Mehr als nur Farbe: So zauberst du mit Erdtönen ein warmes Zuhause
Vor einiger Zeit kam eine Kundin zu mir ins Geschäft. Sie hatte in einem Magazin von „Goldocker“ als DER neuen Trendfarbe gelesen und wollte genau diesen Ton für ihr Wohnzimmer. Gesagt, getan. Das Ergebnis sah wirklich klasse aus. Aber was mir wirklich im Gedächtnis geblieben ist, war nicht der kurzlebige Trend, sondern diese unglaubliche, zeitlose Wärme, die von der Wand ausging.
Inhaltsverzeichnis
- 0.1 Was sind Erdfarben überhaupt? Ein kleiner Blick hinter die Kulissen
- 0.2 Die Vorbereitung: Warum 80 % der Arbeit vor dem ersten Pinselstrich stattfinden
- 0.3 Die richtige Farbe finden: Mehr als nur ein Farbton
- 0.4 Dein Masterplan: Einkaufsliste und Technik
- 0.5 Erdtöne richtig kombinieren: Die Psychologie der Farben
- 0.6 Ein ehrliches Wort zum Schluss
- 1 Bildergalerie
Trends kommen und gehen, aber die Wirkung von echten Erdfarben, die bleibt. Diese Pigmente sind seit Ewigkeiten Teil unserer Baukultur. Als Malermeister habe ich über die Jahre eins gelernt: Es geht nicht darum, irgendeiner Mode hinterherzujagen. Es geht darum, das Wesen einer Farbe zu verstehen und sie handwerklich sauber an die Wand zu bringen. In diesem Beitrag zeige ich dir, wie du mit Ocker, Lehm und Umbra arbeitest – nicht, weil es gerade angesagt ist, sondern weil es, richtig gemacht, eine Atmosphäre schafft, die einfach unbezahlbar ist.
Was sind Erdfarben überhaupt? Ein kleiner Blick hinter die Kulissen
Wenn wir von Erdfarben reden, meinen wir Pigmente, die direkt aus der Erde kommen. Das ist kein cleverer Marketing-Spruch, sondern simple Geologie. Ocker ist im Grunde genommen Tonerde, die Eisenoxid enthält. Je nachdem, wie die Mineralien zusammengesetzt sind, entsteht eine ganze Palette von Farbtönen – von einem sonnigen Gelb aus Frankreich bis zu einem satten Rot aus Italien. Umbra wiederum hat zusätzlich Manganoxide im Gepäck, was ihr diese typisch erdig-braune, fast schon kühle Note gibt.

Diese natürlichen Pigmente haben ein paar entscheidende Vorteile gegenüber rein synthetischen Farben, die du wirklich spüren und sehen kannst:
- Extrem lichtecht: Echte Erdpigmente sind die reinsten Steherqualitäten. UV-Licht? Macht denen fast nichts aus. Eine mit gutem Ocker gestrichene Wand sieht auch nach Jahren noch brillant aus, weil ihre mineralische Struktur superstabil ist. Synthetische Farben können da mit der Zeit schon mal schlappmachen und ausbleichen.
- Besondere Lichtbrechung: Das ist der magische Punkt! Die unregelmäßige, kristalline Struktur der Naturpigmente streut das Licht auf eine ganz besondere Weise. Es wird nicht einfach nur zurückgeworfen, sondern sanft gebrochen und in den Raum getragen. Das Ergebnis ist diese samtige, weiche Oberfläche, die eine visuelle Wärme erzeugt, die man mit künstlichen Farben nur schwer hinbekommt.
- Deckkraft: Hier gibt es Unterschiede. Lehm und Kreide decken eher mäßig, weshalb du bei reinen Lehmfarben oft mehrmals ranmusst. Hochwertige Ockerpigmente hingegen haben eine super Deckkraft.
Kleiner Tipp beim Farbkauf: Achte auf die Deklaration der Inhaltsstoffe. Hochwertige Farben, besonders im Bereich der Silikat- oder Kalkfarben, werben oft damit, echte Mineralpigmente zu verwenden. Günstige Dispersionsfarben aus dem Baumarkt nutzen meist synthetische Eisenoxide, die zwar den Farbton treffen, aber oft nicht diese besondere Lichtwirkung haben.

