Kunst, die zerfallen will: Mein Werkstatt-Plausch über Dada, Klebstoff und die Tücken der Zeit

von Augustine Schneider
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In meiner Werkstatt habe ich schon einiges gesehen. Altes Holz, das Geschichten atmet, Farben, die über Generationen leuchten, und meisterhafte Holzverbindungen, die ewig halten sollen. Doch ehrlich gesagt, nichts bringt mich so ins Grübeln wie ein Werk aus der Dada-Zeit. Man nimmt so eine Collage oder ein Objekt in die Hand und spürt sofort diesen Widerspruch. Es ist Kunst, die eigentlich gar keine Kunst sein wollte, oft aus den billigsten Wegwerfprodukten ihrer Zeit zusammengeflickt. Und heute? Heute geben wir ein kleines Vermögen aus, um genau diesen gewollten Verfall aufzuhalten. Das ist die große Ironie, mit der ich als Restauratorin jeden Tag lebe.

Viele denken bei Dada nur an Unsinn und Provokation. Und ja, das war es auch, aber das ist nur die halbe Miete. Um diese Bewegung wirklich zu kapieren, muss man auf das Material schauen, auf die rohen, oft revolutionären Techniken. Diese Kunst entstand ja nicht im luftleeren Raum. Sie war eine direkte, laute Antwort auf den gesellschaftlichen Wahnsinn nach einer großen europäischen Katastrophe. Eine ganze Generation sah, wie Vernunft und Kultur zerbrachen. Ihre Antwort? Die Kunst selbst in ihre Einzelteile zerlegen und aus den Bruchstücken etwas Neues schaffen. Etwas Ehrliches, Rohes, manchmal Hässliches. Kommt mit, ich nehme euch mit in meine Werkstatt und zeige euch die handwerkliche Seite von Dada. Und warum ein einfaches Stück Zeitungspapier eine ganze Philosophie transportieren kann.

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Das tickende Zeitbomben-Material: Warum Dada-Werke so aggressiv altern

Ein typisches Dada-Werk altert nicht wie ein altes Ölgemälde, das in Würde knackt und dunkler wird. Nein, es zerfällt oft auf eine fast geplante, aggressive Weise. Und der Grund dafür ist ganz einfach: die Materialwahl. Die Künstler griffen bewusst zu dem, was neu, billig und vergänglich war. Eine klare Absage an die edlen, für die Ewigkeit geschaffenen Materialien der traditionellen Kunst.

Das Drama mit Papier und Klebstoff

Der häufigste Werkstoff ist, wer hätte es gedacht, Papier. Zeitungspapier, Plakate, Illustrierte, Eintrittskarten. Aus heutiger Sicht ein Albtraum. Das Papier aus der Frühzeit der Moderne wurde meist aus Holzschliff hergestellt und enthält viel Lignin. Lignin ist im Grunde der Stoff, der Holz stabil macht, aber unter Lichteinfluss zerfällt er und bildet Säure. Und diese Säure zerfrisst die Papierfasern von innen. Das Ergebnis kennen wir alle von Omas Dachboden: Das Papier wird gelb, dann braun und schließlich so brüchig, dass es bei der kleinsten Berührung zu Staub zerfällt.

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Probier’s doch mal selbst aus: Nimm eine alte Tageszeitung, die schon ein paar Jahre alt ist, und ein aktuelles Hochglanz-Magazin. Fühl den Unterschied! Das eine ist brüchig und riecht leicht säuerlich, das andere glatt und stabil. Genau dieser Lignin-Zerfall ist mein täglicher Gegner!

Und dann kommt der Klebstoff. Die Künstler nutzten, was da war: einfacher Mehlkleister, tierische Leime, manchmal frühe Gummilösungen. Diese Kleber werden mit der Zeit ebenfalls sauer, verlieren ihre Kraft, verfärben sich und schlagen als hässliche Flecken durch das Papier. Ich erinnere mich an eine berühmte Collage aus der Berliner Szene. Der Klebstoff war so hinüber, dass die ausgeschnittenen Bildteile nur noch lose auf dem Trägerkarton lagen. Unsere Aufgabe war es, jedes winzige Schnipsel zu sichern und mit einem modernen, alterungsbeständigen und – ganz wichtig – reversiblen Klebstoff neu zu befestigen. Eine wochenlange Millimeterarbeit, die höchste Konzentration erforderte.

