Dein offener Kleiderschrank: So planst und baust du ihn richtig (und stabil!)
In meiner Werkstatt sehe ich ja viele Trends kommen und gehen. Aber einer hält sich hartnäckig: der Wunsch nach einem offenen Kleiderschrank. Leute kommen mit Bildern aus Wohnmagazinen, wo alles so wunderbar leicht, luftig und minimalistisch aussieht. Und ja, das kann es auch sein! Aber ich sage meinen Kunden immer dasselbe: Ein offenes Schranksystem ist ein brutal ehrliches Möbelstück. Es verzeiht keine Unordnung und erst recht keine Fehler bei der Konstruktion.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Erst planen, dann bohren: Die 5-Minuten-Vorbereitung, die alles rettet
- 2 Die Materialfrage: Von edel bis praktisch
- 3 Warum ein Schrank nicht wackeln darf: Ein kleiner Physik-Ausflug
- 4 Bombenfeste Montage: Das Geheimnis steckt in der Wand
- 5 Die ungeschminkte Wahrheit: Was im Alltag wirklich zählt
- 6 Bildergalerie
Ganz ehrlich, das ist eben viel mehr als nur eine simple Kleiderstange zwischen zwei Wänden.
Als Tischler hab ich schon unzählige Schränke gebaut, vom wuchtigen Eichenschrank für den Altbau bis zu filigranen Regalsystemen. Ich hab gelernt, worauf es ankommt, damit ein Möbelstück nicht nur heute gut aussieht, sondern auch in vielen Jahren noch sicher und stabil ist. Genau diese Erfahrung will ich hier mit dir teilen. Wir schauen nicht nur auf die hübschen Bilder, sondern werfen einen echten Blick hinter die Kulissen – auf die Physik, das richtige Material und die kleinen Tricks, die ein offenes System sicher und langlebig machen. Denn nichts ist ärgerlicher als ein Regal, das nach einem Jahr durchhängt wie eine Banane.

Erst planen, dann bohren: Die 5-Minuten-Vorbereitung, die alles rettet
Bevor du jetzt aber voller Tatendrang zum Baumarkt fährst, halt kurz inne. Die wichtigste Arbeit findet mit Bleistift und Papier statt. Eine gute Planung ist die halbe Miete und erspart dir später graue Haare.
Überleg mal kurz: Was soll da eigentlich rein? Hauptsächlich Hemden zum Aufhängen oder doch eher Stapel von Pullovern und Jeans? Das entscheidet über das Verhältnis von Kleiderstangen zu Regalböden.
Hier ein paar Maße aus der Praxis, die dir helfen:
- Kleiderstange für Hemden/Blusen: Häng die Stange so, dass du unter den Bügeln ca. 100-110 cm Platz hast. Das reicht locker.
- Kleiderstange für Mäntel/Kleider: Hier brauchst du mehr Luft nach unten, plane mal mit 150-160 cm Höhe.
- Regalböden: Eine Tiefe von 40 cm ist ideal für gefaltete Kleidung. Tiefer wird schnell unübersichtlich, flacher und die Stapel kippen.
Schnapp dir einen Zollstock, miss deine Nische oder Wand aus und mach eine simple Skizze. Das muss kein Kunstwerk sein, aber es hilft ungemein, ein Gefühl für die Proportionen zu bekommen. Und denk an die Fußleiste! Ein klassischer Anfängerfehler. Entweder du sägst in deine senkrechten Träger eine kleine Aussparung oder du montierst alles mit ein paar Zentimetern Abstand zur Wand.

Was du für ein Standard-Projekt brauchst:
- Werkzeug: Eine gute Bohrmaschine (am besten mit Schlag für massive Wände), eine Wasserwaage (ULTRA wichtig!), ein Akkuschrauber, Zollstock und Bleistift.
- Material: Deine zugeschnittenen Bretter oder Rohre, passende Halterungen, Schrauben und die richtigen Dübel für deine Wand (dazu gleich mehr).
Ach ja, das Budget. Was kostet der Spaß? Für ein solides, selbstgebautes System von etwa 1,20 m Breite kannst du, je nach Material, mit 150 € bis 300 € rechnen. Nach oben ist natürlich immer Luft.
Die Materialfrage: Von edel bis praktisch
Das Material entscheidet nicht nur über den Look, sondern vor allem über die Stabilität. Es gibt nicht die eine beste Wahl, nur die passende für deinen Stil und Geldbeutel.
Massivholz ist natürlich der Klassiker. Lebendig, warm und jedes Stück ein Unikat. Für stark belastete Regale würde ich immer zu Hartholz wie Eiche raten. Die ist extrem robust und formstabil. Preislich liegst du da aber schnell bei 80-120 € pro Quadratmeter. Eine etwas günstigere, aber ebenfalls sehr harte Alternative ist Buche. Von Kiefer würde ich für lange Regalböden eher abraten; das Weichholz biegt sich schneller durch und bekommt leicht Dellen.

