Rattan oder Polyrattan? Ein ehrlicher Ratgeber, bevor du dein Geld für Gartenmöbel ausgibst
Jedes Jahr das gleiche Spiel: Die ersten Sonnenstrahlen kommen raus und sofort packt uns der Drang, das Wohnzimmer nach draußen zu verlagern. Man will es sich gemütlich machen, mit Freunden grillen, die Füße hochlegen. Und dann steht man vor der riesigen Auswahl an „Rattanmöbeln“ und ist, ehrlich gesagt, oft komplett überfordert. Was ist echt, was ist Plastik, und warum kostet ein Sessel mal 80 € und mal 800 €?
Inhaltsverzeichnis
- 0.1 Die Seele der Möbel: Natur pur oder cleverer Klon?
- 0.2 Das Skelett: Was drunter ist, entscheidet über Sieg oder Niederlage
- 0.3 Ach ja, die Kissen! Mehr als nur Deko
- 0.4 Was kostet der Spaß denn nun wirklich?
- 0.5 Pflege und Lagerung: So hast du ewig Freude dran
- 0.6 Dein 5-Punkte-Check für den Möbelkauf
- 0.7 Mein Fazit
- 1 Bildergalerie
Nach Jahrzehnten in der Werkstatt, in denen mir so ziemlich jedes Material unter die Finger gekommen ist, kann ich dir eins sagen: Zwischen diesen Möbeln liegen Welten. Und die größten Unterschiede sind die, die man auf den ersten Blick gar nicht sieht. Vergessen wir mal die Hochglanzprospekte. Lass uns mal Tacheles reden, worauf es wirklich ankommt, damit du nicht nach zwei Sommern enttäuscht alles auf den Sperrmüll trägst.
Die Seele der Möbel: Natur pur oder cleverer Klon?
Alles fängt beim Material an. Das ist die Hülle, das Gesicht deiner zukünftigen Wohlfühloase. Aber Optik ist eben nicht alles, wenn Mutter Natur mit Regen, UV-Strahlung und Temperaturschwankungen anklopft.
Echtes Rattan: Eine Schönheit mit Allwetter-Allergie
Keine Frage, echtes Rattan ist ein traumhaftes Material. Es wird aus der Rattanpalme gewonnen, ist leicht, flexibel und hat diese unverwechselbare, warme und natürliche Ausstrahlung. Man spürt die feinen Fasern und die lebendige Struktur. Ein Rattansessel im Wintergarten? Absolut grandios.
Aber – und das ist ein riesengroßes Aber – für den ungeschützten Garten in unseren Breitengraden ist es eine Katastrophe. Das ist keine Meinung, das ist Physik. Die feinen Poren, die es so sympathisch machen, saugen Feuchtigkeit auf wie ein Schwamm. Die Folge: Das Material wird grau, morsch und bricht. Gleichzeitig macht die pralle Sonne die Fasern spröde. Nach ein, zwei Saisons wird der Stuhl instabil und unansehnlich.
Klartext: Echtes Rattan kaufst du nur, wenn es zu 100 % wettergeschützt steht. Also im Wintergarten oder auf einem komplett überdachten Balkon, wo kein Tropfen Regen hinkommt. Alles andere ist rausgeschmissenes Geld.
Polyrattan: Der Outdoor-Champion mit versteckten Tücken
Wenn du heute Gartenmöbel in Rattan-Optik siehst, handelt es sich fast immer um Polyrattan. Das ist ein Kunststoffgeflecht aus Polyethylen (PE), das entwickelt wurde, um die wohnliche Optik mit Wetterfestigkeit zu kombinieren. Und hier wird es spannend, denn Polyrattan ist nicht gleich Polyrattan.
Gutes Polyrattan hat spezielle UV-Stabilisatoren im Kunststoff. Die schützen es davor, von der Sonne zersetzt zu werden. Billiges Material ohne diesen Schutz wird nach wenigen Sommern spröde, die Farbe verblasst und das Geflecht bricht. Ich habe schon Stühle gesehen, da konntest du mit dem Finger Löcher reinpieksen.
Achte mal auf die Art des Geflechts, das verrät schon viel über die Qualität:
- Flachband: Das ist die günstigste und häufigste Variante. Sieht modern aus, ist aber am anfälligsten für Dehnung und fühlt sich oft sehr „plastik-artig“ an.
- Rundgeflecht: Kommt optisch und haptisch dem echten Rattan am nächsten. Es ist viel aufwendiger zu verarbeiten und daher teurer. Die runden Stränge sind aber auch deutlich robuster und langlebiger. Echte Kenner schwören drauf.
