Echter Landhausstil: Mehr als nur weiße Möbel – Ein Profi packt aus
Ein ehrliches Wort aus der Werkstatt
Hey, schön, dass du da bist! In meinen über 30 Jahren als Schreinermeister habe ich so einige Wohntrends miterlebt. Viele kamen, glänzten kurz und waren dann wieder weg. Aber einer, der bleibt einfach. Der echte, französische Landhausstil. Viele denken da sofort an weiße Möbel mit so ein paar künstlich abgeschlagenen Ecken. Aber ganz ehrlich? Das ist oft nur eine billige Kopie, die mit dem wahren Kern nichts zu tun hat.
Inhaltsverzeichnis
Echter Landhausstil ist keine Deko, die man sich mal eben ins Haus holt. Es ist ein Lebensgefühl. Gewachsen aus der Landschaft, dem Klima und den Materialien, die vor Ort eben da waren. Es geht um Langlebigkeit, um eine tiefe, ehrliche Gemütlichkeit und um Handwerk, das man spüren kann.
Ich erinnere mich da an ein Projekt, ein altes Bauernhaus, das wir für eine Familie umgestalten durften. Die Kundin kam mit einem Stapel Urlaubsfotos aus der Provence zu mir und sagte: „Genau dieses Gefühl will ich haben.“ Nicht die Möbel aus dem Katalog, sondern dieses Licht, die Wärme des Steins und den Duft von Holz und Lavendel. Das war eine Traumaufgabe! Hier konnte ich zeigen, dass es nicht ums Imitieren geht, sondern darum, die Prinzipien dahinter zu verstehen. Und genau dieses Wissen teile ich heute mit dir – ganz ohne das übliche Blabla aus den Wohnmagazinen.
Das Fundament: Warum der Stil so ist, wie er ist
Um diesen Look authentisch hinzubekommen, müssen wir kurz verstehen, warum er überhaupt so entstanden ist. Das hat erstaunlich viel mit einfacher Physik zu tun und war früher reine Notwendigkeit. Kein Zufall also, dass bestimmte Materialien und Farben immer wieder auftauchen.
Licht und Farbe: Die clevere Lösung für heiße Tage
Im Süden Frankreichs brennt die Sonne im Sommer gnadenlos vom Himmel. Die alten Steinhäuser hatten deshalb oft nur kleine Fenster, um die Hitze draußen zu halten. Drinnen war es also eher schummrig. Die Lösung war genial: helle Farben. Aber nicht irgendein knalliges Weiß aus dem Baumarkt, sondern das, was die Natur hergab: Kalk. Eine mit Pigmenten aus der Erde getönte Kalkfarbe hat eine ganz besondere, samtig-matte Oberfläche. Sie reflektiert das Licht total weich und diffus. Der Raum wird nicht einfach nur hell, er fängt richtig an zu leuchten.
Die typischen Farben sind quasi direkt aus der Landschaft geklaut:
- Warmes Ocker: Inspiriert von den berühmten Ockerfelsen der Provence.
- Lavendelblau: Ein sanftes, leicht vergrautes Blau, das an die endlosen Felder erinnert.
- Salbeigrün: Das zarte, matte Grün der provenzalischen Kräuter.
- Kalkweiß: Kein hartes Signalweiß, sondern ein weiches, gebrochenes Weiß, das pure Ruhe ausstrahlt.
Gut zu wissen: Echte Sumpfkalkfarbe, wie du sie z.B. von Herstellern wie Kreidezeit oder GekkoSol bekommst, ist die beste Wahl. Sie kostet zwar etwas mehr, vielleicht so um die 10-15 € pro Liter, aber die Wirkung ist unvergleichlich und sie ist super für dein Raumklima.
Material und Klima: Die natürliche Klimaanlage
Die Materialwahl war früher keine Designfrage, sondern pure Funktion. Ein dicker Boden aus lokalem Stein oder handgeformten Terrakottafliesen fühlt sich im Sommer barfuß einfach herrlich kühl an. Er speichert die Kühle der Nacht und gibt sie tagsüber langsam wieder ab. Im Winter ist das natürlich anders, da können solche Böden ohne Fußbodenheizung ganz schön fußkalt sein – deshalb liegen da oft einfache Webteppiche.
