Strom im Schlafzimmer: Ein ehrlicher Ratgeber zu elektrischen Feldern von einem, der es wissen muss
Seit vielen Jahren stehe ich nun schon in der Werkstatt und auf Baustellen. Ich habe unzählige Kilometer Kabel in Wänden versenkt, von urigen Fachwerkhäusern bis zu hypermodernen Smart Homes. Eines ist klar: Unsere Welt ist elektrischer geworden. Früher waren es Licht und ein paar Steckdosen, heute reden wir über vernetzte Häuser und Ladesäulen in der Garage.
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Und mit all dieser Technik kommt auch immer wieder eine Frage auf den Tisch, die viele meiner Kunden umtreibt: die Sache mit dem „Elektrosmog“. Ehrlich gesagt, ich mag das Wort nicht. Es klingt nach etwas Unheimlichem, das man nicht greifen kann und das oft nur Angst schürt. Im Handwerk reden wir lieber über das, was wir messen können: elektrische und magnetische Felder. Das ist keine Hexerei, sondern simple Physik.
Mein Ziel hier ist es nicht, dir Angst vor deinem Toaster zu machen. Ganz im Gegenteil. Ich will dir das Wissen an die Hand geben, das ich meinen Lehrlingen beibringe – ein praktischer Leitfaden, ohne Panik, aber mit Fakten. Damit du selbst entscheiden kannst, was bei dir zu Hause sinnvoll ist.

Was wir da eigentlich messen: Die drei unsichtbaren Mitbewohner
Wenn Leute von „Elektrosmog“ sprechen, meinen sie meistens drei verschiedene Dinge, die man aber unbedingt trennen muss. Die Ursachen und Lösungen sind nämlich komplett unterschiedlich. Ich erklär das immer mit einem Gartenschlauch, das versteht jeder.
1. Das elektrische Wechselfeld (Der Druck im Schlauch)
Stell dir einen Gartenschlauch vor, der am aufgedrehten Wasserhahn hängt, aber die Düse vorne ist zu. Es fließt kein Wasser, aber im Schlauch herrscht Druck. Genau das ist das elektrische Feld. Es entsteht durch die Spannung (unsere 230 Volt) in jeder Leitung. Es ist also immer da, solange ein Kabel in der Steckdose steckt – auch wenn das Gerät aus ist! Deine Nachttischlampe erzeugt so ein Feld, selbst wenn sie nicht leuchtet.
- Woher kommt’s? Aus allen Leitungen in der Wand, Verlängerungskabeln und angeschlossenen Geräten.
- Gut zu wissen: Baubiologen, die sich intensiv damit beschäftigen, sehen am Schlafplatz Werte unter 10 Volt pro Meter (V/m) als unauffällig an. Werte über 50 V/m gelten schon als stark auffällig. Das lässt sich zum Glück relativ einfach abschirmen.

2. Das magnetische Wechselfeld (Das fließende Wasser)
So, jetzt drehst du die Düse am Schlauch auf und das Wasser fließt. Genauso entsteht ein magnetisches Feld nur dann, wenn Strom fließt – also, wenn du ein Gerät einschaltest. Die leuchtende Nachttischlampe erzeugt jetzt zusätzlich zum elektrischen auch ein magnetisches Feld. Je mehr Strom das Gerät zieht, desto stärker das Feld.
- Woher kommt’s? Überall, wo Strom verbraucht wird: Trafos in Netzteilen (Radiowecker!), Motoren (Kühlschrank!), Dimmer und Induktionskochfelder.
- Achtung: Das ist der knifflige Part. Magnetfelder kann man im Haushalt kaum abschirmen. Die beste Strategie ist hier ganz simpel: Abstand halten! Baubiologische Richtwerte sehen hier Werte unter 100 Nanotesla (nT) als Idealfall am Schlafplatz.
Übrigens, eine häufige, fiese Quelle für hohe Magnetfelder sind Installationsfehler. Ein falsch angeschlossener Neutralleiter kann zu Ausgleichsströmen führen, die ordentlich was abstrahlen. Das zu finden, ist echte Detektivarbeit für den Profi.
3. Hochfrequente elektromagnetische Felder (Die Funkwellen)
Das hier hat nichts mehr mit dem Strom aus der Steckdose zu tun. Hier geht es um drahtlose Kommunikation – man kann es sich wie Wellen auf einem See vorstellen, die Infos transportieren.

