Gutes Geschirr erkennen: Der ultimative Guide vom Profi – Worauf du wirklich achten musst
In meiner Werkstatt sehe ich jeden Tag, was bei den Leuten auf den Tisch kommt. Da sind die geerbten Schätze von Oma, oft aus hauchdünnem Porzellan, aber auch die knallbunten Teller vom letzten Möbelhausbesuch. Und immer wieder dieselbe Frage: Woran erkenne ich eigentlich gutes Geschirr?
Inhaltsverzeichnis
Klar, ein lustiges Motiv hat seine Berechtigung, besonders wenn Kinder mitessen. Aber die wahre Qualität, die Langlebigkeit und, ganz ehrlich, auch die Sicherheit – die stecken tiefer. Sie verbergen sich im Material, in der Hitze des Ofens und in der Kunst der Glasur.
Als jemand, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat, habe ich mir einen geschulten Blick antrainiert. Ich fühle das Gewicht, klopfe sanft gegen den Rand und lausche dem Klang. Ein Blick auf den unglasierten Standring am Boden verrät oft mehr als jeder schicke Stempel. In diesem Guide teile ich mein Insiderwissen mit dir. So kannst du selbst die Spreu vom Weizen trennen und eine Entscheidung treffen, die dir jahrelang Freude macht. Denn ein guter Teller ist so viel mehr als nur eine Unterlage fürs Essen. Er ist ein Stück Handwerk, das uns täglich begleitet.

Materialkunde für Einsteiger: Warum Keramik nicht gleich Keramik ist
„Keramik“ ist erstmal nur ein Oberbegriff für alles, was aus Ton geformt und gebrannt wird. Die Unterschiede sind aber gewaltig und entscheiden darüber, wie robust und alltagstauglich dein Geschirr wirklich ist. Konzentrieren wir uns auf die drei wichtigsten Typen für den Esstisch.
Steingut: Der charmante, aber sensible Klassiker
Steingut ist sozusagen die Basisversion. Es wird bei relativ niedrigen Temperaturen gebrannt, wodurch der Tonkörper, der sogenannte Scherben, porös bleibt. Er kann also Wasser aufsaugen. Deshalb MUSS Steingut immer eine lückenlose Glasur haben, um dicht zu sein. Man erkennt es oft an seinem erdigen, warmen Charakter; es ist meist dicker und schwerer.
Achtung! Der große Nachteil ist die Anfälligkeit für Absplitterungen, die „Klatschen“, wie wir Profis sagen. Bekommt die Glasur einen Riss, dringt Wasser ein. Das führt zu unschönen Verfärbungen, und im Winter kann gefrierendes Wasser das Material sogar sprengen. Für Deko super, für den harten Familienalltag aber oft nicht die beste Wahl.

Steinzeug: Der robuste Alleskönner für jeden Tag
Hier sind wir schon eine ganz andere Liga. Steinzeug wird bei hohen Temperaturen von über 1150 Grad Celsius gebrannt. Dabei „sintert“ der Scherben – die Tonpartikel verschmelzen und machen den Körper von sich aus wasserdicht, sogar ohne Glasur. Die Glasur dient hier vor allem der Optik und einer leichteren Reinigung.
Steinzeug ist extrem robust, spülmaschinenfest und verzeiht auch mal einen kleinen Stoß. Es fühlt sich wertig und angenehm schwer an. Viele moderne, handwerklich anmutende Geschirrserien sind aus Steinzeug. Ganz ehrlich: Wenn mich junge Leute nach einer Empfehlung für ihr erstes „richtiges“ Geschirr fragen, rate ich meist zu gutem Steinzeug. Es ist der perfekte Kompromiss aus Haltbarkeit und warmer Ausstrahlung.
Gut zu wissen: Was kostet der Spaß? Ein solides Starter-Set für sechs Personen aus gutem Steinzeug bekommst du meist in einer Preisspanne von 150 € bis 400 €. Nach oben sind natürlich keine Grenzen gesetzt, aber in diesem Rahmen findest du schon hervorragende Qualität für den Alltag.

Porzellan: Das elegante „weiße Gold“
Porzellan ist die Königsklasse. Es besteht aus einer speziellen Mischung aus Kaolin, Feldspat und Quarz und wird bei extrem hohen Temperaturen gebrannt. Das Ergebnis ist ein unglaublich harter, dichter Scherben. Ein cooles Merkmal ist die Transluzenz: Hältst du einen dünnen Porzellanteller gegen das Licht, kannst du den Schatten deiner Hand dahinter durchschimmern sehen.
Hochwertiges Hartporzellan ist extrem widerstandsfähig gegen Kratzer. Ein gutes Messer hinterlässt auf einem guten Teller keine Spuren – es ist der Teller, der das Messer abnutzt, nicht umgekehrt. Siehst du mal dunkle Striche auf deinem Teller? Das ist meist kein Kratzer, sondern Metallabrieb vom Besteck. Den kriegst du mit einem speziellen Porzellanreiniger oder, kleiner Geheimtipp, mit etwas Glaskeramikfeld-Reiniger und einem feuchten Tuch ganz einfach wegpoliert.
Der Klangtest für zu Hause: Diesen alten Trick liebe ich. Klopfe mal mit dem Fingernagel leicht an den Rand eines Tellers. Porzellan klingt wie eine kleine Glocke – hell, klar und langanhaltend. Steingut klingt dagegen dumpf und kurz, fast wie ein Klopfen an eine dicke Holztür. Daran erkennt man sofort die Dichte und Qualität des Materials.