Die Wände wurden meist mit einem Kalk- oder Lehmputz versehen. Das ist ein riesiger Vorteil! Diese Putze sind „diffusionsoffen“, das heißt, sie atmen. Sie nehmen Feuchtigkeit aus der Luft auf und geben sie wieder ab. Das sorgt für ein perfektes Raumklima. Achtung! Ein häufiger Fehler bei Sanierungen ist, einfach mit moderner Dispersionsfarbe drüberzustreichen. Das versiegelt die Wand wie eine Plastiktüte und kann auf Dauer zu Schimmel führen.
Ein Blick in die Werkstatt: So wird’s richtig gemacht
Okay, jetzt wird’s praktisch. Es gibt ein paar Techniken, die den Unterschied zwischen „nett versucht“ und „absolut authentisch“ ausmachen. Das erfordert etwas Geduld und Materialverständnis.
Wände, die leben
Eine Wand im Landhausstil ist niemals perfekt glatt. Sie hat Charakter. Leichte Unebenheiten, die Spuren der Handwerkskelle im Putz – das ist gewollt! Das bricht das Licht so schön und erzeugt Tiefe. Wenn du das vom Profi machen lässt, also einen echten Kalkputz aufziehen lässt, musst du mit Kosten zwischen 60 und 120 € pro Quadratmeter rechnen. Das klingt erstmal viel, aber so eine Wand hält ein Leben lang und reguliert dein Raumklima.
Wenn du selbst streichst, denk dran: Echte Kalkfarbe ist stark alkalisch. Schutzbrille und Handschuhe sind absolute Pflicht! Ein Lehrling von mir hat das mal auf die leichte Schulter genommen und sich die Hände verätzt. Daraus haben wir alle gelernt.
Der Boden unter den Füßen: Holz oder Stein?
Das ist eine der wichtigsten Entscheidungen. Beide haben ihren Charme.
- Stein & Terrakotta: Fühlt sich im Sommer kühl an und ist super robust. Preislich liegst du bei guten, handgeformten Fliesen bei ca. 50-90 € pro Quadratmeter. Wichtig ist hier die Fuge: Sie sollte eher breit sein (8-10 mm) und mit einem erdfarbenen Mörtel gefüllt werden. Das sieht lebendig aus. Die Verlegung ist aber definitiv was für den Profi.
- Holzdielen: Die wärmere, gemütlichere Alternative. Breite Dielen aus Eiche oder Kiefer sind perfekt. Statt sie mit Plastik-Lack zu versiegeln, solltest du sie ölen oder – mein Geheimtipp – seifen. Eine geseifte Oberfläche entwickelt über die Jahre eine wunderschöne, helle Patina.
Kleiner Tipp zur Pflege: Geseifte Holzböden wischt du am besten nur mit einer speziellen Holzbodenseife und einem nebelfeuchten Tuch. Niemals scharfe Reiniger benutzen, die machen die Schutzschicht kaputt!
Möbel mit Seele
Echte Landhausmöbel sind robust, funktional und aus massivem Holz. Der „Shabby Chic“ ist dabei die größte Falle. Einfach wahllos Ecken abschleifen sieht künstlich aus. Überleg doch mal: Wo nutzt sich ein Stuhl oder eine Kommode über Jahrzehnte wirklich ab? An den Griffen, an den Kanten, an den Füßen vom Wischen. Das sind die Stellen, die eine glaubwürdige Patina bekommen.
Dein eigenes Projekt: Ein Möbelstück kälken
Ich habe mal einen schweren, dunklen Eichenschrank für einen Kunden gekälkt. Das Ergebnis war verblüffend! Der Schrank wirkte plötzlich leicht und luftig, aber die tolle Maserung war noch sichtbar. Das kannst du auch selbst probieren:
- Vorbereitung: Das Möbelstück gründlich reinigen und leicht anschleifen. Die Poren des Holzes müssen offen sein.
- Paste auftragen: Besorg dir Kalkpaste (gibt’s im Baumarkt oder online) und reibe sie mit einer Bürste oder einem Lappen kräftig in die Holzmaserung ein.
- Überschuss entfernen: Wenn die Paste leicht angetrocknet ist, nimmst du den Überschuss mit einem Spachtel oder einem Tuch quer zur Maserung wieder ab. Die Paste bleibt nur in den Vertiefungen (Poren) zurück.
- Finish: Gut trocknen lassen und anschließend mit einem matten Wachs oder Öl versiegeln, damit es alltagstauglich wird.
Ach ja, ein kleiner Trick für den Flohmarkt: Um Echtholz zu erkennen, klopf einfach mal drauf. Klingt es satt und voll? Super. Ist es leicht und klingt hohl? Wahrscheinlich Pressspan. Ein schneller Blick auf die Unterseite oder in eine Schublade entlarvt oft die Wahrheit.