Die Vorbereitung: Warum 80 % der Arbeit vor dem ersten Pinselstrich stattfinden
Jeder Azubi lernt bei mir im ersten Jahr die goldene Regel: Eine perfekte Wand entsteht im Kopf und bei der Vorbereitung, nicht in der Farbdose. Die teuerste Farbe der Welt sieht auf einem schlechten Untergrund einfach nur furchtbar aus. Also, bevor du loslegst, nimm dir fünf Minuten Zeit für einen kleinen Wand-Check. Das erspart dir später eine Menge Ärger.
Dein schneller Wand-Check (3 einfache Tests):
- Die Wischprobe: Fahr mal mit der flachen Hand kräftig über die Wand. Bleibt ein kreidiger, weißer Staub an deiner Hand? Bingo, das ist ein „kreidender“ Anstrich. Was tun? Diese lose Schicht muss runter! Einfach mit Wasser und einer Bürste gründlich abwaschen, gut trocknen lassen und danach mit Tiefgrund grundieren. Sonst hält deine neue Farbe nicht.
- Die Kratzprobe: Nimm einen Spachtel und kratz an einer unauffälligen Stelle. Blättert die alte Farbe leicht ab oder siehst du dicke, alte Schichten? Was tun? Wenn der alte Anstrich nicht bombenfest sitzt, muss er leider komplett runter. Das ist Knochenarbeit, aber absolut notwendig. Sonst löst die Feuchtigkeit der neuen Farbe die alten Schichten an und du bekommst unschöne Blasen.
- Die Saugprobe: Sprüh mit einer Sprühflasche etwas Wasser an die Wand. Zieht es sofort ein und die Stelle wird dunkel? Dann ist die Wand stark saugend (typisch für Gipsputz). Perlt das Wasser ab? Dann ist sie nicht oder nur schwach saugend (z.B. eine alte Latexfarbe). Verfärbt sich die Stelle gelb-braun? Achtung! Das sind Nikotin- oder Wasserflecken. Die schlagen garantiert durch.
Grundieren – Das Fundament für deinen Erfolg

Je nach Ergebnis der Saugprobe wählst du die Grundierung. Und nein, das ist kein Trick der Industrie, um mehr zu verkaufen. Ohne Grundierung trocknet die Farbe ungleichmäßig und du bekommst Flecken und Streifen.
- Bei stark saugenden Wänden: Nimm Tiefgrund. Der verfestigt die Oberfläche und sorgt dafür, dass die Farbe nicht sofort „weggesaugt“ wird. Kostet etwa 20-30 € für 5 Liter.
- Bei nicht saugenden Wänden: Hier brauchst du einen Haftgrund. Er schafft eine Art raue Oberfläche, an der sich die neue Farbe festkrallen kann.
- Bei fiesen Flecken (Nikotin, Ruß, Wasser): Ein normaler Tiefgrund ist hier nutzlos. Du brauchst zwingend einen Isolier- oder Sperrgrund. Der schließt die Flecken ein. Ich hatte mal einen Fall in einer alten Raucherwohnung… mein Geselle dachte, normaler Tiefgrund tut’s. Nach dem ersten Anstrich sah die Wand schlimmer aus als vorher. Überall gelbe Flecken. Wir mussten alles nochmal mit teurem Sperrgrund streichen. Wichtig: Lass den Sperrgrund mindestens 12, besser 24 Stunden durchtrocknen, bevor du weitermachst! Ungeduld ist hier der größte Feind.

Die richtige Farbe finden: Mehr als nur ein Farbton
Okay, der Untergrund ist top. Jetzt zur Farbe. Erdtöne wirken am besten, wenn auch das Bindemittel hochwertig ist. Hier ein kleiner Überblick, ganz ohne Fachchinesisch:
Dispersionsfarben: Das ist der Klassiker im Baumarkt und für Anfänger die sicherste Wahl. Hier gibt es aber gewaltige Qualitätsunterschiede. Eine gute Dispersion mit echten Pigmenten kann super aussehen. Achte auf Deckkraftklasse 1 und Nassabriebklasse 1 oder 2. Preislich liegst du hier für 10 Liter bei etwa 50 bis 90 Euro.
Silikatfarben: Mein persönlicher Favorit für mineralische Untergründe. Diese Farbe „verkieselt“ mit dem Putz, geht also eine unlösbare chemische Verbindung ein. Das ist extrem langlebig und super für das Raumklima, weil die Wand atmungsaktiv bleibt. Aber Vorsicht: Silikatfarbe ist stark alkalisch, also immer mit Schutzbrille und Handschuhen arbeiten! Das ist eher was für Fortgeschrittene. Gute Marken sind hier z.B. Keim oder Fesil. Rechne mit 100 bis 160 Euro pro 10-Liter-Eimer.

