Vom Alpen-Granit zum Wüsten-Sandstein: Was dich beim Klettern weltweit wirklich erwartet
Ich dachte wirklich, nach über dreißig Jahren in den Alpen kenne ich jeden Fels. Dieses Gefühl von rauhem Granit am Morgen, von brüchigem Kalk am Nachmittag – das war meine Welt. Ich hab Jüngeren beigebracht, wie man das Wetter liest und dem Berg mit Respekt begegnet. Aber ganz ehrlich? Meine erste Reise in die USA hat mir gezeigt, dass ich eigentlich erst am Anfang stand.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Erst die Hausaufgaben: Warum die Alpen dein bestes Trainingslager sind
- 2 Andere Länder, andere Felsen: Ein Abstecher nach Nordamerika
- 3 Die dünne Luft: Was dich in Südamerika erwartet
- 4 Das Dach der Welt: Ein ehrlicher Blick auf Asien
- 5 Ein Kontinent, den man nicht auf dem Schirm hat: Australien
- 6 Die wichtigste Entscheidung triffst nicht du
- 7 Bildergalerie
Plötzlich stand ich da, vor diesem leuchtend roten Sandstein, der sich unter den Fingern anfühlte wie nichts, was ich kannte. Jeder Fels spricht seine eigene Sprache. Und wer die Welt bereisen will, muss verdammt noch mal zum Vokabeltrainer werden.
Das hier ist keine Hochglanz-Liste für deinen nächsten Urlaub. Ich will Tacheles reden. Was erwartet dich als erfahrenen Alpinisten wirklich, wenn du die heimischen Berge verlässt? Es geht um die knallharte Vorbereitung, die Tücken fremder Gesteinsarten und die ungeschriebenen Gesetze, die an jedem Berg anders sind. Denn eine Tour ist erst dann ein Erfolg, wenn du gesund, mit neuen Erkenntnissen und einer guten Geschichte im Gepäck wieder unten ankommst.

Erst die Hausaufgaben: Warum die Alpen dein bestes Trainingslager sind
Alles, was du für die großen Wände dieser Welt brauchst, kannst du im Grunde vor unserer Haustür lernen. Die Alpen sind das perfekte Übungsfeld, der ultimative Spielplatz. Wer hier nicht souverän unterwegs ist, sollte, ehrlich gesagt, noch nicht von den Anden oder dem Himalaya träumen. Hier legst du das Fundament.
Das Pitztal: Die hohe Schule des „Selbermachens“
Für mich ist das Pitztal in den Ötztaler Alpen so etwas wie die Grundausbildung für echtes Bergsteigen. Hier geht’s nicht um bunt markierte Sportkletterrouten mit Bohrhaken im Meterabstand. Nein, hier lernst du klassische Gratkletterei, bei der du selbst für deine Sicherheit verantwortlich bist. Der Fels? Meistens herrlich fester Urgesteinsgneis, der dem Granit sehr ähnlich ist – griffig und zuverlässig.
Die Technik dahinter: Hier lernst du das Handwerk, mobile Sicherungen wie Klemmkeile und Friends nicht nur irgendwie in den Fels zu stopfen, sondern sie so zu legen, dass sie im Fall der Fälle auch halten. Das ist eine Kunst. Du musst den Fels lesen lernen. Ich sag meinen Leuten immer: „Schau dir den Riss genau an. Verjüngt er sich? Ist der Fels drumherum solide? Ein schlecht gelegter Keil ist nur moralische Unterstützung, keine Lebensversicherung.“ Das üben wir, erst am Boden, dann in leichten Routen, bis es sitzt. Kleiner Tipp: Ein gutes Starterset an Keilen und Friends bekommst du schon für 300-500€, das ist eine Investition, die sich lohnt.