Stoffe, die umarmen
Textilien bringen die Wärme. Schwere, natürliche Stoffe wie Leinen und Baumwolle sind hier die Stars. Schwere Leinen-Vorhänge, die lässig auf dem Boden aufliegen, sind ein Klassiker. Und auch das berühmte „Toile de Jouy“, dieser bedruckte Stoff mit ländlichen Szenen, ist toll – aber bitte in Maßen! Nutze es für ein paar Kissen oder einen einzelnen Sessel, sonst wirkt es schnell überladen.
DIY oder doch lieber der Profi? Eine ehrliche Einschätzung
Manches kannst du super selbst machen, bei anderen Dingen sparst du Geld und Nerven, wenn du direkt einen Fachmann holst.
Für Selbermacher: Ein altes Möbelstück vom Flohmarkt aufarbeiten, Wände mit Kreidefarbe streichen oder Kissenbezüge aus Leinen nähen. Das sind tolle Wochenendprojekte!
Dein schnelles Landhaus-Upgrade: Tausche die Griffe deiner alten Kommode oder Küche gegen schlichte aus Gusseisen oder Porzellan. Kosten: ca. 20-40 Euro. Findest du im Baumarkt oder online. Die Wirkung ist riesig, versprochen!
Für den Fachbetrieb: Echter Kalkputz, die Verlegung von Natursteinböden und alles, was mit Statik (Wände entfernen, Balken freilegen) oder Elektrik zu tun hat. Ganz ehrlich, ein häufiger Fehler, der am Ende richtig teuer wird: Am Untergrund sparen. Wer auf einen schlecht vorbereiteten Boden teure Fliesen legt, die nach zwei Jahren Risse bekommen, zahlt am Ende doppelt. Das ist die teuerste Art zu sparen.
ACHTUNG: Ein Wort zur Sicherheit aus der Praxis
Das hier ist mein wichtigster Hinweis. Bei alten Häusern und Möbeln lauern manchmal unsichtbare Gefahren. Möbel und Lacke von vor den 70er-Jahren können hohe Mengen Bleifarbe enthalten. Wenn du das abschleifst, entsteht hochgiftiger Staub. Das kann zu schweren Gesundheitsschäden führen! Also: Immer davon ausgehen, dass Blei drin ist. Arbeite wenn möglich draußen, trage eine FFP3-Maske und reinige alles danach feucht.
Sorge auch beim Umgang mit Ölen, Wachsen und Abbeizern immer für eine extrem gute Belüftung. Und wenn du schwere Steinböden planst, muss ein Statiker prüfen, ob die Decke das überhaupt aushält. Sicherheit geht immer vor!
Ein letztes Wort…
Der französische Landhausstil ist eine Entscheidung für Seele und Substanz. Er entsteht nicht über Nacht, er wächst. Es ist besser, ein einziges, gutes Massivholzmöbel zu haben als einen Raum voll billiger Imitate. Nimm dir Zeit, fass die Materialien an, spüre die Kühle des Steins und schau, wie das Licht auf einer gekalkten Wand tanzt.
Am Ende schaffst du nicht nur ein schönes Zuhause. Du schaffst einen Ort mit Charakter, der deine Geschichte erzählt. Und das ist mehr wert als jeder kurzlebige Trend.
Und jetzt du: Welches Landhaus-Projekt schwirrt dir im Kopf herum? Oder hast du eine knifflige Frage, bei der du einen Meister-Tipp gebrauchen könntest? Schreib es mir in die Kommentare!
Bildergalerie
Der wahre Herzschlag eines südfranzösischen Hauses ist oft sein Boden. Vergessen Sie perfektes Laminat. Echte, handgeformte Terrakotta-Fliesen, die „Tomettes“, sind der Schlüssel. Jede Fliese ist ein Unikat in Form und Farbe, von blassem Rosé bis zu tiefem Ocker. Mit den Jahren entwickeln sie eine Patina, die Geschichten von Generationen erzählt. Sie sind kühl im Sommer, speichern die Wärme im Winter und fühlen sich unter nackten Füßen einfach lebendig an.
- Ein freistehender Spültrog: Suchen Sie nach tiefen, schweren Keramikbecken, oft von Villeroy & Boch oder traditionellen englischen Marken wie Shaws of Darwen. Sie sind nicht nur praktisch, sondern ein echtes Statement.
