viel besser. Der Griff ist etwas fester und weniger „wolkig“ als bei Merino, aber die Langlebigkeit ist unschlagbar. Wenn deine Decke also wirklich benutzt werden soll, greif zu Schlauchgarn. Preislich ist es oft attraktiver, meist zwischen 25 € und 40 € pro Kilo.

Filzwolle oder Dochtgarn: Der gute Kompromiss
Diese Garne sind schon leicht verdreht oder angefilzt. Sie sind damit deutlich robuster als der lose Kammzug, aber nicht ganz so unverwüstlich wie Schlauchgarn. Eine gute Mitte, wenn du einen weicheren Griff als bei Schlauchgarn suchst, aber trotzdem nicht ständig Fussel zupfen willst.
Okay, und wie viel brauche ich jetzt?
Die Frage aller Fragen! Das hängt natürlich davon ab, wie fest du strickst, aber als Faustregel hat sich bei mir bewährt (für ein einfaches, glatt rechts gestricktes Muster):
- Kleine Baby- oder Kniedecke (ca. 80 x 120 cm): 2-3 kg
- Klassische Sofadecke (ca. 120 x 150 cm): 4-5 kg
- Große Tagesdecke fürs Bett (ca. 150 x 200 cm): 6-7 kg
Kleiner Tipp vom Profi: Kauf IMMER ein Kilo mehr, als du denkst. Nichts ist ärgerlicher, als wenn am Ende zwei Reihen fehlen und du keine Wolle aus derselben Farbpartie mehr bekommst. Aus dem Rest strickst du dir einfach noch ein passendes Kissen!

Das Werkzeug – Arme, Baumarkt-Rohre oder was Richtiges?
Die Idee, mit PVC-Rohren aus dem Baumarkt zu stricken, ist kreativ, keine Frage. Aber ganz ehrlich? Lass es lieber. Die Oberfläche ist oft rau und zerrupft dir die empfindlichen Fasern, und eine richtige Spitze, mit der man gut in die Maschen stechen kann, fehlt komplett. Das macht einfach keinen Spaß.
Professionelle XXL-Stricknadeln
Investier lieber die 25 € bis 40 € in ein Paar richtige XXL-Nadeln aus Holz. Die sind leicht, glatt poliert und fühlen sich super in der Hand an. Für eine Decke sind Nadeln mit 25 mm bis 40 mm Durchmesser und einer Länge von 60-80 cm ideal. Du findest sie in gut sortierten Wollgeschäften oder natürlich online.
Armstricken: Die Alternative für Ungeduldige
Klar, das geht auch. Deine Arme als Nadeln. Das Ergebnis ist schnell sichtbar und das Maschenbild wird riesig. Aber es hat auch Nachteile: Pausen sind kaum möglich (du kannst die Arbeit ja nicht einfach ablegen) und es ist wirklich schwer, die Spannung gleichmäßig zu halten. Ich habe schon Leute gesehen, die mit einer halbfertigen Decke auf den Armen festsaßen und nicht mal mehr an ihre Kaffeetasse kamen – unbezahlbar, aber unpraktisch! Für einen kleinen Schal okay, für eine große Decke rate ich zu Nadeln.