Was es in der Praxis bedeutet: Eine Tour wie die auf die Pitztaler Urkund über den Nordgrat ist ein fantastischer Test. Klingt mit Schwierigkeitsgrad III- erstmal machbar, oder? Aber in 3000 Metern Höhe, mit Rucksack und klobigen Bergschuhen, sieht die Welt anders aus. Du musst den Weg selbst finden, auf dein Gefühl vertrauen und verdammt schnell sein, wenn das Wetter umschlägt. Effizienz am Standplatz ist hier alles.
Und ja, auch auf leichten Graten ist der Helm absolute Pflicht. Ich hab’s selbst erlebt, wie ein Kletterer vor mir einen faustgroßen Stein losgetreten hat. Ohne Helm wäre dieser Text nie geschrieben worden.
Der Eiger: Die mentale Meisterprüfung
Klar, die Eigernordwand ist ein Mythos. Aber sie ist für mich vor allem der ultimative Test, ob du mental bereit für die ganz großen Dinger bist. Es geht weniger um die reine Kletterschwierigkeit als um Leidensfähigkeit und die Fähigkeit, unter extremem Druck die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Die wahre Herausforderung: Am Eiger ist die größte Gefahr objektiv. Das heißt, sie kommt von außen und du kannst sie kaum kontrollieren. Steinschlag ist dein ständiger Begleiter, besonders an wärmeren Tagen. Wetterstürze sind hier nicht einfach nur Regen, sie können die Wand binnen einer Stunde in einen Eispanzer verwandeln. Du musst also perfekt vorbereitet sein.
Was heißt „vorbereitet“ wirklich? Statt nur zu sagen „sei fit“, lass es uns konkret machen. Du solltest in der Lage sein, 1000 Höhenmeter mit einem 10-Kilo-Rucksack in unter zwei Stunden zu bewältigen. Und du musst sicher im Fels bis zum V. Grad vorsteigen können – mit Bergschuhen, nicht mit superengen Kletterschuhen. Deine Ausrüstung muss sitzen, jedes Gramm zählt. Du musst wissen, wie du Eisschrauben setzt und einen Standplatz baust, auch wenn deine Finger schon halb taub sind.
Eine Lektion fürs Leben: Ich habe selbst einen Versuch an der Nordwand abgebrochen. Wir waren schnell, das Wetter top. Aber mein Bauchgefühl war schlecht. Mein Partner wollte weiter, doch ich hab mich durchgesetzt. Am nächsten Tag zog ein massives Gewitter auf, das uns in der Wand erwischt hätte. Auf einen Gipfel zu verzichten ist niemals eine Schande. Es ist das deutlichste Zeichen von Erfahrung.

Andere Länder, andere Felsen: Ein Abstecher nach Nordamerika
Wenn du nach Nordamerika fliegst, betrittst du eine völlig andere Kletterwelt. Die Weite des Landes spiegelt sich in den Möglichkeiten wider. Die Felsen sind anders, die Klimaextreme größer und die Herangehensweise ist oft… direkter.
Utah: Die Kunst des Risskletterns im roten Sandstein
Als ich das erste Mal in Utah war, dachte ich, ich lerne Klettern neu. Dieser rote Sandstein ist eine Welt für sich. Im Vergleich zu unserem Alpenkalk oder Granit ist er viel weicher und hat eine ganz andere Struktur. Die Reibung ist fantastisch, aber du musst ihm vertrauen lernen. Besonders bei mobilen Sicherungen fühlt es sich anfangs komisch an, weil der Fels nachgibt.
Alpen-Granit vs. Utah-Sandstein: Stell dir vor, Granit ist wie ein ehrlicher, alter Handwerker – rau, zuverlässig, berechenbar. Du siehst einen Riss, legst einen Keil, und du weißt, der hält. Sandstein hingegen ist eher wie ein temperamentvoller Künstler. Er bietet unglaubliche Reibung und perfekte Risse, aber er ist sensibel. Nach einem Regen ist er tabu, weil er brechen kann wie ein trockener Keks. Deine Sicherungen musst du mit viel mehr Gefühl legen, um den Fels nicht zu beschädigen.

Praktische Tipps für die Wüste:
- Beste Reisezeit: Frühling und Herbst. Im Sommer wird es unerträglich heiß. Wir sind oft um 4 Uhr morgens aufgestanden, um der größten Hitze zu entgehen.
- Kosten: Ein Mietwagen ist Pflicht, rechne mal mit 50-70 USD pro Tag. Dazu kommen oft noch Gebühren für die Nationalparks.
- Ressourcen: Lade dir die App „Mountain Project“ herunter. Das ist die Bibel für Kletterer in den USA. Alle Routen, alle Zustiege, aktuelle Kommentare – unbezahlbar.
- Ausrüstung: Interessanterweise ist Klettermaterial in den USA oft günstiger. Es kann sich lohnen, ein neues Seil vor Ort zu kaufen (ca. 150-200 USD), anstatt Übergepäck zu zahlen. Schuhe und Gurt nimmst du aber besser deine eigenen mit.
- Wasser! Ich kann es nicht oft genug sagen. Plane mindestens vier Liter pro Person und Tag ein. Dehydrierung ist hier kein Witz.
Vermont: Senkrechtes Eis, das lebt
Eisklettern in den USA, zum Beispiel am Mount Pisgah, ist was anderes als eine eisige Nordwand in den Alpen. Du kletterst an gefrorenen Wasserfällen. Das Eis ist oft glasklar, hart wie Beton und wunderschön. Aber es ist auch launisch.
Die Stabilität des Eises ändert sich stündlich mit der Temperatur. Eine Eisschraube, die morgens bombenfest saß, kann mittags bei Sonnenschein aus dem weichen Eis einfach schmelzen. Sicherheit geht hier absolut vor! Ein guter Helm ist nicht verhandelbar. Mir hat mal ein herabfallendes Eisstück den Helm gespalten – ohne ihn wäre die Tour meine letzte gewesen.