- Offene Regale statt Hängeschränke: Zeigen Sie Ihr schönstes Alltagsgeschirr. Das bringt Leben in den Raum und zwingt dazu, nur das zu behalten, was man wirklich liebt.
- Ein massiver Holztisch: Er ist das soziale Zentrum, hier wird nicht nur gegessen, sondern auch gearbeitet, geredet und gelebt. Eine Tischplatte aus unbehandelter Eiche oder Pinie ist ideal.
Der feine Unterschied: Authentische Patina entsteht durch Jahrzehnte des Gebrauchs – abgerundete Ecken an einer Kommode, wo man sich oft vorbeibewegt, oder eine verblichene Stelle, wo die Sonne hinschien. Künstlicher „Shabby Chic“ hingegen schleift oft willkürlich an Stellen, die unlogisch sind. Ein echter Kenner spürt diesen Unterschied sofort. Es geht um gelebte Geschichte, nicht um aufgetragene Dekoration.
Wussten Sie schon? Das berühmte „Toile de Jouy“-Muster entstand um 1760 in der Manufaktur von Christophe-Philippe Oberkampf nahe Versailles. Es war eine Revolution, weil es erstmals detailreiche, szenische Darstellungen auf Stoff druckte – oft idyllische Ländereien, die den Wunsch des Adels nach einem einfacheren Leben widerspiegelten.
Leinen ist die Textilie des Landhausstils. Seine natürliche Knitteroptik verkörpert die entspannte Eleganz, die wir suchen. Es ist nicht nur schön, sondern auch unglaublich funktional:
- Atmungsaktiv: Ideal für Bettwäsche und Vorhänge in warmen Klimazonen.
- Robust: Hält ein Leben lang und wird mit jeder Wäsche weicher und schöner.
- Saugfähig: Perfekt für Küchen- und Geschirrtücher.
Ein Flachbildfernseher über dem antiken Kamin – geht das überhaupt?
Ja, aber mit Feingefühl. Der Trick ist die Integration, nicht die Zurschaustellung. Verstecken Sie den Fernseher hinter maßgefertigten Schranktüren im Stil der Wandverkleidung oder nutzen Sie einen modernen „The Frame“-Fernseher von Samsung, der im ausgeschalteten Zustand wie ein Gemälde wirkt. Kabel sollten unsichtbar in der Wand oder in dezenten Kanälen verlegt werden. Die Technik dient dem Leben, sie dominiert es nicht.
Geschmiedetes Eisen: Schwer, matt und oft leicht unregelmäßig. Es steht für Handwerk, Tradition und Stärke. Perfekt für Türgriffe, Fensterriegel und Vorhangstangen, die eine rustikale, ehrliche Anmutung haben sollen.
Poliertes Messing: Bringt einen Hauch von Eleganz und Licht ins Spiel, der an bürgerliche Stadthäuser erinnert. Es oxidiert mit der Zeit zu einer wunderschönen, warmen Patina. Ideal für feinere Möbelbeschläge oder elegante Armaturen im Bad.
Beide haben ihre Berechtigung, aber die Kombination sollte bewusst erfolgen, um Stilbrüche zu vermeiden.
Ein Haus im echten Landhausstil duftet. Oft ist einer der prägendsten Gerüche der von Bienenwachs.
Schon seit Jahrhunderten wird es verwendet, um unversiegelte Holzböden und Möbel zu nähren und zu schützen. Es verleiht dem Holz nicht nur einen seidenmatten Glanz, sondern auch eine schützende Schicht, die atmet. Der subtile, süßliche Duft, der beim Polieren entsteht, ist die reinste Form von „Zuhause“ und meilenweit entfernt von künstlichen Raumdüften.
- Eine leicht schiefe Wand.
- Ein sichtbarer Holzbalken mit alten Zimmermannszeichen.
- Ein kleiner Sprung in einer Bodenfliese.
Das Geheimnis? Perfektion ist langweilig. Es sind genau diese kleinen „Fehler“ und Spuren der Zeit, die einem Raum Charakter und Seele verleihen. Sie erzählen eine Geschichte und schaffen eine Verbindung zum Handwerk und zur Vergangenheit des Hauses. Stehen Sie zu diesen Unvollkommenheiten; sie sind der wahre Luxus.
