Das Blut der Maschine: Dein Praxis-Guide für Kühlschmierstoffe, der wirklich hilft

von Adele Voß
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Ich kann mich noch glasklar an meine Zeit als Lehrling erinnern. Das Erste, was mir in der Werkstatt auffiel, war dieser ganz spezielle Geruch. Eine Mischung aus heißem Metall, Öl und diesem leicht süßlichen Duft von Kühlschmierstoff. Mein damaliger Meister hat einen Satz gesagt, der sich bei mir eingebrannt hat: „Junge, das da ist nicht nur Wasser. Das ist das Blut der Maschine. Behandle es gut, dann behandelt die Maschine auch dich gut.“ Damals hab ich nur genickt. Heute, viele Jahre später, weiß ich ganz genau, was er meinte.

Der richtige Umgang mit Kühlschmierstoffen – kurz KSS – entscheidet über so vieles: die Qualität unserer Arbeit, die Lebensdauer der teuren Maschinen und, ganz ehrlich, auch über unsere eigene Gesundheit. Viele sehen darin nur eine milchige Brühe zum Kühlen. Aber das ist nur die halbe Miete.

Ein guter KSS ist ein kleines chemisches Wunderwerk. Er muss kühlen, schmieren, die Späne wegschaffen und vor Rost schützen. Fällt nur eine dieser Aufgaben aus, fangen die Probleme an. Die Werkzeuge sind schneller stumpf, die Oberfläche am Werkstück sieht aus wie Kraut und Rüben, und im schlimmsten Fall nagt der Rost an der Maschine. Deshalb will ich hier mal aus dem Nähkästchen plaudern. Nicht das Zeug aus dem Lehrbuch, sondern die Tipps und Tricks direkt von der Werkbank.

kühlschmiertstoffe eine große maschine

Was ist da eigentlich im Fass? Ein Blick hinter die Kulissen

Ganz grob gesagt, gibt es zwei große Familien von Kühlschmierstoffen: die, die man mit Wasser mischt, und die, die pures Öl sind. Beide haben ihre Daseinsberechtigung.

Die reinen Öle (nichtwassermischbar)

Das sind klare bis bernsteinfarbene Öle ohne einen Tropfen Wasser. Die nehmen wir für die richtig harten Fälle, wo maximale Schmierleistung gefragt ist – denk mal an Tieflochbohren, Schleifen oder die Bearbeitung von richtig zähen, hochlegierten Stählen. Hier ist die Viskosität, also wie zähflüssig das Öl ist, entscheidend. Dünnflüssig spült besser, dickflüssig schmiert besser. Simpel, oder? Ein wichtiger Punkt ist aber der Flammpunkt. Wenn bei hohen Drehzahlen die Funken fliegen, willst du kein Öl, das leicht Feuer fängt. Die Pflege ist hier recht einfach: Hauptsächlich geht es darum, das Öl sauber zu halten und regelmäßig zu filtern.

Die Allrounder für den Alltag (wassermischbar)

Das ist das Zeug, mit dem die meisten von uns jeden Tag planschen. Hierbei handelt es sich um Konzentrate, die mit Wasser verdünnt werden. Und genau hier passieren die meisten Fehler. Falsch angesetzt oder mies gepflegt, kann so ein KSS schnell „kippen“ und mehr Ärger als Nutzen bringen. Man unterscheidet hier vor allem zwischen Emulsionen und Lösungen.

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  • Emulsionen: Das ist die klassische, milchige Flüssigkeit. Im Konzentrat stecken Öltröpfchen, die von sogenannten Emulgatoren umhüllt und im Wasser in der Schwebe gehalten werden. Stell es dir wie bei einer guten Salatsoße vor. Sie sind die perfekten Alleskönner für fast alle Zerspanungsarbeiten, egal ob Stahl, Guss oder Aluminium.
  • Lösungen: Die sind nach dem Mischen meist klar oder leicht eingefärbt. Hier gibt es keine Öltröpfchen. Die Schmierung kommt von speziellen chemischen Zusätzen. Ihr größter Vorteil? Man kann super durchgucken, was beim Schleifen Gold wert ist, und sie kühlen wie verrückt.

Egal, für was du dich entscheidest, das Konzentrat ist immer ein Cocktail aus vielen Zutaten. Da sind Korrosionsschutz-Additive drin, Mittel gegen Schaumbildung und auch Biozide, die Bakterien und Pilze in Schach halten sollen. Und das ist ein super wichtiger Punkt für unsere Gesundheit, dazu später mehr.

Die tägliche Pflege: Dein 5-Minuten-Ritual für Top-Ergebnisse

Ein KSS ist kein Aquarium, das man einmal befüllt und dann vergisst. Er braucht ein bisschen tägliche Liebe. Mit ein paar simplen, aber regelmäßigen Checks sparst du auf lange Sicht richtig Asche und schonst die Umwelt, weil die Standzeit sich um Monate verlängern kann.

