Sichtbeton, Zink & Holz: So baust du mit ehrlichen Materialien – Ein Blick hinter die Kulissen
Ich schaue mir beruflich ja ständig Bauprojekte an, nicht nur die riesigen Prestigebauten, sondern gerade die cleveren, durchdachten Wohnhäuser. In meiner Werkstatt und auf Baustellen habe ich eins gelernt: Die besten Ideen stecken oft im Detail und in ehrlichen Materialien. Kürzlich bin ich über die Bilder eines Stadthauses gestolpert, das mich sofort gepackt hat. Nicht weil es laut schreit, sondern weil es eine Sprache spricht, die jeder gute Handwerker versteht. Es geht um saubere Arbeit und Materialien, die zeigen, was sie sind.
Inhaltsverzeichnis
So ein Gebäude ist für mich mehr als nur eine schicke Hülle. Es ist ein echtes Lehrstück, das zeigt, wie man modern bauen kann, ohne die Wurzeln zu kappen. Als jemand, der seit über zwei Jahrzehnten mit Beton, Stahl und Holz hantiert, sehe ich da natürlich mehr als nur die fertige Oberfläche. Ich sehe die Schalung, die dafür nötig war. Ich sehe die kniffligen Anschlüsse zwischen den Materialien und kann mir gut vorstellen, welche Herausforderungen das Team vor Ort meistern musste.

Genau das will ich hier mit euch machen. Wir schauen uns das Ding nicht nur an, wir zerlegen es gedanklich, Schicht für Schicht. Von der Fassade über den Rohbau bis zum letzten Detail im Inneren. Das hier ist keine hochtrabende Architekturkritik, sondern eine Analyse aus der Praxis für die Praxis. Perfekt für Bauherren, die Inspiration suchen, und für Kollegen, die ihre Arbeit lieben.
Die Fassade: Ein Gespräch zwischen Zink, Beton und Holz
Die Fassade ist das Gesicht eines Hauses, hier zeigt es seinen Charakter. Bei diesem Projekt ist es ein mutiges Zusammenspiel von Zink, Sichtbeton und Holz. Ehrlich gesagt, eine Kombination, die Können erfordert, denn jedes Material altert anders. Die Kunst ist, sie so zu verbinden, dass es auch nach Jahren noch top aussieht und vor allem dicht bleibt.
Stehfalz-Zinkblech: Mehr als nur eine schicke Hülle
Obenrum ist das Gebäude mit Zinkblech in Stehfalztechnik verkleidet. Das ist eine traditionelle und extrem langlebige Methode, die wir im Handwerk hoch schätzen. Der „Stehfalz“ beschreibt, wie die Blechbahnen verbunden werden: Die Kanten werden zweimal umgelegt, was eine dichte, aber flexible Naht ergibt. Das ist super wichtig, weil Metall bei Wärme und Kälte arbeitet. Eine starr verschraubte Platte würde sich wellen oder reißen, der Falz gibt dem Material den nötigen Spielraum.

Das A und O bei so einer Fassade ist die Hinterlüftung. Zwischen Zink und Hauswand muss Luft zirkulieren können. Wir Profis nennen das eine vorgehängte hinterlüftete Fassade (VHF), die sogar in einer DIN-Norm geregelt ist. Dieser Luftspalt trocknet Feuchtigkeit, die eventuell dahinter gelangt. Ohne ihn würde die Holz-Unterkonstruktion modern und die Dämmung nass. Ein Schaden, der richtig ins Geld geht.
Aber was kostet der Spaß? Nur damit ihr eine Vorstellung habt: Rechnet für eine hochwertige Stehfalz-Fassade aus Zink mit etwa 150 bis 250 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Ein guter Außenputz liegt eher bei 80 bis 120 Euro. Der Mehrpreis zahlt sich aber aus, denn Zink entwickelt mit der Zeit eine wunderschöne, mattgraue Patina, die das Metall schützt. Das heißt: nie wieder streichen! Das spart auf lange Sicht bares Geld und Arbeit.
Sichtbeton im Erdgeschoss: Die ehrliche Haut
Das Erdgeschoss ist aus rohem Sichtbeton. Das ist Bauen ohne doppelten Boden. Beton versteckt nichts – jede Pore, jede Kante erzählt, wie er entstanden ist. Für mich als Betonbauer ist das die Königsdisziplin, denn Sichtbeton verzeiht absolut keine Fehler. Die Qualität hängt zu 100 % von der Schalung ab.