Das richtige Weiß ist niemals reinweiß. Es braucht immer einen Hauch von Pigment, um hartes, kaltes Licht zu vermeiden. Suchen Sie nach gebrochenen Weißtönen mit einem winzigen Anteil an Ocker oder Grau. Farben wie „Lime White“ oder „Off-White“ von Farrow & Ball fangen genau diese kalkige, weiche Qualität ein, die im Artikel beschrieben wird, ohne dabei gelblich zu wirken.
Auf der Jagd nach authentischen Schätzen? Eine Checkliste für den Flohmarkt:
- Material prüfen: Heben Sie das Stück an. Massivholz ist schwer. Klopfen Sie auf Oberflächen, um Furnier von Vollholz zu unterscheiden.
- Verbindungen ansehen: Suchen Sie nach alten Handwerksverbindungen wie Schwalbenschwänzen oder Holzdübeln statt nach modernen Schrauben.
- Schubladen herausziehen: Riecht es nach altem Holz oder chemisch nach Leim? Der Geruch verrät viel über Alter und Qualität.
- Rückseiten und Unterseiten: Diese werden selten restauriert und zeigen oft das wahre Alter und den Originalzustand des Holzes.
Wichtiger Punkt: Das richtige Maß. Der französische Landhausstil liebt großzügige, aber nicht überladene Gesten. Ein einzelner, großer Armoire (Kleiderschrank) aus dunkler Eiche hat mehr Wirkung als drei kleine Kommoden. Ein überdimensionierter Spiegel über einer Konsole öffnet den Raum und reflektiert das Licht. Achten Sie darauf, dass die Möbel zum Raum passen. Zu kleine Stücke wirken in großen Räumen verloren, zu wuchtige erdrücken kleine Zimmer.
Schon im 18. Jahrhundert war Eichenholz in Frankreich so wertvoll, dass es per königlichem Dekret für den Schiffsbau der Marine reserviert war. Für Möbel musste man daher oft auf lokale Hölzer wie Nussbaum, Kiefer oder Obsthölzer ausweichen – das erklärt die Vielfalt und den regionalen Charakter der antiken Stücke.
Die Fenster sind die Augen des Hauses. Im Süden Frankreichs sind sie oft mit Holzläden, den sogenannten „Volets“, ausgestattet. Diese sind nicht nur Zierde, sondern essenzieller Teil der Klimaregulierung. Innen sorgen schwere Leinenvorhänge für Gemütlichkeit.
- Farbe der Läden: Oft in Pastelltönen wie Lavendelblau, Salbeigrün oder Taubengrau gestrichen, die einen sanften Kontrast zur Steinfassade bilden.
- Aufhängung der Vorhänge: Simple, geschmiedete Eisenstangen sind authentischer als komplexe Schienensysteme.
Dunkle Wände im Landhaus? Ist das nicht ein Widerspruch?
Ganz und gar nicht! Während helle Kalkfarben typisch für die sonnige Provence sind, gab es in anderen Regionen Frankreichs, wie der Normandie oder in alten Jagdschlössern, durchaus eine Vorliebe für dunkle, holzvertäfelte oder in tiefen Farben gestrichene Räume. Ein tiefes Blau, ein sattes Ochsenblutrot oder ein moosiges Grün schaffen eine unglaublich gemütliche, umhüllende Atmosphäre. Wichtig ist, dies mit hellen Textilien und gezielten Lichtquellen auszugleichen, um den Raum nicht erdrückend wirken zu lassen.
Massive Eiche: Der Klassiker. Schwer, robust und mit einer markanten Maserung. Eiche strahlt Beständigkeit und eine gewisse rustikale Würde aus. Sie ist perfekt für Esstische, Dielenböden und große Schränke.
Nussbaum: Eleganter und feiner. Das Holz hat eine dunklere, oft rötlich-braune Farbe und eine sanftere Maserung. Nussbaum wirkt edler und passt gut zu feineren Kommoden oder Sitzmöbeln im Louis-XV-Stil.
Die Wahl hängt von der gewünschten Atmosphäre ab: Eiche für die bodenständige Stube, Nussbaum für den eleganten Salon.
Ein Esstisch, um den sich eine bunte Mischung aus Stühlen versammelt, ist der Inbegriff gelebter Gastfreundschaft. Ein alter Erbstuhl neben einem Flohmarktfund und zwei neuen, aber passenden Stühlen erzählt eine viel interessantere Geschichte als ein perfekt abgestimmtes Set. Es wirkt, als sei die Familie über die Jahre gewachsen – und für jeden neuen Freund wurde einfach ein Stuhl dazugestellt.
- Ein tiefer, weicher Sessel mit Hocker.