Die Technik – So klappt’s auch bei dir
Bevor du loslegst, eine realistische Einschätzung: Das ist kein Zwei-Stunden-Projekt. Für eine ordentliche Sofadecke plane als Anfänger ruhig 10 bis 15 Stunden reine Strickzeit ein. Also, mach’s dir gemütlich, leg gute Musik auf und genieße den Prozess!
Wir stricken „kraus rechts“, das heißt, jede Reihe besteht nur aus rechten Maschen. Das ist anfängerfreundlich, robust und sieht super aus.
- Der Maschenanschlag: Lass ein langes Fadenende hängen – etwa die dreifache Breite deiner geplanten Decke. Mach eine Anfangsschlinge auf die rechte Nadel. Der lange Faden liegt über dem Daumen, der Faden zum Knäuel über dem Zeigefinger. Hol den Daumenfaden von unten, dann den Zeigefingerfaden von oben und zieh ihn durch die Schlaufe. Klingt kompliziert? Such online mal nach „Kreuzanschlag“ oder „Long-Tail Cast-On“, da gibt es super Anleitungen. Wichtig: Schlag die Maschen locker an, damit sich die Kante nicht zusammenzieht!
- Reihen stricken: Jetzt einfach stur Reihe für Reihe rechte Maschen stricken. Stech von vorn in die Masche ein, hol den Faden, zieh ihn durch und lass die alte Masche von der linken Nadel gleiten. Das ist anfangs ungewohnt und geht mehr in die Arme als normales Stricken. Leg die Arbeit auf deinen Schoß oder einen Tisch, um das Gewicht abzufangen – dein Rücken wird es dir danken.
- Neuer Wollknäuel: Bitte knote die Enden nicht einfach zusammen! Bei Kammzug kannst du die Enden auffächern, übereinanderlegen, mit etwas Seifenwasser anfeuchten und zwischen den Händen verfilzen. Bei Schlauchgarn müssen die Enden sorgfältig mit Nadel und Faden vernäht werden.
- Das Abketten: Stricke die ersten beiden Maschen. Heb dann die erste über die zweite Masche. Stricke die nächste Masche, heb wieder die hintere über die vordere. Und so weiter. Extrem wichtiger Tipp: Kette SEHR locker ab, sonst wellt sich die Kante! Zieh die Schlaufen bewusst etwas größer.

Kleine Pannen? Dein Erste-Hilfe-Kasten
Jeder macht Fehler, das ist der Beweis für Handarbeit. Hier die häufigsten Probleme und ihre Lösungen:
- Masche verloren? Keine Panik! Bei so dicker Wolle siehst du das Loch sofort. Heb die runtergefallene Masche einfach vorsichtig mit den Fingern wieder auf die linke Nadel, achte darauf, dass sie nicht verdreht ist, und stricke weiter.
- Ungleichmäßige Kanten? Das passiert oft am Anfang. Konzentrier dich darauf, die erste und letzte Masche jeder Reihe immer mit der gleichen, sanften Spannung zu stricken. Nicht zu fest ziehen!
- Unterbrechung nötig? Wenn du richtige Nadeln benutzt, kannst du die Arbeit jederzeit weglegen. Schieb die Maschen einfach weit genug auf die Nadeln, damit nichts runterrutscht. Wenn du ganz sicher gehen willst, schiebst du die Spitzen in ein Sofakissen.
Pflege, Kosten und realistische Erwartungen
So, jetzt mal Butter bei die Fische. Eine Decke aus reinem Kammzug WIRD pillen. Das ist eine Eigenschaft der Faser. Du kannst die Knötchen vorsichtig abzupfen oder mit einem Wollrasierer entfernen.

Und bitte, tu deiner Decke und deiner Waschmaschine einen Gefallen: Wasche sie NIEMALS in der Maschine! Das Gewicht der nassen Wolle würde alles ruinieren. Lüften an der frischen Luft ist die beste Pflege. Flecken behandelst du lokal mit kaltem Wasser und einem Tupfer Wollwaschmittel.
Und die Kosten? Sei dir bewusst, dass gute Wolle Geld kostet. Für eine typische Sofadecke aus Schlauchgarn solltest du mit Materialkosten von ca. 120-180 € rechnen. Bei edlem Merino-Kammzug landest du schnell bei 180-250 € oder mehr. Dazu kommen die Nadeln für rund 30 €.
Dein erstes Mal? Starte lieber klein!
Mein Rat für absolute Neulinge: Bevor du 200 € in eine riesige Decke investierst, probier dich doch erstmal an einem kleineren Projekt. Das senkt die Hürde und den Frustfaktor enorm!
Perfektes Anfängerprojekt: Ein Sitzkissen (ca. 40 x 40 cm)
Dafür brauchst du nur:
- Ca. 1 kg Wolle (je nach Material 25-50 €)
- Ein Paar passende XXL-Nadeln
- Eine Schere und ein Maßband
Damit kannst du die Technik perfekt ausprobieren, lernst die Tücken des Materials kennen und hast am Ende ein tolles, selbstgemachtes Teil, ohne gleich ein Vermögen auszugeben.

