Deine zweite Haut: Der ehrliche Guide zur Zunftkleidung, der dich vor teuren Fehlern bewahrt

von Angela Schmidt
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Ich seh’s noch vor mir, als wär’s gestern gewesen. Als junger Stift stand ich im Laden, und der Meister schaut mich an und sagt: „Junge, merk dir eins: Das ist keine Verkleidung. Das wird deine zweite Haut.“ Damals hab ich nur genickt, aber ehrlich gesagt, nicht wirklich kapiert, was er meinte. Heute, nach unzähligen Stunden auf dem Bau, weiß ich es. Die Kluft ist nach unseren Händen das wichtigste Werkzeug. Sie schützt uns, sie hält uns warm und sie zeigt, wofür wir stehen. Aber nur, wenn man sie richtig auswählt.

Viele sehen heute nur noch die Tradition – die weiten Hosenbeine, die glänzenden Knöpfe. Aber glaub mir, jedes einzelne Detail an dieser Kleidung hat einen knallharten, praktischen Grund, der über Generationen von Handwerkern auf Baustellen und in Werkstätten optimiert wurde. In diesem Guide packe ich mal alles aus, was ich über die Jahre gelernt habe. Ich zeig dir, worauf es bei den Stoffen wirklich ankommt, wie du die perfekte Passform findest und vor welchen fiesen Tücken ich dich bewahren will.

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Mehr als nur Stoff – Warum das Material über alles entscheidet

Klartext: Die Wahl des Stoffes ist die wichtigste Entscheidung überhaupt. Sie entscheidet über Haltbarkeit, Komfort und sogar deine Sicherheit. Vergiss diese dünnen Baumwoll-Stöffchen oder modernen Mischgewebe aus dem Kaufhaus. Echte Zunftkleidung setzt auf wenige, aber absolut bewährte Materialien.

Der Klassiker: Cord, aber bitte der Richtige!

Cord ist nicht gleich Cord. Was wir im Handwerk brauchen, hat null mit den Modehosen zu tun. Wir reden hier von richtig schweren, robusten Geweben. Ein guter Zunftcord bringt locker 500 bis 600 Gramm pro Quadratmeter auf die Waage. Ja, das fühlt sich am Anfang steif und schwer an – aber genau das ist das Siegel für Qualität.

  • Trenkercord: Das ist sozusagen die Königsklasse. Ein sehr breiter Cord mit wenigen, dafür extrem dicken Rippen. Der ist unfassbar widerstandsfähig gegen Abrieb und perfekt für Hosen, die jeden Tag über Gerüste und raue Mauern schrammen. Am Anfang ist er bretthart, keine Frage, aber mit jeder Wäsche und jedem Arbeitstag wird er zu deiner zweiten Haut.
  • Genuacord: Der hat deutlich feinere Rippen. Dadurch ist er von Anfang an etwas flexibler als der Trenkercord und wird schneller weich. Viele Gesellen schwören drauf für Westen und Jacketts, weil man sich darin einfach besser bewegen kann. Die Haltbarkeit ist aber immer noch top.

Ach ja, und ein riesiger Vorteil von Baumwollcord ist seine Hitzebeständigkeit. Fliegende Funken beim Flexen oder der Kontakt mit einem heißen Rohr machen ihm wenig aus. Während eine Kunstfaserhose schmilzt und sich fies in die Haut brennt, verkohlt Baumwolle nur an der Oberfläche. Das ist ein Sicherheits-Pluspunkt, den viele junge Leute leider oft unterschätzen.

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Die Alternative: Deutschleder (das keins ist)

Lass dich vom Namen nicht in die Irre führen. Deutschleder ist kein echtes Leder, sondern ein extrem dicht gewebter Baumwollstoff, den die Profis auch „Moleskin“ nennen. Die Oberfläche ist glatt und hat einen leichten Glanz. Das Zeug ist fast komplett winddicht und unglaublich reißfest. Perfekt für Arbeiten, bei denen du oft mit spitzen Kanten oder Werkzeugen in Berührung kommst.

Seine wahre Superkraft zeigt Deutschleder aber bei Schmutz und Feuchtigkeit. Flüssiger Mörtel, Öl oder Lehm perlen anfangs einfach ab. Wenn der Dreck trocken ist, kannst du ihn oft einfach abbürsten. Aber sei gewarnt: Der Stoff ist noch steifer als Cord. Du musst eine Hose aus Deutschleder richtig „einreiten“. Ich erinnere mich an meine erste – ich kam mir die ersten zwei Wochen vor wie ein Ritter in Rüstung. Aber sobald sie weich ist, willst du nie wieder was anderes. Meine Weste aus dem Material hat schon etliche Jahre auf dem Buckel, ist an den Kanten abgewetzt, hat aber kein einziges Loch.