Ach ja, und dann gibt es da noch die Abalakow-Eissanduhr zum Abseilen, bei der das Eis selbst dein Anker wird. Eine geniale Technik, aber bitte, bitte: Schaut euch das auf YouTube an und übt es zuerst an einer absolut sicheren Stelle, bevor ihr euer Leben dranhängt!
Die dünne Luft: Was dich in Südamerika erwartet
In den peruanischen Anden wird die Luft dünn. Der eigentliche Gegner ist nicht der Fels, sondern der Sauerstoffmangel. Die Berge sind gigantisch, die Landschaft atemberaubend rau und die größte Herausforderung spielt sich im eigenen Körper ab.
Cordillera Blanca: Bergsteigen jenseits der 6000 Meter
Die Cordillera Blanca ist eine Kette aus schneeweißen Riesen. Die Höhe hier ist eine unsichtbare Wand, gegen die man langsam anlaufen muss. Wer direkt aus den Alpen kommt und losstürmt, wird scheitern.
Die Kunst der Akklimatisation: Die Höhenkrankheit kann jeden treffen, egal wie fit du bist. Die Regel ist simpel: „Geh hoch, schlafe tief.“ Tagsüber höher steigen, den Körper reizen, aber zum Schlafen wieder absteigen. Plane für eine 6000er-Besteigung mindestens zwei, besser drei Wochen ein. Die erste Woche ist quasi nur fürs Ankommen und langsame Gewöhnen da.

Die größten Fehler in der Höhe, die du vermeiden musst:
- Kopfschmerzen mit Tabletten wegdrücken und einfach weiter aufsteigen. Ein riesiges Warnsignal!
- Zu wenig trinken, weil du keinen Durst hast. Dein Körper braucht 4-5 Liter pro Tag.
- Zu schnell an Höhe gewinnen. Über 3000 Metern sollte die Schlafhöhe pro Nacht nicht mehr als 300-500 Meter zunehmen.
Was so ein Abenteuer kostet: Für eine organisierte Tour auf einen bekannten 6000er musst du mit allem Drum und Dran vor Ort (Guide, Mulis, Zelte, Verpflegung) grob zwischen 1.500 und 2.500 Euro rechnen. Der Langstreckenflug kommt natürlich noch dazu.
Gut zu wissen für Peru: Die beste Reisezeit ist die Trockenzeit von Mai bis September. Eine Reiseversicherung, die eine Bergung über 6000 Meter abdeckt, ist nicht nur eine Empfehlung, sondern ein Muss. Und ein paar Brocken Spanisch öffnen dir Türen und Herzen.
Das Dach der Welt: Ein ehrlicher Blick auf Asien
Der Himalaya. Allein das Wort hat eine unglaubliche Kraft. Aber der Traum vom Mount Everest hat sich verändert. Man muss heute ehrlich darüber reden, was das bedeutet.

Mount Everest: Zwischen persönlichem Traum und Massenansturm
Der höchste Berg der Erde ist heute ein kommerzielles Unternehmen. Für eine absurde Summe Geld – wir reden hier von 40.000 bis weit über 100.000 Euro – kaufst du dir ein All-Inclusive-Paket. Das hat den Berg zugänglicher gemacht, aber auch zu bizarren Situationen geführt.
In der kurzen Schönwetterperiode kommt es zu Staus an Schlüsselstellen. Menschen stehen in der Todeszone auf über 8000 Metern Schlange. Das ist nicht nur unwürdig, sondern lebensgefährlich. Dort oben baut dein Körper auch mit Flaschensauerstoff rapide ab.
Ohne die Sherpas gäbe es so gut wie keine Besteigungen auf der Normalroute. Sie sind die wahren Helden, die unter höchstem Risiko die Route einrichten und die Lasten schleppen. Jeder, der vom Everest träumt, sollte sich ehrlich fragen: Warum will ich da hoch? Geht es um die Auseinandersetzung mit dem Berg oder um das Gipfelfoto für Instagram? Es gibt so viele andere, einsamere und ursprünglichere Achttausender…

