Gesund wohnen: Ein Handwerks-Profi verrät, worauf es wirklich ankommt

von Mareike Brenner
Anzeige

In meiner Werkstatt riecht es meistens nach Holz und manchmal nach frischem Öl. Ein Geruch, den ich liebe. Aber ich werde nie vergessen, wie ich mal in eine Wohnung kam, um einen Schrank zu montieren. Da schlug mir ein ganz anderer Duft entgegen – stechend, irgendwie chemisch, einer, der sich sofort in der Nase festsetzt. Die Frau des Hauses erzählte mir, sie hätte ständig Kopfschmerzen und die Kinder seien oft schlapp. Keiner wusste, woran es lag.

Nach einigem Suchen war der Übeltäter gefunden: ein günstiger Teppichboden, der vollflächig verklebt war und munter Weichmacher und anderen Kram ausdünstete. Kurzerhand wurde der Boden rausgerissen und durch ein schönes, geöltes Eichenparkett ersetzt. Und siehe da, die Kopfschmerzen waren weg. Dieses Erlebnis hat meine Sicht auf meinen Job für immer verändert. Es geht nicht nur darum, dass etwas hübsch aussieht. Wir schaffen Lebensräume. Und in denen sollten Menschen verdammt nochmal gesund bleiben können.

Gesundes Bauen ist übrigens keine neumodische Spinnerei. Es ist im Grunde die Rückbesinnung auf solides Handwerkswissen und einfache Bauphysik. Es geht darum, das richtige Material an der richtigen Stelle zu verwenden. Ich will hier mal mein Wissen aus über 30 Jahren Praxis teilen – ganz ohne Fachchinesisch, aber mit dem nötigen Tiefgang.

gesundes wohnen metropolen in deutschland
Anzeige

Der Mythos vom „atmenden Haus“ – und was wirklich dahintersteckt

Immer wieder höre ich diesen Satz: „Ich möchte aber Wände, die atmen!“ Das klingt total super und natürlich, ist physikalisch aber, ehrlich gesagt, Quatsch. Eine Wand atmet nicht wie eine Lunge. Ein Luftaustausch direkt durch eine massive Wand ist winzig und vor allem unerwünscht. Wenn Luft unkontrolliert durch Fugen und Ritzen pfeift, nennen wir das Zugluft. Das treibt nicht nur deine Heizkosten in die Höhe, sondern kann auch Feuchtigkeit in die Konstruktion ziehen, was zu Schimmel und fiesen Bauschäden führt.

Was wir wirklich wollen: Eine Wand wie eine gute Outdoor-Jacke

Was eine gute Wand aber können muss, ist der Umgang mit Feuchtigkeit. Denk mal drüber nach: Eine vierköpfige Familie gibt locker 10 bis 12 Liter Wasser pro Tag an die Raumluft ab – durch Atmen, Duschen, Kochen. Diese Feuchtigkeit muss raus, sonst sucht sie sich die kälteste Stelle im Raum und kondensiert dort. Der perfekte Nährboden für Schimmel.

Und hier kommt die sogenannte Dampfdiffusion ins Spiel. Stell es dir wie eine Gore-Tex-Jacke für dein Haus vor: Von außen ist sie wind- und regendicht, aber Schweiß in Form von Wasserdampf kann von innen nach außen entweichen. Eine „diffusionsoffene“ Wand kann also überschüssige Feuchtigkeit aus der Raumluft aufnehmen und langsam wieder abgeben, wenn die Luft trockener wird. Sie wirkt wie ein Puffer. Materialien wie Lehmputz, Kalkputz, Ziegel oder Holzfaserdämmplatten sind darin absolute Meister. Das Ergebnis? Ein spürbar ausgeglicheneres und angenehmeres Raumklima.

Gleichzeitig muss die Gebäudehülle aber trotzdem absolut luftdicht sein. Das ist keine Option, sondern Vorschrift und wird mit einem sogenannten Blower-Door-Test überprüft. Eine dichte Hülle ist die Basis für niedrige Heizkosten. Der Luftaustausch muss dann eben gezielt stattfinden: entweder durch regelmäßiges Stoßlüften oder über eine kontrollierte Wohnraumlüftung.

Die Materialwahl: Eine Entscheidung für deine Gesundheit

Jedes Brett, jede Schraube und jeder Eimer Farbe hat Einfluss auf dein Wohlbefinden. Es geht nicht nur um Optik oder Preis, sondern um die inneren Werte der Baustoffe.