Kalk- und Lehmfarben: Das ist die traditionellste Variante. Sie erzeugen eine unvergleichlich pudrig-matte Oberfläche mit einer tollen Tiefe. Besonders Lehmfarben sind super fürs Raumklima, da sie Feuchtigkeit regulieren können. Allerdings sind sie nicht sehr robust und eher für wenig beanspruchte Bereiche geeignet. Die Verarbeitung kann zu einem wolkigen Ergebnis führen, was aber auch Teil des Charmes ist. Anbieter wie Claytec sind hier eine gute Adresse. Preislich oft ähnlich wie Silikatfarben.
Dein Masterplan: Einkaufsliste und Technik
Bevor es losgeht, hier eine kleine Einkaufsliste für ein typisches 20-Quadratmeter-Zimmer:
- Abdeckvlies (ca. 15€): Viel besser als dünne Folie, da es saugfähig ist.
- Gutes Malerkrepp (ca. 8€): Investier hier ein paar Euro mehr, das billige klebt schlecht oder hinterlässt Reste.
- Farbwanne und Abstreifgitter (ca. 5€)
- Eine hochwertige Lammfellwalze mit Bügel (ca. 20€): Du erkennst eine gute Walze daran, dass sie an den Seiten kaum fusselt und einen leicht gepolsterten Kern hat. Das verteilt die Farbe viel gleichmäßiger.
- Ein guter Pinsel für die Ecken (ca. 10€)
- 5L Tiefgrund (ca. 25€)
- 10L deiner Wunschfarbe (ca. 70-150€, je nach Qualität)
Bei der Technik gibt es einen entscheidenden Trick, um Streifen zu vermeiden: Arbeite immer „nass in nass“. Das heißt, du rollst immer in die noch feuchte Farbkante der vorherigen Bahn hinein. Mach keine langen Pausen mitten auf der Wand. Trage die Farbe erst kreuz und quer auf, um sie zu verteilen, und rolle dann die ganze Bahn von oben nach unten mit leichtem Druck ab. Und sei nicht zu geizig mit der Farbe! Wenn du die Walze zu sehr „ausquetschst“, trocknet die Farbe zu schnell und du bekommst unschöne Ansätze. Ein zweiter Anstrich ist bei intensiven Erdtönen fast immer nötig.

Erdtöne richtig kombinieren: Die Psychologie der Farben
Die Wirkung von Erdfarben hängt stark vom Raum und dem Licht ab. Hier ein paar Denkanstöße:
- Helle Ockertöne: Wirken sonnig, einladend und machen Räume optisch größer. Perfekt für Flure, Küchen oder das Wohnzimmer.
- Sattes Terrakotta oder Siena: Schaffen eine sehr gemütliche, umhüllende Atmosphäre. Ideal für eine Akzentwand, ein Esszimmer oder eine Leseecke.
- Dunkles Umbra-Braun: Strahl Ruhe und Geborgenheit aus. Kann in einem Schlafzimmer eine wunderbar beruhigende, höhlenartige Stimmung erzeugen. Braucht aber gutes Licht, um nicht düster zu wirken.
Ein ganz wichtiger Profi-Tipp: Kombiniere warme Erdtöne niemals mit einem harten Reinweiß (wie RAL 9010) für Decken oder Türen. Das wirkt daneben steril und fast bläulich. Greif lieber zu gebrochenen Weißtönen. Perfekt sind zum Beispiel Cremeweiß (RAL 9001) oder ein modernes, warmes Grauweiß (wie RAL 7044). Das schafft einen viel weicheren und harmonischeren Übergang.
Ein ehrliches Wort zum Schluss
Sicherheit geht vor! Sorge immer für gute Belüftung, auch wenn auf der Farbe „emissionsarm“ steht. Und wie gesagt, bei Silikatfarben ist die Schutzbrille absolute Pflicht. Ich habe einmal gesehen, wie ein Lehrling einen winzigen Spritzer ins Auge bekam. Es ist zum Glück gut gegangen, weil wir sofort gespült haben, aber diesen Schreck vergisst man nicht.

