Rhabarber ernten wie ein Profi: So klappt’s mit der fetten Beute!
Ich kann mich noch genau an den Rhabarber im Garten meiner Oma erinnern. Sobald im Frühling die ersten Stangen gezogen wurden, wusste ich: Der Winter ist offiziell vorbei. Diese säuerlich-frische Note war das erste große Versprechen des Gartenjahres. Heute, nach unzähligen Saisons im Gartenbau, sehe ich Rhabarber natürlich mit anderen Augen. Ich sehe eine unglaublich robuste und dankbare Pflanze, aber ehrlich gesagt sehe ich auch immer wieder dieselben Fehler. Fehler, die die Pflanze unnötig schwächen und die Ernte kleiner ausfallen lassen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Erst verstehen, dann ernten: Was dein Rhabarber wirklich braucht
- 2 Das erste Jahr: Die wichtigste Regel für eine lange Freundschaft
- 3 Das perfekte Timing: Wann ist Erntezeit?
- 4 Die richtige Technik: Ziehen statt schneiden!
- 5 Nach der Ernte: Wellness für deinen Rhabarber
- 6 Hilfe, mein Rhabarber schwächelt! (Und was ist mit dem Balkon?)
- 7 Dein Rhabarber-Starter-Kit: Was der Spaß kostet
- 8 Für jeden Geschmack die richtige Sorte
- 9 Zum Abschluss: Ein letzter, wichtiger Tipp
- 10 Bildergalerie
Viele Anleitungen sind ja super kurz gehalten. Da steht dann „im Frühling ernten“, aber niemand erklärt das „Warum“ dahinter. Wer seine Pflanzen aber versteht, behandelt sie einfach besser. Deshalb will ich hier mal aus dem Nähkästchen plaudern und dir zeigen, wie du eine echte Partnerschaft mit deinem Rhabarber aufbaust, die über viele Jahre hält.
Erst verstehen, dann ernten: Was dein Rhabarber wirklich braucht
Bevor wir ans Ernten denken, müssen wir kurz über die Pflanze selbst reden. Rhabarber ist botanisch gesehen ein Gemüse, auch wenn wir ihn für Kuchen und Kompott verwenden. Wichtiger für uns Gärtner ist aber sein Charakter: Rhabarber ist ein echter Starkzehrer. Stell ihn dir wie einen Bodybuilder vor, der ordentlich Proteine – also Nährstoffe – braucht, um seine dicken Stangen und riesigen Blätter aufzubauen. Ohne genug Futter wird er mickrig.

Die Sache mit der Oxalsäure: Freund und Feind zugleich
Ein Wort, das im Zusammenhang mit Rhabarber immer fällt, ist Oxalsäure. Die ist für den typisch säuerlichen Geschmack verantwortlich und schützt die Pflanze vor Fressfeinden. In den Blättern ist die Konzentration am höchsten, deshalb sind die für uns giftig. Also, ganz wichtig: Rhabarberblätter niemals essen!
Im Laufe des Frühjahrs verändert sich der Gehalt aber auch in den Stangen. Je wärmer und sonniger es wird, desto mehr Oxalsäure wird eingelagert. Das ist völlig natürlich. Irgendwann ist der Gehalt aber so hoch, dass der Rhabarber nicht mehr so gut schmeckt und auch nicht mehr bekömmlich ist. Aber keine Sorge, es gibt einen ganz einfachen Merker dafür, wann Schluss ist.
Das erste Jahr: Die wichtigste Regel für eine lange Freundschaft
Der häufigste Fehler, den ich sehe? Ungeduld. Da wird eine junge Pflanze im Gartencenter gekauft und sofort nach den ersten Stangen Ausschau gehalten. Das ist der sicherste Weg, die Pflanze von Anfang an zu ruinieren.

