Elektrosmog zu Hause? Was du wirklich tun kannst – eine Anleitung aus der Praxis.
Ich komme schon seit unzähligen Jahren als Elektromeister und Baubiologe in die Wohnungen und Häuser von Leuten. Ich sehe, wie wir leben, und hab miterlebt, wie sich unsere Technik in den eigenen vier Wänden komplett verändert hat. Früher ging’s darum, Leitungen sicher zu verlegen und genug Steckdosen zu haben. Heute? Heute ist das eine ganz andere Nummer.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Erst mal verstehen: Was ist „Elektrosmog“ überhaupt?
- 2 3 Dinge, die du heute Abend noch tun kannst (und die nichts kosten)
- 3 Messen statt Raten: So bekommt man Klarheit
- 4 Praktische Lösungen: So reduzierst du die Belastung Schritt für Schritt
- 5 Wenn’s kompliziert wird: Wann der Profi ran muss
- 6 Bildergalerie
Viele Menschen sind verunsichert. Überall hört man das Wort „Elektrosmog“ und fragt sich: Was ist bei mir zu Hause eigentlich los? Mir geht es aber nicht darum, Angst zu machen. Ganz im Gegenteil. Ich will Klarheit schaffen und zeigen, was man messen und – viel wichtiger – was man ganz praktisch tun kann, um mögliche Belastungen zu reduzieren. Ein Leben komplett ohne Felder ist in unserer modernen Welt eine Illusion. Aber ein bewusst gestaltetes, strahlungsarmes Zuhause? Das ist absolut machbar. Und dafür braucht man keine Esoterik, sondern solides Handwerk und ein bisschen physikalisches Verständnis.

Erst mal verstehen: Was ist „Elektrosmog“ überhaupt?
Also, „Elektrosmog“ ist ja eher ein umgangssprachlicher Begriff. Im Handwerk sprechen wir lieber von elektrischen und magnetischen Feldern. Das ist auch superwichtig, die zu unterscheiden, denn sie entstehen unterschiedlich und man geht auch völlig anders mit ihnen um. Man teilt sie grob in zwei Familien ein: niederfrequent und hochfrequent.
1. Niederfrequente elektrische Felder (die Spannungslauerer)
Stell dir eine Wasserleitung vor. Auch wenn kein Hahn aufgedreht ist, steht das Wasser darin unter Druck. Ziemlich ähnlich ist das mit der Spannung in unseren Stromleitungen. Überall, wo ein Kabel unter Spannung steht – also 230 Volt anliegen –, entsteht ein elektrisches Feld. Das Verrückte ist: Dieses Feld ist einfach da, selbst wenn kein einziges Gerät eingeschaltet ist. Es breitet sich vom Kabel in den Raum aus. Wir messen das in Volt pro Meter (V/m).
- Typische Quellen: Alle Stromleitungen in den Wänden, Verlängerungskabel (ja, auch die unterm Bett!), die Zuleitung zur Nachttischlampe, selbst wenn sie aus ist.
- Gut zu wissen: Elektrische Felder lassen sich relativ gut abschirmen. Eine massive Wand dämpft sie schon, und eine korrekt geerdete Metallfläche kann sie fast komplett stoppen.
Ganz ehrlich? Bei Messungen im Schlafzimmer finde ich die höchsten Werte oft durch simple Dinge wie eine ungeschirmte Lampe direkt neben dem Bett. Der Körper liegt dann stundenlang in diesem Feld, was die nächtliche Erholung stören kann. Das ist reine Physik, kein Hokuspokus.

2. Niederfrequente magnetische Felder (die Stromfließer)
Bleiben wir beim Wasserbild: Das magnetische Feld entsteht erst, wenn du den Hahn aufdrehst und Wasser fließt. Übertragen heißt das: Ein magnetisches Feld entsteht, sobald Strom fließt, also wenn ein Gerät eingeschaltet ist und Energie verbraucht. Die Stärke hängt dabei von der Stromstärke (Ampere) ab, nicht von der Spannung. Gemessen wird in Nanotesla (nT).
- Typische Quellen: Geräte im Betrieb, besonders mit Motoren oder Trafos. Denk an den Föhn, den Rasierer, die Heizungspumpe, das Laptop-Netzteil, aber auch Dimmer oder Induktionsherde.
- Achtung: Magnetische Felder sind extrem schwer abzuschirmen. Die gehen durch fast alle Baumaterialien durch wie nichts. Die einzig wirksame Strategie ist hier: Abstand!
Ein ehemaliger Lehrling von mir war mal völlig baff, wie stark das Magnetfeld direkt an einem alten Radiowecker war. Aber schon einen halben Meter weiter weg war es kaum noch messbar. Das zeigt perfekt das wichtigste Prinzip: Abstand ist dein bester Freund bei magnetischen Feldern.