- Halbrundgeflecht: Ein cleverer Kompromiss. Von außen die edle, runde Optik, von innen flach zur Material- und Kostenersparnis. Meiner Meinung nach oft der beste Kompromiss aus Preis, Optik und Haltbarkeit.
Das Skelett: Was drunter ist, entscheidet über Sieg oder Niederlage
Ich sage immer: Das schönste Geflecht nützt dir nichts, wenn das Gerüst darunter Schrott ist. Das ist das Skelett deiner Möbel. Und hier wird am häufigsten gespart, weil der Kunde es eben nicht sofort sieht.
Aluminium gegen Stahl: Ein Kampf, den nur einer gewinnen kann
Bei den Gestellen gibt es quasi nur zwei Optionen: Stahl oder Aluminium.
Stahl ist billig und schwer. Um ihn vor Rost zu schützen, wird er pulverbeschichtet. Das Problem? Ein kleiner Kratzer, verursacht durch das Verschieben auf der Terrasse, reicht aus. Feuchtigkeit kriecht drunter und der Stahl fängt an zu gammeln. Du siehst es erst, wenn plötzlich braune Rostbrühe aus den Stuhlbeinen läuft und deine teuren neuen Terrassenplatten versaut. Ganz ehrlich, das ist eine der häufigsten und ärgerlichsten Reklamationen, die ich höre. Nach ein paar Wintern ist die Stabilität dann auch dahin.
Aluminium ist die Profiliga. Es ist leicht und kann von Natur aus nicht rosten. Punkt. Auch hier gibt es eine Pulverbeschichtung, aber die dient eher der Farbe. Selbst wenn da ein Kratzer reinkommt, passiert… nichts. Die Möbel bleiben stabil. Ein Qualitätsmöbel hat ein Gestell aus 100 % Aluminium.
Kleiner Tipp für den Laden: Hebe den Stuhl einfach mal an. Fühlt er sich überraschend schwer an? Wahrscheinlich Stahl. Aluminium ist spürbar leichter, aber trotzdem bockstabil.
Achte auch auf die Schweißnähte. Sind die Rohre nur an wenigen Punkten zusammengeheftet oder sauber und durchgehend verschweißt? Durchgehende Nähte bedeuten Stabilität. Ich habe schon ein Gestell gesehen, das unter Belastung zusammengeklappt ist. Stell dir vor, da sitzt deine Oma drauf. Kein schöner Gedanke.
Ach ja, die Kissen! Mehr als nur Deko
Ganz ehrlich, die Polster sind die halbe Miete und ein riesiger Qualitätsunterschied, über den kaum jemand spricht. Hier wird gespart, was das Zeug hält!
Der Unterschied zwischen einem 3 cm dicken Schaumstoff-Lappen und einem 10 cm dicken Qualitätskissen ist gigantisch. Nach einer halben Stunde tut dir auf dem Billigkissen der Hintern weh. Ein gutes Polster hat einen festen Schaumstoffkern, oft mit Vlies ummantelt, der auch nach Stunden noch bequem ist. Drück mal drauf: Gibt es sofort nach oder spürst du einen angenehmen Widerstand?
Und dann der Stoff! Einfaches Polyester ist Standard, bleicht aber in der prallen Sonne relativ schnell aus. Hochwertiger sind Stoffe wie Olefin oder spinndüsengefärbtes Polyacryl. Die kosten mehr, aber die Farben bleiben jahrelang brillant. Achte unbedingt darauf, ob die Bezüge abnehmbar und waschbar sind. Das ist Gold wert, spätestens nach der ersten Grillparty.
Gut zu wissen: Hochwertige Polster mit guten Stoffen können den Preis eines Sets locker um 200-400 € in die Höhe treiben. Aber dieser Aufpreis ist jeden Cent wert, sowohl für den Komfort als auch für die Langlebigkeit.
Was kostet der Spaß denn nun wirklich?
Okay, Butter bei die Fische. Du willst wissen, was du einplanen musst. Eine solide Lounge-Gruppe für vier Personen mit Alugestell, einem guten Halbrundgeflecht und vernünftigen Polstern wirst du selten unter 800 € bis 1.200 € finden. Top-Modelle mit Rundgeflecht und Premium-Polstern liegen auch schnell bei 2.000 € oder mehr.
Alles, was deutlich unter 600 € für ein komplettes Set liegt, hat mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen Haken. Meistens ist es das erwähnte Stahlgestell, billiges Flachband-Geflecht oder eben diese traurigen, dünnen Kissen.
