Dieses Baukasten-Haus hat alles verändert: Was wir heute noch davon lernen können
Ich hab in meinem Leben echt viele Häuser gesehen. Geplant, gebaut, saniert – das volle Programm. Aber ehrlich gesagt, nur wenige haben sich so bei mir eingebrannt wie dieses eine Haus in den Hügeln Kaliforniens. Wenn du davorstehst, merkst du sofort: Das ist mehr als nur Architektur. Das ist eine Haltung. Eine clevere Antwort auf die Frage, wie wir eigentlich leben wollen.
Inhaltsverzeichnis
- 0.1 Die Idee hinter dem Stahl: Mehr als nur ein Haus
- 0.2 Vom Baukasten zum Meisterwerk: Die Kunst des Systembaus
- 0.3 Leben mit der Natur, nicht dagegen
- 0.4 Das „Wohn-Werkzeug“ für Arbeit und Leben
- 0.5 Würde das heute noch so funktionieren? Ein ehrlicher Realitätscheck
- 0.6 Was bleibt, ist mehr als nur ein Haus
- 1 Bildergalerie
Viele kennen die Designer dahinter nur für ihre berühmten Möbel, wie diesen einen super bequemen Ledersessel oder die bunten Kunststoffstühle. Aber um ihre Genialität wirklich zu kapieren, muss man ihr Haus verstehen. Hier kam alles zusammen: ihre Ideen, ihr Labor, ihr Zuhause. Ein Manifest aus Stahl, Glas und Farbe. Kommt mal mit, ich nehm euch auf einen kleinen Rundgang mit, so wie ich es mit meinen Auszubildenden machen würde. Wir kratzen nicht nur an der Oberfläche, wir schauen dahinter.
Die Idee hinter dem Stahl: Mehr als nur ein Haus
Um das Ganze zu verstehen, müssen wir gedanklich in eine Zeit des Aufbruchs zurückspringen, als man nach neuen Wegen für modernes und bezahlbares Wohnen suchte. Es gab damals eine faszinierende Initiative, bei der namhafte Architekten Prototypen entwerfen sollten, die industrielle Materialien aus der Kriegszeit für den zivilen Hausbau nutzbar machten.

Zwei befreundete Designer reichten einen Entwurf ein, der es in sich hatte. Ihr Plan war eine Art „Brückenhaus“ – eine leichte Stahlkonstruktion, die elegant über einer Wiese schweben sollte, mit freiem Blick auf den Pazifik. Eine kühne Vision, die die Leichtigkeit der neuen Zeit perfekt eingefangen hätte.
Aber dann, wie so oft im Leben, kam die Realität dazwischen. Stahl war nach dem Krieg Mangelware, und die bestellten Teile ließen ewig auf sich warten. Fast drei Jahre! Viele hätten da frustriert das Handtuch geworfen. Nicht so dieses Paar. Sie nutzten die Zwangspause, verbrachten unzählige Stunden auf dem Grundstück, beobachteten das Licht, das durch die Eukalyptusbäume filterte, und lernten die Wiese kennen, die sie eigentlich überbauen wollten. Und genau da passierte es: Ihnen wurde klar, dass der wahre Luxus nicht darin lag, über der Wiese zu thronen, sondern in ihr zu leben. Aus der Not wurde eine viel bessere Idee geboren. Das ist eine Lektion, die ich immer wieder predige: Manchmal sind die größten Hindernisse die Quelle für die besten Lösungen.

Vom Baukasten zum Meisterwerk: Die Kunst des Systembaus
Der neue Plan war radikal anders und doch viel simpler. Statt einer komplexen Brücke setzten sie auf eine bodenständige Konstruktion. Die Genialität lag in der Methode: konsequenter Systembau. Das heißt, man nimmt einfach standardisierte, industriell gefertigte Bauteile und montiert sie vor Ort. Kein langwieriges Mauern, sondern ein intelligentes Zusammenfügen.
Stell dir das mal in einfachen Schritten vor:
- Fundament legen: Zuerst wurde das Haus mit einer soliden Betonstützmauer am Hang verankert.
- Stahlgerüst montieren: Dann kam das Skelett aus einfachen H-Trägern, wie man sie aus dem Hallenbau kennt. Ein kleines Team hat das ganze Gerüst in nur 90 Arbeitsstunden aufgestellt! Das muss man sich mal vorstellen, auf manchen Baustellen brauchen wir heute länger, um das Gerüst fürs Gerüst aufzubauen.
- Fassaden-Paneele einsetzen: In dieses Stahlraster wurden dann die Wände wie Füllungen eingesetzt – ein Mix aus Glas, Farbe und Holz.
- Innenausbau: Zum Schluss kamen die inneren Trennwände, die Treppe und die Einrichtung dran. Effizienter geht’s kaum.
Dieses Raster, basierend auf einem Maß von etwa 2,28 Metern, gibt dem ganzen Haus seinen Rhythmus. Es ist das Skelett, das alles zusammenhält.

