Das Ciclotte Bike im Werkstatt-Check: Design-Ikone oder sündhaft teures Spielzeug?
In meiner Werkstatt habe ich über die Jahre wirklich schon alles gesehen, was zwei Pedale und einen Lenker hat. Meistens sind Fitnessgeräte reine Arbeitstiere: funktionell, ein bisschen klobig und darauf ausgelegt, Kalorien zu killen. Funktion vor Form. Aber ganz selten rollt ein Gerät herein, das anders ist. Eines, das nicht nur im Keller schwitzen, sondern auch im Wohnzimmer glänzen will. Das Ciclotte ist genau so ein Fall.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Das Herzstück: Was steckt wirklich in diesem riesigen Rad?
- 2 Material & Verarbeitung: Hält das, was die Optik verspricht?
- 3 Für wen ist das Ciclotte wirklich? Meine ehrliche Meinung
- 4 Aufstellung und Nutzung: Tipps aus der Praxis
- 5 Pflege und Wartung: So bleibt dein Investment top in Schuss
- 6 Mein Fazit als Werkstatt-Meister
- 7 Bildergalerie
Als ich das erste Mal davorstand – übrigens in der Suite eines schicken Hotels, wo wir die Geräte warten –, war mein erster Gedanke: „Wow. Ist das jetzt Kunst oder kann man damit ernsthaft trainieren?“
Als Zweirad- und Metallbaumeister schaue ich natürlich mit einem anderen Blick auf solche Konstruktionen. Ich sehe nicht nur die polierte Oberfläche, sondern die Schweißnähte, die Materialwahl und die Mechanik, die im Verborgenen werkelt. In diesem Artikel gibt’s meine knallharte Analyse, ganz ohne Marketing-Blabla. Wir schauen tief unter die schicke Hülle, ich erkläre dir die Technik, gebe dir echte Tipps für die Wartung und sage dir am Ende ehrlich, für wen sich so eine Investition lohnt – und für wen sie kompletter Unsinn ist.
Das Herzstück: Was steckt wirklich in diesem riesigen Rad?
Klar, das riesige, einzelne Rad ist der absolute Hingucker. Aber die wahre Magie passiert im Inneren. Die Entwickler nennen das Ganze ein „Epizykloid-Übertragungssystem“. Klingt super kompliziert, ist aber eine clevere Idee, die ursprünglich aus dem Schwermaschinenbau kommt. Stell dir ein kleines Zahnrad vor, das in einem großen, hohlen Zahnrad abrollt und so die Kraft überträgt. Dieses Prinzip wurde hier genial auf ein Fitnessgerät übertragen.
Wusstest du schon? Eine ganz ähnliche Getriebetechnik sorgt in den riesigen Rotoren von Windkraftanlagen für die richtige Übersetzung. Du hast also quasi echte Kraftwerk-Technologie im Wohnzimmer stehen!
Im Gegensatz zu einem normalen Heimtrainer mit Kette oder Riemen gibt es hier keine starre, mechanische Verbindung für den Widerstand. Ein System aus Magneten erzeugt die Bremskraft, während die Epizykloid-Mechanik für die Kraftübertragung sorgt. Das Ergebnis ist ein unglaublich rundes, fast schon seidiges Tretgefühl. Kein Ruckeln beim Start, kein „toter Punkt“ in der Umdrehung. Es fühlt sich erstaunlich nah an einer echten Fahrt auf der Straße an, weil die Masse des großen Rades eine natürliche Trägheit erzeugt. Wenn du aufhörst zu treten, läuft es nach – genau wie dein Fahrrad draußen.
Antriebsarten im Schnell-Check: Was ist der Unterschied?
Um das mal einzuordnen, hier ein kleiner Überblick über die gängigen Systeme, ganz ohne komplizierte Tabellen:
- Der Klassiker: Ketten-Antrieb. Den kennst du vom Fahrrad. Fühlt sich sehr direkt an, ist aber laut und braucht ständig Pflege (ölen, spannen). Findet man heute eher bei älteren oder günstigen Spinning-Bikes.
- Der Standard: Riemen-Antrieb. Deutlich leiser und wartungsärmer als die Kette. Das ist der heutige Standard bei den meisten guten Heimtrainern im mittleren Preissegment. Fühlt sich gut an, manchmal aber einen Hauch indirekter als die Kette.