Wandaufbau – Das Fundament für gutes Klima

  • Ziegel: Ein Klassiker, und das aus gutem Grund. Gebrannter Ton ist diffusionsoffen, speichert Wärme und reguliert die Feuchtigkeit. Ein solides Ziegelhaus hat einfach ein unschlagbar stabiles Klima.
  • Kalksandstein: Extrem massiv, daher ein Top-Schalldämmer und Wärmespeicher. Bei der Feuchtigkeitsregulierung ist er nicht ganz so gut wie Ziegel, aber immer noch top.
  • Holz: Egal ob Massivholz- oder Holzrahmenbau – Holz ist ein fantastischer, warmer Baustoff. Wichtig ist hier aber, dass man auf chemischen Holzschutz verzichtet und stattdessen auf konstruktive Lösungen setzt, die das Holz trocken halten. Ich hab schon alte Dachstühle saniert, deren giftige Holzschutzmittel heute noch ausdünsten. Sowas braucht kein Mensch mehr.
  • Lehm: Lehm ist der absolute Champion der Feuchtigkeitsregulierung. Eine Wand mit Lehmputz kann das Raumklima dramatisch verbessern, bindet sogar Schadstoffe und Gerüche. Die Verarbeitung braucht etwas Übung, aber es lohnt sich. Übrigens: Lehmputz findest du selten im Standard-Baumarkt, schau dafür lieber im ökologischen Baustoffhandel oder online bei Spezialisten.

Dämmstoffe im Klartext: Preis, Leistung und Hitzeschutz

Dämmung ist nicht gleich Dämmung. Hier gibt es riesige Unterschiede, nicht nur beim Preis, sondern vor allem beim Wohngefühl im Sommer!

  • Polystyrol (EPS/Styropor): Ganz klar der Preis-Champion. Du bekommst es schon für ca. 15-25 € pro Quadratmeter. Aber es ist und bleibt ein Erdölprodukt. Es ist wie eine Plastiktüte ums Haus – nicht diffusionsoffen. Das kann bei falscher Anwendung zu Feuchtigkeitsproblemen führen. Und im Brandfall… naja. Ich nutze es nur, wenn es technisch absolut nicht anders geht.
  • Mineralwolle (Glas-/Steinwolle): Der solide Allrounder im mittleren Preissegment, so um die 20-35 €/m². Dämmt gut, brennt nicht, alles okay. Aber die Verarbeitung ist kein Spaß, das Jucken auf der Haut vergisst man nicht so schnell. Hier ist Schutzausrüstung absolute Pflicht!
  • Naturdämmstoffe (Holzfaser, Zellulose, Hanf): Hier schlägt mein Handwerkerherz höher. Ja, sie sind teurer, rechne mal mit 40-60 € pro Quadratmeter. ABER: Du kaufst dir damit nicht nur Winterschutz, sondern vor allem den besten sommerlichen Hitzeschutz. Ich hab mal ein Dachgeschoss mit Zellulose gedämmt – da war es im Hochsommer locker 5 Grad kühler als im Nachbarhaus mit Glaswolle. Das überzeugt jeden Skeptiker. Außerdem sind sie diffusionsoffen und die Verarbeitung ist ein Traum.

Bodenbeläge – Was dir zu Füßen liegt

Mit dem Boden hast du ständigen Kontakt. Hier sollte man besonders genau hinschauen.

  • Massivholz: Parkett oder Dielen sind langlebig und wohngesund, wenn die Oberfläche stimmt. Statt chemischer Lacke versiegeln wir fast nur noch mit natürlichen Hartwachsölen. Der Boden bleibt diffusionsoffen und fühlt sich warm an. Kleiner Tipp: So einen Boden kannst du super einfach selbst ölen! 1. Boden leicht anschleifen (120er Körnung reicht). 2. Öl dünn mit einem Baumwolltuch auftragen. 3. Nach ca. 15-20 Minuten den Überschuss mit einem sauberen Tuch abpolieren. Fertig! Kratzer lassen sich später einfach lokal ausbessern.
  • Laminat: Besteht aus gepressten Holzfasern und Leim. Günstige Produkte können Formaldehyd ausdünsten. Achte hier unbedingt auf Prüfsiegel wie den „Blauen Engel“. Das ist quasi deine Garantie dafür, dass die Ausdünstungen minimal sind.
  • Vinyl/PVC: Praktisch und wasserfest, keine Frage. Aber es ist Kunststoff, oft mit Weichmachern (Phthalaten), die nicht gerade als gesundheitsfördernd gelten. Auch wenn es phthalatfreie Alternativen gibt – es bleibt ein Kunststoff, der die Raumluft belasten kann.