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Die goldene Regel beim Ansetzen

Der allererste Fehler passiert oft schon beim Befüllen. Ich hab’s selbst gesehen: Lehrling kippt Konzentrat ins Becken und lässt dann den Wasserschlauch reinlaufen. Absolutes No-Go! Die goldene Regel lautet: Immer das Konzentrat ins Wasser geben, niemals umgekehrt. Also erst das Wasser ins Becken, dann langsam das Konzentrat dazu, am besten bei laufender Pumpe. Warum? Kippst du Wasser aufs Öl, kann die Emulsion instabil werden – das führt zu mieser Schmierung und Rost.

Übrigens, ein Wort zur Wasserqualität: Die ist mega wichtig. Zu hartes Wasser bildet mit dem KSS eine klebrige Pampe, die alles zusetzt. Zu weiches Wasser neigt extrem zum Schäumen. Die meisten Hersteller empfehlen eine Wasserhärte zwischen 5 und 15 °dH. Kleiner Tipp: Frag einfach bei deinem lokalen Wasserwerk nach, die sagen dir den Wert. Ist dein Wasser komplett ungeeignet, ist aufbereitetes VE-Wasser eine Überlegung wert. Kostet anfangs mehr, zahlt sich aber durch eine viel längere Lebensdauer des KSS dicke aus.

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Deine tägliche Routine: Konzentration, pH-Wert und Fremdöl

Bevor du loslegst, mach diesen kurzen Check. Dauert keine fünf Minuten.

Gut zu wissen: Für die Pflege brauchst du eine kleine Grundausstattung. Das ist kein Hexenwerk und auch nicht teuer. Plan mal folgendes ein:

  • Handrefraktometer: Dein wichtigstes Werkzeug. Kostet zwischen 30 € und 50 € und hält ewig.
  • pH-Teststreifen: Bekommst du in der Apotheke oder online für unter 10 €.
  • Ein kleiner Bandskimmer: Um Fremdöl zu entfernen. Einfache Modelle starten bei ca. 150 € und sind jeden Cent wert.

1. Konzentration checken: Nimm einen Tropfen vom KSS aufs Prisma vom Refraktometer, Klappe zu, durchschauen. Den abgelesenen Wert musst du mit dem sogenannten Refraktometerfaktor deines KSS multiplizieren. Wo der steht? Im Technischen Datenblatt (TDB) des Herstellers. Kleiner Quick-Win für dich: Such den Faktor einmal raus und schreib ihn mit einem Edding direkt auf die Box vom Refraktometer. Nie wieder suchen! Die meisten Jobs laufen gut mit 5 % bis 8 %. Alu-Bearbeitung darf auch mal 9 % haben, beim Schleifen reichen oft 4-5 %.

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2. pH-Wert messen: Ein frischer KSS hat einen pH-Wert von etwa 9,0 bis 9,4. Das schützt super vor Rost. Wenn Bakterien anfangen, sich breitzumachen, sinkt der Wert. Fällt er unter 8,5, wird’s kritisch. Der KSS fängt dann oft auch an, unangenehm zu riechen.

3. Fremdöl rausfischen: Bettbahnöl, Hydrauliköl – irgendwie tropft immer was in den KSS. Dieses Öl schwimmt obenauf und bildet einen dichten Film. Darunter fühlen sich Bakterien, die keinen Sauerstoff mögen, pudelwohl und vermehren sich explosionsartig. Das ist der Grund für den gefürchteten „Montagmorgen-Gestank“. Also: Fremdöl muss raus, am besten täglich mit einem Bandskimmer.

Wenn’s doch mal brennt: Typische Probleme und was du tun kannst

Trotz bester Pflege kann mal was schiefgehen. Wichtig ist, schnell zu reagieren.

Problem: Der KSS stinkt nach faulen Eiern.Hauptverdächtiger: Eindeutig ein starker Bakterienbefall. Meistens ist aufschwimmendes Fremdöl der Auslöser, das den Bakterien eine gemütliche, sauerstoffarme Brutstätte bietet. Deine Sofortmaßnahme: Fremdöl sofort mit dem Skimmer entfernen. Konzentration und pH-Wert prüfen und korrigieren. Ist der Geruch schon extrem, hilft oft nur noch eine komplette Systemreinigung. Ein Biozid nachzukippen ist meist nur ein Pflaster auf einer tiefen Wunde.

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Problem: Deine Hände sind trocken, rissig oder jucken.Hauptverdächtiger: Eine zu hohe Konzentration oder ein zu hoher pH-Wert entfetten die Haut extrem. Auch Bakterien im KSS können Reizungen auslösen. Deine Sofortmaßnahme: Hygiene ist alles! Vor der Arbeit und nach den Pausen eine gute Hautschutz- bzw. Barrierecreme verwenden. Beim Arbeiten Nitril-Handschuhe tragen (die sind beständiger als Latex). Und nach Feierabend die Hände gründlich waschen und mit einer Pflegecreme eincremen. Frag mal nach, die Berufsgenossenschaften bieten dazu super Hautschutzpläne an!