Pflege und Lagerung: So hast du ewig Freude dran
Auch die besten Möbel wollen ein bisschen Liebe. Polyrattan ist super pflegeleicht, aber bitte, tu mir einen Gefallen: Finger weg vom Hochdruckreiniger! Der harte Strahl raut die Oberfläche auf und macht sie anfälliger für Schmutz. Im schlimmsten Fall drückst du Wasser ins Gestell.
Nimm einfach eine weiche Bürste, lauwarmes Wasser mit etwas Spüli und einen Gartenschlauch mit sanftem Strahl. Das reicht völlig.
Bei der Überwinterung machen die meisten den größten Fehler. Selbst winterfeste Möbel danken es dir, wenn sie geschützt werden. Am besten in der Garage oder im Keller. Wenn das nicht geht, brauchst du eine gute Abdeckhaube. Aber bitte keine billige Baumarktplane! Darunter staut sich die Feuchtigkeit, und im Frühjahr hast du eine schimmlige Überraschung. Ein Kunde von mir musste seine 2.500-Euro-Lounge entsorgen, weil alles voller Stockflecken war.
Der ultimative Meister-Tipp: Investiere in eine atmungsaktive Schutzhülle (kostet ca. 50-100 €). Und ganz wichtig: Lege immer etwas unter die Möbel, bevor die Haube drüberkommt. Ein alter Eimer oder ein paar Holzklötze reichen schon. So kann die Luft auch von unten zirkulieren. Das verhindert Schwitzwasser und ist der beste Schutz gegen Schimmel.
Dein 5-Punkte-Check für den Möbelkauf
Damit du im Laden nicht den Überblick verlierst, hier meine persönliche Checkliste:
- Der Hebe-Test: Anpacken! Leicht und stabil? Super, wahrscheinlich Alu. Überraschend schwer? Vorsicht, könnte Stahl sein.
- Der Druck-Test: Mit der flachen Hand fest auf die Sitzfläche drücken. Gibt sie stark nach oder ist sie schön straff?
- Der Fühl-Test: Fahr mal mit der Hand unter die Sitzfläche und an die Kanten. Spürst du scharfe, lose Enden des Geflechts? Kein gutes Zeichen!
- Der Sitz-Test: Reinsetzen und wackeln! Fühlt es sich stabil an oder knarzt und wackelt es schon im Laden?
- Die entscheidende Frage: Frag den Verkäufer direkt: „Besteht das Gestell zu 100 % aus Aluminium?“ Ein ehrlicher Verkäufer wird dir eine klare Antwort geben.
Ach ja, und stell die Möbel niemals direkt neben den heißen Grill oder eine Feuerschale. Polyrattan ist Kunststoff. Es schmilzt und kann im schlimmsten Fall brennen. Ein bisschen Sicherheitsabstand ist immer eine gute Idee.
Mein Fazit
Du siehst, der Kauf von Gartenmöbeln ist mehr als eine reine Geschmacksfrage. Es ist eine bewusste Entscheidung für Qualität und Langlebigkeit. Lass dich nicht von unrealistisch günstigen Preisen und schicken Fotos blenden. Eine gute Polyrattan-Garnitur ist eine Investition, die dir über viele, viele Jahre Freude und Entspannung bringt. Und am Ende ist es doch genau das, was wir im Garten suchen, oder?
Bildergalerie
Die Achillesferse vieler Gartenmöbel? Die Auflagen.
Selbst das wetterfesteste Polyrattan-Sofa wird zur Frustfalle, wenn die Kissen nach dem ersten Schauer tagelang nass bleiben. Achten Sie auf Bezüge aus schnelltrocknenden Synthetikfasern wie Olefin oder sunbrella-Stoffen, die zudem UV-beständig und farbecht sind. Das Nonplusultra im Inneren ist „Quick Dry Foam“, ein spezieller Schaumstoff mit offener Zellstruktur, der Wasser einfach durchlaufen lässt und innerhalb kürzester Zeit wieder trocken ist. Abnehmbare und waschbare Bezüge sind dabei eine Selbstverständlichkeit.
Der Blick unters Geflecht: Was Ihre Möbel wirklich zusammenhält.
Ein entscheidender, aber unsichtbarer Qualitätsfaktor ist das Gestell unter dem Rattan- oder Polyrattan-Geflecht. Günstige Modelle setzen oft auf pulverbeschichteten Stahl. Das Problem: Bei kleinsten Kratzern dringt Feuchtigkeit ein und der Rahmen beginnt von innen heraus zu rosten – oft bemerkt man es erst, wenn Rostflecken auf der Terrasse erscheinen. Die deutlich bessere, wenn auch teurere Wahl, ist ein Rahmen aus leichtem, rostfreiem Aluminium. Er sorgt für Stabilität über viele Jahre und macht das Umstellen der Möbel zum Kinderspiel.
