Weltreise mit dem Rad: Vergiss die Hochglanz-Blogs – das ist die ehrliche Vorbereitung
Ich saß mal in einem winzigen Gasthaus mitten in der kasachischen Steppe. Draußen heulte der Wind, mein treues, staubiges Rad lehnte an der Wand und der Tee war heiß und süß. Genau in dem Moment wurde mir wieder sonnenklar: Eine Weltreise mit dem Fahrrad ist kein verlängerter Urlaub. Absolut nicht. Es ist eher eine Art Handwerk, eine Lebenseinstellung, die man lernen muss.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Das Herzstück: Dein Rad. Aber was kostet der Traum eigentlich?
- 2 Körperliche Vorbereitung: Musst du zum Athleten werden?
- 3 Die Kunst des Packens: Weniger ist dein neues Mantra
- 4 Unterwegs: Der Alltag, der keiner ist
- 5 Das große Ganze: Planung, Bürokratie und Geld
- 6 Und was bleibt am Ende?
- 7 Bildergalerie
Es fordert deinen Körper, deinen Kopf und natürlich das Material bis aufs Äußerste. Aber, und das ist das Verrückte, es gibt dir so unendlich viel mehr zurück. Nach Zehntausenden von Kilometern auf den Straßen dieser Welt habe ich so ziemlich jeden Fehler gemacht, den man machen kann. Ich habe gelernt, was wirklich zählt und was nur unnötiger Ballast ist. Dieses Wissen will ich hier mit dir teilen – nicht als Gesetz, sondern als Ratschlag von jemandem, der schon Lehrgeld bezahlt hat.
Das Herzstück: Dein Rad. Aber was kostet der Traum eigentlich?
Bevor wir über Gänge und Bremsen philosophieren, lass uns mal ehrlich über Geld reden. Die wichtigste Entscheidung ist die Wahl deines Fahrrads. Es wird dein Zuhause, dein Lastesel und dein bester Freund sein. Hier zu sparen, ist der größte Fehler. Aber was heißt das in Euro? Ganz ehrlich: Für ein wirklich weltreisetaugliches Setup, also Rad, Packtaschen und die wichtigste Ausrüstung, solltest du realistisch planen.

- Das Fahrrad selbst: Eine solide, zuverlässige Basis fängt bei etwa 2.500 € an und kann locker bis 5.000 € oder mehr gehen.
- Packtaschen: Ein komplettes, wasserdichtes Set von Qualitätsherstellern wie Ortlieb kostet dich schnell 300 – 400 €.
- Camping-Ausrüstung: Für ein leichtes Zelt, einen guten Schlafsack und eine Isomatte kommen nochmal 500 – 1.000 € zusammen.
Puh, das ist eine Stange Geld, ich weiß. Aber sieh es als Investition in deine Sicherheit und deinen Seelenfrieden. Ein Defekt in der Zivilisation ist nervig. Ein Defekt hunderte Kilometer davon entfernt kann verdammt gefährlich werden.
Der Rahmen: Warum Stahl die einzig wahre Liebe ist
Für eine echte Langstreckenreise gibt es für mich nur ein Material: Stahl. Das hat nichts mit Nostalgie zu tun, sondern mit purer, knallharter Praxis. Ein Stahlrahmen ist unglaublich zäh. Er bricht nicht einfach plötzlich wie Aluminium oder Carbon, sondern er verbiegt sich, er warnt dich. Und der entscheidende Punkt: Du kannst ihn fast überall auf der Welt von einem Dorfschmied schweißen lassen. Versuch das mal mit einem Carbonrahmen in Bolivien…