Und sei ehrlich zu dir selbst: Einen einfachen Anstrich auf gutem Untergrund kriegt ein geübter Heimwerker super hin. Wenn aber Risse im Putz sind, umfangreiche Spachtelarbeiten anstehen oder du in einem Altbau mit unbekannten Untergründen arbeitest – hol dir einen Fachmann. Das rettet nicht nur deine Wände, sondern am Ende auch deine Nerven und oft sogar den Geldbeutel.
Erdfarben sind eben mehr als nur Bunt. Sie sind ein Stück Natur für deine Wände. Wenn du sie mit Sorgfalt und dem nötigen Respekt verarbeitest, danken sie es dir mit einer Atmosphäre, die kein kurzlebiger Trend je erreichen wird. Ein ehrliches, beständiges und warmes Wohngefühl. Und das ist es doch, was am Ende zählt, oder?
Bildergalerie


Eine Wand in einem echten Ockerton ist niemals statisch. Beobachten Sie, wie sie sich im Laufe des Tages verändert: Im sanften Morgenlicht wirkt sie zart und fast pastellig, in der direkten Mittagssonne leuchtet sie intensiv und warm, und am Abend verleiht ihr das Kunstlicht eine tiefe, fast mystische Geborgenheit. Diese Lebendigkeit ist das Markenzeichen von Naturpigmenten.


- Leinen: Die natürliche, leicht unregelmäßige Textur von Leinen-Vorhängen oder -Kissen greift die matte Optik der Erdfarben perfekt auf.
- Helles Holz: Unbehandelte Eiche oder Esche schaffen einen sanften, skandinavisch anmutenden Kontrast, ohne die Harmonie zu stören.
- Schwarzes Metall: Filigrane Regale oder Leuchten aus mattschwarzem Stahl setzen moderne, grafische Akzente und lassen die Wandfarbe noch wärmer wirken.


Der Unterton-Fehler: Nicht jeder Braunton ist gleich. Eine rötliche Umbra kann sich mit einem grünstichigen Grau beißen. Testen Sie Farbmuster daher immer direkt an der Wand und nebeneinander, um zu sehen, wie die Untertöne bei Ihrem Raumlicht miteinander interagieren.


Die ältesten bekannten Kunstwerke der Menschheit, die Höhlenmalereien von Lascaux, sind über 17.000 Jahre alt. Die dominierenden Farben? Ocker, Holzkohle und Eisenoxide – der ultimative Beweis für die unglaubliche Beständigkeit von Erdpigmenten.


Immer beliebter wird Lehmfarbe, die nicht nur aus natürlichen Pigmenten, sondern auch aus einem Lehm-Bindemittel besteht. Ihre größten Vorteile für das Wohnklima:
- Feuchtigkeitsregulierend: Lehm kann überschüssige Luftfeuchtigkeit aufnehmen und bei Bedarf wieder abgeben. Ideal für ein gesundes Raumklima.
- Konservierungsmittelfrei: Hochwertige Produkte von Marken wie Claytec oder Conlino kommen oft gänzlich ohne Konservierungsstoffe aus und sind daher besonders für Allergiker geeignet.


Wie teste ich eine Erdfarbe richtig an der Wand?
Vergessen Sie kleine Farbkärtchen. Streichen Sie eine mindestens 50×50 cm große Testfläche direkt auf die Wand oder auf ein Stück festen Karton, den Sie an verschiedenen Stellen im Raum bewegen können. Betrachten Sie die Farbe zu unterschiedlichen Tageszeiten – morgens, mittags und abends bei Kunstlicht. Nur so bekommen Sie ein echtes Gefühl für die Wirkung des Tons in Ihrer Umgebung.


Gelber Ocker: Der sonnige Klassiker aus Frankreich. Er bringt eine heitere, lichtvolle Wärme in den Raum und wirkt anregend, ohne aufdringlich zu sein. Ideal für Wohn- und Essbereiche.
Gebrannte Siena: Durch das Erhitzen von Siena-Erde entsteht dieser intensive, rötlich-braune Ton. Er wirkt opulenter, erdender und schafft eine sehr behagliche, fast schon luxuriöse Atmosphäre. Perfekt für Bibliotheken oder Schlafzimmer.


