Die Sonne ist kein Kumpel: Was ich in Jahrzehnten auf dem Dach über UV-Schutz gelernt habe
Ich bin seit Ewigkeiten Dachdeckermeister. In meiner Anfangszeit hat man über Sonnenschutz auf dem Bau noch müde gelächelt. Ein „echter Kerl“, so dachte man, braucht keine Sonnencreme. Die knackige Bräune war quasi das Abzeichen für harte Arbeit. Tja, heute weiß ich es verdammt besser.
Inhaltsverzeichnis
Ganz ehrlich, ich habe mit eigenen Augen gesehen, was die Sonne über die Jahre anrichtet. Nicht nur auf den Ziegeln, die wir verlegen, sondern auf der Haut meiner Kollegen und auf meiner eigenen. Jedem neuen Azubi bringe ich von Tag eins an Respekt vor dem Wetter bei. Dazu gehören Sturm, Regen, Kälte – und ganz besonders die Sonne. Sie ist unser ständiger Begleiter da oben, aber sie ist kein Freund, wenn man sie unterschätzt. Das, was ich dir hier erzähle, steht so in keinem Lehrbuch. Das ist das Wissen aus tausenden Stunden auf glühend heißen Dächern in der prallen Mittagssonne.
Erstmal verstehen: Was die Sonne mit deiner Haut wirklich anstellt
Wir reden immer nur über den Sonnenbrand. Aber der ist, ehrlich gesagt, nur die laute Alarmsirene. Ein Sonnenbrand ist eine akute Entzündung, eine klare Warnung des Körpers, die du verdammt ernst nehmen solltest. Die wirkliche Gefahr ist unsichtbar und schleicht sich über Jahre an.

Dafür müssen wir kurz kapieren, was da eigentlich vom Himmel kommt. Für uns sind zwei Dinge entscheidend: UVA- und UVB-Strahlen.
- UVB-Strahlen: Das sind die Jungs für den Sonnenbrand. Merk dir einfach B wie „Brand“. Sie dringen in die obere Hautschicht ein und sorgen für die Rötung. Sie kurbeln zwar auch die wichtige Vitamin-D-Produktion an, aber wie bei allem im Leben macht die Dosis das Gift.
- UVA-Strahlen: Die sind viel fieser. Sie dringen tiefer in die Haut ein, bis ins Bindegewebe, und verursachen Falten. Merk dir A wie „Alterung“. Aber viel schlimmer: Sie können das Erbgut der Hautzellen direkt schädigen. Diese Schäden summieren sich über dein ganzes Leben. Irgendwann kann die Zelle die Fehler nicht mehr reparieren – und genau dann kann Hautkrebs entstehen.
Auf dem Dach lernen wir noch eine Lektion, und zwar die harte Tour: Die direkte Strahlung von oben ist nur die halbe Miete. Richtig gefährlich wird’s durch die Reflexion. Ein helles Blechdach, eine Zinkrinne oder sogar eine weiße Dachfolie werfen die UV-Strahlen gnadenlos zurück. Du kriegst die volle Ladung also von oben UND von unten. Das ist übrigens am Wasser oder im Schnee ganz genauso.
Sonnenschutz auf dem Bau: So machen es die Profis
Bei uns im Handwerk haben sich über die Jahre klare Strategien durchgesetzt, die auf den Vorgaben vom Arbeitsschutz, aber vor allem auf knallharter Erfahrung basieren. Diese Methoden kannst du aber 1:1 für dich anpassen, egal ob im Garten, beim Wandern oder am Strand.
1. Die TOP-Strategie: Eine simple Rangfolge
Wir halten uns an ein einfaches Prinzip, das wir „TOP“ nennen. Das steht für Technische, Organisatorische und Persönliche Schutzmaßnahmen. Und die Reihenfolge ist entscheidend.
- Technisch: Am allerbesten ist es, gar nicht erst in die pralle Sonne zu müssen. Wo immer es geht, spannen wir Sonnensegel oder Schutznetze auf. Das klappt nicht immer, ist aber der erste Gedanke.
- Organisatorisch: Wir passen unsere Arbeitszeiten an. Im Hochsommer starten wir oft schon um 6 Uhr morgens. Dafür machen wir in der größten Bullenhitze zwischen 12 und 15 Uhr eine ausgedehnte Pause und erledigen Dinge, die im Schatten gehen.
- Persönlich: Erst wenn die ersten beiden Punkte ausgereizt sind, kommt der persönliche Schutz. Und der ist dann aber absolute Pflicht.
2. Die richtige Kleidung: Dein wichtigster Schutzschild
Kleidung ist und bleibt der effektivste Sonnenschutz. Aber bitte nicht irgendeine. Ein einfaches, weißes Baumwoll-T-Shirt hat nass vielleicht noch einen Lichtschutzfaktor von 5. Das ist quasi nichts. Wir setzen auf spezielle UV-Schutzkleidung nach dem UV STANDARD 801. Dieser Standard testet den Schutz auch, wenn der Stoff nass und gedehnt ist.
Kleiner Tipp: Achte auf leichte Synthetikstoffe oder sogar Merinowolle. Die saugen sich nicht so voll wie Baumwolle und kühlen den Körper sogar, wenn man schwitzt. Ein gutes UV-Shirt ist eine Investition, rechne mal mit 30 bis 60 Euro, aber es hält ewig und schützt zuverlässig. Lange Ärmel und lange Hosen sind im Sommer zwar nicht immer beliebt, aber unverzichtbar.