Preislich startet ein schönes Porzellanservice für sechs Personen oft bei 200 € bis 500 €, kann aber bei bekannten Traditionsmarken auch schnell vierstellig werden.
Die Glasur: Schutzschild und Schönheitskur in einem
Die Glasur ist die glasartige Schicht auf dem Geschirr. Sie versiegelt die Oberfläche, macht sie lebensmittelecht und sorgt dafür, dass du sie leicht reinigen kannst. Und klar, sie gibt dem Ganzen Farbe und Glanz.
Sicherheit geht vor: Finger weg von Blei und Cadmium!
Das ist ein Punkt, der mir wirklich am Herzen liegt. Früher wurden Glasuren oft Schwermetalle wie Blei beigemischt, um leuchtende Farben zu erzielen. Diese Stoffe sind aber giftig und können sich durch säurehaltige Lebensmittel (Tomatensauce, Zitronensaft) lösen. In der EU gibt es heute zum Glück strenge Vorschriften, an die sich seriöse Hersteller halten.
Trotzdem: Sei vorsichtig bei sehr altem Geschirr aus Omas Keller oder bei Billig-Importen von einem Basar im Urlaub. Wenn du ein schönes altes Stück auf dem Flohmarkt findest, nutze es im Zweifel lieber als Deko an der Wand. Sicher ist sicher. Risse in der Glasur sind bei altem Geschirr ebenfalls ein Warnsignal.

Wo ist das Dekor? Auf, in oder unter der Glasur?
Die Platzierung des Dekors entscheidet über seine Haltbarkeit. Es gibt drei Methoden:
- Unterglasurdekor: Die Farbe kommt direkt auf den vorgebrannten Scherben und wird dann mitglasiert. Das Dekor liegt geschützt unter der harten Glasschicht – absolut spülmaschinenfest und abriebsicher. Das ist die hochwertigste Methode.
- Inglasurdekor: Hier kommt die Farbe auf die bereits glasierte Oberfläche. Beim zweiten Brand schmilzt sie in die Glasur ein. Auch das ist sehr haltbar und alltagstauglich.
- Aufglasurdekor: Das Dekor wird auf die fertige Glasur aufgetragen und bei niedrigerer Temperatur eingebrannt. Man kann es manchmal als leichte Erhebung fühlen. Solche Dekore, besonders Goldränder, sind empfindlich. Sie mögen keine Spülmaschine und keine kratzenden Messer. Eher was für das Sonntagsgeschirr, das man mit Liebe von Hand spült.
Dein Qualitäts-Check im Laden (oder zu Hause)
Du musst kein Profi sein, um Qualität zu erkennen. Nimm das Stück in die Hand und mach diesen einfachen 4-Punkte-Check. Und jetzt du! Schnapp dir mal deinen Lieblingsteller und den billigsten, den du im Schrank hast. Mach den Test direkt mit!

- Der Standring: Dreh den Teller um. Der unglasierte Ring am Boden sollte sich glatt und sauber anfühlen. Ein rauer, sandiger Standring ist ein No-Go – der zerkratzt dir jeden Tisch und zeigt, dass bei der Herstellung geschlampt wurde.
- Die Ebenheit: Leg den Teller auf eine flache Oberfläche. Kippelt er? Leichte Wellen sind bei handgemachter Keramik total okay und Teil des Charmes, aber wackeln sollte er nicht.
- Die Glasur: Halte den Teller ins Licht. Siehst du winzige Löcher (Nadelstiche) oder Stellen, wo die Glasur ungleichmäßig ist? Das sind kleine Fehler, die auf eine weniger sorgfältige Produktion hindeuten.
- Das Gewicht: Gutes Porzellan ist oft erstaunlich leicht, Steinzeug dagegen hat eine angenehme Schwere. Es gibt kein „richtiges“ Gewicht, aber es sollte sich gut ausbalanciert in der Hand anfühlen.
Und, was hast du bei deinen Tellern entdeckt? Die Unterschiede sind oft verblüffend, oder?
Praktische Tipps für die richtige Wahl und Pflege
Gutes Geschirr ist eine Anschaffung fürs Leben. Mit der richtigen Wahl und ein bisschen Pflege hast du ewig Freude daran.