Wussten Sie schon? Eine Wand, die mit diffusionsoffener Farbe wie Lehm- oder Silikatfarbe gestrichen ist, kann atmen. Sie wirkt wie eine natürliche Klimamembran, was die Gefahr von Schimmelbildung deutlich reduzieren kann.
Das bedeutet, die Wand bleibt atmungsaktiv und trägt aktiv zu einem gesunden Raumklima bei. Ein unsichtbarer, aber spürbarer Vorteil, den versiegelnde Dispersionsfarben nicht bieten können.


- Eine subtile, aber spürbare Tiefe im Raum.
- Eine ruhige, extrem elegante und harmonische Atmosphäre.
- Die perfekte Bühne für besondere Möbelstücke oder Kunstwerke.
Das Geheimnis? Ein „Ton-in-Ton“-Konzept. Streichen Sie nicht nur die Wände, sondern auch die Fußleisten und vielleicht sogar eine Tür im selben Erdton oder einer nur minimal helleren Nuance. Das Ergebnis ist ein moderner und zugleich zeitloser Look.


Marken wie Farrow & Ball haben die Arbeit mit komplexen Erdtönen zur Kunstform erhoben. Ihre Farbe „Sudbury Yellow No. 51“ ist kein simples Gelb, sondern ein tiefer, beruhigender Ockerton, der an alte Landhäuser erinnert. „Red Earth No. 64“ wiederum ist ein warmes Terrakotta, das sofort an südliche Gefilde denken lässt. Diese Farben leben von ihren subtilen Untertönen.


Lust auf eine Akzentwand mit Charakter?
Eine strukturierte Oberfläche unterstreicht die erdige Herkunft der Farbe. Tragen Sie dafür eine etwas dickere Schicht Lehm-Streichputz auf und bearbeiten Sie die noch feuchte Oberfläche kreuz und quer mit einer Bürste mit kurzen Borsten (einer sogenannten „Quast“). So entstehen feine, unregelmäßige Rillen, die das Licht wunderbar brechen.


Licht-Tipp: Kombinieren Sie Erdfarben mit warmweißen Leuchtmitteln (ca. 2700 Kelvin). Kaltes, bläuliches Licht kann Ocker- oder Sienatöne schnell fahl und ungemütlich wirken lassen, während warmes Licht ihre natürliche Tiefe und Wärme hervorhebt.

In der Farbpsychologie wird die Farbe Braun mit Stabilität, Zuverlässigkeit und einem Gefühl der Erdung assoziiert. Sie schafft eine sichere Basis und wirkt beruhigend auf unser Nervensystem – ideal für Räume, in denen wir zur Ruhe kommen wollen.


Eine mit reiner Mineralfarbe gestrichene Wand ist anders zu pflegen als eine herkömmliche Dispersionswand. Hier ein paar Grundregeln:
- Trocken reinigen: Leichten Staub oder Spinnweben am besten mit einer weichen Bürste oder einem Staubwedel entfernen.
- Vorsichtig tupfen: Bei kleinen Flecken nicht reiben! Besser mit einem nur leicht feuchten, sauberen Tuch vorsichtig tupfen. Ein Radiergummi kann bei oberflächlichen Strichen helfen.
- Keine scharfen Reiniger: Vermeiden Sie unbedingt aggressive Reinigungsmittel, da diese die Pigmente angreifen und Flecken verursachen können.


Passen Erdtöne auch zu einem modernen, minimalistischen Stil?
Absolut! Gerade hier entfalten sie eine besondere Wirkung. In einem puristischen Umfeld verhindert ein warmer Lehmton an der Wand, dass der Raum kühl oder steril wirkt. Er dient als sanfter, organischer Gegenpol zu klaren Linien, Glas und Beton und verleiht dem Minimalismus eine wohnliche Seele. Denken Sie an den „Japandi“-Stil, der genau auf dieser Symbiose aufbaut.


Rein matt: Die meisten Lehm- und Kalkfarben trocknen von Natur aus stumpfmatt auf. Das sorgt für eine sehr ruhige, pudrige Optik und die beste Lichtstreuung.
Dezenter Schimmer: Für einen Hauch von Glamour können dem Farbpulver Glimmer- oder Marmormehl beigemischt werden. Das erzeugt bei Lichteinfall einen ganz subtilen, seidigen Schimmer, ohne kitschig zu wirken.


