Vom Langweiler zum Hingucker: So verpasst du deiner Kommode den perfekten Used-Look
Einleitung: Mehr als nur ein bisschen Farbe draufklatschen
In meiner kleinen Werkstatt habe ich über die Jahre schon so einiges gesehen. Echte alte Schätze, aber auch viele Möbel, die einfach nur… naja, langweilig waren. Und immer öfter kommt die Frage auf, wie man einem neueren, seelenlosen Möbelstück diesen wunderbaren, gelebten Charme verleihen kann – du weißt schon, diesen „Shabby Chic“ oder „Used-Look“.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung: Mehr als nur ein bisschen Farbe draufklatschen
- 2 1. Die Basis muss stimmen: Welche Kommode eignet sich überhaupt?
- 3 2. Die Vorbereitung: 80 % der Arbeit für 100 % Ergebnis
- 4 3. Der kreative Teil: So schaffst du einen glaubhaften Used-Look
- 5 4. Der Feinschliff: Jetzt wird’s endlich „alt“
- 6 5. Die Juwelen: Griffe und der letzte Schliff
- 7 Ein letztes Wort aus der Werkstatt
- 8 Bildergalerie
Klingt einfach, oder? Ist es aber nicht immer. Ehrlich gesagt, sehe ich oft Versuche, die eher nach „gewollt, aber nicht gekonnt“ aussehen. Einfach wahllos Ecken abschleifen und ein paar Farbkleckse drauf? Das sieht nicht alt aus, sondern nur kaputt. Echtes Alter erzählt eine Geschichte. Abnutzung passiert an logischen Stellen: an Kanten, um Griffe herum, an den Füßen. Es geht um Authentizität, nicht um blinde Zerstörung. Genau das wollen wir hier zusammen hinkriegen.
Also, bevor wir loslegen, ein ganz wichtiger Tipp aus meiner Erfahrung: Mach unbedingt ein Vorher-Foto! Du wirst es dir später danken, versprochen. Der Kontrast ist oft der größte Lohn für die Arbeit. In dieser Anleitung führe ich dich Schritt für Schritt durch den Prozess – von der richtigen Kommode bis zum letzten Schliff. Nimm dir Zeit, denn gute Arbeit braucht Geduld. Plane am besten ein komplettes Wochenende ein, dann kommst du nicht in Stress.

1. Die Basis muss stimmen: Welche Kommode eignet sich überhaupt?
Nicht jedes Möbelstück ist für diese Verwandlung geboren. Das Fundament ist alles – wenn das nicht passt, wird das ganze Projekt wackelig.
Massivholz ist dein bester Freund
Die absolute Idealbesetzung ist ein Möbel aus massivem Holz. Ob Kiefer, Buche, Eiche oder Fichte ist dabei erstmal zweitrangig. Der Grund ist simpel: Du kannst es bearbeiten. Du kannst schleifen, Macken reinmachen oder rausmachen, ohne sofort durch eine dünne Schicht zu brechen. Echtes Holz lebt und arbeitet mit dir. Es ist quasi der perfekte Partner für dieses Projekt.
Der kleine Detektiv-Trick: Wie erkenne ich Massivholz?
Ganz einfach: Schau dir die Kanten an, zum Beispiel von einer Schublade. Siehst du, dass die Holzmaserung von der Oberfläche quasi „um die Ecke“ weiterläuft? Das ist ein super Zeichen für Massivholz. Bei furnierten Stücken (eine dünne Echtholzschicht auf einer Trägerplatte) siehst du an der Kante oft eine klare Linie oder eine andere Struktur. Furnier ist nicht per se schlecht, aber für unser Vorhaben mit starkem Schleifen eher ungeeignet. Man ist schneller durch die dünne Schicht durch, als man „ups“ sagen kann.