3. Hochfrequente Felder (die Funksignale)
Das ist die „Strahlung“, über die heute am meisten geredet wird, weil sie für unsere ganze drahtlose Kommunikation genutzt wird. Anders als die niederfrequenten Felder, die an Leitungen gebunden sind, werden diese Wellen gezielt durch die Luft geschickt. Man misst ihre Stärke in Mikrowatt pro Quadratmeter (µW/m²).
- Typische Quellen: WLAN-Router, schnurlose DECT-Telefone, Smartphones, Bluetooth-Boxen, Babyphones und natürlich die Mobilfunkmasten in der Nachbarschaft.
- Der Schlüssel zur Reduzierung: Die Intensität nimmt im Quadrat zur Entfernung ab. Heißt im Klartext: Verdoppelst du den Abstand zum Sender, reduziert sich die Belastung auf ein Viertel. Das ist enorm!
3 Dinge, die du heute Abend noch tun kannst (und die nichts kosten)
Bevor wir in die Technik einsteigen, hier sind drei super einfache Quick-Wins, die sofort einen Unterschied machen können:
- Steckerleiste unterm Bett rausziehen: Wenn du da eine Mehrfachsteckdose für Wecker und Lampe hast, zieh sie vor dem Schlafen einfach aus der Wandsteckdose. Das eliminiert das elektrische Feld für die Nacht.
- Handy in den Flugmodus: Dein Smartphone muss nachts nicht online sein. Der Flugmodus kappt alle Funkverbindungen. Noch besser: Verbann es ganz aus dem Schlafzimmer. Ein alter Wecker tut’s auch.
- Wecker wegrücken: Falls du einen Radiowecker hast, der am Strom hängt – rück ihn einfach mal einen Meter vom Kopf weg. Das reduziert das Magnetfeld drastisch.

Messen statt Raten: So bekommt man Klarheit
Im Internet findest du haufenweise günstige „Elektrosmog-Detektoren“ für 30 bis 50 Euro. Meine ehrliche Meinung als Meister? Spar dir das Geld. Diese Dinger sind oft ungenau, können die Feldarten nicht trennen und führen dich eher in die Irre. Für eine saubere Analyse braucht man Profigeräte.
Wie läuft eine professionelle Messung ab?
Wenn ich zu einer Messung gerufen werde, folge ich einem klaren Plan. Das ist kein Herumstochern, sondern systematische Arbeit nach den Standards der baubiologischen Messtechnik. Diese Standards geben Vorsorgewerte vor, die viel, viel strenger sind als die gesetzlichen Grenzwerte.
Und hier wird’s interessant. Die gesetzlichen Grenzwerte sollen uns vor akuter Gewebeerwärmung schützen. Sie liegen zum Beispiel für niederfrequente elektrische Felder bei 5.000 V/m. Die baubiologische Empfehlung für Schlafbereiche liegt bei unter 10 V/m. Du siehst den Unterschied? Die Vorsorgewerte orientieren sich an dem, was für eine ungestörte Regeneration ideal ist.
Der Ablauf ist meist so: Wir sprechen erst mal, dann schaue ich mir den Sicherungskasten an. Danach geht es an die Messung, vor allem im Schlafzimmer. Ich schalte Stromkreise einzeln ab und an, um die Quellen genau zu finden. Am Ende gibt es ein klares Protokoll und einen Plan mit konkreten Vorschlägen. So eine professionelle Analyse kostet je nach Hausgröße und Aufwand meist zwischen 300 € und 700 €, aber dafür hat man dann auch wirklich Klarheit.