Achte auf eine entspannte Geometrie mit einem langen Radstand; das sorgt für Stabilität, wenn du voll beladen bist. Genügend Ösen für Gepäckträger (schau dir mal die von Tubus an) und Flaschenhalter sind Pflicht. Ich habe fünf Halter montiert – in der Wüste Gobi war ich für jeden einzelnen dankbar.
Die Schaltung: Der ewige Glaubenskrieg
Okay, die große Frage: Kettenschaltung oder Nabenschaltung? Ich bin beides über Tausende von Kilometern gefahren und mein Fazit ist klar. Wenn du das Geld hast, ist eine hochwertige, gekapselte Getriebenabe (wie die von Rohloff) die beste Investition deines Lebens. Sie ist praktisch wartungsfrei, unempfindlich gegen Dreck und Stöße und die Gänge sitzen immer perfekt. Ja, sie ist schwer und teuer, aber was sind 500 Gramm mehr gegen die Gewissheit, nie wieder eine Schaltung im strömenden Regen einstellen zu müssen?
Dein Spar-Tipp: Kein Budget für eine teure Nabe? Kein Problem! Eine bewährte Kettenschaltung, zum Beispiel eine Shimano Deore XT, ist ein absolutes Arbeitstier und kostet nur einen Bruchteil. Der Kompromiss: Du musst sie pflegen, reinigen und unterwegs auch mal einstellen können. Wichtig ist hier eine bergtaugliche Übersetzung, damit du mit Gepäck nicht am ersten Hügel kapitulierst. Deine Knie werden es dir danken!

Bremsen & Laufräder: Deine Lebensversicherung
Auf einer steilen Passabfahrt mit 25 Kilo Gepäck willst du dich zu 100 % auf deine Bremsen verlassen können. Ich schwöre auf mechanische Scheibenbremsen (wie die Avid BB7). Warum? Sie haben fast die gleiche Power wie hydraulische, aber du kannst sie mit einem simplen Bremszug reparieren, den du an jeder Ecke der Welt bekommst. Eine undichte Hydraulikleitung im Nirgendwo ist ein echtes Problem.
Bei den Laufrädern gilt: Stabilität vor Gewicht. 36 Speichen sind Pflicht, nicht 32. Und ein Nabendynamo (die von SON sind der Goldstandard) ist unverzichtbar. Er liefert dir Strom für Licht, GPS und Handy und macht dich unabhängig von Steckdosen. Bei den Reifen gibt’s keine Kompromisse. Der Schwalbe Marathon Mondial ist eine Legende – pannensicher und vielseitig. Nimm trotzdem immer einen Faltreifen als Ersatz mit. Glaub mir.
Körperliche Vorbereitung: Musst du zum Athleten werden?
Gute Nachricht: Du musst kein Triathlet sein, um eine Rad-Weltreise zu starten. Die beste Vorbereitung für langes Radfahren ist… langes Radfahren. Die Fitness kommt unterwegs von ganz allein, dein Körper passt sich an. Was aber hilft: Fahr in den Monaten vor der Abreise regelmäßig, auch mal mit Gepäck. Mach ein paar Wochenendtouren. So gewöhnt sich dein Hintern an den Sattel und du merkst, wo es eventuell zwickt. Es geht mehr darum, mental reinzukommen und dein Setup zu testen, als darum, Rekorde zu brechen.

Die Kunst des Packens: Weniger ist dein neues Mantra
Auf meiner ersten großen Tour schleppte ich 35 Kilo mit mir rum. Eine absolute Qual. Heute reise ich mit 15 bis 18 Kilo, inklusive allem. Die Regel ist simpel: Was du einen Monat lang nicht benutzt hast, brauchst du wahrscheinlich nicht.
Das Gewicht richtig zu verteilen ist entscheidend für die Fahrstabilität: Schweres Zeug (Werkzeug, Essen, Zelt) kommt in die hinteren Taschen, so tief wie möglich. Mittelschweres (Schlafsack, Kleidung) kommt nach vorn in die Lowrider-Taschen. Das stabilisiert die Lenkung enorm. In die Lenkertasche gehören nur leichte Wertsachen und Snacks. Eine leichte Zeltrolle kommt obendrauf.
Eine ehrliche Packliste (nur das Nötigste!)
Vergiss die endlosen Listen im Internet. Passe deine Ausrüstung an deine Route an. Als ich nach Südostasien flog, habe ich meinen -5°C Daunenschlafsack gegen einen leichten Seidenschlafsack getauscht und so fast ein Kilo gespart. Flexibilität ist alles!
- Schlafen: Leichtes Zelt (max. 2 kg), warmer Daunenschlafsack, gute aufblasbare Isomatte.
- Küche: Multifuel-Kocher (läuft mit Tankstellenbenzin), ein Topf, ein Becher, ein Spork. Ein Wasserfilter ist überlebenswichtig!
- Kleidung: Eine gute Regenjacke/-hose, eine warme Jacke, 2 Radhosen, 2 Trikots, 1 lange Hose, 3 Paar Socken, 3 Unterhosen. Alles aus schnell trocknendem Material, bloß keine Baumwolle!
- Werkzeug & Ersatzteile: Multitool, Flickzeug, Pumpe, Ersatzspeichen, Bremsbeläge, Züge, ein Faltreifen, Schläuche. Und jetzt der Profi-Tipp: Kabelbinder und Panzertape. Damit reparierst du (fast) alles.
Dein Quick-Win für heute: Nimm deine Luftpumpe und wickle zwei Meter Panzertape fest darum. So hast du es immer dabei, es stört nicht und du bist für Notfälle gerüstet. Mach das am besten jetzt sofort!