Das passende Geschirr für deinen Haushalt
- Für Familien mit Kindern: Meine absolute Empfehlung ist robustes Steinzeug oder sogenanntes Hotelporzellan. Das ist ein extra dickwandiges, kantenverstärktes Porzellan, das für den harten Gastro-Alltag gemacht ist. Du findest es im Fachhandel für Gastronomiebedarf oder auch bei einigen bekannten Herstellern, die solche Serien direkt an Endkunden verkaufen. Vielleicht nicht das filigranste Design, aber es überlebt fast alles.
- Für Designliebhaber: Schau nicht nur auf die Optik. Frag gezielt nach Material und Pflegeeigenschaften. Ein wunderschöner Teller, dessen Farbe nach einem Jahr in der Spülmaschine verblasst, ist eine teure Enttäuschung.
- Für besondere Anlässe: Hier darf es dann feines Knochenporzellan (Bone China) oder hochwertiges Hartporzellan sein. Es ist dünner, eleganter und oft aufwendig verziert.
Pflege, die den Wert erhält
Der größte Feind deines Geschirrs ist übrigens nicht die Spülmaschine, sondern falsches Einräumen. Achte darauf, dass die Teile sich nicht berühren und aneinanderschlagen können.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Thermoschock. Stell einen heißen Teller aus der Mikrowelle niemals direkt auf eine kalte, nasse Steinarbeitsplatte. Der plötzliche Temperaturunterschied kann zu Spannungsrissen führen. Leg immer einen Untersetzer oder ein trockenes Tuch drunter.

Ein letztes Wort zur Sicherheit
Deine Gesundheit ist das Wichtigste. Sei kritisch, was du für dein Essen verwendest. Ein Teller mit einer abgesplitterten Kante hat am Esstisch nichts mehr zu suchen. In der rauen Bruchstelle können sich Bakterien festsetzen, die du auch in der Spülmaschine nicht sicher wegbekommst. In der Gastronomie ist so etwas aus Hygienegründen streng verboten – und was für Profis gilt, sollte für uns zu Hause erst recht gelten.
Am Ende ist die Wahl des Geschirrs eine sehr persönliche Entscheidung. Aber egal, ob verspielt, modern oder klassisch-elegant – die Grundlage muss stimmen. Achte auf ein gutes Material, eine saubere Verarbeitung und eine sichere Glasur. Fass es an, hör auf seinen Klang. Ein gut gemachtes Stück Keramik hat eine Seele. Es erzählt eine Geschichte von Erde, Wasser und Feuer. Und wenn du es gut behandelst, wird es bald auch Teil deiner eigenen Geschichte am Familientisch.
Bildergalerie


Ein hoher, klarer Klang beim leichten Antippen des Randes (z.B. mit einem Fingernagel) ist ein Indiz für dicht gebranntes Hartporzellan ohne innere Risse.
Dieser

Der Trend geht weg vom perfekten Einheitslook. Mut zum

Bone China: Der Adel unter den Porzellanen. Enthält bis zu 50 % Knochenasche, was es unglaublich lichtdurchlässig und gleichzeitig extrem bruchfest macht. Es hat einen warmen, elfenbeinfarbenen Schimmer.
Hartporzellan: Der robuste Alleskönner. Enthält keine Knochenasche, wird aber bei sehr hohen Temperaturen gebrannt. Das Ergebnis ist ein reinweißes, sehr widerstandsfähiges Material, perfekt für den täglichen Luxus.
Beide sind exzellente Wahlen, es ist letztlich eine Frage der persönlichen Ästhetik.


Auf dem Flohmarkt oder im Antiquitätenladen verrät der Bodenstempel oft die ganze Geschichte eines Tellers. Diese

Smart investieren: Sie müssen nicht sofort das 24-teilige Set kaufen. Beginnen Sie mit den Essentials: vier große Teller, vier tiefe Teller. Investieren Sie in Stücke, die Sie lieben und die erweiterbar sind. Viele Manufakturen wie KPM Berlin bieten ihre Serien über Jahrzehnte an. So können Sie Ihre Sammlung nach und nach aufbauen – zum Geburtstag, zu Weihnachten oder einfach als Belohnung für sich selbst.
- Vermeiden Sie abrupte Temperaturschocks: Niemals einen Teller aus dem Kühlschrank direkt in die heiße Mikrowelle stellen.
- Besteckabrieb? Ein spezieller Porzellanreiniger oder eine Paste aus Backpulver und Wasser wirken Wunder gegen die grauen Streifen.
- Beim Stapeln im Schrank dünne Filz- oder Papiereinlagen dazwischenlegen. Das schützt die Glasur vor Kratzern durch den rauen Standring des darüberliegenden Tellers.