Am Ende zählt doch nur eins: Das Gefühl, dieses riesige, kuschelige Teil selbst gemacht zu haben. Deine erste Decke wird vielleicht nicht perfekt. Aber sie ist echt. Sie ist von dir. Und das ist unbezahlbar.
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Wie viel Wolle brauche ich wirklich für meine Decke?
Das ist die Gretchenfrage beim XXL-Stricken! Eine gute Faustregel für eine mittelgroße Kuscheldecke (ca. 100 x 150 cm) sind etwa 3 bis 4 kg Merino-Kammzug. Bei robusterem Schlauchgarn kann das Gewicht variieren. Mein Rat: Schau immer auf die Lauflänge, die der Hersteller angibt, und kaufe lieber ein Knäuel mehr als zu wenig. Nichts ist ärgerlicher, als kurz vor dem Ziel ohne Material dazustehen, und eine Nachlieferung hat oft eine leicht abweichende Farbpartie.

Wussten Sie schon? Das Stricken mit den Händen, auch Armstricken genannt, aktiviert beide Gehirnhälften und kann eine meditative Wirkung haben, ähnlich wie Yoga oder das Kneten von Teig.
Diese rhythmische, großmotorische Bewegung ist nicht nur kreativ, sondern auch ein echtes Anti-Stress-Mittel. Anders als beim feinen Nadelspiel geht es hier um das spürbare Erlebnis mit dem Material – eine fast schon therapeutische Tätigkeit, die am Ende mit einem kuscheligen Ergebnis belohnt wird.

Hilfe, eine Laufmasche! Keine Panik, das ist der Albtraum jedes Strickers, aber bei XXL-Garn leicht zu beheben. Ziehen Sie nicht daran! Legen Sie die Decke flach hin und folgen Sie dem Fadenverlauf der losen Schlaufe. Verteilen Sie die überschüssige Länge vorsichtig auf die benachbarten Maschen, indem Sie diese sanft lockern und den Faden Stück für Stück „weiterreichen“. Nach wenigen Minuten ist die Spannung wieder gleichmäßig und der Fehler unsichtbar.

Der Look Ihrer Decke wird nicht nur vom Material, sondern auch von der Bindung bestimmt. Für eine besonders edle und stabile Textur, die sich an den Rändern nicht einrollt, versuchen Sie es doch mal mit dem Perlmuster.
- Mehr Textur und ein luxuriöses Gefühl
- Die Decke bleibt flach und formstabil
- Verzeiht kleine Unregelmäßigkeiten in der Spannung
Das Geheimnis? Ganz einfach: Sie stricken abwechselnd eine rechte und eine linke Masche. In der nächsten Reihe stricken Sie die Maschen genau umgekehrt, wie sie erscheinen.

Merino-Kammzug: Der superweiche, ungesponnene Klassiker. Ideal für Deko-Objekte und Plaids, die selten bewegt werden. Neigt bei starker Nutzung zum Pilling.
Schlauchgarn: Eine robuste Alternative. Hier wird eine Füllung (oft aus Polyester oder Baumwolle) von einem gestrickten Schlauch aus Baumwolle oder Nylon ummantelt. Marken wie
Die richtige Pflege ist entscheidend, damit Ihre Investition in Wolle und Zeit lange schön bleibt. Hier die wichtigsten Regeln für eine Decke aus Merino-Kammzug:
- Niemals in die Waschmaschine: Die Reibung und das Wasser würden die losen Fasern sofort verfilzen und die Decke ruinieren.
- Lokale Fleckenentfernung: Tupfen Sie kleine Flecken vorsichtig mit einem feuchten Tuch und etwas Wollwaschmittel ab. Nicht reiben!
- Lüften statt waschen: Wolle hat selbstreinigende Eigenschaften. Hängen Sie Ihre Decke regelmäßig an die frische Luft.
- Professionelle Reinigung: Wenn eine Grundreinigung nötig ist, bringen Sie sie in eine auf Wolle spezialisierte chemische Reinigung.