- Hält einem Sommergewitter stand.
- Bleicht in der prallen Mittagssonne nicht aus.
- Wird auch bei Minusgraden nicht brüchig.
Das Geheimnis? Es liegt in der Faser. Hochwertiges Polyrattan, wie das RAUCORD-Geflecht des deutschen Herstellers REHAU, ist komplett durchgefärbt und nicht nur oberflächlich lackiert. Dadurch bleiben Farbe und Elastizität auch nach Jahren intensiver Nutzung erhalten, während bei billigen Varianten die Farbe abblättern und das Material verspröden kann.
„Hochwertiges Polyrattan aus HDPE (High-Density Polyethylen) ist so konzipiert, dass es Temperaturschwankungen von -20 °C bis +50 °C standhält, ohne seine strukturellen Eigenschaften zu verlieren.“
Diese technische Eigenschaft ist der Grund, warum Qualitätsmöbel problemlos den Winter im Freien überstehen können (idealerweise mit einer atmungsaktiven Schutzhülle). Billigeres PVC-Geflecht hingegen kann bei Kälte hart und spröde werden, was im Frühling zu unschönen Brüchen im Material führen kann.
Rundgeflecht: Wirkt durch seine runde Form extrem authentisch und erinnert am stärksten an echtes Rattan. Es ist aufwendiger in der Herstellung, sehr robust und gilt als die Premium-Variante.
Flachband: Die häufigste und meist günstigere Variante. Sie erzeugt eine modernere, glattere Optik. Achten Sie hier besonders auf die Materialstärke und eine straffe, saubere Flechtung.
Für einen besonders natürlichen Look ist das aufwendigere Rundgeflecht oft die erste Wahl.
Eine gemütliche Lounge-Ecke lebt von mehr als nur dem Sofa. Denken Sie an die Details, die eine wohnliche Atmosphäre schaffen. Ein Outdoor-Teppich aus Polypropylen (z.B. von benuta) fasst die Sitzgruppe optisch zusammen und ist barfuß angenehmer als kühle Terrassenplatten. Ergänzen Sie die Szene mit wetterfesten LED-Laternen und Solarlichterketten, die am Abend für sanftes Licht sorgen. Große Pflanzkübel aus Fiberglas oder Betonoptik, bepflanzt mit Gräsern oder Bambus, schaffen einen natürlichen Sichtschutz und runden das „Wohnzimmer im Grünen“ ab.
Ist mein echtes Rattan wirklich nachhaltig?
Rattan ist eine Lianenart, die für ihr Wachstum Bäume benötigt und extrem schnell nachwächst. Ihre Ernte kann daher einen Anreiz zum Erhalt von Wäldern schaffen.
Das klingt erst einmal positiv. Doch wie bei vielen Naturprodukten kommt es auf die Herkunft an. Achten Sie beim Kauf von echten Rattanmöbeln auf Siegel wie das des FSC (Forest Stewardship Council). Es stellt sicher, dass das Material aus verantwortungsvoll bewirtschafteten Wäldern stammt, wo auf soziale Standards und den Schutz der Biodiversität geachtet wird. Ohne ein solches Zertifikat ist die Herkunft oft unklar.
- Für Polyrattan: Ein Eimer lauwarmes Wasser, ein Schuss mildes Spülmittel und ein weiches Tuch oder eine Bürste sind alles, was Sie brauchen. Bei hartnäckigem Schmutz in den Fugen hilft eine alte Zahnbürste. Verzichten Sie unbedingt auf Hochdruckreiniger oder aggressive Chemikalien, da diese die Kunststoffoberfläche beschädigen können.
- Für echtes Rattan (im Innenbereich): Hier ist weniger mehr. Meist genügt es, die Möbel mit einem Staubsauger mit Bürstenaufsatz zu entstauben. Für die Reinigung genügt ein leicht angefeuchtetes Tuch ohne Reinigungsmittel. Zu viel Nässe ist, wie im Artikel beschrieben, der größte Feind des Materials.
Der größte Fehler beim Kauf ist, sich nur auf die Optik zu konzentrieren. Setzen Sie sich unbedingt Probe! Ist die Sitzhöhe angenehm? Ist die Sitztiefe passend für Ihre Körpergröße? Eine zu tiefe Sitzfläche kann auf Dauer unbequem sein, während eine zu aufrechte Lehne wenig entspannend wirkt. Gerade bei Lounge-Möbeln, auf denen man Stunden verbringen möchte, ist die Ergonomie genauso entscheidend wie die Wetterfestigkeit.