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Cord oder Deutschleder – Was ist jetzt besser für dich?

Also, die Gretchenfrage: Cord oder Deutschleder? Das kommt ganz auf deinen Job an. Cord ist der Allrounder und unschlagbar, wenn es um Funkenflug geht, also ideal für Metallbauer oder bei Arbeiten mit dem Trennschleifer. Er ist atmungsaktiver und wird schneller gemütlich. Deutschleder ist deine Wahl, wenn du oft im Dreck, bei Nässe oder mit spitzen Materialien arbeitest – denk an Maurer, Tiefbauer oder Garten- und Landschaftsbauer. Es ist die reinste Festung, braucht aber mehr Geduld, bis es bequem wird.

Achtung im Sommer!

Ein ganz wichtiger Punkt, den viele Anfänger auf die harte Tour lernen: Eine 600-Gramm-Trenkercordhose ist bei 30 Grad im Schatten die reinste Folter. Für die heißen Monate gibt es leichtere Alternativen. Viele Hersteller bieten ihre Hosen auch in dünneren Moleskin-Qualitäten oder speziellen, leichteren Baumwollstoffen an, die trotzdem robust sind. Frag im Fachhandel gezielt nach einer Sommer-Zunfthose, deine Beine werden es dir danken.

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Der Aufbau der Kluft – Jedes Teil hat seinen Job

Eine komplette Kluft ist mehr als nur Hose und Weste. Es ist ein ganzes System, bei dem jedes Teil seine Aufgabe hat.

  • Die Zunfthose: Das Fundament und Arbeitstier. Der ausgestellte Schlag ist übrigens nicht nur Show – er verhindert, dass Dreck und Späne von oben in die Stiefel fallen. Achte auf Modelle mit zwei Reißverschlüssen vorne. Sieht komisch aus, ist aber genial, weil du die Hose komplett öffnen kannst. Das erleichtert das Anziehen ungemein, besonders mit kalten Fingern im Winter.
  • Die Weste: Dein mobiles Büro. Mit ihren meist acht Außentaschen hast du alles Wichtige griffbereit. Ein absolutes Muss ist ein verlängerter Rücken! Wenn du dich bückst, bleibt der Nierenbereich warm und geschützt. Ein alter Meister sagte mal zu mir: „Deine Nieren werden es dir in 20 Jahren danken.“ Und verdammt, er hatte recht.
  • Das Jackett (Jopper): Die äußere Schutzschicht gegen Wind und Wetter. Wichtig ist hier vor allem, dass du in den Schultern genug Bewegungsfreiheit hast.
  • Die Staude: Das ist das traditionelle, kragenlose Hemd. Der fehlende Kragen ist super praktisch, weil nichts drückt oder sich in Maschinen verfangen kann. Simpel, robust und saugfähig.

Übrigens, die Farbe ist oft kein Zufall, sondern zeigt, aus welchem Gewerk du kommst. Das ist zwar heute nicht mehr so streng, aber die Tradition gibt es noch:

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  • Schwarz: Das ist die Farbe der holzverarbeitenden Gewerke, allen voran die Zimmerleute, aber auch Dachdecker.
  • Beige oder Sandfarben: Traditionell die Farbe der Maurer.
  • Grau, Beige oder Braun: Oft von Tischlern und Schreinern getragen.
  • Grau oder Blau: Häufig bei den Steinmetzen zu sehen.

Aus der Praxis: Kaufen, Pflegen und die typischen Anfängerfehler

Gute Zunftkleidung ist eine Investition, kein schneller Kauf. Aber wenn du es richtig machst, begleitet sie dich über Jahre.

Der Kauf: Wo und wie du das Richtige findest

Mein wichtigster Rat: Kauf deine erste Kluft im Fachhandel, nicht blind im Internet. Du musst den Stoff fühlen und die Teile anprobieren. Gute Marken, nach denen du Ausschau halten kannst, sind zum Beispiel FHB, EIKO oder Ostermann. Die machen seit Ewigkeiten nichts anderes und wissen, worauf es ankommt.