- Eine gute Lampe mit warmem Licht.
- Ein kleines Beistelltischchen für ein Buch und eine Tasse Tee.
Das Geheimnis? Die Textur! Kombinieren Sie ein grobes Leinengewebe des Sessels mit einem weichen Samtkissen, einem gestrickten Plaid und dem kühlen, glatten Holz des Tisches. Der Mix aus verschiedenen Oberflächen macht die Ecke nicht nur optisch, sondern auch haptisch einladend.
Statt künstlicher Raumdüfte können Sie die provenzalische Luft ganz einfach selbst einfangen. Binden Sie getrocknete Kräuter wie Rosmarin, Thymian und Lorbeer mit einem Küchengarn zu einem „Bouquet garni“. Hängen Sie dieses kleine Bündel in die Küche. Durch die Wärme beim Kochen entfalten die Kräuter ihren dezenten, würzigen Duft und schaffen eine authentische, appetitanregende Atmosphäre.
Die Bezeichnung „Laguiole“ für die berühmten französischen Messer ist nicht markenrechtlich geschützt, aber die traditionelle Herstellung in der Region um die gleichnamige Stadt ist ein Symbol für echtes Handwerk. Ein echtes Laguiole-Messer wird von einem einzigen Messerschmied von Anfang bis Ende gefertigt – ein perfektes Beispiel für die Wertschätzung von Handarbeit, die dem Landhausstil zugrunde liegt.
Der Teufel steckt im Detail: Oft sind es die Beschläge, die ein Möbelstück von „ganz nett“ zu „authentisch“ machen. Achten Sie auf sogenannte „Fiches“ (eine Art Scharnier) an Schranktüren und einfache, geschmiedete Fallgriffe oder Knopfgriffe aus Eisen oder Messing an Schubladen. Vermeiden Sie moderne, glänzende Chrom- oder Edelstahlbeschläge, sie sind ein sofortiger Stilbruch.
Welcher Teppich passt zu Holzdielen oder Terrakotta?
Die besten Begleiter sind Teppiche aus Naturfasern. Ein Sisal- oder Jute-Teppich unter dem Esstisch bringt Textur und eine helle, natürliche Note in den Raum. Für mehr Gemütlichkeit im Wohn- oder Schlafbereich sind klassische, leicht verwaschene Orientteppiche (Kelims) oder einfache Wollteppiche eine wunderbare Wahl. Sie bringen Farbe und Muster ins Spiel, ohne den rustikalen Charakter des Bodens zu überdecken.
Antikes Original: Hat eine unersetzliche Patina und Geschichte. Die Qualität des Holzes und der Verarbeitung ist oft herausragend. Nachteil: Kann teuer sein und erfordert eventuell eine Restauration.
Hochwertiger Neubau: Kann nach Maß gefertigt werden und ist sofort einsatzbereit. Marken wie „Grange“ oder „Moissonnier“ sind für ihre exzellenten Reproduktionen bekannt. Nachteil: Es fehlt die authentische Seele eines alten Stücks.
Eine Mischung aus beidem ist oft die beste Lösung: Investieren Sie in ein oder zwei antike „Heldenstücke“ und ergänzen Sie sie mit qualitativ hochwertigen neuen Möbeln.
Drei typische Fallen, die den echten Landhaus-Charme zerstören:
- Der „Partnerlook“-Fehler: Wenn Vorhänge, Kissen, Tischdecke und Lampenschirm alle aus demselben Toile-de-Jouy-Stoff sind. Das wirkt wie ein Hotelzimmer, nicht wie ein gewachsenes Zuhause.
- Zu viel Kleinkram: Unzählige kleine Deko-Objekte lassen den Raum unruhig und vollgestopft wirken. Lieber wenige, aber dafür aussagekräftige Stücke.
- Die falsche Beleuchtung: Eine einzelne, helle Deckenleuchte zerstört jede Gemütlichkeit. Setzen Sie auf viele kleine Lichtinseln mit warmem Licht (unter 2700 Kelvin).
Beobachten Sie einmal das Licht in einem authentisch gestalteten Raum während der „blauen Stunde“, kurz nach Sonnenuntergang. Wenn das weiche, indirekte Licht der Tischlampen auf die kalkmatten Wände trifft und die tiefen Schatten die Konturen der alten Holzmöbel nachzeichnen. In diesem Moment spürt man es am deutlichsten: Dies ist kein Stil, den man dekoriert. Es ist eine Atmosphäre, in der man lebt.