Ich geb’s zu, bei meiner allerersten Pflanze war ich auch zu ungeduldig und hab im ersten Jahr geerntet. Das Ergebnis? Im zweiten Jahr kamen nur drei mickrige Stängelchen. Die Lektion hab ich gelernt!
Also, die goldene Regel: Im ersten Jahr nach der Pflanzung wird absolut NICHTS geerntet. Kein einziger Stiel. Die Pflanze steckt ihre ganze Kraft in den Aufbau ihres Wurzelstocks, des sogenannten Rhizoms. Das ist ihr Kraftwerk für die nächsten Jahre. Jedes Blatt ist ein kleines Solarkraftwerk, das Energie dafür produziert. Nimmst du ihr die Blätter, nimmst du ihr die Power.
Auch im zweiten Jahr solltest du dich noch zurückhalten. Wenn die Pflanze gut aussieht, kannst du vielleicht zwei, drei kräftige Stangen als Kostprobe nehmen. Richtig loslegen kannst du erst ab dem dritten Jahr. Diese Geduld zahlt sich über ein Jahrzehnt oder länger aus, versprochen!
Das perfekte Timing: Wann ist Erntezeit?
Die klassische Erntezeit startet je nach Wetter im April und endet an einem ganz bestimmten Tag: dem Johannistag am 24. Juni. Das ist keine willkürliche Bauernregel, sondern hat handfeste biologische Gründe.

- Oxalsäure-Anstieg: Nach diesem Stichtag steigt der Säuregehalt in den Stangen stark an. Sie werden dann nicht nur weniger bekömmlich, sondern auch faseriger.
- Regeneration der Pflanze: Viel wichtiger ist aber: Die Pflanze braucht den Rest des Sommers, um sich zu erholen und Kraft für das nächste Frühjahr zu sammeln. Sie muss über ihre Blätter Energie tanken und im Wurzelstock speichern. Würden wir weiter ernten, würden wir ihre Vorräte plündern.
Kleiner Tipp: Trag dir den 24. Juni fett im Kalender ein. Das ist der letzte Erntetag. Danach hat dein Rhabarber Feierabend.
Wann ist ein Stiel reif?
Vergiss die Farbe! Ob ein Rhabarber rot oder grün ist, hängt von der Sorte ab, nicht von der Reife. Achte lieber auf diese Zeichen:
Ein reifer Stiel sollte glatt, straff und mindestens daumendick sein. Die Länge liegt meist so zwischen 30 und 50 Zentimetern. Dünnere Stängelchen lässt du einfach stehen, die dürfen noch wachsen.
Die richtige Technik: Ziehen statt schneiden!
Jetzt wird’s praktisch. Viele greifen instinktiv zum Messer, aber das ist meistens nicht die beste Idee. Die Profi-Methode ist das Herausdrehen.

So geht’s: Such dir einen kräftigen Stiel am äußeren Rand der Pflanze aus. Die jungen, dünneren Stiele in der Mitte, das Herz der Pflanze, lässt du immer stehen. Fass den Stiel ganz unten an der Basis an, dreh ihn leicht zur Seite und zieh dann mit einem kräftigen, aber kontrollierten Ruck. Oft hörst du ein leises „Knack“, und der Stiel löst sich sauber von der Pflanze.
Warum das besser ist? Wenn du schneidest, bleibt ein kleiner Stumpf stehen, der faulen kann. Das kann der ganzen Pflanze schaden. Durch das Herausdrehen entsteht eine natürliche Wunde, die viel besser heilt. Außerdem regt es die Bildung neuer Knospen an.
Achtung! Ernte niemals mehr als die Hälfte, besser nur ein Drittel der Stiele auf einmal. Die Pflanze braucht immer genug Blätter, um weiterzuarbeiten. Lieber öfter ein paar Stangen ernten als einmal alles kahl machen.
Nach der Ernte: Wellness für deinen Rhabarber
Am Johannistag ist die Arbeit nicht vorbei. Jetzt legst du den Grundstein für die Ernte im nächsten Jahr. Direkt nach dem Ernteende hat die Pflanze einen Bärenhunger. Gib ihr eine ordentliche Belohnung!