Ein Mosaik aus Glas und Farbe
In dieses Raster füllten die Designer dann eine clevere Mischung aus verschiedenen Paneelen. Und hier zeigt sich ihr unglaubliches Gespür für Material und Komposition:
- Große Glasflächen: Klarglas löst die Grenze zwischen drinnen und draußen komplett auf. Du sitzt quasi mitten im Garten.
- Strukturiertes Drahtglas: Dieses Industrieglas sorgt für Privatsphäre, ohne Licht zu schlucken. Es erzeugt ein diffuses, weiches Licht, das einfach wunderschön ist.
- Farbige Flächen: Einige Paneele wurden mit einer Art Faserzementplatte gefüllt und in kräftigen Farben wie Rot, Blau und Schwarz lackiert. Das erinnert an moderne Kunst, hatte aber eine klare Funktion: Es gab der kühlen Stahlkonstruktion Wärme und eine spielerische Note. Heute würde man für so einen Effekt vielleicht zu modernen Faserzement- oder HPL-Platten greifen, die es in unzähligen Farben gibt und extrem langlebig sind.
- Warmes Holz: Im Inneren wurde viel Redwood-Holz verwendet. Dieser rötliche Ton schafft sofort eine gemütliche, wohnliche Atmosphäre.
Der Trick war, dass all diese Teile Standardware waren – nichts wurde teuer extra angefertigt. Es beweist: Gutes Design hängt nicht vom Preis des Materials ab, sondern von der Intelligenz, mit der man es einsetzt.

Leben mit der Natur, nicht dagegen
Der vielleicht wichtigste Punkt ist, wie das Haus mit seiner Umgebung umgeht. Es dominiert die Landschaft nicht, sondern wird ein Teil von ihr. Die große Wiese vor dem Haus ist nicht nur Deko, sondern wird zum größten Zimmer von allen – ein erweiterter Wohnraum unter freiem Himmel.
Die berühmten Eukalyptusbäume wurden zu Hauptdarstellern. Die Positionierung des Hauses ist so clever gewählt, dass die Bäume im heißen kalifornischen Sommer für natürlichen Schatten sorgen. Das Spiel von Licht und Schatten, das den ganzen Tag über durch die Räume tanzt, macht das Haus lebendig. Eine Qualität, die man mit teurer Technik kaum nachahmen kann.
Das „Wohn-Werkzeug“ für Arbeit und Leben
Das Anwesen besteht eigentlich aus zwei Gebäuden, die durch einen Innenhof getrennt sind. Eine super praktische Lösung: Ein Gebäude war das reine Wohnhaus, das andere diente als Studio und Werkstatt. Für ein Paar, das so eng zusammengearbeitet hat, war das genial. Man konnte die Arbeit buchstäblich hinter sich lassen, wenn man über den Hof ins Private ging.

Das Wohnhaus selbst ist auf seinen rund 140 Quadratmetern ein Wunder der Raumökonomie. Der Hauptraum ist über zwei Etagen offen, mit einer Deckenhöhe von über fünf Metern. Das verleiht dem Ganzen eine unglaubliche Großzügigkeit. Eine einfache Wendeltreppe – ebenfalls ein Standard-Industrieteil – führt hoch zur Galerie mit den eher kleinen, kojenartigen Schlafräumen. Das separate Studio bot auf weiteren 93 Quadratmetern mehr als genug Platz für kreatives Chaos.
Die Schöpfer sahen ihr Haus nie als statisches Denkmal, sondern als „Container for living“, also als einen Behälter für das Leben. Möbel wurden umgestellt, Objekte und Fundstücke von Reisen ständig neu arrangiert. Es war ein flexibler Rahmen, der sich mit den Bewohnern verändern durfte. Ganz ehrlich, schau dich mal bei dir zu Hause um: Welches Objekt ist für dich ein reines „Wohn-Werkzeug“? Ehrlich, nützlich und trotzdem irgendwie schön? Das ist genau dieser Gedanke, live bei dir!
Würde das heute noch so funktionieren? Ein ehrlicher Realitätscheck
So sehr ich dieses Haus bewundere, als Praktiker sehe ich natürlich auch die Punkte, die heute so nicht mehr gehen würden. Ein direkter Nachbau wäre in Deutschland – und auch in Kalifornien – undenkbar.