Tinte, Farbe und die Chemie des Zufalls

Auch die Farben sind eine Herausforderung. Oft wurde direkt auf die Werke geschrieben, meist mit Eisengallustinte, dem Standard in jedem damaligen Büro. Diese Tinte ist extrem säurehaltig und frisst sich regelrecht durchs Papier. Wir nennen das Tintenfraß. Man sieht eine schwarze Linie, aber darunter ist das Papier quasi schon weggeätzt. Solche Stellen müssen wir chemisch neutralisieren, ein heikler Prozess, der viel Erfahrung braucht.

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Die Farben waren oft keine teuren Künstlerfarben, sondern einfache Lacke, Druckfarben oder Schul-Aquarellfarben. Deren Pigmente sind oft nicht lichtecht. Ein leuchtendes Rot von damals ist heute vielleicht nur noch ein müdes Rosa. Das führt uns Restauratoren immer wieder zu einer ethischen Debatte mit den Kuratoren: Akzeptieren wir den jetzigen Zustand als Teil der Geschichte oder versuchen wir, die ursprüngliche Farbigkeit digital zu rekonstruieren? Die Richtlinien sind da zum Glück klar: Der Erhalt der Originalsubstanz hat immer Vorrang.

Die Werkzeuge der Anti-Kunst: Techniken aus der Meisterwerkstatt

Dada war nicht nur eine Idee, sondern auch ein Set handwerklicher Techniken. Einige davon gab es schon vorher, aber die Dadaisten gaben ihnen eine neue, radikale Bedeutung und machten die Technik selbst zum Thema.

  • Die Collage: Das ist wohl die bekannteste Technik. Bilder und Texte aus verschiedenen Quellen ausschneiden und neu zusammenkleben. Klingt simpel, ist es aber nicht. Die Künstler nutzten oft scharfe Skalpelle oder Rasierklingen für harte, präzise Schnitte. Sie wollten die Brüche sichtbar machen, nicht weich überblenden. Wenn ich so eine Collage untersuche, verraten mir die Schnittkanten und Papiersorten unglaublich viel über die Arbeitsweise und Herkunft.
  • Die Fotomontage: In Berlin wurde die Collage zur politischen Waffe weiterentwickelt. Hier wurden ausschließlich Fotos aus Zeitungen und Magazinen genutzt, um scharfe Kommentare zur damaligen politischen Lage abzugeben. Diese Werke waren oft gar nicht für Museen gedacht, sondern für den Druck in Zeitungen. Das Medium war die Botschaft. Die Originale, die sogenannten Klebeoriginale, sind extrem selten und zeigen den ganzen Arbeitsprozess – Klebespuren, Notizen, Retuschen. Ein echtes Fenster in die Werkstatt des Künstlers.
  • Die Assemblage: Einige Künstler gingen noch einen Schritt weiter und sammelten nicht nur Papier, sondern einfach alles: Holzstücke, rostige Nägel, Stoffreste, kaputte Maschinenteile. Daraus entstanden dreidimensionale Collagen. Für mich als Restauratorin ist das eine statische Herausforderung. Wie ist das alles verbunden? Mit Leim, Nägeln, Draht? Nach fast einem Jahrhundert sind diese Verbindungen oft instabil. Manchmal muss ich ein Objekt komplett demontieren, sichern und wieder zusammensetzen. Die Kunst dabei? Der rostige Nagel muss ein rostiger Nagel bleiben. Jede Reinigung würde die Aussage verfälschen.
  • Das Ready-Made: Die radikalste Idee. Man nimmt einen Alltagsgegenstand – ein Flaschenregal, ein Pissoir –, stellt ihn in eine Ausstellung und erklärt ihn zur Kunst. Hier liegt die Kunst allein in der Idee. Das stellt uns vor philosophische Probleme. Was restaurieren wir, wenn das Original verloren ist und es nur autorisierte Repliken gibt? Die Materie oder die Idee? Hier ist die Dokumentation der Geschichte eines Objekts oft wichtiger als sein materieller Zustand.
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Ein kurzer Reiseführer: Die vielen Dialekte des Dada

Dada war keine starre Bewegung, sondern hatte je nach Stadt einen ganz eigenen Charakter. Man muss diese lokalen Unterschiede kennen, um ein Werk richtig einordnen zu können.