Mein persönlicher Favorit für solche Projekte ist aber ein Holzwerkstoff: Multiplex, oft auch als Birkensperrholz bekannt. Das Zeug ist durch seine kreuzweise verleimten Schichten extrem biegefest und die sichtbare Kante hat einen coolen, modernen Look. Mit ca. 40-60 € pro Quadratmeter ist es ein super Kompromiss aus Preis und Leistung. Die günstigste Option ist natürlich die beschichtete Spanplatte für 10-20 € pro Quadratmeter. Aber Vorsicht: Hier solltest du bei einer Brettstärke von 19 mm die Stützen maximal 60-70 cm auseinander setzen, sonst hängt es garantiert irgendwann durch.
Kleiner Tipp: Lass dir die Platten direkt im Baumarkt oder beim Holzhändler auf Maß zusägen! Das spart dir zu Hause Arbeit, Dreck und die Schnitte sind meistens präziser, als man es mit einer Stichsäge hinbekommt.
Und dann gibt’s noch Metall. Perfekt für den Industrial-Look. Wenn du eine Kleiderstange aus Stahlrohr planst, nimm am besten einen Durchmesser von mindestens 25 mm und eine Wandstärke von 2 mm. Das hält was aus. Ich musste mal bei einem Kunden eine Konstruktion retten, der dünne Alu-Rohre verbaut hatte. Die hingen schon nach ein paar Wochen beladen durch wie eine Hängematte.

Warum ein Schrank nicht wackeln darf: Ein kleiner Physik-Ausflug
Um zu verstehen, warum die Montage so wichtig ist, müssen wir kurz über den klassischen, geschlossenen Kleiderschrank reden. Dessen Geheimnis ist oft unsichtbar: die dünne Rückwand. Sie wirkt wie ein Segel im Wind und versteift die ganze Konstruktion diagonal. Ohne sie würde der Schrank bei seitlichem Druck einfach zusammenklappen wie ein Kartenhaus.
Einem offenen System fehlt diese Rückwand. Alle Kräfte – das Gewicht der Kleidung, die Hebelwirkung der Regale – müssen von der Konstruktion selbst und den Dübeln in der Wand aufgenommen werden.
Meinen Azubis erkläre ich das immer mit der Gießkanne: Halte eine volle Gießkanne mit ausgestrecktem Arm von dir weg. Das wird schnell schwer, oder? Nimm sie dicht an den Körper, und es ist ganz leicht. Dein Arm ist das Regalbrett, deine Schulter ist der Dübel in der Wand. Je tiefer das Regal, desto größer der Hebel – und desto mehr muss der Dübel aushalten. Wenn man das einmal verstanden hat, geht man mit der Montage ganz anders um.

Bombenfeste Montage: Das Geheimnis steckt in der Wand
Das schönste Material nützt nichts, wenn die Befestigung versagt. Das ist der Punkt, an dem die meisten DIY-Projekte scheitern. Also, allerwichtigster Schritt: Finde heraus, woraus deine Wand besteht. Mach den Klopftest. Klingt es dumpf und massiv? Super, wahrscheinlich Beton oder Vollziegel. Klingt es hohl? Dann hast du es mit Gipskarton (Rigips) oder einer Hohlblocksteinwand zu tun.
- Beton & Vollziegel: Der Idealfall. Hier bist du mit Standard-Spreizdübeln auf der sicheren Seite. Für ein 40 cm tiefes Regalbrett nimmst du am besten 10er Dübel mit 8er Schrauben, die mindestens 60 mm tief in der Wand greifen.
- Hohlblockstein: Hier musst du ohne Schlag bohren, sonst zerstörst du die inneren Stege des Steins. Nimm spezielle Langschaftdübel, die sich im Hohlraum verankern.
- Gipskarton (Rigips): Die Königsklasse der Herausforderungen. Normale Dübel drehen hier durch. Du brauchst spezielle Hohlraumdübel aus Metall, die sich hinter der Platte aufspreizen. Wenn irgendwie möglich, versuche, die Ständer der Unterkonstruktion zu finden und deine Schrauben dort zu verankern.
Ich wurde mal zu einem Notfall gerufen, da war nachts eine komplette Garderobe aus einer Rigipswand gekracht. Die Familie hatte die falschen Dübel benutzt und die Hebelkräfte total unterschätzt. Zum Glück wurde niemand verletzt, aber der Schreck und der Schaden waren riesig. Deshalb mein Appell: Wenn du dir bei deiner Wand unsicher bist, frag lieber einen Profi. Das ist billiger als eine neue Wand.