Ein Kontinent, den man nicht auf dem Schirm hat: Australien
Australien? Da denkt man an Surfen und das Outback, aber nicht ans Bergsteigen. Doch der fünfte Kontinent hat eine unglaublich aktive Kletterszene und Felsen, die du nirgendwo sonst findest.
Blue Mountains: Klettern mit höchstem Respekt
Westlich von Sydney liegen die Blue Mountains. Kein Hochgebirge, aber beeindruckende Sandsteinwände. Hier steht der Schutz des empfindlichen Gesteins über allem. Sandstein ist weich, besonders wenn er nass ist. Nach Regen herrscht oft ein ungeschriebenes Kletterverbot für mehrere Tage, bis der Fels wieder komplett trocken ist.
Die Ethik ist „Clean Climbing“. Das heißt: hinterlasse keine Spuren. Hammer und Haken sind absolut tabu. Man nutzt mobile Sicherungen und Schlingen, die dem Fels nicht schaden. Wenn du dort bist, mach Folgendes: Geh in einen der kleinen Kletterläden in Katoomba, hol dir einen Kaffee und quatsch mit den Leuten hinterm Tresen. Die geben dir die besten und aktuellsten Tipps – die stehen in keinem Reiseführer.

Die wichtigste Entscheidung triffst nicht du
Unsere Welt ist voller Berge, die darauf warten, entdeckt zu werden. Jede Reise zu einem neuen Fels, in eine andere Kultur, macht uns zu besseren und umsichtigeren Bergsteigern. Es geht nicht darum, Gipfel abzuhaken wie auf einer Einkaufsliste. Es geht darum, zu lernen.
Der größte Gipfel ist nicht der, der vor dir aufragt. Es ist die Erfahrung, die du mit nach Hause nimmst. Und oft ist die mutigste Entscheidung, die du am Berg treffen kannst, die rechtzeitige Umkehr. Denn nur, wer sicher zurückkommt, kann vom nächsten Abenteuer träumen.
Bildergalerie


„Der Granit des Mont-Blanc-Massivs und der Sandstein von Utah haben ein geologisches Alter von über 250 Millionen Jahren, das sie voneinander trennt. Das eine ist magmatisches Gestein, das aus dem Erdinneren aufsteigt, das andere ein Sedimentgestein, das durch Ablagerungen entsteht.“
Diese Zeitspanne erklärt alles: die Textur, die Rissbildung, die Art, wie der Fels bricht. Klettern ist nicht nur Sport, es ist angewandte Geologie. Wer das Gestein versteht, klettert sicherer und intuitiver.

Das Gefühl für den Fels zu Hause lassen?
Ja, in gewisser Weise schon. Ein Kletterer, der im Urner Granit aufgewachsen ist, verlässt sich auf Reibung und winzige Kristalle. In den Kalkwänden der Dolomiten sucht er nach Leisten und Löchern. Der Wechsel zum weichen, porösen Sandstein erfordert eine mentale Neuprogrammierung: Man muss lernen, dem Fels auf eine ganz andere Weise zu vertrauen, oft mit der ganzen Handfläche in Slopern statt nur mit den Fingerspitzen auf Kanten.

Das Rack neu denken: Vom Alpin- zum Wüsten-Set
Dein Standard-Satz an Keilen und Friends reicht im Sandstein oft nicht aus. Die Risse in Gebieten wie Indian Creek sind oft perfekt parallel und über lange Strecken gleich breit. Das schreit nach:
- Mehr Cams, weniger Keile: Besonders mittlere bis große Cams (z.B. Black Diamond C4, #2 bis #5) werden zu deinem besten Freund. Oft braucht man mehrere in der gleichen Größe.
- Lange Schlingen: „Alpine Draws“ sind unerlässlich, um Seilzug in langen, nicht immer geraden Routen zu minimieren.
- Robuste Handschuhe: Risskletter-Handschuhe (z.B. von Ocun oder Outdoor Research) sind keine Schande, sondern retten deine Haut für den nächsten Tag.