Praktische Lösungen: So reduzierst du die Belastung Schritt für Schritt
Man muss nicht gleich das ganze Haus sanieren. Oft helfen schon kleine, gezielte Maßnahmen enorm. Wichtig ist, bei den stärksten Quellen anzufangen und sich auf die Orte zu konzentrieren, wo man viel Zeit verbringt: Schlafzimmer, Kinderzimmer, Arbeitsplatz.
Was tun gegen elektrische Felder (NF-E)?
- Der Netzfreischalter: Das ist die eleganteste Lösung fürs Schlafzimmer. Ein kleines Gerät, das vom Elektriker in den Sicherungskasten eingebaut wird. Sobald du die letzte Lampe im Zimmer ausschaltest, trennt es den Stromkreis komplett vom Netz. Die Leitungen in der Wand sind dann spannungsfrei – und das elektrische Feld ist weg. Machst du das Licht an, ist der Strom sofort wieder da. Wichtig: Der Einbau ist absolute Facharbeit! Rechne hier mit Kosten um die 200 € bis 350 € inklusive Einbau.
- Abstand und geschirmte Kabel: Rück dein Bett ein Stück von der Wand ab. Vermeide Kabelsalat unterm Bett. Für den Schreibtisch gibt es geschirmte Steckdosenleisten. Die sind eine super Sache, kosten um die 35 € bis 50 € und leiten das elektrische Feld direkt ab.
- Ein Beispiel aus der Praxis: Bei einer Messung am Kopfende eines Bettes hatte ich einen Wert von 120 V/m, verursacht durch das ungeschirmte Kabel einer Nachttischlampe. Wir haben eine geschirmte Lampe angeschlossen und schon lag der Wert unter 5 V/m. So einfach kann das sein!

Was tun gegen magnetische Felder (NF-M)?
Hier gilt, wie gesagt, vor allem eine Regel: Abstand, Abstand, Abstand.
- Die Ein-Meter-Regel: Halte mindestens einen Meter Abstand zu Geräten mit Trafos oder Motoren. Das gilt für den Radiowecker, das Laptop-Netzteil am Schreibtisch oder die Hi-Fi-Anlage.
- Blick durch die Wand: Schau mal, was auf der anderen Seite der Wand hinter deinem Bett steht. Manchmal ist es der Kühlschrank, dessen Kompressor ständig anspringt. Das Bett oder den Kühlschrank ein Stück zu verschieben, kann Wunder wirken.
- Induktionsherde bewusst nutzen: Diese Kochfelder erzeugen starke magnetische Felder. Es ist klug, beim Kochen nicht direkt mit dem Bauch am Herd zu lehnen. Nutze lieber die hinteren Kochfelder. Das steht übrigens oft auch in den Bedienungsanleitungen.
Was tun gegen hochfrequente Felder (HF)?
Hier geht es vor allem darum, die Funktechnik bewusst zu steuern.
- Kabel statt WLAN: Die stabilste, schnellste und strahlungsärmste Internetverbindung ist und bleibt das gute alte LAN-Kabel. Für den PC, den Smart-TV oder die Spielekonsole ist das die absolute Top-Lösung.
- WLAN optimieren: Wenn’s nicht ohne geht, platziere den Router möglichst weit weg von Schlaf- und Aufenthaltsräumen. Schalte ihn nachts aus (eine simple Zeitschaltuhr für 10 € reicht). Kleiner Profi-Tipp: Bei den meisten Routern kannst du die Sendeleistung reduzieren. Logge dich dazu in die Benutzeroberfläche deines Routers ein (meist über eine Adresse wie `192.168.1.1` im Browser), suche nach „WLAN“ oder „Sendeleistung“ und stelle sie mal auf 50 %. Oft reicht das völlig aus.
- DECT-Telefone austauschen: Klassische Schnurlostelefone sind oft Dauersender. Achte beim Kauf auf ein Modell mit der Kennzeichnung „ECO DECT“ oder „Full Eco Mode“. Auf der Verpackung oder der Unterseite der Basisstation muss das draufstehen. Diese Geräte funken nur, wenn du wirklich telefonierst.
- Smartphone-Hygiene: Trag das Handy nicht direkt am Körper. Nutze für lange Gespräche die Freisprechfunktion oder ein Headset (am besten mit Kabel). Und telefoniere nicht bei schlechtem Empfang – dann muss das Gerät nämlich mit maximaler Power senden.

Wenn’s kompliziert wird: Wann der Profi ran muss
Manchmal reichen die einfachen Tipps nicht, besonders wenn starke Felder von außen kommen, zum Beispiel von einem nahen Mobilfunkmasten. Dann kann man über Abschirmung nachdenken.
Es gibt spezielle Farben, Gewebe für Vorhänge oder sogar Fensterfolien. Aber Vorsicht! Eine unsachgemäß angebrachte Abschirmung kann alles schlimmer machen. Ich hatte mal einen Fall, da hat jemand sein Schlafzimmer selbst mit Abschirmfarbe gestrichen, aber die Erdung vergessen. Das Ergebnis war ein „Funkkäfig“: Die Strahlung von außen kam zwar nicht mehr so stark rein, aber die Signale der eigenen Geräte im Raum (Handy, Laptop) wurden von den Wänden reflektiert, und die Belastung war am Ende höher als vorher.
Deshalb: Abschirmung ist eine Sache für den Fachmann, der genau weiß, wie man das Material lückenlos anbringt und korrekt erdet. Wenn du so etwas planst oder bei einem Neubau von Anfang an alles richtig machen willst, solltest du dir einen qualifizierten Baubiologen zurate ziehen. Gute Anlaufstellen, um Experten in deiner Nähe zu finden, sind die Berufsverbände, wie zum Beispiel der Verband Baubiologie (VDB e.V.).