Für eine so glatte Oberfläche braucht man eine erstklassige Schalhaut, also spezielle Platten auf der Innenseite der Gussform. Die müssen blitzsauber, eben und dicht sein. Jede kleine Lücke siehst du später als hässlichen Grat im Beton. Auch das Trennmittel muss hauchdünn und gleichmäßig aufgetragen werden. Zu viel gibt Flecken, zu wenig, und du kriegst die Schalung kaum noch ab.
Gut zu wissen: Wir unterscheiden in Deutschland verschiedene Sichtbetonklassen. Was wir hier sehen, würde ich als eine sehr gute SB3 einstufen. Die Flächen sind gleichmäßig, kaum Poren, scharfe Kanten. Das kostet aber auch. Während eine Standard-Betonwand (SB1, Kelleroptik) noch halbwegs bezahlbar ist, müsst ihr für eine perfekte Oberfläche wie hier locker mit dem Dreifachen des Preises rechnen. Das ist dann kein Bauteil mehr, sondern ein Designelement.
Kleiner Tipp für den Innenbereich: Lasst Sichtbeton, der im Alltag was aushalten muss (wie eine Küchenarbeitsplatte oder der Boden), unbedingt mit einer transparenten Epoxidharz- oder Polyurethan-Versiegelung behandeln. Sonst ist der erste umgekippte Rotwein eine Katastrophe für die Ewigkeit.

Holzverkleidung und Fensterkästen: Warme Akzente
Um die Strenge von Beton und Zink aufzulockern, kommt Holz als drittes Element ins Spiel. Es umrahmt Teile des Erdgeschosses und bildet tiefe Laibungen um die Fenster. Das ist nicht nur schön, sondern auch verdammt schlau. Die tiefen Fenster wirken wie Mini-Vordächer und halten im Sommer die hochstehende Sonne ab – die Räume heizen sich weniger auf. Im Winter, wenn die Sonne tief steht, fällt das Licht trotzdem tief in die Wohnung und wärmt sie. Passiver Sonnenschutz in Reinform!
Bei der Holzwahl muss man aufpassen. In einem rauen Stadtklima braucht es was Robustes wie Zeder, Lärche oder ein thermisch behandeltes Holz. Aber eins ist klar: Holz braucht Zuwendung. Je nach Holzart und Wetterseite müsst ihr damit rechnen, die Fassade alle 3-5 Jahre zu kontrollieren und nachzuölen. Nehmt dafür ein gutes Produkt, z.B. von Osmo oder Saicos. Und bitte lasst die Finger von billigen Dünnschichtlasuren aus dem Baumarkt, die blättern euch nach zwei Wintern ab.

Die Montage der Holzpaneele? Das könnten sehr geübte Heimwerker vielleicht noch hinbekommen. Aber die Anschlüsse an Zink und Beton? Finger weg! Das ist absolute Profi-Sache. Ein Fehler hier, und ihr habt Wasser in der Dämmung.
Der Rohbau: Wenn Beton zum Möbelstück wird
Normalerweise versteckt man den Rohbau hinter Gipskarton und Farbe. Hier nicht. Hier ist er Teil des Konzepts. Die Decken und einige Wände im Inneren sind ebenfalls aus Sichtbeton. Das schafft eine faszinierende Verbindung von außen nach innen und gibt den Räumen eine ruhige, fast meditative Atmosphäre.
Die Herausforderung der Betondecken
Eine Sichtbetondecke ist technisch extrem anspruchsvoll. Alle Leitungen für Strom, Lüftung, einfach alles, muss vor dem Gießen millimetergenau platziert sein. Nachträglich einen Schlitz fräsen? Vergiss es. Das zerstört die Optik komplett. Das erfordert eine unfassbar gute Planung zwischen allen Gewerken.
Mein ganz persönlicher Profi-Tipp: Bevor ihr eine Sichtbetondecke gießen lasst, klebt den Elektroplan in Originalgröße auf die Schalungsplatten. So kann jeder vor Ort mit dem Finger draufzeigen und prüfen, wo die Auslässe hinkommen. Das hat uns bei einem Projekt mal vor einem Fehler bewahrt, der uns locker 20.000 Euro gekostet hätte!