Achtung! Finger weg von billigen Möbeln aus folierter Spanplatte. Diese modernen, günstigen Teile sind nicht dafür gemacht, bearbeitet zu werden. Die Folie lässt sich kaum streichen und wenn du sie abschleifst, bröselt dir nur gepresster Holzstaub entgegen. Das Ergebnis ist fast immer eine Enttäuschung, glaub mir.
2. Die Vorbereitung: 80 % der Arbeit für 100 % Ergebnis
Ein alter Meister hat mal zu mir gesagt: „Die meiste Arbeit steckt in der Vorbereitung.“ Und er hatte so was von recht. Ein sauberer, gut vorbereiteter Untergrund ist die halbe Miete. Also, überspring diesen Teil auf keinen Fall, auch wenn er nicht der spannendste ist.
Sicherheit zuerst – hier gibt’s keine Kompromisse
Bevor der Pinsel auch nur in die Nähe der Farbe kommt, reden wir über deine Sicherheit. Das ist das A und O.
- Staubschutz: Beim Schleifen entsteht fieser Feinstaub. Trage bitte immer eine gute Staubmaske (mindestens FFP2). Gerade bei alten Lacken kann Blei enthalten sein, und dieser Staub ist giftig. Am besten arbeitest du draußen oder in einem super belüfteten Raum. Ein Werkstattsauger, direkt am Schleifgerät angeschlossen, ist Gold wert.
- Chemikalienschutz: Wenn du mit Abbeizer hantierst, sind Schutzhandschuhe und eine Schutzbrille absolute Pflicht. Das Zeug ist aggressiv. Sorge für extreme Belüftung – am besten Durchzug!
- Entsorgung: Und was machst du mit dem ganzen Abfall? Der abgeschliffene Staub (vor allem bei Verdacht auf alte Lacke) und die Reste vom Abbeizer gehören nicht in den Hausmüll! Sammle das Zeug in einem dichten Beutel oder Behälter und bring es zum örtlichen Wertstoffhof oder zur Schadstoffsammelstelle. Sicher ist sicher.

Runter mit dem alten Zeug: Schleifen, beizen oder doch die Heißluftpistole?
Deine Kommode hat wahrscheinlich einen alten Lack drauf. Der muss weg, damit die neue Farbe hält. Es gibt da verschiedene Wege, die zum Ziel führen. Was für dich das Richtige ist, hängt vom Möbelstück und deiner Geduld ab.
Für die Geduldigen (und für glatte Flächen): Mechanisches Schleifen
Das ist die sauberste, wenn auch staubigste Methode. Du brauchst einen Exzenter- oder Schwingschleifer und Schleifpapier in verschiedenen Körnungen (ein Set kostet ca. 5-10 €).
- Starte mit einer groben 80er Körnung, um den alten Lack zu knacken.
- Arbeite dich dann zu einer 120er oder 150er Körnung hoch, um die Kratzer zu glätten.
- Der finale Schliff erfolgt mit 180er oder 220er Körnung. Danach ist das Holz babyglatt. Wichtig: Immer in Richtung der Maserung schleifen!
Für knifflige Ecken und Profile: Chemisches Abbeizen
Bei Schnitzereien und verschnörkelten Beinen ist Schleifen die reinste Qual. Hier ist Abbeizer dein Freund. Das ist ein Gel, das den Lack aufweicht. Du trägst es dick auf, wartest, und schabst die Pampe dann mit einer Spachtel ab. Klingt eklig, ist es auch ein bisschen. Danach musst du die Oberfläche gut mit Wasser oder einem speziellen Reiniger neutralisieren, sonst gibt es später Probleme mit der neuen Farbe.

Für die Mutigen (mit ruhiger Hand): Die Heißluftpistole
Hier erhitzt du den Lack, bis er Blasen wirft, und schabst ihn dann ab. Vorteil: keine Chemie. Nachteil: hohe Brandgefahr und du kannst dir schnell fiese Brandflecken ins Holz brennen. Ehrlich gesagt, für Anfänger würde ich eher davon abraten.
Und hier der versprochene „Easy-Mode“ für Anfänger:
Ist der alte Lack noch intakt und blättert nicht ab? Dann kannst du dir das komplette Entfernen oft sparen! Raue die Oberfläche einfach mit 120er Schleifpapier gründlich an, bis nichts mehr glänzt. Danach alles gut säubern und dann direkt mit einer guten Kreidefarbe drüber. Die haftet nämlich auf fast allem. Das spart Stunden an Arbeit!
Nachdem der Lack (oder Glanz) weg ist, reinigst du die Kommode gründlich mit einem feuchten Tuch und etwas Anlauger (ein spezieller Reiniger aus dem Baumarkt) oder einfachem Spülmittel. Danach mit klarem Wasser nachwischen und alles gut trocknen lassen. Jetzt ist auch der perfekte Zeitpunkt, um wackelige Beine neu zu leimen.