- Die Ciclotte-Lösung: Epizykloid-Getriebe. Kombiniert eine verschleißfreie Magnetbremse mit diesem einzigartigen Getriebe. Das ist die absolute Luxusklasse: extrem leise, quasi wartungsfrei und mit einem unschlagbar runden Fahrgefühl. Aber eben auch die mit Abstand teuerste Variante.
Material & Verarbeitung: Hält das, was die Optik verspricht?
Ganz ehrlich: Bei dem Preis muss ein Gerät mehr können als nur gut aussehen. Die Verarbeitung muss tadellos sein. Ich hab das Ding also mal so richtig unter die Lupe genommen.
Carbon: Mehr als nur schickes Schwarz
Die Lenkergriffe und Teile der Verkleidung sind oft aus Kohlefaser (Carbon). Im Radsport nutzt man das wegen des geringen Gewichts. Hier ist das Gewicht egal, aber der Vorteil ist ein anderer: Carbon schluckt Mikrovibrationen. Das macht sich bei langen, intensiven Einheiten in den Händen und Handgelenken positiv bemerkbar.
Achtung! Carbon ist eine Diva. Schrauben an Carbonteilen darf man NIEMALS nach Gefühl anziehen. Hier ist ein Drehmomentschlüssel absolute Pflicht, den bekommst du im Baumarkt oder online schon für ca. 30 €. Meist sind 5 bis 6 Newtonmeter das Maximum. Einmal zu fest angezogen, und du hast einen teuren Haarriss.
Der Stahlrahmen: Gebaut für die Ewigkeit?
Der tragende Rahmen ist aus hochfestem Stahl. Vor allem die einarmige Konstruktion, die das Rad hält, ist eine technische Meisterleistung. Die muss enorme Kräfte aushalten, besonders wenn jemand mit über 90 Kilo im Stehen sprintet. Die Schweißnähte sind sauber und gleichmäßig – ein klares Zeichen für Qualität. Der Lack ist eine robuste Pulverbeschichtung, die Schweiß und Kratzern lange trotzt. Ein häufiger Schwachpunkt bei günstigeren Geräten sind die Lager. Hier sind hochwertige, gekapselte Industrielager verbaut, die auch nach Jahren noch butterweich laufen.
Für wen ist das Ciclotte wirklich? Meine ehrliche Meinung
Kommen wir zum Punkt. So ein Gerät ist ein Statement. Aber ist es das richtige für DICH? Lass uns mal Klartext reden.
Zuerst der Preis: Je nach Ausführung mit Stahl oder Carbon reden wir hier von einer Preisspanne zwischen 8.000 und 12.000 Euro. Ja, richtig gelesen. Das ist das Niveau eines Kleinwagens. Diese Entscheidung will also verdammt gut überlegt sein.
Ja, wenn du…
- … Design liebst und intensiv trainierst: Du suchst ein Gerät für anspruchsvolles Training (HIIT, Spinning), hast aber keinen separaten Fitnessraum und willst dir kein hässliches Ungetüm ins Wohnzimmer stellen. Das Ciclotte fügt sich ein wie eine Skulptur.
- … Ästhetik über alles stellst: Du siehst das Gerät als Designobjekt, als ein Möbelstück, mit dem man zufällig auch trainieren kann. Der Preis ist für dich zweitrangig, der Wert liegt in der einzigartigen Form und den edlen Materialien.
Eher nein, wenn du…
- … einfach nur fit werden willst: Wenn dein Hauptziel ist, Kalorien zu verbrennen, gibt es fantastische Alternativen für einen Bruchteil des Geldes. Ein solides Bike wie das Schwinn IC7 für unter 1.000 € oder das Concept2 BikeErg für ca. 1.300 € erledigen den Job genauso gut.
- … ein ambitionierter Radsportler bist: Dir wird die millimetergenaue Anpassung an deine Rennrad-Position fehlen. Auch das Montieren eigener Powermeter-Pedale ist oft nicht ohne Weiteres möglich. Die eingebaute Software ist zudem eher basic. Sie zeigt dir zwar die wichtigsten Werte, aber für tiefgehende Analysen bist du mit Plattformen wie Zwift oder TrainerRoad besser bedient, deren volle Integration hier nicht immer gegeben ist.