Stellen wir uns mal den direkten Vergleich vor:
- Energie & Verglasung: Damals reichte eine dünne Einfachverglasung. Aus heutiger Sicht eine energetische Katastrophe! Im Winter würde man erfrieren, im Sommer schwitzen. Heute wären thermisch getrennte Stahlprofile und eine hochwertige Dreifach-Isolierverglasung absoluter Standard. Das würde die filigrane Optik aber natürlich stark verändern.
- Sicherheit: Die bodentiefen, dünnen Glasscheiben und die filigrane Absturzsicherung an der Galerie? Wunderschön, aber nach heutigen Vorschriften (Stichwort Sicherheitsglas und Brüstungshöhe) absolut nicht zulässig.
- Brandschutz & Statik: Gerade in einer erdbebengefährdeten Region haben sich die Anforderungen an die Statik und den Brandschutz massiv verschärft. Die leichte Stahlkonstruktion müsste heute ganz anders berechnet und ausgeführt werden.
Kleiner Tipp am Rande: Auch wenn es nach „Do-it-yourself“ aussieht – die Montage erforderte höchste Präzision von Profis. Das ist ein Beispiel für Exzellenz mit einfachen Mitteln, kein Heimwerker-Projekt.
Was bleibt, ist mehr als nur ein Haus
Dieses Haus ist und bleibt ein Meilenstein. Es lehrt uns, dass gutes Design keine Frage von Luxusmaterialien ist, sondern von Intelligenz, Beobachtungsgabe und dem Mut, Dinge anders zu machen. Die Idee, mit industriellen Methoden etwas zutiefst Menschliches und Poetisches zu schaffen, ist heute im Modul- und Fertighausbau aktueller denn je.

Ach ja, und die Erhaltung ist eine Wissenschaft für sich. Wenn heute eine der alten Faserzementplatten bricht, kann man sie nicht im Baumarkt nachkaufen. Eine Stiftung, die das Erbe der Designer pflegt, arbeitet eng mit führenden Restaurierungsinstituten zusammen, um solche Probleme zu lösen. Wer die Chance hat, sollte mal online nachschauen – oft werden Besichtigungen angeboten. Es lohnt sich!
Wenn ich heute ein Projekt plane, denke ich oft an dieses Haus. Ich frage mich: Was ist wirklich wesentlich? Wie kann ein Raum den Menschen dienen? Und wenn man dann noch bedenkt, dass dieses Meisterwerk damals für einen Spottpreis von umgerechnet etwa 25.000 Dollar gebaut wurde, wird die Genialität dahinter nur noch greifbarer. Es ist kein Haus für die Ewigkeit, sondern ein Haus für das Leben. Und das ist seine größte Qualität.
Bildergalerie


„The details are not the details. They make the design.“
Dieses berühmte Zitat von Charles Eames ist der Schlüssel zum Verständnis ihres Hauses. Nichts wurde dem Zufall überlassen, von der Anordnung der Objekte bis zur Art und Weise, wie das Licht durch die Eukalyptusbäume auf den Boden fällt. Es ist eine Einladung, die eigene Umgebung bewusster wahrzunehmen und zu gestalten.

Industrie-Ästhetik vs. Wohnlichkeit: Ein Haus aus Stahl und Glas kann schnell kühl wirken. Der Trick der Eameses lag in der Kombination. Sie stellten der Härte des schwarzen Stahlrahmens die Wärme von Holztäfelungen, die Weichheit von Textilien und die Lebendigkeit unzähliger Pflanzen und persönlicher Objekte entgegen. Genau dieser Kontrast schafft die einzigartige, wohnliche Atmosphäre.

Wie bringt man den Eames-Geist in die eigenen vier Wände?
Es geht nicht darum, das Haus zu kopieren, sondern die Philosophie zu übernehmen. Beginnen Sie damit, Ihre Räume als eine Art „Sammelbehälter“ für Ihr Leben zu sehen. Kombinieren Sie hochwertige Designstücke wie einen Stuhl von Vitra oder einen Beistelltisch von Hay mit Fundstücken vom Flohmarkt, Erbstücken und Kunstwerken von Freunden. Die Magie liegt in der persönlichen Mischung.