3. Der kreative Teil: So schaffst du einen glaubhaften Used-Look
Jetzt wird’s lustig! Wir werden zu Fälschern und ahmen die Spuren der Zeit nach. Der Trick ist, logisch zu denken. Wo nutzt sich eine Kommode ab? Genau: an Kanten, Ecken, um die Griffe und an den Füßen.
Schritt 1: Die dunkle Basis
Unter abblätternder Farbe kommt bei alten Möbeln oft dunkleres, nachgedunkeltes Holz zum Vorschein. Das erzeugen wir zuerst. Statt tiefschwarzer Farbe (wirkt oft künstlich) empfehle ich eine dunkle Holzbeize in Nussbaum oder eine dunkelgrau-braune Kreidefarbe. Streiche damit alle Stellen, die später abgenutzt aussehen sollen. Lass das Ganze gut trocknen.
Schritt 2: Der berühmte Kerzentrick
Jetzt kommt ein genial einfacher Trick. Nimm eine einfache weiße Haushaltskerze und reibe damit kräftig über die dunkel gestrichenen Stellen. Überall, wo das Wachs ist, wird die nächste Farbschicht nicht richtig haften. Weniger ist hier mehr! Ein paar Streifen an den Kanten, ein bisschen was um die Schlüssellöcher – denk an natürliche Abnutzung.

Schritt 3: Die Hauptfarbe – dein Wunschton
Jetzt kommt die Farbe deiner Wahl ins Spiel. Am besten eignet sich Kreidefarbe. Sie ist supermatt, deckt fantastisch und lässt sich später perfekt schleifen. Eine 750-ml-Dose reicht locker für eine Kommode und kostet je nach Marke zwischen 20 € und 35 €. Klassiker sind Weiß, Hellgrau oder zarte Pastelltöne in Blau oder Grün.
Kleiner Tipp: Investiere die 10 € in einen guten Pinsel mit weichen Borsten. Du wirst den Unterschied im Farbauftrag merken. Für den Shabby-Look sind sichtbare Pinselstriche sogar erwünscht, also keine Sorge vor Perfektion. Streiche ein bis zwei Schichten und lass alles wirklich komplett durchtrocknen.
4. Der Feinschliff: Jetzt wird’s endlich „alt“
Die Kommode ist gestrichen, sieht aber noch brandneu aus. Jetzt erwecken wir die Spuren der Zeit zum Leben.
Das gezielte Abschleifen
Nimm feines Schleifpapier (220er Körnung) oder feine Stahlwolle und schleife ganz vorsichtig über die Stellen, an denen du das Kerzenwachs aufgetragen hast. Du wirst sehen, die Farbe löst sich dort wie von Zauberhand und die dunkle Grundierung kommt zum Vorschein.

Ein Rat aus Erfahrung: Fang langsam an! Es ist super einfach, zu viel abzuschleifen. Tritt immer wieder einen Schritt zurück und betrachte das Gesamtbild. Und was, wenn du doch mal zu viel abgeschliffen hast? Kein Drama! Die Stelle einfach nochmal mit der Hauptfarbe überpinseln, trocknen lassen und dann vorsichtiger rangehen. Das ist der Vorteil an diesem Stil – kleine „Fehler“ sind oft gar keine.
Für die Profis: Mehr Tiefe mit Antikwachs
Willst du noch einen draufsetzen? Dann hol dir dunkles Antikwachs. Nachdem alles geschliffen ist, reibst du die ganze Kommode damit ein. Es sammelt sich in den Vertiefungen und Pinselstrichen. Wische es danach sofort von den glatten Flächen mit einem sauberen Lappen wieder ab. Was bleibt, ist ein Effekt, der wie der Staub und Schmutz von Jahrzehnten wirkt und dem Ganzen eine unglaubliche Tiefe verleiht.
Der Schutzmantel: Die Versiegelung ist Pflicht!
Besonders Kreidefarbe ist ohne Schutz anfällig für Flecken. Eine Versiegelung ist also keine Option, sondern ein Muss.
- Möbelwachs: Der Klassiker. Klares Hartwachs wird dünn aufgetragen und poliert. Es erzeugt einen sanften, seidenmatten Glanz und fühlt sich toll an. Eine Dose gutes Wachs kostet um die 15 bis 25 Euro, hält aber ewig.
- Matter Klarlack: Für die Deckplatte der Kommode, die mehr aushalten muss, empfehle ich einen matten Klarlack auf Wasserbasis. Der schützt besser vor Kratzern und Wasserringen.