Die Statik hinter der Ästhetik
Die weiten, offenen Räume sind nur möglich, weil Beton enorme Lasten tragen kann. Der heimliche Held ist hier aber immer der Statiker. Er berechnet, wie dick die Decke sein muss und wie viel Stahlbewehrung rein muss. Dieser Stahl ist das Skelett im Beton, das ihm seine Zugfestigkeit gibt. Die Kombination, der Stahlbeton, ist das, was modernes Bauen überhaupt erst ermöglicht.
Der Innenausbau: Ein Spiel der Gegensätze
Innen geht das Konzept der Kontraste weiter. Raue, ehrliche Materialien treffen auf feine Oberflächen. Das macht die Wohnungen lebendig und individuell.
Böden aus Walnussholz
Am Boden liegt ein dunkles Walnussholzparkett. Eine super Wahl. Nussbaum ist edel, hart und hat eine wunderschöne, lebendige Maserung. Es ist der perfekte warme Gegenpol zum kühlen Beton an der Decke. Bei einer Fußbodenheizung, heute ja fast Standard, würde ich immer dazu raten, das Parkett vollflächig zu verkleben. So wird die Wärme direkt übertragen. Bei einer schwimmenden Verlegung hast du immer eine winzige Luftschicht, die isoliert und die Effizienz schmälert. Außerdem fühlt sich ein verklebter Boden einfach satter an und klappert nicht so hohl.

Küche und Treppe: Stahl, Lack und Handwerkskunst
In der Küche wird dieser Kontrast auf die Spitze getrieben: glatt lackierte Schränke treffen auf rohen, geschwärzten Stahl. Das ist wieder dieser Mix aus edel und industriell. Geschwärzter Stahl wird oft durch Brünieren erzeugt, eine chemische Behandlung, die eine schützende schwarze Oxidschicht bildet. Das ist kein Lack und fühlt sich viel authentischer an.
Die Treppe ist nicht nur eine Treppe, sie ist ein Möbelstück. Offen gestaltet, lässt sie Licht durch den Raum fluten. Aus unserer deutschen Perspektive, wo die Bauordnungen bei Treppen extrem streng sind, muss man aber sagen: Eine Treppe ohne durchgehenden Handlauf und mit offenen Stufen wäre bei uns in einem Wohnhaus oft nicht genehmigungsfähig. Hier gelten offensichtlich andere Vorschriften. Das ist keine Kritik, nur eine wichtige Feststellung für jeden, der sich hier inspirieren lässt.
Energie und Nachhaltigkeit: Was unter der Oberfläche steckt
Das Gebäude soll extrem energieeffizient sein. Erreicht wird das durch eine Summe von Maßnahmen, die man als „effektive Gebäudehülle“ bezeichnet. Das bedeutet vor allem zwei Dinge: eine exzellente Dämmung, die im Winter die Wärme drin und im Sommer draußen hält, und eine absolute Luftdichtheit.

Die Dichtheit prüfen wir in Deutschland mit dem sogenannten Blower-Door-Test. Nur wenn das Haus dicht ist, spart man Heizenergie und eine eventuelle Lüftungsanlage kann effizient arbeiten. Und ja, die dreifach verglasten Fenster und die tiefen Fensterlaibungen für den passiven Sonnenschutz tragen natürlich auch einen riesigen Teil dazu bei.
Aber bei aller Effizienz, seien wir ehrlich: Das Wort „nachhaltig“ wird heute schnell benutzt. Wir müssen auch die „graue Energie“ betrachten – also die Energie, die für Herstellung und Transport der Materialien verbraucht wird. Und da hat Beton, so toll er aussieht, eine miese Bilanz. Die Zementproduktion ist ein echter CO2-Brocken. Holz ist da als CO2-Speicher klar im Vorteil. Das Projekt ist also sehr effizient im Betrieb, aber in der Erstellung war es durch den hohen Betonanteil eher energieintensiv. Das ist der Kompromiss, den die Planer hier für ihre Vision eingegangen sind.
Was wir daraus lernen können
Was können wir also aus diesem Projekt für unsere eigenen Pläne mitnehmen?