Farben & Putze – Die Haut deiner Wände

  • Dispersionsfarben: Der Standard. Aber die meisten enthalten Kunststoffe und Konservierungsstoffe, die eine dichte Schicht auf der Wand bilden und die Feuchtigkeitsregulierung behindern.
  • Silikat- & Kalkfarben: Das ist die Champions League für ein gesundes Raumklima. Sie sind von Natur aus alkalisch und bieten Schimmel so gar keinen Nährboden – perfekt für Bad oder Keller. Sie sind extrem diffusionsoffen und sorgen für eine unvergleichlich frische Luft. Solche Farben findest du eher im Malerfachhandel, aber die kleine Suche lohnt sich.

Praktische Tipps: Was du sofort tun kannst

Du musst nicht gleich das ganze Haus entkernen. Kleine Schritte machen oft schon einen riesigen Unterschied.

Dein Quick-Win für heute: Kauf dir für 10 Euro ein einfaches Hygrometer im Baumarkt. Stell es ins Schlafzimmer. Liegt die Luftfeuchtigkeit morgens dauerhaft über 65 %? Dann ist klar: Du musst mehr und besser lüften! Das ist der einfachste und günstigste Schritt zu einem besseren Raumklima.

Checkliste: Stimmt was nicht mit meiner Raumluft?

Stell dir mal ehrlich diese Fragen:

  • Riecht es oft muffig, auch nach dem Lüften? Das könnte auf versteckten Schimmel hindeuten.
  • Hast du zu Hause oft Kopfschmerzen, brennende Augen oder eine verstopfte Nase? Das können Reaktionen auf Ausdünstungen (VOCs) aus neuen Möbeln, Farben oder Böden sein.
  • Sind deine Fenster morgens im Winter immer stark von innen beschlagen? Ein klares Zeichen für zu hohe Luftfeuchtigkeit.

Wenn du bei einem Punkt nickst, ist der erste Schritt immer: Lüften, lüften, lüften! Und zwar richtig: 3-4 Mal täglich für 5-10 Minuten die Fenster komplett aufreißen (Stoßlüften). Gekippte Fenster bringen fast nichts. Wenn es nicht besser wird, muss ein Profi ran.

Wann der Fachmann ran muss

Ganz klar: Bei Schimmelbefall, der größer als eine Postkarte ist, oder wenn du den Verdacht auf alte Schadstoffe (z.B. in Häusern, die vor den 90ern gebaut wurden) hast, solltest du nicht selbst experimentieren. Ein Baubiologe oder ein Sachverständiger kann mit einer Raumluftmessung Klarheit schaffen. Das Geld ist gut investiert.

Ein letztes Wort aus der Werkstatt

Zwei Warnungen, die mir wirklich am Herzen liegen, weil ich das Elend schon live gesehen habe:

Achtung, Altbau! Reiß niemals blindlings alte Bodenbeläge oder Dämmungen raus. Gerade in Häusern aus den 60er bis 80er Jahren kann Asbest lauern. Einmal freigesetzt, hast du die krebserregenden Fasern jahrelang in der Luft. Eine Probe analysieren zu lassen, kostet vielleicht 150 Euro. Das ist nichts im Vergleich zum gesundheitlichen Risiko.

Brandschutz ist kein Witz. Naturdämmstoffe sind super, aber sie müssen fachgerecht verbaut werden. Ich habe eine Fassade gesehen, die wegen eines brennenden Mülleimers komplett abgeschmolzen ist, weil sie mit billigem Polystyrol gedämmt war. Fachgerechte Installation ist hier buchstäblich lebenswichtig.

Dieser Artikel soll dir einen ehrlichen Einblick geben. Aber er kann natürlich keine professionelle Beratung für dein Haus ersetzen. Nimm dir die Zeit, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dein Zuhause ist der wichtigste Ort der Welt. Es lohnt sich, nicht nur in die Optik zu investieren, sondern vor allem in die unsichtbaren Qualitäten, die deine Gesundheit schützen. Das ist solides Handwerk. Und darauf kommt es am Ende an.

Inspirationen und Ideen

Woran erkenne ich eigentlich wohngesunde Möbel?

Achten Sie auf das Innenleben! Gerade bei Polstermöbeln oder Schränken aus Holzwerkstoffen können Klebstoffe und Schäume über Jahre Formaldehyd und andere flüchtige organische Verbindungen (VOC) ausdünsten. Massivholz ist hier klar im Vorteil. Suchen Sie gezielt nach Herstellern, die auf schadstoffgeprüfte Materialien setzen, wie z.B. TEAM 7 oder Grüne Erde. Bei kleinerem Budget helfen Siegel wie der „Blaue Engel“ oder das „Goldene M“, die strenge Grenzwerte für Emissionen vorschreiben.