Rechne mit realistischen Preisen. Eine Top-Hose aus schwerem Cord kostet dich schnell mal zwischen 90 € und 130 €. Eine Weste liegt bei etwa 80 €, ein Jackett kann auch mal 150 € kosten. Das klingt erstmal viel, aber eine Billig-Hose für 40 € ist nach einem Jahr durchgescheuert. Meine gute Zunfthose hält locker fünf Jahre. Qualität ist auf lange Sicht immer günstiger.

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Kleiner Tipp für Lehrlinge: Wenn das Budget knapp ist, investiere dein Geld zuerst in eine richtig gute Hose. Das ist das Teil, das am meisten aushalten muss. Weste und Jackett kannst du später nachrüsten.

Und wenn du im Laden stehst, mach den ultimativen Passform-Test:

  1. Geh tief in die Hocke: Spannt es im Schritt oder an den Knien? Wenn ja, ist sie zu eng.
  2. Zieh ein Knie hoch zur Brust: Fühlst du dich eingeengt? Du brauchst Bewegungsfreiheit.
  3. Bück dich, als würdest du Werkzeug aufheben: Rutscht die Hose? Und ganz wichtig: Bleibt dein Rücken von der Weste bedeckt?

Die Pflege: So lebt deine Kluft ewig

Neue Zunftkleidung ist bocksteif. Wasch sie vor dem ersten Tragen bei 40 Grad. Aber Achtung: Niemals Weichspüler benutzen! Der macht die Fasern kaputt. Und schmeiß das Zeug bloß nicht in den Trockner! Die Hitze lässt die Baumwolle extrem einlaufen und macht den Stoff brüchig. Einfach an der Luft trocknen lassen.

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Aus Schaden wird man klug: Ich hab mal meine neue, schwarze Cordhose mit ein paar weißen Stauden gewaschen. Ein klassischer Anfängerfehler. Die ganze Wäsche war danach grau. Also, dunkle Zunftkleidung die ersten Male immer separat waschen, die blutet ordentlich aus.

Tradition ist gut, Sicherheit ist besser

So sehr wir unsere Tradition lieben, die Sicherheit auf der Baustelle geht immer vor. Der weite Schlag der Hose ist super, um Späne aus den Schuhen zu halten. Aber in der Nähe einer rotierenden Bohrmaschine wird er zur lebensgefährlichen Falle. Hier musst du die Hose mit einem Band sichern oder auf eine engere Arbeitshose wechseln.

Und ganz wichtig: Der traditionelle Hut ist ein Symbol, aber er ersetzt niemals einen Schutzhelm nach DIN-Norm. Wo Helmpflicht herrscht, bleibt der Zunfthut im Auto. Keine Diskussion.

Mein Fazit: Deine Top 3 Anfängerfehler (und wie du sie vermeidest)

Zunftkleidung ist ein Statement. Sie zeigt Stolz, Professionalität und verbindet uns mit Generationen von Handwerkern. Aber damit sie zu deiner zweiten Haut wird, musst du ein paar Dinge beachten. Hier sind die häufigsten Fehler, die ich sehe:

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  1. Im Internet bestellen, um zu sparen: Die Passform ist bei Zunftkleidung alles. Was online wie ein Schnäppchen aussieht, entpuppt sich oft als teurer Fehlkauf, weil es zwickt, spannt und bei der Arbeit nur nervt. Geh in den Laden!
  2. Am Stoff sparen: Eine billige Hose aus dünnem Stoff sieht vielleicht am Anfang gut aus, aber nach sechs Monaten auf dem Bau hat sie Löcher an den Knien und die Taschen sind durch. Investiere in Qualität, das zahlt sich doppelt und dreifach aus.
  3. Die Kluft im Trockner „weich“ machen: Das ist der schnellste Weg, um deine teure Kleidung zu ruinieren. Sie läuft ein und der Stoff wird brüchig. Geduld und Lufttrocknen sind hier der Schlüssel.

Wenn du das beherzigst, wirst du lange Freude an deiner Kluft haben. Sie wird dich schützen, dir treu dienen und mit jeder Schramme und jedem Fleck eure gemeinsame Geschichte erzählen.

Angela Schmidt

Nach dem Abschluss meines Studiums für Journalismus an der Uni- München, arbeite ich freiberuflich für diverse Formate und Produktionen. Freshideen ist für mich ein gegenseitiges Langzeitprojekt, mit dem ich meinen Alltag viel schöner gestalte. Die Themen der Nachhaltigkeit und der Umwelt bewegen mich am meisten, aber auch die kreativen DIY Ideen finden Platz in meinem Herzen.