Aufstellung und Nutzung: Tipps aus der Praxis
Vergiss die Werbefotos am Pool oder mitten im Badezimmer. Als Praktiker sehe ich da nur rostige Schrauben und Elektronikschäden. Hier ein paar Ratschläge, die Gold wert sind.
Der richtige Standort und was du brauchst
Das Gerät wiegt um die 55 kg und misst etwa 111 cm x 55 cm x 111 cm (L x B x H). Eine Person kann es dank der integrierten Rollen auf ebenem Boden ganz gut verschieben. Stell es an einen trockenen, gut belüfteten Ort. Keine Feuchträume, keine direkte Sonneneinstrahlung! Und ganz wichtig: Leg immer eine Schutzmatte drunter. So eine Matte kostet vielleicht 40 €, bewahrt aber deinen teuren Parkettboden vor Kratzern und fängt den Schweiß auf.
So stellst du das Rad perfekt für dich ein
Nimm dir 10 Minuten Zeit dafür, dein Körper wird es dir danken. Eine falsche Einstellung führt zu Knie- oder Rückenschmerzen.
- Sattelhöhe grob: Stell dich neben das Rad. Der Sattel sollte ungefähr auf Höhe deines Hüftknochens sein.
- Feinjustierung: Setz dich drauf. Stell die Ferse auf das Pedal an der tiefsten Position. Dein Bein sollte jetzt fast komplett durchgestreckt sein. Passt? Perfekt.
- Sattelposition (vor/zurück): Bring die Pedale in die Waagerechte (3-Uhr- und 9-Uhr-Position). Wenn du jetzt von oben auf dein vorderes Knie schaust, sollte eine gedachte Linie von deiner Kniescheibe genau durch die Mitte der Pedalachse verlaufen. Schieb den Sattel entsprechend vor oder zurück.
Pflege und Wartung: So bleibt dein Investment top in Schuss
Ein teures Gerät braucht Liebe. Glaub mir, ich habe schon gesehen, wie Reinigungspersonal so ein Schmuckstück mit scharfem Reiniger ruiniert hat.
Kleiner Tipp für deine Pflege-Grundausstattung: – Zwei weiche Mikrofasertücher (ca. 5 €) – Eine Flasche Wasser mit einem Spritzer mildem Spülmittel – Die bereits erwähnte Schutzmatte (ab 40 €)
Wische das Rad nach jedem Training kurz ab, denn Schweiß ist aggressiv. Alle paar Monate solltest du mal prüfen, ob die Pedale und die Sattelschrauben noch fest sitzen. Pedale können sich mit der Zeit lockern – das ist ein häufiger Grund für nerviges Knacken.
Wann muss der Profi ran?
Einmal im Jahr oder nach vielen hundert Betriebsstunden ist eine professionelle Inspektion sinnvoll. Rechne hier mit Kosten zwischen 150 € und 250 € für Anfahrt und Arbeitszeit, plus eventuelle Ersatzteile. Ruf sofort einen Techniker, wenn du Schleifgeräusche aus dem Inneren hörst, der Widerstand spinnt oder die Elektronik ausfällt. Versuch auf keinen Fall, das Antriebsgehäuse selbst zu öffnen. Das ist ein Präzisionssystem!
Aus meiner Erfahrung: Bevor du anrufst, weil es knackt oder quietscht, zieh die Pedale fest! In vielen Fällen ist das schon die Lösung und erspart dir die Kosten für den Techniker.
Mein Fazit als Werkstatt-Meister
Also, das Ciclotte ist definitiv mehr als nur ein Heimtrainer. Es ist ein faszinierendes Stück Technik und Design, quasi eine funktionale Skulptur. Die Verarbeitung ist erstklassig, das Fahrgefühl exzellent und die Mechanik auf Langlebigkeit ausgelegt.