In Zürich, dem Geburtsort, war die Bewegung eher poetisch, abstrakt und performativ. Hier experimentierte man mit Lautgedichten oder ließ zerrissene Papierschnipsel zufällig auf einen Bogen fallen, um sie dann festzukleben. Diese „Zufallscollagen“ sind oft unglaublich fragil, die Klebung ist sparsam, alles wirkt schwebend.

Ganz anders in Berlin: Der Ton war aggressiv, laut und hochpolitisch. Man wollte die Gesellschaft wachrütteln. Die Fotomontage war die Hauptwaffe. Die Materialien waren rau, oft direkt von der Straße, auf billige Pappe geklebt. Ausdruck war alles, Haltbarkeit war egal.

Und dann gab es noch die Gruppen in Köln und Hannover. Deren Ansatz war oft träumerischer und ironischer, er legte den Grundstein für den Surrealismus. Man experimentierte mit Durchreibetechniken (Frottage), um zufällige Muster von Holzböden oder anderen Oberflächen zu erzeugen. In Hannover ging ein Künstler sogar so weit, sein ganzes Atelier über Jahre hinweg in ein riesiges, begehbares 3D-Kunstwerk zu verwandeln. Eine raumgreifende Assemblage, die leider durch Kriegseinwirkungen zerstört wurde – das zeigt die extreme Verletzlichkeit dieser Kunstform.

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Praktische Tipps für Sammler: So schützt du deine Papierschätze

Vielleicht hast du ja selbst eine alte Grafik oder eine kleine Collage zu Hause gefunden oder überlegst, so etwas zu kaufen. Ich kann dir keine Anleitung zur Selbstreparatur geben – das wäre grob fahrlässig. Aber ich kann dir die wichtigsten Regeln für den richtigen Umgang mit auf den Weg geben.

Das Notfall-Set für Dachboden-Funde

Das Wichtigste zuerst. Um 90 % der Schäden von vornherein zu vermeiden, brauchst du ein kleines Erste-Hilfe-Kit. Das kostet nicht die Welt und ist die beste Versicherung für deine Schätze.

  • Baumwollhandschuhe: ca. 5 €. Immer tragen, denn Hautfett ist Gift für altes Papier.
  • Säurefreie Archivmappe oder -box: je nach Größe ca. 15-40 €. Lagere die Werke darin immer liegend.
  • Säurefreies Seidenpapier: ca. 10 € pro Bogenrolle. Zum Dazwischenlegen, wenn du mehrere Blätter in einer Mappe hast.

Gut zu wissen: Dieses Material findest du im professionellen Künstlerbedarf wie Boesner oder Gerstaecker, oder du suchst online nach „Archivbedarf“.

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Der Feind an der Wand: Die richtige Rahmung

Wenn du ein Werk aufhängen willst, ist eine professionelle, konservatorische Rahmung das A und O. Und nein, das ist nicht der normale Bilderrahmen aus dem Möbelhaus.

Nur mal zum Vergleich: Ein Standard-Rahmen für ein A4-Blatt kostet dich vielleicht 20 Euro. Eine fachgerechte konservatorische Rahmung mit säurefreiem Passepartout und echtem UV-Schutz-Museumsglas startet für dieselbe Größe oft erst bei 150-300 Euro. Klingt viel, aber das ist die Lebensversicherung für dein Kunstwerk. Das Glas allein blockt über 98 % der schädlichen UV-Strahlung und ist entspiegelt.

Achtung! Das Kunstwerk darf das Glas niemals direkt berühren. Dafür sorgt das Passepartout. Direkter Kontakt kann zu Kondenswasser und Schimmel führen.