5. Die Juwelen: Griffe und der letzte Schliff
Die Beschläge sind der Schmuck deiner Kommode. Sie machen oft den Unterschied zwischen „ganz nett“ und „WOW“! Passen die alten Griffe noch? Super. Wenn nicht, such nach Ersatz. Flohmärkte und Online-Marktplätze sind wahre Schatzgruben.
Gib bei der Suche doch mal Begriffe wie „Muschelgriffe Gusseisen“, „Porzellanknöpfe Vintage“ oder „Möbelbeschlag Messing Patina“ ein. Du wirst staunen, was du findest. Neue Griffe gibt es schon ab 3 € pro Stück, nach oben sind kaum Grenzen gesetzt. Achte auf die alten Bohrlöcher, das erspart dir das Zuspachteln.
Ach ja, und wenn die Schubladen klemmen: Einfach die Laufleisten mit etwas Kerzenwachs einreiben. Wirkt Wunder!
Ein letztes Wort aus der Werkstatt
Fertig! Vor dir steht jetzt ein absolutes Unikat, das du mit deinen eigenen Händen geschaffen hast. Darauf kannst du wirklich stolz sein. Jedes Stück wird ein bisschen anders, und genau das ist das Schöne daran.
Sieh diese Anleitung als Leitfaden, nicht als strenges Gesetz. Experimentiere, finde deinen eigenen Stil. Aber hab immer Respekt vor dem alten Möbelstück. Und wenn du doch mal ein echtes, wertvolles Erbstück unter den Händen hast, überlass die Arbeit lieber einem Profi, um den Wert zu erhalten. Für alles andere wünsche ich dir jetzt aber erstmal wahnsinnig viel Spaß und Erfolg in deiner Werkstatt!

Bildergalerie


- Eine subtile Tiefe, die unecht wirkt, wenn sie fehlt.
- Spannende Farbblitze an den Kanten, die eine Geschichte erzählen.
- Ein Finish, das aussieht, als wäre die Kommode über Generationen geliebt und mehrfach überstrichen worden.
Das Geheimnis? Die Zwei-Farben-Technik. Streiche zuerst eine dunkle Basisfarbe (z.B. ein tiefes Grau oder Braun). Nach dem Trocknen reibst du mit einer einfachen Kerze über die Kanten und Ecken, die später abgenutzt aussehen sollen. Trage dann deine helle Hauptfarbe auf. Wenn du diese am Ende sanft anschleifst, kommt an den gewachsten Stellen mühelos die dunkle Grundierung zum Vorschein. Authentischer geht’s kaum!

Wie bekommt die Farbe dieses matte, fast samtige Finish und den Schutz, den sie braucht?
Vergiss den glänzenden Klarlack aus dem Baumarkt! Das Geheimnis für den authentischen Shabby-Chic-Charme liegt in Möbelwachs. Nach dem Streichen und Schleifen wird eine dünne Schicht klares Wachs (z.B. von Annie Sloan oder Farrow & Ball) mit einem weichen Tuch oder einem speziellen Wachspinsel aufgetragen. Es schützt die Kreidefarbe, ohne zu glänzen, und verleiht eine wunderbar weiche Haptik. Für einen zusätzlichen Antik-Effekt kannst du in Vertiefungen und an Kanten sparsam dunkles Antik-Wachs einarbeiten, um die „Alterung“ zu betonen.

Wabi-Sabi ist die Schönheit der unvollkommenen, unbeständigen und unvollständigen Dinge. Es ist die Schönheit der bescheidenen und unprätentiösen Dinge.
Dieses japanische Konzept ist die Seele des Used-Looks. Es geht nicht darum, etwas kaputt zu machen, sondern darum, die Schönheit in den Spuren der Zeit zu finden und zu zelebrieren.

Handarbeit für Feingefühl: Mit einem Schleifklotz und 120er-Papier hast du die volle Kontrolle. Perfekt, um Kanten und die Bereiche um die Griffe herum gezielt zu bearbeiten, genau dort, wo natürliche Abnutzung stattfindet.
Maschine für die Fläche: Bei großen, ebenen Flächen, die komplett neu grundiert werden sollen, ist ein Exzenterschleifer dein Freund. Er sorgt für ein gleichmäßiges Ergebnis ohne Riefen. Beginne sanft und arbeite dich nicht zu tief ins Holz.
Für den authentischen Used-Look ist oft die Kombination aus beidem der Schlüssel zum Erfolg.
Der letzte Schliff: Neue Griffe, neuer Charakter
- Landhaus-Charme: Weiße oder cremefarbene Porzellanknöpfe, vielleicht sogar mit einem zarten blauen Muster.
- Apotheker-Stil: Muschelgriffe aus gealtertem Messing oder dunklem Gusseisen. Sie verleihen sofort einen Hauch von Vintage-Ordnung.
- Boho-Vibes: Bunte Keramikknäufe oder solche aus Leder sind ein unerwarteter Hingucker und machen die Kommode zum Unikat.