Unterwegs: Der Alltag, der keiner ist
Der Alltag auf Tour hat einen eigenen Rhythmus, bestimmt von Sonne, Hunger und der Straße. Du lernst, im Moment zu leben.
Technische Pannen: Dein Mini-Workshop für die Straße
Irgendwann wird was kaputtgehen. Das ist sicher. Wichtig ist: ruhig bleiben. Du kannst fast alles selbst reparieren. Übe die Grundlagen zu Hause! Aber was ist mit den „großen“ Problemen, wie einer gebrochenen Speiche?
Keine Panik, das ist einfacher als du denkst. Kleiner Crashkurs: Zuerst musst du oft die Kassette am Hinterrad abnehmen, um an die Speichenlöcher zu kommen. Dann fädelst du die neue Speiche ein, schraubst den Nippel in die Felge und ziehst sie langsam an, bis sie etwa die gleiche Spannung hat wie die anderen. Perfekt muss es nicht sein, nur so, dass das Rad nicht mehr eiert. Den Rest kann die nächste Werkstatt erledigen. Mit ein wenig Übung gibt dir dieses Wissen eine unglaubliche Sicherheit.

Gesundheit und Sicherheit: Hör auf deinen Körper!
Dein Körper ist deine Maschine. Knieschmerzen? Wahrscheinlich die falsche Sattelhöhe. Sitzprobleme? Teste einen anderen Sattel. Mach Ruhetage! Ein Tag Pause pro Woche wirkt Wunder.
Achtung, ernstgemeinte Warnung: Dehydrierung ist dein schlimmster Feind. Trink, bevor du Durst hast! In heißen Regionen können das bis zu 10 Liter am Tag sein. Pack Elektrolytpulver ein, um die verlorenen Salze auszugleichen. Ich habe Leute getroffen, deren Reise wegen eines Hitzschlags im Krankenhaus endete. Das ist es nicht wert.
Der Kopf: Der härteste Gegner
Die größte Schlacht findet oft im Kopf statt. Einsamkeit, Heimweh, Zweifel. Das ist normal. Setz dir kleine Ziele: Nicht „Ich fahre bis China“, sondern „Ich fahre heute bis zur nächsten Stadt“. Das macht es greifbar. Und rede mit den Leuten! Ein Lächeln und ein kurzes Gespräch können einen miesen Tag retten.
Das große Ganze: Planung, Bürokratie und Geld
Eine grobe Planung nimmt dir unterwegs viel Stress. Die Route hängt von den Jahreszeiten ab – du willst nicht im Winter durch den Himalaya. Kümmer dich rechtzeitig um Visa; die Webseiten der Botschaften sind deine beste Informationsquelle.

Eine gute Auslandskrankenversicherung ist nicht verhandelbar. Punkt. Sie muss unbegrenzt decken und einen Rücktransport beinhalten. Spar hier nicht am falschen Ende, das kann dich ruinieren.
Und das Budget? Rechne in günstigen Ländern (Südostasien, Teile Südamerikas) mit 15-25 € pro Tag, wenn du oft zeltet und selbst kochst. In Europa oder Nordamerika sind es eher 30-50 €. Dazu kommen Flüge, Visa und unvorhergesehene Kosten. Mein Rat: Hab immer einen Notgroschen von mindestens 1.500 € auf einem separaten Konto.
Und was bleibt am Ende?
So eine Reise verändert dich. Du lernst Demut, Respekt und erkennst, wie wenig du eigentlich zum Glücklichsein brauchst. Du sammelst keine Souvenirs, sondern unbezahlbare Momente: den Sonnenaufgang über einem Salzsee, die Einladung zum Tee bei einer fremden Familie, das unbeschreibliche Gefühl, einen 4.000er-Pass aus eigener Kraft bezwungen zu haben.
Es ist kein Spaziergang. Es ist hart. Aber es ist die beste Schule des Lebens, die ich kenne. Wenn du den Mut für den ersten Tritt in die Pedale findest, wartet eine echte Welt auf dich. Fahr sicher!