- Maximale Flexibilität im Grundriss.
- Ein Gefühl von Weite und Offenheit.
- Schnelle und kosteneffiziente Bauweise.
Das Geheimnis dahinter? Vorgefertigte Bauteile. Die Stahlträger, Fensterrahmen und Paneele waren Standardprodukte aus Industriekatalogen. Diese Methode, bekannt als „Kit of Parts“, ermöglichte es, das Haus wie einen Baukasten vor Ort zusammenzusetzen – eine revolutionäre Idee für den Wohnungsbau der damaligen Zeit.

Das „Brückenhaus“: Der ursprüngliche Entwurf sah eine aufgeständerte Stahlkonstruktion vor, die quer über die Wiese gespannt war und den Blick auf den Pazifik freigab – spektakulär, aber distanziert.
Das „Wiesenhaus“: Die finale Version wurde in den Hang gebaut, bewahrt die Wiese und integriert sich in die Natur. Der Blick wird gerahmt, statt ausgestellt.
Diese Planänderung zeigt, dass die beste Lösung oft entsteht, wenn man sich auf den Ort einlässt, anstatt ihn zu dominieren.

Die berühmten farbigen Paneele an der Fassade sind mehr als nur Dekoration. Inspiriert von den Werken des Malers Piet Mondrian, dienen sie dazu, die strenge, industrielle Gitterstruktur des Stahlrahmens aufzubrechen und ihm eine spielerische, menschliche Dimension zu verleihen. Sie sind ein perfektes Beispiel für die Fusion von Kunst, Architektur und Funktion.

Das Eames House war das achte von insgesamt 36 Projekten des „Case Study House Program“ (1945-1966) des Magazins Arts & Architecture.
Ziel war es, Prototypen für modernes, erschwingliches Wohnen nach dem Zweiten Weltkrieg zu schaffen. Während viele Entwürfe nie realisiert wurden, wurde das Eames House zum berühmtesten Beispiel und bewies, dass industriell gefertigtes Bauen nicht nur effizient, sondern auch unglaublich poetisch sein kann.

Der Eames Lounge Chair (670) & Ottoman (671): Dieser Sessel, der oft prominent im Wohnzimmer des Hauses zu sehen ist, wurde 1956 entworfen. Charles Eames‘ Vision war eine moderne Interpretation des traditionellen englischen Clubsessels, der sich anfühlen sollte wie „ein gut eingetragener Baseballhandschuh“. Er ist bis heute ein Symbol für luxuriösen Komfort und wird von Herstellern wie Herman Miller und Vitra produziert.

War das Haus wirklich so günstig, wie man sagt?
Ja und nein. Die Baukosten im Jahr 1949 waren mit etwa 1 Dollar pro Quadratfuß extrem niedrig, was dem Ziel des Programms entsprach, erschwingliche Modelle zu schaffen. Dies wurde durch die Verwendung von Standard-Industrieteilen erreicht. Heute ist das Haus als Architekturikone natürlich unbezahlbar und sein Erhalt durch die Eames Foundation kostet ein Vielfaches der ursprünglichen Bausumme.

- Drinnen und Draußen verschmelzen: Bodentiefe Fenster und Schiebetüren holen die umgebende Natur direkt in den Wohnraum.
- Flexibel bleiben: Viele Möbel sind leicht und modular, wie die Eames Plastic Chairs, und können je nach Bedarf neu arrangiert werden.
- Ehrliche Materialien zeigen: Stahl bleibt Stahl, Holz bleibt Holz. Die Konstruktion wird nicht versteckt, sondern als ästhetisches Element gefeiert.
- Sammeln und arrangieren: Das Zuhause als eine sich ständig verändernde Collage aus Kunst, Natur und persönlichen Objekten begreifen.

Wussten Sie schon? Der Wohnraum des Hauses ist fast sechs Meter hoch. Diese doppelte Raumhöhe, kombiniert mit der kompletten Glasfassade zur Wiese hin, verleiht dem mit rund 160 Quadratmetern eigentlich nicht riesigen Haus eine monumentale Großzügigkeit und ein Gefühl von unendlicher Weite.

Das Haus ist heute keine sterile Museumsarchitektur, sondern ein lebendiges Denkmal. Die Eames Foundation, die von den Nachkommen der Designer gegründet wurde, kümmert sich um den Erhalt. Ihr Ziel ist es, nicht nur die Bausubstanz zu bewahren, sondern auch den Geist des Ortes – inklusive der Patina und der über Jahrzehnte gewachsenen Anordnung der Objekte.
Bei der letzten großen Konservierungsmaßnahme 2011 wurde der Teppich im Wohnzimmer exakt nachgewebt – inklusive der originalen Gebrauchsspuren und Farbausbleichungen, um den authentischen, gelebten Eindruck zu erhalten.