Ganz konkret: Ich arbeite pro Pflanze immer einen Eimer voll reifen Kompost (ca. 5-10 Liter) leicht in die Erde um sie herum ein. Dazu kommt noch eine gute Handvoll Hornspäne (ca. 50-70 Gramm). Das ist ein organischer Langzeitdünger, der die Pflanze über den Sommer mit Kraft versorgt.
Und falls du einen dicken, runden Blütenstiel entdeckst: sofort so tief wie möglich ausbrechen! Die Blüte kostet die Pflanze extrem viel Energie, die sie besser ins Wurzelwachstum stecken sollte.
Hilfe, mein Rhabarber schwächelt! (Und was ist mit dem Balkon?)
Manchmal läuft nicht alles rund. Hier sind die häufigsten Probleme und ihre Lösungen.
Problem: Die Stiele werden von Jahr zu Jahr dünner. Das ist ein klares Hungersignal. Die Pflanze braucht dringend Dünger. Eine kräftige Kompostgabe im Frühjahr und nach der Ernte (wie oben beschrieben) wirkt Wunder. Manchmal ist die Pflanze aber auch einfach in die Jahre gekommen. Nach 8 bis 10 Jahren lässt die Kraft nach. Dann wird es Zeit, sie zu teilen. Keine Sorge, das ist kein Tagesprojekt. In 20-30 Minuten bist du damit locker durch.

Gärtnern auf dem Balkon? Aber klar! Rhabarber im Topf geht, aber du brauchst ein großes Gefäß. Denk an mindestens 40, besser 50 Liter Volumen. Wichtig: Im Topf trocknet die Erde schneller aus und die Nährstoffe sind begrenzt. Du musst also öfter gießen und während der Wachstumszeit alle paar Wochen mit einem flüssigen Gemüsedünger nachhelfen.
Dein Rhabarber-Starter-Kit: Was der Spaß kostet
Du willst jetzt loslegen? Super! Hier ist eine kleine Übersicht, mit welchen Kosten du rechnen kannst, um gut vorbereitet zu sein:
- Eine Rhabarber-Jungpflanze: Die bekommst du in guter Qualität in Gärtnereien oder Baumärkten für etwa 5 bis 15 Euro.
- Ein Sack guter Kompost (40L): Liegt meistens so zwischen 4 und 8 Euro.
- Optional, aber sehr zu empfehlen: Hornspäne (1kg-Packung): Kostet dich um die 5 bis 10 Euro und reicht eine ganze Weile.
Mit einer Investition von rund 20 Euro schaffst du also die Basis für viele Jahre Rhabarber-Glück. Ziemlich guter Deal, oder?

Für jeden Geschmack die richtige Sorte
Nicht jeder Rhabarber ist gleich! Wenn du die Wahl hast, überleg kurz, was dir wichtig ist. Suchst du was Mildes, vielleicht auch für die Kinder? Dann ist eine Sorte wie ‚Holsteiner Blut‘ super. Die ist durchgehend rot und hat von Natur aus etwas weniger Säure. Wenn du auf maximale Ernte aus bist und der kräftige Geschmack für dich im Vordergrund steht, dann ist eine Sorte wie ‚Frambozen Rood‘ eine Bank. Die ist extrem wüchsig. Und wenn du richtig viel Platz im Garten hast und beeindruckende Riesenstangen ernten willst, dann schau dir mal den ‚Goliath‘ an – der Name ist Programm!
Zum Abschluss: Ein letzter, wichtiger Tipp
Ich kann es nicht oft genug sagen: Die Blätter sind wegen der Oxalsäure giftig. Schneide sie nach der Ernte sofort ab und wirf sie auf den Kompost. Dort wird die Säure von Mikroorganismen abgebaut und ist völlig unbedenklich. Und hier noch ein kleiner Küchentrick: Die Kombination von Rhabarber mit Milchprodukten wie Vanillesoße, Joghurt oder Quark ist nicht nur lecker. Das Kalzium in der Milch bindet einen Teil der Oxalsäure und macht sie für den Körper unschädlicher.

