Reykjavík für Selbermacher: Der ehrliche Guide für deine Island-Reise
Ich weiß noch genau, wie ich das erste Mal auf Keflavík zuflog. Unter mir lag eine Landschaft, die irgendwie unfertig aussah – dunkles Vulkangestein, moosgrüne Tupfer und dazwischen kleine, bunte Häuser. Aus der Luft wirkte Reykjavík nicht wie eine Hauptstadt, eher wie eine Siedlung am Ende der Welt. Ganz ehrlich? Dieses Gefühl hat sich über die Jahre komplett gewandelt. Heute sehe ich eine Stadt voller Energie und Kreativität, die aber immer noch mit beiden Beinen fest in ihrer rauen Natur steht. Ich war unzählige Male hier, hab Touren geführt und mit den Leuten vor Ort gequatscht. Deshalb ist das hier kein normaler Reiseführer. Das ist meine persönliche Anleitung, damit du Reykjavík nicht nur besuchst, sondern wirklich verstehst.
Inhaltsverzeichnis
- 0.1 Aller Anfang ist… am Flughafen: Vom KEF in die Stadt
- 0.2 Die Grundlagen: Warum Reykjavík tickt, wie es tickt
- 0.3 Dein Handwerkszeug: Die richtige Vorbereitung
- 0.4 Dein Alltag in Reykjavík: Geld, Essen und fahrbarer Untersatz
- 0.5 Die Klassiker: Was du in Reykjavík gesehen haben solltest
- 0.6 Tagesausflüge: Ab ins Abenteuer!
- 0.7 Ganz Wichtig: Respekt vor der Natur!
- 0.8 Der ultimative Island-Tipp: Ab ins Schwimmbad!
- 0.9 Mein Fazit
- 1 Bildergalerie
Aller Anfang ist… am Flughafen: Vom KEF in die Stadt
Okay, fangen wir mit dem Wichtigsten an, was in fast jedem Guide fehlt: Wie kommst du eigentlich vom Flughafen Keflavík (KEF) nach Reykjavík? Die Strecke ist immerhin fast 50 Kilometer lang. Keine Sorge, das ist super easy.

- Die Busse (Flybus & Co.): Das ist die gängigste und einfachste Methode. Die Busse warten direkt vor dem Terminal und ihre Abfahrtszeiten sind an die ankommenden Flüge gekoppelt. Du kannst also keinen verpassen. Die Fahrt dauert ca. 45 Minuten und kostet dich um die 30 Euro. Kleiner Tipp: Buche am besten direkt das Ticket bis zu deinem Hotel oder einer nahegelegenen Haltestelle dazu, das kostet nur ein paar Euro mehr.
- Mietwagen: Wenn du sowieso einen Wagen für deine Reise geplant hast, hol ihn direkt am Flughafen ab. Fast alle großen Anbieter sind dort vertreten. Aber Achtung: Buche unbedingt von zu Hause aus, vor allem im Sommer wird es sonst schnell teuer oder es gibt gar keine Autos mehr.
- Taxi: Geht natürlich auch, ist aber, ehrlich gesagt, extrem teuer. Rechne mal mit 150 bis 200 Euro für die einfache Fahrt. Das lohnt sich nur, wenn ihr euch die Kosten in einer kleinen Gruppe teilt.

Die Grundlagen: Warum Reykjavík tickt, wie es tickt
Um diese Stadt zu kapieren, muss man die Erde verstehen, auf der sie steht. Island hockt direkt auf dem Mittelatlantischen Rücken, wo die nordamerikanische und die eurasische Platte auseinanderdriften. Das ist kein trockener Stoff aus dem Schulbuch, sondern der Grund für absolut alles hier: die heißen Quellen, die wohlige Wärme in jedem Haus und die ständige, latente Bereitschaft für ein kleines Erdbeben.
Diese Wärme aus der Tiefe ist auch der Grund, warum du im Winter oft auf schneefreien Gehwegen im Zentrum läufst. Unter vielen Straßen verlaufen Heizungsrohre – eine geniale und praktische Lösung, die das teure Schneeräumen spart. Wenn du also im Winter über die trockene Laugavegur schlenderst, während daneben der Schnee liegt, spürst du die Geothermie direkt unter deinen Füßen.
Und die Architektur? Eine direkte Antwort auf die Natur. Die berühmten bunten Wellblechhäuser waren früher eine reine Notwendigkeit. Holz war rar und teuer, also hat man die Häuser mit robustem Wellblech verkleidet, um sie vor dem gnadenlosen Wetter zu schützen. Die Farbe machte die Stadt in den langen, dunklen Wintern nicht nur fröhlicher, sie half auch, das eigene Haus aus der Ferne wiederzuerkennen. Heute ist es Kult, aber der Ursprung war pure Funktion.