Wüsten-Sandstein: Berühmt für seine perfekten Risse und warmen Farben. Der Fels ist bei Nässe extrem brüchig und erfordert eine bedachte, flächige Klettertechnik. Ein Paradies für Hand- und Faustklemmer.
Alpen-Granit: Kühl, rau und extrem reibungsintensiv. Er bietet alles von feinsten Rissen bis zu glatten Platten. Hier zählt präzise Fußtechnik auf kleinsten Kristallen.
Der größte Unterschied liegt im Gefühl: Sandstein fühlt sich oft weich und vergänglich an, Granit hingegen hart und ewig.

Ein ungeschriebenes Gesetz: Respektiere die Patina! Gerade in Wüstengebieten wie dem Red Rock Canyon bildet sich auf dem Sandstein eine dunkle, harte Schutzschicht, die „Wüstenlack“ genannt wird. Diese Schicht schützt den weicheren Stein darunter. Zerstörtes oder aggressiv mit Magnesia verschmutztes Gestein verliert diesen Schutz und erodiert schneller. Weniger ist hier mehr – für den Fels und für die Kletterer, die nach dir kommen.

- Sicherheit bei Stürzen in glatten Rissen
- Weniger Schmerzen und Hautabrieb
- Längere Ausdauer in anspruchsvollen Passagen
Das Geheimnis? Die richtige Risskletter-Technik. Es geht nicht um rohe Kraft. Ob Handklemmer, Faustklemmer oder Fingerklemmer – die Kunst liegt im „Verkanten“ und der Gegenrotation von Händen und Füßen. Es ist ein Tanz aus Druck und Gegendruck, den man am besten in moderaten Routen übt, bis er zur zweiten Natur wird.

Die Logistik abseits der Alpen ist eine andere Welt. Vergiss das dichte Netz an Hütten mit warmem Abendessen. In vielen Klettergebieten der USA, Australiens oder Jordaniens bedeutet ein Klettertag absolute Autarkie. Ausreichend Wasser (mindestens 4-5 Liter pro Person!), Essen für den ganzen Tag, ein umfassendes Erste-Hilfe-Set und das Wissen um lokale Gegebenheiten wie plötzliche Wetterumschwünge oder die Tierwelt sind nicht nur eine Empfehlung, sondern überlebenswichtig.

Der deutsche Elbsandstein gilt als Geburtsort des Freikletterns und hat seine eigenen, strengen Regeln.
Wer hier klettern will, muss sich komplett umstellen: Metallene Sicherungsmittel wie Friends oder Keile sind tabu, um den weichen Stein zu schützen. Stattdessen werden geknotete Schlingen in Sanduhren gefädelt oder in Risse gelegt. Magnesia ist verpönt. Eine Reise ins Elbsandsteingebirge ist wie eine Zeitreise zu den Wurzeln des Sports – und eine fantastische Schule für saubere Kletterethik und kreative Absicherung.

Was ist mit dem Kopf? Der mentale Aspekt ist oft die größte Hürde. Im vertrauten Granit fühlt sich jeder Griff bombenfest an. Auf einem Wüsten-Turm aus Sandstein oder in einer Wand aus brüchigem Vulkangestein nagt oft der Zweifel im Hinterkopf. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, in die gelegte Sicherung und eine gesunde Portion Demut sind wichtiger als jeder Bizeps.

Schon mal von „Gritstone“ gehört?
Dieser extrem grobkörnige Sandstein in Nordengland, speziell im Peak District, bietet eine ganz eigene Herausforderung. Die Kletterei ist oft kurz, aber technisch und mental extrem fordernd. Es geht um schlechte Griffe („Sloper“), heikle Reibungspassagen und oft spärliche Absicherung. Ein Sturz ist selten eine gute Option. Wer die berüchtigten „Gritstone-E-Grades“ meistert, hat eine der härtesten mentalen Schulen des Kletterns durchlaufen.
- Kalymnos, Griechenland: Weltklasse-Kalkfelsen mit Sinterfahnen und Tufas, die über dem tiefblauen Meer hängen. Eine völlig andere Bewegungsart als an alpinen Kalkwänden.
- Patagonien, Argentinien: Steile, glatte Granitnadeln wie der Fitz Roy. Das Klettern ist dem in Chamonix ähnlich, aber die Stürme sind legendär und die Wetterfenster extrem kurz.
- Yangshuo, China: Surreal anmutende Karsttürme, die direkt aus Reisfeldern emporragen. Kurze, steile und oft überhängende Sportkletterrouten an tropfnassen Tufas.