Die ungeschminkte Wahrheit: Was im Alltag wirklich zählt
Klar, in Magazinen sieht immer alles perfekt aus. Aber wie lebt es sich damit? Die Vorteile liegen auf der Hand: Du hast einen super Überblick, der Raum wirkt größer und die Kleidung kann gut auslüften – was Schimmelbildung an kalten Außenwänden vorbeugt.
Aber es gibt auch Nachteile, die oft verschwiegen werden:
- Staub: Ja, es staubt. Alles. Kleidung, die du selten trägst, braucht vor dem Anziehen eine Runde mit der Fusselrolle.
- UV-Licht: Wenn dein System direktem Sonnenlicht ausgesetzt ist, können die Farben deiner Lieblingsstücke mit der Zeit ausbleichen.
- Gerüche: In offenen Wohnkonzepten nimmt Kleidung schnell mal den Geruch vom Abendessen an.
- Visuelle Unruhe: Selbst der ordentlichste offene Schrank bringt eine gewisse Unruhe in den Raum. Eine geschlossene Front wirkt einfach ruhiger.
Die beste Lösung ist oft ein Hybrid-System. Plane ein paar geschlossene Schubladen für Socken und Unterwäsche ein oder stell schöne Kisten auf die Regale für Dinge, die nicht jeder sehen soll. Das kombiniert die Vorteile beider Welten.

Ein gut geplantes offenes Schranksystem kann eine fantastische, persönliche und flexible Lösung sein. Wenn man die Physik respektiert, das richtige Material wählt und bei der Montage keine Kompromisse macht. Dann ist es kein Provisorium, sondern ein bewusst gestaltetes, langlebiges Möbelstück, das deinen Raum wirklich bereichert.
Wichtiger Hinweis: Diese Anleitung basiert auf langjähriger Praxiserfahrung. Jede Wand und jedes Projekt ist aber anders. Wenn du dir unsicher bist, zieh bitte einen Fachmann zu Rate. Sicherheit geht immer vor!
Bildergalerie


Massivholz oder Metallrohre? Die Materialfrage ist eine Stilfrage. Schwarze Wasserrohre aus dem Baumarkt oder von spezialisierten Anbietern wie Klemp verleihen deinem Raum sofort einen rauen Industrial-Charme. Sie sind extrem stabil und verzeihen auch schwere Lasten.
Massivholzplatten, zum Beispiel geölte Eiche oder preiswertere Fichten-Leimholzplatten, bringen Wärme und Natürlichkeit. Sie wirken wohnlicher und lassen sich farblich anpassen.
Der aktuelle Trend? Die Kombination aus beidem – ein Holzregal, das von einem filigranen Metallgerüst getragen wird.

Ein offener Kleiderschrank ist eine Bühne. Und was braucht jede Bühne? Das richtige Licht!
Denken Sie über integrierte Beleuchtung nach. Selbstklebende LED-Strips, die unauffällig hinter den senkrechten Trägern oder unter den Regalböden angebracht werden, schaffen ein weiches, indirektes Licht. Das hebt nicht nur Ihre Lieblingsstücke hervor, sondern verleiht dem ganzen Raum am Abend eine luxuriöse Hotel-Atmosphäre. Kleine, schwenkbare Klemmspots sind eine flexible Alternative.