Dein Handwerkszeug: Die richtige Vorbereitung
Eine Reise nach Island, selbst wenn es nur in die Hauptstadt geht, verlangt ein anderes Denken. Das Wetter ist hier nicht nur Smalltalk-Thema – es ist der Chef. Es diktiert deinen Tagesablauf.
Die Wahl der Jahreszeit
Es gibt keine „beste“ Zeit für Island, nur die beste Zeit für das, was DU erleben willst.
- Sommer (Juni – August): Dich erwartet die Mitternachtssonne, also quasi 24 Stunden Tageslicht. Perfekt für endlose Ausflüge. Aber: Es ist auch die teuerste und vollste Zeit. Einsamkeit wirst du an den Hotspots nicht finden.
- Winter (November – März): Die Tage sind kurz, oft nur 4-5 Stunden hell. Dafür hast du die Chance auf Nordlichter, was einfach magisch ist. Die Stadt ist oft von Schnee bedeckt und super gemütlich. Autofahren erfordert aber definitiv Erfahrung mit winterlichen Bedingungen.
- Übergangszeiten (April/Mai & Sept./Okt.): Aus meiner Sicht oft die cleverste Wahl. Weniger Touristen, bessere Preise. Das Wetter ist ein Überraschungspaket, aber das ist es in Island ja immer. Im September hast du noch lange Tage und schon die erste Nordlichtchance.
Die richtige Kleidung: Das Zwiebelprinzip ist Gesetz!
Vergiss die eine dicke Winterjacke. Das Geheimnis liegt in Schichten. Glaub mir, ich hab schon so viele Leute mit Jeans und Turnschuhen frieren sehen. Mach es besser:

- Basisschicht: Direkt auf der Haut. Wichtig ist, dass sie Schweiß vom Körper wegleitet. Baumwolle ist dein Feind – sie saugt sich voll und kühlt dich aus. Merinowolle oder Funktionsunterwäsche sind perfekt.
- Isolationsschicht: Die hält dich warm. Eine Fleecejacke oder ein dünner Wollpullover. Kann man schnell ausziehen, wenn man in ein Café geht.
- Außenschicht: Die wichtigste! Sie muss wind- und wasserdicht sein. Eine gute Kapuze ist Gold wert. Der isländische Wind ist kein laues Lüftchen, der kriecht überall hin.
Dazu gehören unbedingt eine wasserdichte Hose, feste, wasserdichte Schuhe mit gutem Profil, Mütze, Schal und Handschuhe. Ja, auch im Sommer. Ich hab im Juli schon Schneeregen am Golden Circle erlebt. Wer hier an der Kleidung spart, spart am Erlebnis.
Dein Alltag in Reykjavík: Geld, Essen und fahrbarer Untersatz
Im Zentrum von Reykjavík kannst du fast alles zu Fuß erledigen. Für den Rest gibt’s gute Optionen.
Bargeld oder Karte?
Die Antwort ist einfach: Karte. Du kannst in Island wirklich ALLES mit Kredit- oder Debitkarte bezahlen, vom Hotdog am Stand bis zur Parkuhr. Ich hab oft tagelang keine einzige isländische Krone in der Hand. Ein bisschen Bargeld dabeizuhaben schadet nicht, ist aber absolut kein Muss.

Mietwagen: Freiheit mit Verantwortung
Ein Auto gibt dir ultimative Freiheit. Ein paar Dinge solltest du aber wissen. Achte auf den Versicherungsschutz! Die Standardversicherung deckt oft keine typisch isländischen Schäden ab. Ich empfehle immer die „Sand and Ash Protection“ (SAAP). Klingt komisch, aber stell dir vor, der Wind ist so stark, dass er feinen Vulkansand vom Boden aufwirbelt und dein Auto damit quasi sandstrahlt. Genau das deckt diese Versicherung ab und kann dich vor tausenden Euro Schaden bewahren. Dein wichtigstes digitales Werkzeug ist die Webseite road.is. Check sie vor JEDER Fahrt, die Straßenverhältnisse können sich minütlich ändern.
Unterkunft: Ein Tipp abseits der Touristenmeile
Klar, es gibt alles vom Hostel bis zum Luxushotel. Mein Tipp: Schau mal nach Apartments oder Gästehäusern in den Wohnvierteln außerhalb des direkten Zentrums (Postleitzahl 101). Die sind oft günstiger und du bekommst ein Gefühl für den echten isländischen Alltag. Die Busverbindungen ins Zentrum sind top.
Essen und Trinken: Clever genießen
Ja, Essen gehen in Island ist teuer. Ein Bier kostet schnell mal 10-12€, ein einfaches Hauptgericht im Restaurant liegt oft zwischen 30€ und 50€. Aber keine Panik! Deine besten Freunde sind die Supermärkte Bónus (das mit dem rosa Schwein) und Krónan. Hier kannst du dich super für Frühstück und Snacks eindecken. Achte aber auf die Öffnungszeiten, die sind oft kürzer als bei uns. Was du probieren musst, ist der Hotdog von Bæjarins Beztu Pylsur. Trau dich und bestell auf Isländisch: „Eina með öllu, takk!“ (Einen mit allem, danke!). Und das Leitungswasser? Trink es! Es ist pures, köstliches Gletscherwasser. Plastikflaschen kaufen ist hier wirklich überflüssig.