Aber – und das ist ein großes Aber – es ist ein absoluter Luxusartikel. Man zahlt einen immensen Aufpreis für die außergewöhnliche Optik und die edlen Materialien. Wenn du ein reines Sportgerät ohne Designanspruch suchst, bist du woanders besser und vor allem günstiger bedient. Wenn du aber ein Fitnessgerät willst, das du nicht im Keller verstecken musst, das technisch überzeugt und auch in zehn Jahren noch eine verdammt gute Figur im Wohnzimmer macht… dann, ja dann ist das Ciclotte eine Überlegung wert.
Es ist eine Investition, die wehtut. Aber im Gegensatz zu manch anderem teuren Designobjekt tust du damit jeden Tag aktiv etwas für deine Gesundheit. Und das, ehrlich gesagt, ist ein Mehrwert, den man kaum in Euro aufwiegen kann.
Bildergalerie
Carbon vs. Stahl: Eine Frage des Gefühls und des Stils.
Carbonfaser: Die Standardausführung ist ultraleicht und strahlt puren Motorsport-Flair aus. Die Faserstruktur ist oft dezent sichtbar und fühlt sich warm und organisch an. Ideal für puristische, moderne Interieurs.
Stahl: Die seltenere Variante verleiht dem Ciclotte eine massive, skulpturale Präsenz. Der polierte Stahl ist kühler, reflektiert das Licht und wirkt wie ein klassisches Designobjekt aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Eine Hommage an traditionelle Handwerkskunst.
„Ein Fitnessgerät sollte keine Maschine sein, die man im Keller versteckt, sondern ein integraler Bestandteil des Wohnraums.“
Dieses Zitat von Designer Luca Schieppati bringt die Philosophie des Ciclotte auf den Punkt. Es geht nicht nur um die Funktion, sondern um die nahtlose Integration in den Alltag. Das Rad wird zur Skulptur, das Training zum bewussten Ritual statt zur lästigen Pflicht. Eine Perspektive, die den hohen Preis in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Und die digitale Anbindung? Kann das Design-Stück auch smart?
Ja, aber auf eine dezente Art. Das Ciclotte integriert sich via Bluetooth in die digitale Trainingswelt. Die zugehörige App ermöglicht es, das Smartphone oder Tablet als Display zu nutzen, um Widerstandsstufen zu steuern und Trainingsdaten zu verfolgen. Für ein immersiveres Erlebnis lässt es sich zudem mit Plattformen wie Kinomap verbinden, wodurch virtuelle Touren rund um den Globus direkt ins Wohnzimmer projiziert werden – eine perfekte Symbiose aus analoger Mechanik und digitaler Inspiration.
Das Ciclotte ist mehr als ein Heimtrainer; es ist ein Statement-Piece. Um seine Wirkung voll zu entfalten, braucht es den richtigen Platz:
- Vor einem Panoramafenster: So wird die morgendliche Cardio-Einheit zu einer meditativen Erfahrung mit Ausblick.
- In der Bibliothek oder im Heimbüro: Als skulpturaler Kontrapunkt zu Bücherregalen und Schreibtisch – für die aktive Pause zwischendurch.
- Auf einer Galerie oder in einem großzügigen Flur: Behandeln Sie es wie ein Kunstwerk, das aus verschiedenen Winkeln betrachtet werden kann.
Wichtiger Punkt: Die Akustik. Einer der größten Luxusfaktoren des Ciclotte ist seine beinahe lautlose Funktionsweise. Wo klassische Heimtrainer mit Ketten- oder Luftwiderstand eine erhebliche Geräuschkulisse erzeugen, summt das magnetische Epizykloid-Getriebe nur leise vor sich hin. Das bedeutet: Sie können trainieren, während jemand im selben Raum liest, einen Film schaut oder sogar schläft. Ein oft unterschätzter Vorteil im täglichen Gebrauch.
- Keine Kette, die geölt werden muss.
- Kein Riemen, der nachgespannt werden will.
- Weniger bewegliche Verschleißteile als bei herkömmlichen Geräten.
Das Geheimnis der Wartungsarmut liegt im gekapselten Getriebe. Die wichtigste Pflegemaßnahme ist daher rein ästhetisch: Wischen Sie den Rahmen regelmäßig mit einem weichen Mikrofasertuch ab, um den Lack oder das Carbon zu schonen. Prüfen Sie zudem alle paar Monate den festen Sitz der Sattel- und Lenkerklemmen – mehr braucht es meist nicht.