Und was kannst du HEUTE für deinen Rhabarber tun? Geh mal raus, zupf das Unkraut um ihn herum weg und entferne alle alten, gelben Blätter. Das dauert fünf Minuten und gibt der Pflanze sofort mehr Licht und Luft.
Behandle deinen Rhabarber gut, gib ihm, was er braucht, und nimm nicht mehr, als er entbehren kann. Dann werdet ihr beste Freunde. Viel Spaß bei der Ernte!
Bildergalerie


Die goldene Drittel-Regel: Denken Sie bei jeder Ernte an die Energiebilanz Ihrer Pflanze. Als Faustregel gilt: Ernten Sie niemals mehr als zwei Drittel der vorhandenen Stangen. Das verbleibende Drittel mit seinen großen Blättern ist das Kraftwerk des Rhabarbers. Über diese Blätter betreibt die Pflanze Photosynthese und sammelt die nötige Energie, um den Winter zu überstehen und im nächsten Frühjahr wieder kraftvoll auszutreiben. Wer zu gierig ist, schwächt die Pflanze nachhaltig.

Nach Johanni am 24. Juni sticht man keinen Rhabarber mehr.
Diese alte Gärtnerweisheit hat einen handfesten Hintergrund. Zum einen steigt der Gehalt der für uns nur in Maßen bekömmlichen Oxalsäure in den Stangen ab diesem Zeitpunkt deutlich an. Zum anderen, und das ist noch wichtiger, braucht die Pflanze den Rest des Sommers, um sich zu regenerieren und Kraft für die nächste Saison zu sammeln. Gönnen Sie ihr diese wohlverdiente Pause.

Wohin mit den riesigen, giftigen Blättern?
Bloß nicht auf den Kompost werfen, wo sie nur langsam verrotten! Nutzen Sie sie stattdessen kreativ im Garten. Ausgebreitet unter Kürbis- oder Zucchinipflanzen dienen sie als exzellenter, kostenloser Mulch, der Unkraut unterdrückt und die Feuchtigkeit im Boden hält. Für Kreative: Ein großes Blatt dient als perfekte Gussform für dekorative Trittsteine aus Beton – ein rustikaler Hingucker für jeden Gartenweg.

Rhabarber ist nicht gleich Rhabarber. Die Wahl der Sorte hat einen enormen Einfluss auf Geschmack und Farbe. Ein kleiner Vergleich:
‚Holsteiner Blut‘: Eine traditionsreiche Sorte mit grünem Stiel und roter Haut. Sie ist für ihr intensiv säuerliches Aroma bekannt – perfekt für alle, die den klassischen, herben Rhabarbergeschmack lieben.
‚Frambozen Rood‘: Diese neuere Züchtung hat durchgehend rotes Fruchtfleisch und ist deutlich milder und süßer im Geschmack mit einer leichten Himbeernote. Ideal für Desserts oder für empfindliche Mägen.

Nach der letzten Ernte beginnt die Vorbereitung für das nächste Jahr. Schenken Sie Ihrer Pflanze jetzt ein kleines Wellness-Programm:
- Entfernen Sie eventuell aufkommende Blütenstände sofort. Sie rauben der Pflanze unnötig Kraft.
- Arbeiten Sie eine Schicht reifen Kompost oder organischen Dünger, z.B. von Compo, oberflächlich in den Boden um die Pflanze ein.
- Gießen Sie bei langanhaltender Sommertrockenheit großzügig, damit das Rhizom nicht austrocknet.

- Fördert die Stickstoffversorgung im Boden.
- Kann bestimmte Schädlinge fernhalten.
- Verbessert die allgemeine Bodengesundheit.
Das Geheimnis? Eine schlaue Nachbarschaft! Rhabarber liebt gute Gesellschaft. Pflanzen Sie Buschbohnen in seiner Nähe, um den Boden mit Stickstoff anzureichern. Knoblauch oder Zwiebeln als direkte Nachbarn können helfen, lästige Schädlinge auf Abstand zu halten und so den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.
Das perfekte Ernten ist eine Sache der Technik. Vergessen Sie das Messer! Umfassen Sie den Stiel ganz unten an der Basis, drehen Sie ihn leicht und ziehen Sie ihn dann mit einem kräftigen Ruck seitlich von der Pflanze weg. Das charakteristische „Knack“-Geräusch verrät Ihnen, dass Sie alles richtig gemacht haben. Durch diese Methode entsteht keine offene Schnittwunde am Wurzelstock, die als Eintrittspforte für Fäulnis dienen könnte.




