Lärm, Tempo, Zukunft: Warum eine uralte Kunst-Idee uns heute mehr betrifft, als du denkst

von Aminata Belli
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Kennst du das? Du stehst an einer riesigen Kreuzung, die U-Bahn donnert unter dir, Autos rauschen vorbei, Leuchtreklamen flimmern und überall sind Menschen in Bewegung. Ganz ehrlich, genau das ist der Stoff, aus dem eine der radikalsten Kunstbewegungen aller Zeiten gemacht wurde: der Futurismus.

Ich hab mich jahrelang in dieses Thema reingefuchst, hab alte Schriften gewälzt und mir die wenigen Bauten angeschaut, die die Zeiten überdauert haben. Und was ich dir sagen kann: Es ist so viel mehr als nur ein „futuristisches“ Design. Es ist eine komplette Philosophie, die damals alles Alte, Gemütliche und Stille einfach über Bord werfen wollte. Ein echter Paukenschlag, der bis heute nachhallt.

In diesem Artikel nehmen wir diese wilde Idee mal auseinander. Wir schauen uns an, was die Künstler damals wirklich antrieb, wie sie versuchten, Geschwindigkeit auf eine Leinwand zu bannen, und wie ihre kühnen Träume von Zukunftsstädten bis heute in unserer Architektur und sogar in unserer Mode weiterleben. Schnall dich an, es wird dynamisch!

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Das Fundament: Ein Manifest mit Karacho

Alles begann, als ein italienischer Dichter auf der Titelseite einer großen Pariser Zeitung ein Manifest veröffentlichte. Man spürt die Energie förmlich, wenn man den Text liest. Er erklärte den verstaubten Museen, den Bibliotheken und der ganzen etablierten Kunstwelt den Krieg. Sein berühmtester Satz sagt eigentlich schon alles: „Ein Rennwagen […] ist schöner als die Nike von Samothrake.“

Ach ja, kleiner Fun Fact am Rande: Die Inspiration für diese ganze Bewegung soll der Verfasser nach einem Autounfall gehabt haben, als er seine Karre eigenhändig aus einem schlammigen Graben ziehen musste. Dieser Kampf mit der Maschine, die rohe Kraft – das war für ihn die Geburtsstunde einer neuen Ästhetik.

Die Philosophie der Maschine

Das war natürlich pure Provokation, aber dahinter steckte eine neue Weltsicht. Die industrielle Revolution hatte alles verändert. Plötzlich gab es Autos, Flugzeuge und riesige Fabriken. Das Leben wurde schneller, lauter, mechanischer. Die Futuristen sahen in der Maschine nicht nur ein Werkzeug, sondern eine neue Art von Schönheit, fast schon etwas Göttliches. Die Dynamik, die Gefahr und die Energie der Technik sollten die neue Kunst sein.

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Ihre Kernideen waren, ehrlich gesagt, ziemlich extrem:

  • Verherrlichung der Geschwindigkeit: Schönheit war für sie gleichbedeutend mit Tempo.
  • Liebe zur Gefahr: Mut und Rebellion waren die höchsten Tugenden.
  • Der Krieg als „Hygiene“: Sie feierten den Militarismus und sahen Krieg als notwendige Reinigung der Welt.
  • Verachtung der Vergangenheit: Sie forderten die Zerstörung aller Museen und lehnten traditionelle Werte ab.

Achtung! Gerade die letzten beiden Punkte sind heute extrem schwer zu verdauen und zeigen die dunkle, aggressive Seite dieser Bewegung. Man muss es klar sagen: Diese Ideologie wurde später nur zu gern von den Faschisten in Italien aufgegriffen. Aber um die Kunst zu verstehen, müssen wir diese rohe, zerstörerische Energie anerkennen. Sie wollten eine Kunst, die brüllt und auf der Straße lebt.

Bewegung auf Leinwand: Wie malt man Geschwindigkeit?

Wie bringt man den Lärm einer Baustelle oder das Gefühl von Tempo auf eine flache Leinwand? Die futuristischen Maler standen vor einer riesigen Herausforderung. Ihre Lösung: Sie bedienten sich bei anderen modernen Stilen, bauten die Techniken aber für ihre eigenen Zwecke komplett um.