Ein bewusst gestaltetes, strahlungsarmes Zuhause zu schaffen, ist ein Prozess. Es geht darum, die Technik zu verstehen und sie so zu nutzen, dass sie uns dient, ohne uns unnötig zu belasten. Mit etwas Wissen und ein paar gezielten Handgriffen ist schon unglaublich viel erreicht.
Wichtiger Hinweis zum Schluss: Ich bin Handwerksmeister und Baubiologe, kein Arzt. Diese Tipps dienen der Reduzierung physikalischer Felder. Bei gesundheitlichen Beschwerden sprich bitte immer mit einem Arzt deines Vertrauens. Und denk dran: Alle Arbeiten an der Elektroinstallation dürfen nur von einer Elektrofachkraft durchgeführt werden!
Bildergalerie


Der ultimative Ruhepol fürs Schlafzimmer: der Netzfreischalter?
Stellen Sie sich vor, der gesamte Stromkreis Ihres Schlafzimmers geht schlafen, sobald Sie das letzte Licht ausschalten. Genau das macht ein Netzabkopppler, auch Netzfreischalter genannt. Dieses kleine Gerät wird von einem Elektriker im Sicherungskasten installiert und prüft permanent, ob Strom verbraucht wird. Ist kein Gerät mehr aktiv, trennt es den gesamten Kreislauf von der 230-Volt-Spannung. Das Ergebnis: Die niederfrequenten elektrischen Felder, die von den Leitungen in den Wänden ausgehen, verschwinden komplett. Erst wenn Sie wieder ein Gerät einschalten, legt der Schalter die Spannung blitzschnell wieder an. Modelle von Herstellern wie Eltako oder Gira sind hierbei die gängige Wahl von Fachleuten.

Die Stärke eines hochfrequenten Signals (wie WLAN) nimmt mit dem Quadrat der Entfernung zur Quelle ab. Eine Verdopplung des Abstands reduziert die Belastung also auf ein Viertel.
Was bedeutet das konkret für Ihren WLAN-Router? Platzieren Sie ihn niemals direkt am Schreibtisch, im Schlafzimmer oder neben dem Sofa. Suchen Sie einen zentralen, aber weniger genutzten Ort in der Wohnung, wie den Flur. Schon ein bis zwei Meter mehr Abstand zu Ihrem Daueraufenthaltsort können die persönliche Belastung erheblich senken. Ein einfacher Trick mit großer Wirkung, der nichts kostet.

Die Wahl der Nachttischlampe: Mehr als nur eine Frage des Designs.
Standard-Kunststofflampe: Oft ist die Zuleitung ungeschirmt und das Gehäuse aus Kunststoff leitet elektrische Felder direkt in die Umgebung ab – also genau dorthin, wo Sie schlafen.
Geerdete Metallleuchte: Eine hochwertig verarbeitete Leuchte mit einem Metallgehäuse und einem dreipoligen Stecker (Schukostecker) ist oft die bessere Wahl. Das Metallgehäuse wirkt wie ein kleiner Faradayscher Käfig und kann, wenn es korrekt geerdet ist, das elektrische Feld deutlich reduzieren. Achten Sie auf das Detail: Ein Eurostecker (flach, zweipolig) kann niemals geerdet sein.
Ein kleines Abendritual kann Wunder wirken, ganz ohne technische Umbauten. Probieren Sie diese drei Handgriffe vor dem Schlafengehen aus:
- Steckerleiste mit Schalter: Fassen Sie alle Geräte neben dem Bett (Ladegerät, Wecker, Lampe) auf einer schaltbaren Steckerleiste zusammen. Ein Klick auf den roten Knopf trennt alle Geräte vollständig vom Netz.
- WLAN-Nachtruhe: Programmieren Sie Ihren Router (z. B. in der Benutzeroberfläche einer AVM Fritz!Box) so, dass das WLAN zwischen 23 Uhr und 6 Uhr automatisch deaktiviert wird.
- Handy-Flugmodus: Aktivieren Sie den Flugmodus. Das stoppt nicht nur Benachrichtigungen, sondern kappt auch alle Sende- und Empfangsfunktionen des Geräts.