Laut der US-Umweltschutzbehörde EPA ist die Konzentration bestimmter Schadstoffe in Innenräumen oft zwei- bis fünfmal höher als im Freien.

Ein Weckruf, der zeigt: Frischluft ist kein Luxus. Regelmäßiges und richtiges Lüften – das sogenannte Stoßlüften für 5-10 Minuten – ist die einfachste und effektivste Maßnahme, um Schadstoffe und überschüssige Feuchtigkeit aus den eigenen vier Wänden zu befördern.

Weg von der klassischen Raufaser? Die Wände sind die größte Oberfläche im Raum und beeinflussen das Klima maßgeblich. Hier sind drei Alternativen zu herkömmlichen Dispersionsfarben:

  • Kalkfarbe: Wirkt von Natur aus desinfizierend und ist hochgradig schimmelhemmend. Ideal für Feuchträume wie Bad und Küche.
  • Lehmfarbe: Ein Meister der Feuchtigkeitsregulierung. Sie kann Luftfeuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben, was für ein ausgeglichenes Raumklima sorgt.
  • Silikatfarbe: Geht eine unlösbare Verbindung mit mineralischen Untergründen ein (Verkieselung) und ist extrem langlebig und atmungsaktiv.

Geöltes Parkett: Fühlt sich warm und natürlich an, lässt das Holz atmen und kann partiell ausgebessert werden. Kleine Kratzer oder Dellen lassen sich oft einfach ausschleifen und nachölen, ohne den ganzen Boden erneuern zu müssen.

Versiegeltes Parkett: Bildet eine schützende Lackschicht auf dem Holz. Diese ist zwar sehr robust gegen Schmutz und Flüssigkeiten, aber bei tiefen Kratzern muss meist die gesamte Fläche abgeschliffen und neu versiegelt werden. Zudem geht die direkte Haptik des Holzes verloren.

Das vergessene Sinnesorgan: unsere Nase. Düfte beeinflussen unser Wohlbefinden enorm. Zirbenholz zum Beispiel enthält ätherische Öle, die nachweislich die Herzfrequenz senken und den Schlaf vertiefen können. Ein Bett aus Zirbe oder auch nur ein Kissen mit Zirbenspänen kann so zur Oase der Erholung im Schlafzimmer werden.

  • Nährt und schützt Holzoberflächen porenoffen.
  • Sorgt für einen seidenmatten, antistatischen Glanz.
  • Ist zu 100 % frei von synthetischen Lösemitteln.

Das Geheimnis? Eine selbstgemachte Holzpflege aus Bienenwachs und Leinölfirnis. Einfach beides im Wasserbad schmelzen, vermischen und abkühlen lassen. So wird die Pflege von Massivholzmöbeln zu einem duftenden, natürlichen Ritual.

Vorsicht, Greenwashing! Der Begriff „Öko“ ist nicht geschützt. Anstatt auf blumige Werbeversprechen zu vertrauen, sollten Sie auf harte Fakten und unabhängige Prüfsiegel achten. Das natureplus®-Qualitätszeichen beispielsweise zertifiziert Bauprodukte, die besonders strengen Kriterien in Bezug auf Klimaschutz, Wohngesundheit und Funktionalität genügen. Ein Blick auf die Zertifizierung gibt echte Sicherheit.

Pflanzen sind mehr als nur Dekoration; sie sind lebendige Luftfilter. Bestimmte Arten können nachweislich Schadstoffe wie Formaldehyd oder Benzol aus der Raumluft filtern. Zu den Superhelden für ein gesundes Raumklima gehören der Bogenhanf (Sansevieria), die Efeutute (Epipremnum aureum) und das Einblatt (Spathiphyllum). Schon wenige strategisch platzierte Pflanzen können die Luftqualität spürbar verbessern.

Mareike Brenner

Mareike ist 1991 in Bonn geboren und hat ihr Diplom in der Fachrichtung Journalistik an der TU Dortmund erworben. Sie hat einen Hintergrund im Bereich Design, da sie an der HAW Hamburg Illustration studiert hat. Mareike hat aber einen Sprung in die Welt des Journalismus gemacht, weil sie schon immer eine Leidenschaft für kreatives Schreiben hatte. Derzeit ist sie in der Redaktion von Freshideen tätig und schreibt gern Berichte über Schönheitstrends, Mode und Unterhaltung. Sie kennt übrigens alle Diäten und das Thema „Gesund abnehmen“ wird von ihr oft bevorzugt. In ihrer Freizeit kann man sie beim Kaffeetrinken mit Freunden antreffen oder sie bleibt zu Hause und zeichnet. Neulich hat sie eine neue Leidenschaft entdeckt, und das ist Online-Shopping.