Problem: Schaumparty an der Maschine.Hauptverdächtiger: Oft ist zu weiches Ansetzwasser schuld. Manchmal auch eine zu hohe Konzentration oder der Einsatz von Hochdruckpumpen. Auch eingeschleppte Reiniger können Schaum verursachen. Deine Sofortmaßnahme: Als Notlösung gibt es Entschäumer-Zusätze. Aber Achtung, sei damit sparsam, denn zu viel davon verschlechtert die Leistung des KSS. Langfristig musst du die Ursache finden und beheben.

Problem: Flugrost auf Werkstücken oder der Maschine.Hauptverdächtiger: In 99 % der Fälle eine zu niedrige Konzentration. Der Rostschutz wirkt erst ab einem gewissen Level. Deine Sofortmaßnahme: Keine Panik. Sofort die Konzentration messen und durch Zugabe von Konzentrat (Nachschärfen) auf den Sollwert bringen. Der Rost sollte dann schnell verschwinden.

Operation Neustart: Die Systemreinigung für Profis

Irgendwann ist auch der beste KSS am Ende. Eine schlampige Reinigung rächt sich aber sofort, weil Bakteriennester in irgendwelchen Ecken die neue Füllung direkt wieder infizieren. So geht’s richtig:

  1. Systemreiniger rein: Etwa 8 bis 24 Stunden, bevor du ablässt, gibst du einen speziellen Systemreiniger in den alten KSS. Lass die Maschine normal laufen, damit er überall hinkommt und den ganzen Schmodder löst.
  2. Alte Brühe raus: Die alte Emulsion komplett ablassen. Und denk dran: Das ist Sondermüll! Der muss von einem zertifizierten Entsorger abgeholt werden. Rechne mal je nach Region und Menge mit 80 € bis 200 € pro Fass für die Entsorgung. Niemals in den Gulli kippen!
  3. Handarbeit: Jetzt wird’s dreckig. Tank, Späneförderer und alle Ecken müssen manuell von Schlamm befreit werden. Spachtel und Bürsten sind deine besten Freunde.
  4. Spülen: Danach das ganze System mit klarem Wasser spülen, um die letzten Reste vom Reiniger rauszubekommen.
  5. Neustart: Erst wenn alles blitzblank ist, wird nach der goldenen Regel neu angesetzt.

Ja, das ist Aufwand. Aber es ist die einzige Garantie für eine lange, problemlose Laufzeit des neuen Kühlschmierstoffs.

Deine Gesundheit geht vor: Ein Wort zur Sicherheit

Ganz klar, wir hantieren hier mit Chemie. Die kann die Haut und Atemwege reizen. Deshalb gibt es klare Vorschriften wie die TRGS 611, die uns schützen sollen. Früher war die Bildung krebserregender Stoffe ein riesiges Thema, aber dank moderner Rezepturen ist diese Gefahr massiv reduziert worden.

Trotzdem: Für jeden KSS muss eine Betriebsanweisung aushängen. Lies sie dir durch. Trag deine Schutzausrüstung wie Brille und Handschuhe. Und sorge für eine gute Belüftung an der Maschine. Ich sag’s meinen Leuten immer wieder: Habt Respekt vor dem Zeug, mit dem ihr arbeitet. Eure Gesundheit ist euer wichtigstes Werkzeug.

Kühlschmierstoff ist also weit mehr als nur Kühlwasser. Er ist ein zentrales Element in unserer täglichen Arbeit. Wenn wir ihn mit ein bisschen Sorgfalt und Wissen behandeln, bekommen wir saubere Ergebnisse, langlebige Maschinen und – das Wichtigste überhaupt – einen gesunden Arbeitsplatz.

Adele Voß

Adele Voß ist 1979 in Wien geboren und hat dort Kunstgeschichte studiert. Deshalb sind ihre Interessen als Online-Autorin auf die Bereiche Kunst und Kultur gerichtet.  Ihrer Meinung nach muss man Mode und Design ebenso als Quellen kreativer Inspiration betrachtet und als Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit. Adele macht ihre Leser gerne aufmerksam auf die tiefere Bedeutung der Trends im Innendesign im Konkreten und auch in der modernen Lebensweise im Allgemeinen. Adele Voß schreibt darüber hinaus gerne übers Thema Gesundheit. Es umfasst Artikel über gesundes Abnehmen, gesunde Speisen und Getränke und auch über sportliche Aktivitäten in jedem Alter. In ihrer Freizeit kocht sie gern für die Familie und sie alle reisen oft zusammen.