Die Klassiker: Was du in Reykjavík gesehen haben solltest
Hallgrímskirkja
Die Kirche siehst du von fast überall. Die Architekten ließen sich von den Basaltsäulen inspirieren, die du überall in der isländischen Natur findest. Es ist quasi Geologie in Beton gegossen. Fahr unbedingt mit dem Aufzug hoch auf den Turm! Der Ausblick über die bunten Dächer und die Bucht ist jeden Cent wert. Gut zu wissen: Schau vorher kurz auf die Website der Kirche, manchmal ist der Turm wegen Gottesdiensten oder Konzerten kurzfristig gesperrt.
Harpa Konzerthalle
Ein modernes Meisterwerk am Hafen. Die beeindruckende Glasfassade wurde von einem international bekannten Künstler mitgestaltet und soll an Basaltkristalle erinnern. Geh einfach mal rein, auch wenn keine Veranstaltung ist. Das Spiel von Licht und Schatten im Inneren ist der helle Wahnsinn und ändert sich mit jeder Wolke am Himmel.
Sólfar (Der Sonnenfahrer)
Viele halten die elegante Skulptur am Wasser für ein Wikingerschiff, aber das war gar nicht die ursprüngliche Idee. Die Vision war ein Traumschiff, ein Symbol für Hoffnung und die Reise ins Unbekannte. Setz dich auf die Stufen davor, schau auf den Berg Esja am anderen Ufer und lass den Ort einfach wirken.

Tagesausflüge: Ab ins Abenteuer!
Reykjavík ist der perfekte Startpunkt für Touren. Hier zwei absolute Muss-Touren:
Der Golden Circle
Der Klassiker: Nationalpark Þingvellir, der Geysir Strokkur und der gewaltige Wasserfall Gullfoss. Mein Profi-Tipp: Starte entweder superfrüh (vor 8 Uhr) oder erst am Nachmittag und fahre die Route gegen den Uhrzeigersinn. So umgehst du die großen Touristenbusse. Plan für die Runde locker 6 bis 8 Stunden ein, damit du nicht hetzen musst.
Die Südküste
Ein Trip bis nach Vík mit seinen schwarzen Stränden ist an einem langen Tag machbar. Du siehst die Wasserfälle Seljalandsfoss und Skógafoss. Aber der wichtigste Ort hier ist der Strand Reynisfjara. Und hier muss ich eine ernste Warnung aussprechen.
Ganz Wichtig: Respekt vor der Natur!
Islands wahre Gefahr ist nicht Kriminalität, sondern die unbändige Natur. Diese Warnungen sollen dir keine Angst machen, sondern dich sicher halten.
Achtung am Strand Reynisfjara!
Die Wellen hier haben eine unfassbare Kraft, da zwischen der Antarktis und Island keine Landmasse ist, die sie bremst. Es gibt sogenannte „Sneaker Waves“ – Wellen, die ohne Vorwarnung viel weiter den Strand hochschießen als alle davor. Dreh dem Meer NIEMALS den Rücken zu. Halte immer mindestens 20-30 Meter Abstand zur Wasserlinie, auch wenn das Meer ruhig aussieht. Es hat hier leider schon tödliche Unfälle gegeben.