- Mut zur Materialehrlichkeit: Zeigt, was ihr verbaut! Echte Materialien altern in Würde und erzählen eine Geschichte. Das ist fast immer schöner und langlebiger als jede Verkleidung.
- Die Kraft der Kontraste: Kalt und warm, rau und glatt – das Zusammenspiel erzeugt Spannung und Leben. Ein Holzboden erdet eine strenge Betondecke.
- Planung ist ALLES: Besonders bei Techniken wie Sichtbeton ist eine Detailplanung Gold wert. Ein Fehler auf dem Papier lässt sich wegradieren, ein Fehler auf der Baustelle kostet Nerven und viel Geld.
- Handwerkliche Qualität zahlt sich aus: Eine saubere Fuge, eine porenfreie Wand, ein perfekter Boden – das kostet am Anfang vielleicht mehr, aber es hält länger, braucht weniger Wartung und macht über Jahrzehnte Freude. Qualität ist die beste Form der Nachhaltigkeit.
Für mich ist dieses Haus eine Bestätigung für alles, was mir an meinem Beruf wichtig ist: Sorgfalt, Materialwissen und der Stolz auf gut gemachte Arbeit. Es zeigt, was möglich ist, wenn Planer und Handwerker eine gemeinsame Vision verfolgen.

Und jetzt seid ihr dran: Ist diese ehrliche, raue Optik den Aufwand und die Kosten wert? Oder würdet ihr das Geld lieber in die Einrichtung oder einen größeren Garten stecken? Schreibt mir eure Meinung doch mal in die Kommentare!
Bildergalerie


Eine Zinkfassade heilt sich selbst. Oberflächliche Kratzer verschwinden mit der Zeit von allein.
Das ist keine Magie, sondern pure Chemie. Hochwertiges Titanzink, wie es etwa von Herstellern wie Rheinzink oder VMZINC bekannt ist, reagiert mit der Luft und dem Regenwasser. Dabei bildet sich eine matte, blaugraue Patinaschicht aus Zinkcarbonat. Diese Schicht ist nicht nur optisch reizvoll, sondern schützt das darunterliegende Metall auch extrem wirkungsvoll vor weiterer Korrosion und macht die Fassade über Jahrzehnte wartungsfrei. Ein ehrliches Material, das in Würde altert.

Ist jeder Sichtbeton gleich?
Absolut nicht. Was oft wie eine simple graue Wand aussieht, ist das Ergebnis höchster Handwerkskunst. In Deutschland wird die Qualität in vier Sichtbetonklassen (SB1 bis SB4) unterteilt. Während SB1 geringe gestalterische Anforderungen hat, ist SB4 die Königsklasse: nahezu porenfreie, gleichmäßige Oberflächen, wie sie der Architekt Tadao Ando perfektioniert hat. Für ein hochwertiges Wohnhaus wie das gezeigte ist meist SB3 der angestrebte Standard – ein Kompromiss aus makelloser Ästhetik und technischer Machbarkeit. Die Wahl der Schalung entscheidet maßgeblich über die finale Textur der Oberfläche.
Der Anschluss per Silikonfuge: Die schnelle, oft unschöne Lösung. Eine Fuge zwischen Holz und Beton wird einfach mit Dichtmasse verschlossen. Sie kann mit der Zeit vergilben, spröde werden und muss regelmäßig erneuert werden.
Der Anschluss per Schattenfuge: Die durchdachte, architektonische Lösung. Hier wird bewusst ein schmaler, exakter Spalt zwischen den Materialien gelassen, der eine klare Linie und einen eleganten Schattenwurf erzeugt. Die eigentliche Abdichtung liegt unsichtbar dahinter.
Die Schattenfuge unterstreicht den Charakter der Materialien, anstatt ihn zu verdecken – ein Detail, das den Unterschied macht.