Bildergalerie


Die Ausrüstung ist gekauft, die Route grob im Kopf. Und jetzt? Der wichtigste Schritt vor dem großen Abenteuer ist der „Shakedown“-Trip: eine Generalprobe von ein paar Tagen bis zu einer Woche. Hier zeigt sich die Wahrheit, ungeschminkt.
- Passt die Packliste? Sie werden schnell merken, ob Sie das dritte T-Shirt wirklich brauchen oder ob der Kocher unpraktisch ist.
- Funktioniert die Gewichtsverteilung? Ein schlecht beladenes Rad fährt sich furchtbar. Jetzt ist die Zeit zum Umpacken und Austarieren.
- Hält der Körper mit? Finden Sie Ihren Rhythmus und entdecken Sie, wie viele Kilometer pro Tag für Sie realistisch sind, bevor es zur Qual wird.

Schwalbe Marathon Mondial: Der Abenteurer. Sein Profil beißt sich auch in Schotterpisten und Feldwege fest. Ideal, wenn Ihre Route oft abseits des Asphalts verläuft. Er ist der Alleskönner für unvorhersehbares Terrain.
Schwalbe Marathon Plus Tour: Die Versicherung. Mit seiner legendären SmartGuard-Einlage ist er der pannensicherste Reifen auf dem Markt. Die erste Wahl für alle, die Pannen hassen und hauptsächlich auf befestigten Wegen bleiben.
Die Entscheidung ist eine Wette auf Ihre Route: Flexibilität gegen maximale Sicherheit.

- Ein Dutzend Kabelbinder in verschiedenen Größen
- Ein kleines Stück robustes Klebeband (Tipp: um die Luftpumpe wickeln)
- Zwei Ersatzspeichen, mit Klebeband am Rahmen befestigt
- Ein hochwertiges Multitool mit Kettennieter, z.B. ein Crankbrothers M19
Das Geheimnis? Nicht nur reparieren können, sondern improvisieren. Diese vier Dinge lösen 90% der Probleme, die ein Standard-Flickset nicht abdeckt.

Muss jeder Tag generalstabsmäßig geplant sein?
Ganz klar: nein. Eine grobe Richtung ist wichtig, aber die wahre Magie einer solchen Reise entfaltet sich oft im Ungeplanten. Wenn Sie eine Einladung zum Tee annehmen, die Sie drei Stunden aufhält. Wenn Sie einen Ort entdecken, der so schön ist, dass Sie statt einer Nacht drei bleiben. Zu starre Pläne erzeugen Stress und rauben Ihnen die Freiheit, die Sie eigentlich suchen. Die besten Geschichten entstehen nicht durch das Abarbeiten von Etappen, sondern durch die Bereitschaft, vom Weg abzukommen.

Die Zahl der Menschen, die von unterwegs arbeiten, hat sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt.
Das verändert auch das Radreisen. Es geht nicht mehr nur ums Abschalten, sondern auch ums Dranbleiben. Ein Solarpanel auf den Gepäcktaschen, etwa von Anker oder Goal Zero, ist keine Spielerei mehr, sondern sichert die Stromversorgung für Navigation und Kommunikation. Eine robuste Powerbank wird zum wichtigsten Begleiter nach der Wasserflasche. Statt schwerer Papierkarten navigieren Apps wie Komoot oder das offline-fähige Maps.me zielsicher durch unbekanntes Terrain.
Jedes Gramm, das Sie zu Hause lassen, ist ein Geschenk an Ihr zukünftiges Ich am Fuße eines steilen Passes. Der häufigste Fehler ist das „Was-wäre-wenn“-Packen. Was wäre, wenn ich schick essen gehe? (Wirst du nicht). Der wichtigste Grundsatz: Jedes Teil muss mindestens zwei Funktionen erfüllen oder absolut überlebenswichtig sein. Analysieren Sie Ihre Ausrüstung gnadenlos. Nach der ersten Woche auf der Straße würden Sie für 5 Kilo weniger fast alles geben.