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Flimmernde Pinselstriche und zersplitterte Formen

Eine ihrer wichtigsten Techniken war eine Weiterentwicklung des Pointillismus. Statt ruhiger Landschaften erzeugten sie mit kleinen, nebeneinandergesetzten Farbstrichen ein Flimmern, eine Vibration. Stell dir das berühmte Bild eines Dackels an der Leine vor: Die unzähligen gemalten Beinchen, die schwingende Leine und die tippenden Füße der Besitzerin erzeugen den Eindruck einer fotografischen Langzeitbelichtung. Du spürst förmlich das Hecheln und Trippeln.

Von den Kubisten übernahmen sie die Idee, ein Objekt aus mehreren Perspektiven gleichzeitig zu zeigen. Aber auch hier mit einem anderen Ziel: Es ging nicht um die Analyse der Form, sondern darum, die Bewegung und das Chaos der Umgebung darzustellen. In einem berühmten Gemälde, das den Aufbruch einer Stadt zeigt, verschmelzen Pferde, Menschen und Gerüste zu einem einzigen Strudel aus Energie. Man erkennt kaum einzelne Details, aber man FÜHLT die ohrenbetäubende Kraft des urbanen Wachstums.

Kleiner Tipp für Kreative: Probier’s selbst aus! Du willst ein futuristisches Foto schießen? Ganz einfach: Schnapp dir dein Handy, geh abends an eine belebte Straße. Viele Smartphone-Kameras haben einen „Pro“- oder „Nacht“-Modus, in dem du die Belichtungszeit manuell verlängern kannst (auf 1-2 Sekunden). Fotografiere damit eine vorbeifahrende Straßenbahn oder ein Auto. Die verschwommenen Lichter ergeben genau die „Bewegungslinien“, die die Maler damals so fasziniert haben.

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Bronze, die sich bewegt

Das vielleicht bekannteste Werk des Futurismus ist eine schreitende Bronzefigur. Das Geniale daran: Der Künstler wollte nicht einfach einen Menschen beim Gehen zeigen. Er formte die Luft, die den Körper umströmt, quasi mit. Die glänzende Bronze fängt das Licht ein und erzeugt den Eindruck von Geschwindigkeit. Die Figur scheint sich nicht nur fortzubewegen, sie pflügt regelrecht durch den Raum. Ein radikaler Bruch mit allen klassischen Regeln der Bildhauerei.

Architektur: Die Vision der „Neuen Stadt“

Der Futurismus wäre nichts ohne seine Architektur. Und obwohl kaum etwas davon gebaut wurde, waren die Ideen so stark, dass sie Architekten bis heute inspirieren. Ein visionärer junger Architekt entwarf damals eine „Città Nuova“ – eine Neue Stadt –, die mit allem Traditionellen brach.

Seine Zeichnungen zeigen gigantische, terrassierte Gebäude aus Beton, Glas und Stahl. Keine Ornamente, keine verspielten Details. Stattdessen: Verkehrswege auf mehreren Ebenen – Fußgänger oben, Autos in der Mitte, Züge ganz unten. Aufzüge verliefen wie gläserne Arterien an der Außenseite der Fassaden. Kraftwerke wurden nicht versteckt, sondern wie Kathedralen der Industrie gefeiert.

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Doch warum blieben diese Visionen nur auf dem Papier? Nun, stellt euch mal die Kosten vor! Die Stahlbetontechnik war noch relativ jung und diese kühnen, weit auskragenden Bauten wären damals technologisch kaum machbar und schlicht unbezahlbar gewesen. Ganz zu schweigen von praktischen Dingen wie Brandschutz oder Fluchtwegen, die heute selbstverständlich sind. Die Vision war ihrer Zeit technisch und finanziell einfach um Jahrzehnte voraus. Aber der Einfluss ist riesig. Schau dir mal das Centre Pompidou in Paris an, mit seiner nach außen gekehrten Technik aus Rohren und Rolltreppen – da steckt eine Menge dieser alten futuristischen Idee drin.