Die 3 Todsünden bei altem Papier: Was du NIEMALS tun solltest

Bitte, bitte, bitte vermeide diese typischen Fehler, die ich fast täglich in meiner Werkstatt sehe und die oft irreparable Schäden verursachen:

  1. Tesafilm oder Haushaltskleber benutzen: Das ist die schlimmste Sünde. Der Kleber wird über die Jahre zu einer braunen, klebrigen, säurehaltigen Masse, die sich tief ins Papier frisst und kaum zu entfernen ist.
  2. In die direkte Sonne hängen: UV-Licht ist der Turbo-Bleicher für Farben und zerstört die Papierstruktur. Ein paar Monate im Sonnenlicht können Jahrzehnte der Alterung bedeuten.
  3. Im Keller oder auf dem Dachboden lagern: Der Keller ist meist zu feucht (Schimmel-Party!) und auf dem Dachboden herrschen extreme Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen. Ideal ist ein stabiles Wohnraumklima.
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Wann du einen Profi rufen musst

Zögere nicht, einen ausgebildeten Papierrestaurator zu kontaktieren, wenn du Risse, braune Flecken (Foxing), starke Wellen, abplatzende Farbe oder gar Schimmel (kleine schwarze Punkte, modriger Geruch) bemerkst. Aber wie findet man so jemanden? Eine super Anlaufstelle ist der Verband der Restauratoren (VDR). Auf deren Webseite kann man in einer Datenbank gezielt nach Spezialisten für „Grafik, Archiv- und Bibliotheksgut“ in der eigenen Nähe suchen.

Verantwortung, Fälschungen und das oberste Gebot

Die Arbeit mit historischer Kunst bringt eine riesige Verantwortung mit sich. Klar, wo Geld im Spiel ist, sind Fälscher nicht weit. Gerade Dada-Werke sind wegen ihrer scheinbar einfachen Machart ein beliebtes Ziel. Eine lückenlose Herkunftsgeschichte (Provenienz) ist Gold wert. Wir im Labor können Fälschungen oft am Material entlarven – modernes, säurefreies Papier leuchtet unter UV-Licht ganz anders als altes, oder es wurde ein moderner Klebstoff verwendet.

Mein oberstes Gebot als Restauratorin ist aber immer: Erhalten, nicht verändern. Mein Ziel ist es, den Alterungsprozess zu verlangsamen und die originale Substanz zu sichern. Ich hatte mal einen Druck aus der Berliner Szene auf dem Tisch, der kam mit einem riesigen Wasserfleck und deutlichen Stockflecken rein. Nach wochenlanger, filigraner Arbeit, bei der wir den Schimmelbefall gestoppt und die Säure im Papier gepuffert haben, war der Fleck zwar nicht weg – das wäre ein unethischer, wertmindernder Eingriff gewesen –, aber er war stark reduziert und, viel wichtiger, das Papier war wieder stabil. Das Werk war gerettet, ohne seine Geschichte zu verleugnen.

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Jede Maßnahme muss reversibel sein, damit zukünftige Restauratoren mit besseren Methoden meine Arbeit wieder rückgängig machen können. Wir sind Diener des Kunstwerks, nicht seine neuen Schöpfer. Und genau dieser ständige Balanceakt zwischen dem Respekt vor der Vergänglichkeit und dem Auftrag, das materielle Zeugnis für die Zukunft zu bewahren, macht meine Arbeit jeden Tag aufs Neue so unglaublich spannend.

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Sollte man Kunst „retten“, die gar nicht überleben wollte?

Diese Frage spaltet die Restauratorenwelt. Die eine Schule sagt: Der Wille des Künstlers ist heilig. Wenn ein Werk aus Protest gegen die Ewigkeit aus vergänglichen Materialien geschaffen wurde, ist unser Eingreifen ein Verrat an der ursprünglichen Idee. Die andere Seite argumentiert, dass ein Werk wie Hannah Höchs „Schnitt mit dem Küchenmesser“ zu einem unersetzlichen Zeitdokument geworden ist. Seine Zerstörung wäre ein kultureller Verlust, der weit über die ursprüngliche Intention hinausgeht. Die moderne Konservierung versucht oft den Mittelweg: Stabilisieren, nicht erneuern. Den Verfall verlangsamen, aber die Spuren der Zeit als Teil des Werks akzeptieren.

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„Das Paradoxe ist: Viele Dada-Collagen wurden mit Knochenleim oder Fischleim geklebt – organische Klebstoffe, die mit der Zeit ihre eigene Zerstörungsarbeit leisten.“

Diese alten Leime, die damals billig und überall verfügbar waren, werden mit den Jahrzehnten extrem spröde und dunkel. Sie ziehen sich zusammen und können das fragile Papier buchstäblich zerreißen. Zudem vergilben sie stark und können hässliche Flecken auf den Kunstwerken hinterlassen. Für Restauratoren ist das Entfernen dieser alten Klebstoffschichten eine der heikelsten Aufgaben, die oft mit speziellen Gelen und viel Fingerspitzengefühl erledigt werden muss.