3. Kopfbedeckung: Vergiss bloß nicht Ohren und Nacken!
Eine Baseballkappe ist besser als nichts, aber eine wirklich schlechte Lösung. Sie schützt weder die Ohren noch den Nacken – genau die Stellen, an denen Hautkrebs besonders gern zuschlägt. Wir nutzen Helme mit breiter Krempe oder spezielle Nackentücher, die man am Helm festmachen kann. Für Arbeiten ohne Helm ist ein Fischerhut oder ein sogenannter Legionärshut mit langem Nackenschutz ideal. Sieht vielleicht nicht super cool aus, ist aber verdammt wirksam. Ich habe schon zu viele Kollegen mit knallroten, verbrannten Ohren gesehen. Das tut nicht nur weh, das ist brandgefährlich.
4. Sonnencreme: Auf die richtige Anwendung kommt es an
Sonnencreme ist deine letzte Verteidigungslinie. Bei uns auf dem Bau ist Lichtschutzfaktor (LSF) 50+ absoluter Standard. Alles darunter macht bei stundenlanger Arbeit draußen einfach keinen Sinn. Achte darauf, dass die Creme sowohl vor UVA- als auch vor UVB-Strahlen schützt. Das erkennst du am UVA-Symbol (ein Kreis mit „UVA“ drin) auf der Packung.
Der häufigste Fehler ist die Menge. Die meisten Leute kleckern nur ein bisschen. Als Faustregel gilt: ein Teelöffel allein für Gesicht und Nacken! Und das Wichtigste: Nachcremen! Spätestens alle zwei Stunden, denn durch Schweiß und Reibung ist der Schutz schnell weg.
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Wir greifen oft zu speziellen Produkten für den gewerblichen Bereich, zum Beispiel von Herstellern wie Stokoderm. Die ziehen schnell ein und fetten nicht, damit man Werkzeug noch sicher greifen kann. Für den Urlaub mit der Familie tut es aber auch eine gute Eigenmarke aus der Drogerie, solange LSF 50+ draufsteht. Eine gute Tube kostet zwischen 8 und 20 Euro.
Und Achtung, der Klassiker unter den Fehlern: Stellen vergessen! Ich sehe es immer wieder bei den jungen Leuten. Die Ohren, der Nacken, der Scheitel, die Fußrücken… diese Stellen werden sträflich vernachlässigt.
5. Augenschutz: Eine gute Sonnenbrille ist keine Angeberei
UV-Strahlung schadet auch den Augen. Langfristig kann das zu Linsentrübung (Grauer Star) führen. Eine gute Sonnenbrille ist daher Pflicht. Wichtig ist das CE-Zeichen und die Angabe „UV-400“. Das garantiert, dass alle schädlichen Strahlen geblockt werden. Eine vernünftige Brille, die auch seitlich gut abschließt, bekommst du schon ab 20 Euro. Die ist jeden Cent wert.
Praktische Tipps für Garten, Freizeit und Familie
Dieses Profi-Wissen kannst du 1:1 auf deinen Alltag übertragen. Der Sonne ist es egal, ob du auf einem Dach arbeitest oder am Grill stehst.
Deine Checkliste für den Sommer-Schutz:
- Hut mit breiter Krempe: ca. 15-30€
- Sonnencreme LSF 50+: ca. 8-20€ pro Flasche
- Langärmliges UV-Shirt: rechne mit 30-60€
- Sonnenbrille mit UV-400 Schutz: ab ca. 20€
Ein oft übersehenes Thema ist das Auto. Die Seitenscheiben lassen einen großen Teil der schädlichen UVA-Strahlen durch. Simple Sonnenschutzrollos für die hinteren Fenster sind eine super Hilfe, besonders wenn Kinder mitfahren. Und bitte, lass NIEMALS Kinder oder Tiere allein im Auto zurück, auch nicht für eine Minute. Das Ding wird zur tödlichen Hitzefalle.
Wenn’s doch passiert ist: Erste Hilfe bei Sonnenbrand & Hitzschlag
Trotz aller Vorsicht kann es mal passieren. Einmal nicht aufgepasst, schon ist die Haut rot. Das Wichtigste: Sofort raus aus der Sonne! Dann kühlen. Am besten mit feuchten Umschlägen. Kühlende Gels mit Aloe Vera helfen super. Ein alter Trick von uns ist ein Quarkwickel. Kühlt fantastisch, ist aber eine kleine Sauerei.
Wenn sich Blasen bilden, ist das ein Fall für den Arzt. Bitte nicht aufstechen, das gibt nur Infektionen.
Viel ernster ist ein Hitzschlag. Das ist ein absoluter Notfall! Die Anzeichen: heiße, rote, aber trockene Haut (der Betroffene schwitzt nicht mehr!), Verwirrtheit, Schwindel, rasender Puls. Hier gilt: sofort den Notruf 112 wählen! Den Betroffenen in den Schatten bringen, Kleidung lockern und den Körper mit feuchten Tüchern kühlen, bis der Rettungsdienst da ist.
Ein letztes Wort aus der Praxis
Als ich jung war, galt ein Sonnenbrand als Beweis für Männlichkeit. Heute ist er für mich ein Zeichen von Unprofessionalität. Auf meinen Baustellen gehört Sonnenschutz zur Arbeitssicherheit wie der Helm und die Stahlkappenschuhe. Die Gesundheit ist unser wichtigstes Kapital.
Kleiner Tipp, den du sofort umsetzen kannst: Leg dir HEUTE noch eine Tube Sonnencreme und eine einfache Kappe ins Handschuhfach deines Autos. So bist du für spontane Sonneneinsätze immer gewappnet und hast keine Ausreden mehr.
Die Sonne gibt uns Kraft und gute Laune. Aber sie verzeiht keine Nachlässigkeit. Behandle sie mit Respekt, dann kannst du sie ein Leben lang genießen. Auf dem Dach, im Garten und überall sonst unter freiem Himmel.