Zwei Wege: Nationalismus in Italien, Revolution in Russland

Wichtig zu wissen: Der Futurismus war keine einheitliche Bewegung. Je nach Land entwickelte er sich in komplett unterschiedliche Richtungen.

In Italien war die Bewegung von Anfang an stark nationalistisch geprägt. Es ging darum, Italien kulturell an die Spitze Europas zu katapultieren. Die Kunst feierte die italienische Industrie und das Militär. Diese aggressive, laute Haltung führte viele Künstler direkt in die Arme des aufkommenden Faschismus.

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In Russland sah das Ganze anders aus. Dort trafen die Ideen auf eine brodelnde revolutionäre Stimmung. Nach der Oktoberrevolution stellten viele Künstler ihre Arbeit in den Dienst des neuen kommunistischen Staates. Ihr Ziel war nicht die Überhöhung der Nation, sondern die Gestaltung einer neuen, gerechteren Gesellschaft. Ein berühmter Entwurf war ein riesiges, spiralförmiges Monument aus Stahl und Glas, das als Regierungsgebäude dienen sollte. Im Inneren sollten Glaskörper in unterschiedlichen Geschwindigkeiten rotieren – eine Architektur der Bewegung, aber für die Revolution, nicht für den Nationalismus.

Das Erbe: Von schrägen Anzügen bis zur Campari-Flasche

Die futuristischen Ideen waren viel zu kraftvoll, um nur in Museen zu landen. Sie sickerten in unseren Alltag ein, vor allem in die Mode und das Design.

Schon früh entwarfen Künstler asymmetrische, bunte Kleidung, die schockieren und die Dynamik des Trägers unterstreichen sollte. Jahrzehnte später, im Weltraumzeitalter, lebte diese Idee wieder auf: Designer nutzten plötzlich PVC, Metall und Kunststoffe für ihre geometrischen, oft silbernen oder weißen Entwürfe. Dieser „Space-Age-Look“ ist ein direkter Nachfahre der futuristischen Liebe zu neuen Materialien und Technologien.

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Und im Grafikdesign? Revolutionär! Die Gestalter befreiten die Buchstaben aus ihrem starren Korsett. Wörter wurden plötzlich diagonal gedruckt, in verschiedenen Größen gemischt und mit Symbolen kombiniert. Der Text wurde zum Bild. Übrigens, ein perfektes und weltberühmtes Beispiel für futuristisches Produktdesign ist die kleine, kegelförmige Flasche eines bekannten italienischen Aperitifs. Sie wurde von einem futuristischen Künstler entworfen – einfach, dynamisch, unverkennbar und bis heute im Supermarktregal zu finden.

Dein Fazit: Was nehmen wir heute daraus mit?

Bei aller Faszination für die Ästhetik dürfen wir die dunkle Seite des Futurismus – seine Verherrlichung von Gewalt – nie vergessen. Das ist vielleicht die wichtigste Lektion. Radikale Ideen, die alles Alte zerstören wollen, können schnell gefährlich werden.

Trotzdem ist das positive Erbe riesig. Der Futurismus hat uns gezeigt, wie man Bewegung und Zeit in der Kunst darstellen kann und hat die Tür für viele spätere Kunstformen aufgestoßen. Und jetzt kommst du ins Spiel!

Geh doch mal auf eine kleine „Futurismus-Safari“ in deiner Stadt. Worauf du achten kannst:

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  • Verkehr auf mehreren Ebenen: Siehst du Fußgängerbrücken, die über befahrene Straßen führen? Oder Bahngleise, die über oder unter Wegen verlaufen?
  • Sichtbare Technik: Gibt es Gebäude mit Außenaufzügen, riesigen Lüftungsrohren oder sichtbaren Stahlträgern, die Teil des Designs sind?
  • Dynamische Linien: Achte mal auf moderne Architektur. Findest du schräge Linien, spitze Winkel oder Fassaden, die wie in Bewegung wirken?

Gut zu wissen: Wo kannst du mehr entdecken? Wenn du mal in Mailand oder London bist, gibt es fantastische Museen, die sich speziell dieser Epoche widmen. Aber auch online wirst du fündig: Plattformen wie Google Arts & Culture haben riesige Sammlungen digitalisiert. Und auf YouTube findest du mit den richtigen Suchbegriffen tolle Dokus. Für den Einstieg reicht oft schon ein guter Bildband, den du im Buchhandel oder online für etwa 25 bis 40 Euro bekommst.