Der häufigste Fehler bei der Montage?
Die falschen Dübel für die Wand zu verwenden. Ein offenes System überträgt das gesamte Gewicht von Kleidung und Regalen auf wenige Befestigungspunkte. Eine normale Ziegelwand verzeiht viel, aber bei einer Trockenbauwand (Rigips) sind Standarddübel eine Garantie für ein Desaster. Hier müssen spezielle Hohlraumdübel, zum Beispiel Kipp- oder Federklappdübel, her. Sie spreizen sich hinter der Platte auf und verteilen die Last auf eine größere Fläche. Eine kleine Investition, die Ihren Schrank (und Ihre Kleidung) vor dem Absturz bewahrt.

- Verhindert das Austrocknen und die Rissbildung des Holzes.
- Feuert die natürliche Maserung an und sorgt für eine satte, tiefe Farbe.
- Schafft eine schmutz- und wasserabweisende Oberfläche.
Das Geheimnis dieser Vorteile? Eine regelmäßige Pflege mit Hartwachsöl. Besonders wenn Sie sich für unbehandeltes Holz entscheiden, sollten Sie es vor dem Aufbau einmal komplett einölen. Produkte von Marken wie Osmo sind einfach anzuwenden und schützen das Holz für Jahre. Eine Auffrischung alle ein bis zwei Jahre genügt.

Studien der Princeton University zeigen, dass visuelles Chaos unsere Konzentrationsfähigkeit und unsere Fähigkeit zur Informationsverarbeitung einschränkt.
Ein offener Kleiderschrank ist daher mehr als nur ein Möbelstück – er ist ein Bekenntnis zur Ordnung. Die Notwendigkeit, Kleidung ordentlich zu falten und farblich zu sortieren, kann eine fast meditative Wirkung haben. Einheitliche Kleiderbügel, zum Beispiel schmale Samtbügel, sind hier kein Luxus, sondern ein wesentliches Werkzeug für visuelle Ruhe.

Machen Sie Ihren Kleiderschrank zum Teil Ihrer saisonalen Dekoration. Im Herbst rücken Sie die dicken Wollpullover in warmen Erd- und Beerentönen in den Vordergrund. Im Frühling dürfen leichte Blusen, Leinenhemden und pastellfarbene Stücke die Hauptrolle spielen. So verändert sich nicht nur Ihre Garderobe, sondern die gesamte Anmutung Ihres Raumes mit den Jahreszeiten.

Ein Detail, das den Unterschied macht: Die Rückwand. Anstatt das System direkt vor der weißen Wand zu montieren, können Sie eine dünne Sperrholz- oder MDF-Platte in einer Akzentfarbe streichen und dahinter anbringen. Ein tiefes Petrol, ein sattes Waldgrün oder sogar eine hochwertige Mustertapete hinter einem einzelnen Segment kann Ihr DIY-Projekt sofort auf ein neues Level heben und ihm einen individuellen Charakter verleihen.

Der Traum vom offenen System, aber das Budget ist eng?
Kein Problem. Schauen Sie sich das IVAR-System von IKEA an. Die Seitenteile und Böden aus massivem, unbehandeltem Kiefernholz sind die perfekte Basis für ein DIY-Projekt. Sie können das Holz nach Belieben ölen, beizen oder in Ihrer Lieblingsfarbe lackieren. Eine weitere clevere und oft übersehene Quelle sind gebrauchte Ladeneinrichtungen. Diese sind für hohe Belastungen konzipiert, extrem langlebig und oft für einen Bruchteil des Neupreises zu haben.

- Schwarz auf Holz: Die Kombination aus mattschwarzen Metallteilen und warmen Holzregalen, vor allem Eiche, ist nach wie vor der ungeschlagene Trend.
- Asymmetrie gewinnt: Statt streng symmetrischer Fächer setzen Designer auf versetzte Regalböden und unterschiedlich breite Abstände für einen lebendigeren Look.
- Integrierte Elemente: Ein kleiner Spiegel, ein Haken für die Tasche oder ein schmaler Bereich für ein oder zwei Grünpflanzen werden direkt in das System integriert.
Wichtiger Punkt zur Stabilität: Die Physik lässt sich nicht überlisten. Ein Regalboden biegt sich unter Last immer durch, besonders bei großen Spannweiten. Eine Faustregel aus der Tischlerwerkstatt: Ab einer Breite von 80 cm sollten Sie entweder ein dickeres Material (mindestens 28 mm) wählen oder eine unauffällige Stütze in der Mitte einplanen. Das kann eine kleine Leiste sein, die von hinten an der Wand befestigt wird, oder bei beidseitig zugänglichen Systemen ein senkrechter Teiler.