Heiße Quellen & Gletscher
Bleib in geothermalen Gebieten immer auf den markierten Wegen. Der Boden daneben kann eine hauchdünne Kruste über kochend heißem Schlamm sein. Und betritt niemals einen Gletscher ohne einen zertifizierten Guide. Die unsichtbaren Gletscherspalten sind lebensgefährlich.
Deine wichtigsten Helfer: Speicher dir diese beiden Webseiten ab: vedur.is für die beste Wettervorhersage und safetravel.is für aktuelle Warnungen der isländischen Rettungskräfte.
Der ultimative Island-Tipp: Ab ins Schwimmbad!
Wenn du etwas wirklich Isländisches erleben willst, geh in eines der öffentlichen Freibäder. Es ist der soziale Treffpunkt schlechthin. Aber es gibt eine wichtige Regel: die Dusch-Etikette. Bevor du in deiner Badehose oder deinem Badeanzug ins Becken darfst, musst du dich nackt und gründlich mit Seife waschen. Das ist keine Option, das ist Pflicht und wird auch kontrolliert. Es mag anfangs ungewohnt sein, aber es ist ein Zeichen des Respekts und sorgt dafür, dass das Wasser super sauber bleibt. Ein Hot Pot im Freien unter dem isländischen Himmel… das ist unbezahlbar.

Mein Fazit
Wenn ich heute in Reykjavík lande, sehe ich keine unfertige Landschaft mehr. Ich sehe ein perfektes Zusammenspiel von Mensch und Natur. Nimm dir die Zeit, nicht nur zu schauen, sondern zu verstehen. Sprich mit den Leuten, iss einen Hotdog, lass dich vom Wind durchpusten und entspann im heißen Wasser eines Schwimmbads. Dann bist du kein Tourist mehr, sondern ein Teil dieser faszinierenden Welt. Und das ist eine Erfahrung, die du nie wieder vergisst.
Bildergalerie


- Zwiebelschalen & eine Hardshell: Das A und O in Reykjavík ist das Schichtenprinzip. Ein Baselayer aus Merinowolle, ein Fleece und darüber eine wind- und wasserdichte Jacke sind Pflicht.
- Badesachen nicht vergessen: Klingt verrückt bei den Temperaturen, aber ein Besuch in einem der geothermischen Bäder wie der Sundhöllin ist ein absolutes Muss.
- Feste, wasserdichte Schuhe: Die Straßen können nass und der Wind überraschend stark sein. Deine Füße werden es dir danken.
Das Geheimnis? Du bist damit auf alles vorbereitet – vom plötzlichen Regenschauer bis zum sonnigen Moment an der Hafenpromenade.

Fast die gesamte Stadt wird durch geothermische Energie beheizt und mit Strom versorgt.
Das ist kein reiner Öko-Fakt, sondern etwas, das du riechen und fühlen kannst. Wenn du in deinem Hotelzimmer das heiße Wasser aufdrehst, riecht es oft leicht nach Schwefel – das ist der Duft der Erde. Es bedeutet auch endlose, günstige heiße Duschen und erklärt die vielen Schwimmbäder, die das soziale Herz der Stadt sind.

Muss man wirklich zur Blauen Lagune?
Ganz ehrlich: Die Blaue Lagune ist ein beeindruckendes, aber auch teures und oft überlaufenes Spa-Erlebnis, das zudem weit außerhalb der Stadt liegt. Für ein authentisches Bad, wie es die Einheimischen tun, besuchst du besser eines der städtischen Freibäder („Sundlaug“). Die Sundhöllin Reykjavíkur, mit ihrem neuen Außenbereich und den Hot Pots auf dem Dach, bietet einen fantastischen Blick über die Stadt für einen Bruchteil des Preises und ein Maximum an lokalem Flair.

Die Lebensretter-App: Lade dir unbedingt die App „Veður“ herunter. Das ist die offizielle App des isländischen Wetterdienstes und sie ist Gold wert. Die Vorhersagen sind extrem präzise und beinhalten auch Warnungen vor Stürmen oder Aurora-Sichtbarkeit. Verlass dich niemals auf deine heimische Wetter-App; das isländische Wetter spielt nach seinen eigenen Regeln.

Der berühmteste Imbiss: Der Hotdog-Stand „Bæjarins Beztu Pylsur“ ist eine Institution. Bestelle „eina með öllu“ (einen mit allem) und du bekommst ein Lammwürstchen mit rohen und gerösteten Zwiebeln, Ketchup, süßem Senf und einer cremigen Remoulade. Es ist der vielleicht günstigste und gleichzeitig kultigste Lunch, den du in Reykjavík finden kannst.
Halte in den Seitenstraßen der Laugavegur die Augen offen. Reykjavíks Street-Art-Szene ist lebendig und erzählt Geschichten an ganzen Hauswänden. Große, oft surreale Murals von Künstlern wie Guido van Helten verwandeln graue Fassaden in riesige Leinwände. Diese Kunst im öffentlichen Raum spiegelt den kreativen, manchmal melancholischen und immer überraschenden Geist der Stadt wider – ein kostenloses Museum unter freiem Himmel.