Wenn du das nächste Mal also im Trubel der Stadt stehst, halte kurz inne. Das Rauschen, die Hektik, die Bewegung… all das ist der Klang, den die Futuristen vor über 100 Jahren in Kunst verwandeln wollten. Und vielleicht siehst du deine Umgebung danach mit ganz neuen Augen.

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Und jetzt du: Welche futuristischen Elemente hast du schon in deiner Stadt entdeckt? Schreib es mir in die Kommentare!

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„Wir erklären, dass sich die Herrlichkeit der Welt um eine neue Schönheit bereichert hat: die Schönheit der Geschwindigkeit.“ – Filippo Tommaso Marinetti, Futuristisches Manifest, 1909.

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Wie hole ich mir den futuristischen Vibe nach Hause, ohne gleich im Raumschiff zu wohnen?

Ganz einfach: Setzen Sie auf Dynamik und Kontraste. Kombinieren Sie glatte, kühle Oberflächen wie Chrom oder polierten Edelstahl mit kräftigen, primären Farben. Denken Sie an die fließenden Formen der verstorbenen Star-Architektin Zaha Hadid oder an die kühnen Kunststoffmöbel von Kartell. Ein einzelnes, skulpturales Stück wie der „Masters“ Stuhl von Philippe Starck kann schon ausreichen, um eine klare Anspielung auf Bewegung und technologische Innovation zu setzen, ohne den ganzen Raum zu dominieren.

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  • Polierter Beton: Schafft eine rohe, industrielle Basis, die an die urbanen Landschaften der „Città Nuova“ erinnert.
  • Chrom & Edelstahl: Ihre spiegelnden Oberflächen fangen Licht und Bewegung ein und zitieren die Ästhetik glänzender Maschinen.
  • Acryl & Polycarbonat: Transparente Kunststoffe wirken leicht, modern und technologisch fortschrittlich.
  • Kohlefaser (Carbon): Ein Material aus dem Rennsport und der Luftfahrt – die ultimative Verkörperung von Leichtigkeit und Hochleistung.
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Wichtiger Unterschied: Nicht alles, was „futuristisch“ aussieht, ist Futurismus. Die historische Kunstbewegung war tief mit einer aggressiven, oft nationalistischen Ideologie verbunden, die das Alte zerstören wollte. Was wir heute oft als „futuristisches Design“ bezeichnen – etwa die klaren Linien eines Tesla Cybertruck oder die Ästhetik von Sci-Fi-Filmen – ist meist eine rein ästhetische Anleihe. Es greift die Faszination für Technologie auf, aber ohne den radikalen gesellschaftspolitischen Zerstörungswillen des ursprünglichen Manifests.

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Der Futurist Luigi Russolo schrieb 1913 in seinem Manifest „Die Kunst der Geräusche“, das musikalische Klangspektrum müsse um die Geräusche der modernen Stadt erweitert werden.

Für ihn war das Quietschen von Bremsen, das Dröhnen von Motoren und das Rattern von Maschinen die wahre Symphonie des 20. Jahrhunderts. Er baute sogar eigene Instrumente, die „Intonarumori“ (Geräuscherzeuger), um diese Klänge auf die Bühne zu bringen – ein Vorläufer der experimentellen und elektronischen Musik.

Klassischer Futurismus: Die Entwürfe von Antonio Sant’Elia für seine „Città Nuova“ (Neue Stadt) waren visionär, aber oft brutal und monumental. Sie zeigten terrassierte Wolkenkratzer und externe Aufzüge – eine rohe Feier der Maschine.

Neo-Futurismus heute: Architekten wie Santiago Calatrava greifen die Idee der Bewegung auf, interpretieren sie aber organischer. Statt rohem Beton dominieren Glas und Stahl, die Leichtigkeit und eine fast biologische Dynamik erzeugen.

Der Fokus hat sich von der reinen Maschinenästhetik hin zu einer von Natur und Technologie inspirierten Formensprache verschoben.