- Woher kommt’s? WLAN-Router, DECT-Schnurlostelefone, Handys, Bluetooth-Boxen und natürlich die Sendemasten draußen.
- Kleiner Tipp: Die Intensität nimmt im Quadrat zum Abstand ab. Doppelte Entfernung bedeutet also nur noch ein Viertel der Belastung. Als Orientierung: Baubiologen empfehlen für den Schlafbereich Werte unter 10 Mikrowatt pro Quadratmeter (µW/m²). Oft ist das eigene WLAN der größte Störenfried.
Messen statt Raten: So geht ein Profi vor
Im Netz gibt es unzählige günstige Messgeräte. Ganz ehrlich? Die meisten taugen nicht viel. Sie piepsen und blinken und machen dich am Ende nur verrückt, ohne dir verlässliche Werte zu liefern. Eine richtige Messung ist ein systematischer Prozess.
Das fängt immer mit einem Gespräch am Küchentisch an. Ich frage nach dem Alltag, nach dem Schlaf, nach den Gewohnheiten. Ich hatte mal eine Familie, die über ständige Müdigkeit klagte. Die dachten sofort an den neuen Sendemast im Ort. Bei der Messung am Bett haben wir dann den wahren Schuldigen gefunden: ein alter Radiowecker mit einem riesigen Trafo direkt neben dem Kopfkissen. Das Ding hat ein enormes Magnetfeld erzeugt. Wecker einen Meter weiter weg gestellt – Problem gelöst.

Danach folgt die systematische Messung am Schlafplatz. Erst messen wir die Belastung von außen bei abgeschalteten internen Quellen. Dann schalten wir WLAN und Co. wieder ein. Und dann kommt der spannendste Teil: Wir schalten im Sicherungskasten alle Kreise aus und einzeln wieder an. So sehen wir ganz genau, welche Leitung in der Wand für das elektrische Feld am Bett verantwortlich ist.
Was kostet der Spaß? Rechne für eine professionelle Schlafplatzanalyse durch einen erfahrenen Messtechniker mal mit einer Spanne von 300 bis 600 Euro, je nach Aufwand und Region. Das ist gut investiertes Geld, weil du danach einen klaren Plan hast und nicht im Nebel stocherst.
Praktische Lösungen: Dein Werkzeugkasten für mehr Ruhe
So, jetzt wird’s konkret. Man muss nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen. Oft bringen die einfachen Dinge schon am meisten.
Elektrische Felder bändigen
Das Ziel ist, die Spannung aus dem Schlafzimmer zu bekommen. Dafür gibt es mehrere Stufen:

- Die Null-Euro-Lösung: Einfach nachts den Stecker von Lampe, Ladegerät und Co. ziehen. Simpel, aber extrem wirksam.
- Die bequeme Lösung: Eine schaltbare Steckerleiste. Aber Achtung! Kauf unbedingt eine, die 2-polig abschaltet. Nur die trennt die Leitung wirklich komplett. Gute Modelle, z.B. von Brennenstuhl, gibt es schon für 15 bis 30 Euro in jedem Baumarkt.
- Die Profi-Lösung: Der Netzfreischalter. Das ist ein kleines Gerät, das der Elektriker in den Sicherungskasten einbaut. Sobald du das letzte Licht im Schlafzimmer ausschaltest, merkt er das und kappt den kompletten Stromkreis. Das elektrische Feld fällt auf null. Super komfortabel und sauber. Inklusive Einbau vom Fachmann solltest du hier mit Kosten zwischen 250 und 400 Euro rechnen. Das ist aber definitiv nichts für Heimwerker!
Magnetfeldern aus dem Weg gehen
Wie gesagt: Abstand ist hier der Königsweg. Ein Meter Abstand zum Radiowecker oder Handyladegerät macht einen riesigen Unterschied. Vermeide es auch, direkt an Wänden zu schlafen, hinter denen große Verbraucher wie der Kühlschrank oder die Heizungspumpe brummen.

Funkwellen bewusst nutzen
Es geht nicht darum, wieder im digitalen Mittelalter zu leben, sondern die Technik clever zu nutzen.
- LAN ist dein Freund: Für den PC, den Smart-TV oder die Spielekonsole ist ein gutes altes LAN-Kabel immer besser als WLAN. Es ist schneller, stabiler und strahlt nicht.
- WLAN optimieren: Stell den Router nicht ins Schlafzimmer. In den Einstellungen vieler moderner Geräte kannst du die Sendeleistung reduzieren und eine Zeitschaltung einrichten, die das WLAN nachts automatisch deaktiviert.
- DECT-Telefone austauschen: Klassische Schnurlostelefone sind Dauersender. Die Basisstation funkt 24/7 mit voller Pulle. Achte beim Kauf auf den „ECO DECT“ oder „Full Eco Mode“. Diese Telefone senden nur noch, wenn du wirklich telefonierst. Die gibt es für 40 bis 80 Euro. Oder du steigst wieder auf ein schickes Schnurtelefon um.
- Ein Wort zur Abschirmung: Manchmal, bei einem nahen Sendemast, kann man über Abschirmfarben oder -gewebe nachdenken. Aber Vorsicht! Eine unsachgemäß angebrachte Abschirmung, die nicht fachgerecht geerdet wird, kann die Situation sogar verschlimmern, indem sie Felder im Raum reflektiert. Das ist ein Projekt, das unbedingt von einem Profi mit Messgerät begleitet werden muss. Die Idee, mal eben Alufolie hinter die Tapete zu kleben, ist leider ein Schuss in den Ofen.