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Die Waffe gegen den Säurefraß: Ein zentrales Problem ist die Säure im Papier, die es von innen zersetzt. Moderne Restauratoren greifen hier zu einer sanften, aber effektiven Methode.

  • Papier-Bad: Das Kunstwerk wird in wässrigen Lösungen mit einem Puffer wie Calciumhydrogencarbonat gebadet. Dieser Prozess neutralisiert die vorhandene Säure.
  • Die Rückseiten-Stärkung: Oft wird die Rückseite mit hauchdünnem, aber extrem stabilem Japanpapier (Washi) und einem reversiblen Klebstoff wie Weizenstärkekleister verstärkt.

Das Ziel? Den Zerfall zu stoppen, ohne den sichtbaren Charakter des Originals zu verändern.

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Wichtiger Unterschied: Die Konservierung eines Dada-Objekts ist nicht dasselbe wie die Restaurierung eines alten Meisters. Bei einem Ölgemälde geht es oft darum, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen – Risse zu kitten, Farben aufzufrischen. Bei Dada ist das Ziel oft genau das Gegenteil: Den Zustand des Zerfalls zu erhalten. Ein Riss, ein Kaffeefleck oder eine vergilbte Kante sind hier keine Schäden, sondern Teil der Geschichte und der Ästhetik des Werks. Es ist ein Einfrieren der Zeit, kein Zurückdrehen der Uhr.

dadaismus salvator dali die beständigkeit der zeit

Ein Blick auf die berühmte „Merzbau“ von Kurt Schwitters zeigt das Dilemma perfekt. Es war keine statische Skulptur, sondern eine wuchernde Raum-Collage, die der Künstler über Jahre hinweg in seinem eigenen Haus in Hannover baute. Er fügte ständig neue Fundstücke hinzu, übermalte alte Teile – das Werk war ein lebender, sich verändernder Prozess. Nach seiner Zerstörung im Krieg wurden Rekonstruktionen angefertigt. Doch sie können nur einen einzigen Zustand dieser permanenten Metamorphose festhalten und verlieren damit das Wesentliche: die Zeit und die Veränderung als eigentliches Material des Kunstwerks.

Alte Fotografie vs. Zeitungspapier: Selbst innerhalb einer einzigen Collage von Max Ernst oder Raoul Hausmann gibt es eine Hierarchie des Verfalls. Fotografien aus den 1920er Jahren, oft auf Barytpapier, sind chemisch relativ stabil. Das Zeitungspapier daneben ist eine tickende Zeitbombe. Der Restaurator muss also Materialien behandeln, die völlig unterschiedlich altern und andere Bedürfnisse haben, obwohl sie nur Millimeter voneinander entfernt auf demselben Träger kleben.

Augustine Schneider

Augustine ist eine offene und wissenshungrige Person, die ständig nach neuen Herausforderungen sucht. Sie hat ihren ersten Studienabschluss in Journalistik an der Uni Berlin erfolgreich absolviert. Ihr Interesse und Leidenschaft für digitale Medien und Kommunikation haben sie motiviert und sie hat ihr Masterstudium im Bereich Media, Interkulturelle Kommunikation und Journalistik wieder an der Freien Universität Berlin abgeschlossen. Ihre Praktika in London und Brighton haben ihren beruflichen Werdegang sowie ihre Weltanschauung noch mehr bereichert und erweitert. Die nachfolgenden Jahre hat sie sich dem kreativen Schreiben als freiberufliche Online-Autorin sowie der Arbeit als PR-Referentin gewidmet. Zum Glück hat sie den Weg zu unserer Freshideen-Redation gefunden und ist zurzeit ein wertvolles Mitglied in unserem motivierten Team. Ihre Freizeit verbringt sie gerne auf Reisen oder beim Wandern in den Bergen. Ihre kreative Seele schöpft dadurch immer wieder neue Inspiration und findet die nötige Portion innerer Ruhe und Freiheit.