Dein Quick-Win für heute Abend
Lust auf ein kleines Experiment? Mach heute Nacht mal Folgendes: Zieh wirklich ALLES im Umkreis von 1,5 Metern um dein Bett aus der Steckdose. Jede Lampe, jedes Ladegerät, die schaltbare Leiste – alles raus. Nur für eine Nacht. Vielleicht merkst du ja einen Unterschied. Probier’s einfach mal aus!
Wann der Meister ran muss: Die rote Linie
Ich finde es super, wenn Leute Dinge selbst in die Hand nehmen. Aber bei der Hauselektrik hört der Spaß auf. Hier ist die klare Grenze:
Das kannst du sicher selbst tun: Geräte ausstecken, Abstand halten, LAN-Kabel verlegen, den WLAN-Router nachts ausschalten oder ein neues DECT-Telefon einrichten.
Hierfür brauchst du UNBEDINGT einen Profi: Alles am Sicherungskasten (Netzfreischalter!), die Installation von abgeschirmten Leitungen, die Suche nach Installationsfehlern und die Planung von Abschirmmaßnahmen. Ein Laie, der an der Installation herumpfuscht, riskiert nicht nur sein Leben, sondern auch seinen Versicherungsschutz.
Wie findest du den richtigen Fachmann? Suche nach einem Elektromeister, der eine Zusatzausbildung im Bereich Baubiologie oder Messtechnik hat. Frag ihn direkt am Telefon, ob er sich mit dem Thema auskennt. Ein guter Profi wird dir sachlich und ohne Panikmache zuhören.

Mein Fazit aus der Praxis
Unsere elektrische Umgebung ist da und wird nicht mehr verschwinden. Aber wir sind ihr nicht hilflos ausgeliefert. Wenn man das Thema von der emotionalen auf die sachliche Ebene holt, verliert es seinen Schrecken. Es geht darum, zu verstehen, was da passiert, und dann vernünftige Entscheidungen zu treffen.
Fang mit den einfachen Dingen an. Schalte nachts ab, schaffe Abstand, nutze Kabel, wo es geht. Allein das kann schon eine gewaltige Verbesserung bringen. Du hast die Kontrolle über dein Zuhause. Und mit dem richtigen Wissen kannst du es dir so gestalten, dass du dich darin rundum wohlfühlst.
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Wie kann ich mein Schlafzimmer nachts stromfrei schalten, ohne alles ausstecken zu müssen?
Die eleganteste Lösung, die wir Elektriker oft bei Neubauten oder Sanierungen empfehlen, ist ein Netzfreischalter, auch Netzabkoppler genannt. Dieses kleine Gerät wird direkt im Sicherungskasten für den Schlafzimmer-Stromkreis installiert. Sobald Sie das letzte Gerät in diesem Raum ausschalten – zum Beispiel Ihre Nachttischlampe –, erkennt der Schalter das und kappt die gesamte Stromzufuhr zum Zimmer. Das elektrische Wechselfeld in den Wänden bricht zusammen. Sobald Sie morgens wieder das Licht anknipsen, schaltet er den Strom blitzschnell wieder zu. Modelle von Herstellern wie Eltako oder Gira sind hier bewährte Klassiker.

„Der Abstand ist Ihr bester Freund. Schon 30 Zentimeter Entfernung können die Belastung durch hochfrequente Felder eines Smartphones um ein Vielfaches reduzieren.“
Diese Faustregel des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) ist Gold wert. Das Handy als Wecker auf dem Nachttisch direkt neben dem Kopf? Keine gute Idee. Selbst wenn Sie nicht telefonieren, sendet es regelmäßig Signale. Die einfachste Lösung: Schalten Sie es nachts in den Flugmodus oder legen Sie es am anderen Ende des Raumes ab.

Standard-Installationskabel: Das graue „NYM-J“-Kabel in den meisten Wänden besitzt keine spezielle Abschirmung. Das elektrische Feld kann sich relativ ungehindert im Raum ausbreiten.
Abgeschirmtes Kabel: Ein Kabel wie das „NYM-J-St“ hat eine zusätzliche Folienschicht aus Aluminium unter dem Mantel. Diese wird an die Erdung angeschlossen und leitet das elektrische Feld sicher ab, anstatt es in den Raum abstrahlen zu lassen. Ein Muss für sensible Bereiche bei einer Neuinstallation.
Oft sind es nicht die großen Geräte, sondern die kleinen, ständigen Begleiter, die für ein permanentes elektrisches Feld sorgen. Machen Sie mal einen schnellen Check im Schlafzimmer:
- Verläuft eine Mehrfachsteckdose oder ein Verlängerungskabel direkt unter dem Bett?
- Steckt das Handyladegerät ungenutzt, aber dauerhaft in der Steckdose neben dem Kopfkissen?
- Wird der Radiowecker mit einem Steckernetzteil betrieben statt mit Batterien?
- Steht eine Schreibtischlampe mit Halogentrafo nah am Bett?
Schon das Umstecken eines einzigen Geräts kann hier einen messbaren Unterschied machen.