Die Ockerfelsen von Roussillon in der Provence sind ein atemberaubendes Naturschauspiel. Über Jahrhunderte wurde hier Ocker abgebaut, der in ganz Europa für seine Farbintensität berühmt war. Ein Spaziergang durch den „Sentier des Ocres“ fühlt sich an wie eine Reise ins Herz der Farbe.
Diese Herkunft spürt man bei Farben, die mit echten Roussillon-Pigmenten hergestellt werden. Sie tragen die Geschichte und die Sonne Südfrankreichs in sich.


- Ist unglaublich günstig, wenn man sie selbst anmischt.
- Haftet hervorragend auf saugfähigen Untergründen wie Putz oder Raufaser.
- Schafft eine samtige, wischfeste Oberfläche.
Das Geheimnis? Kaseinfarbe. Eine traditionelle, natürliche Farbe, bei der Magerquark als Bindemittel für die Pigmente dient. Hersteller wie Kreidezeit bieten fertige Pulver an, die nur noch mit Wasser angerührt werden müssen – ein Klassiker der ökologischen Wandgestaltung.


Schließen Sie einmal die Augen in einem Raum, der frisch mit Lehmfarbe gestrichen wurde. Sie riechen… fast nichts. Oder vielleicht einen ganz dezenten, erdigen Duft, der an einen trockenen Waldboden nach einem Sommerregen erinnert. Diese olfaktorische Ruhe ist ein oft unterschätzter Teil des Wohlgefühls. Statt chemischer Ausdünstungen atmen Sie eine reine, mineralische Atmosphäre, die den Eindruck von Natürlichkeit und Sauberkeit perfekt abrundet.


Eine Akzentwand: Sie müssen nicht den ganzen Raum streichen. Eine einzelne Wand in einem kräftigen Siena oder Umbra kann bereits die gesamte Atmosphäre verändern und ist budgetfreundlich.
Pigmente selbst anrühren: Der Kauf von reinen Erdpigmenten und einem passenden Bindemittel (z.B. Kasein- oder Leimpulver) ist oft deutlich günstiger als der Kauf von fertiger Premium-Ökofarbe. So haben Sie die volle Kontrolle über Farbintensität und Kosten.


Vorsicht Falle: Reine Mineralfarben wie Kalk- oder Silikatfarbe benötigen einen saugfähigen, mineralischen Untergrund, um sich chemisch damit zu verbinden (die sogenannte „Verkieselung“). Auf einer alten, versiegelnden Dispersionsfarbe oder einer Lackschicht halten sie nicht und blättern ab. Hier ist ein spezieller Haftgrund, eine sogenannte „Quarzbrücke“, unerlässlich.


„Wir sehnen uns wieder nach Haptik und Authentizität. Eine Wand soll nicht nur eine Farbe haben, sie soll eine Geschichte erzählen. Die unperfekte, lebendige Oberfläche einer Kalk- oder Lehmwand ist die Antwort auf unsere glatte, digitale Welt.“ – Ilse Crawford, britische Innenarchitektin


Umbra, benannt nach der italienischen Region Umbrien, ist der geheimnisvolle Bruder des Ockers. Ihre dunkle, erdig-braune Farbe erhält sie durch Manganoxide. Es gibt sie in zwei Hauptvarianten:
- Natur-Umbra: Ein kühl wirkender, oft leicht grünstichiger Braunton. Perfekt für elegante, ruhige Kombinationen.
- Gebrannte Umbra: Durch Erhitzen erhält der Ton eine satte, warme, rötlich-braune Tiefe. Ein Klassiker für holzbetonte, behagliche Interieurs.


Welche kühlen Farben harmonieren mit warmen Erdtönen?
Das ist die hohe Kunst der Farbbalance. Statt harter Kontraste funktionieren sanfte, gebrochene Töne am besten. Ein rauchiges Taubenblau oder ein von Grau gedämpftes Salbeigrün sind ideale Partner. Sie nehmen die Wärme des Erdtons auf, bringen aber gleichzeitig eine frische, beruhigende Komponente ins Spiel, ohne mit ihm zu konkurrieren. Das Ergebnis ist eine spannungsreiche und zugleich ausgewogene Harmonie.
Letztendlich ist die Entscheidung für eine Farbe aus echten Erdpigmenten mehr als eine ästhetische Wahl. Es ist eine Entscheidung für ein Material mit Charakter. Anders als eine synthetisch hergestellte Farbe, die auf jeder Wand identisch aussieht, interagiert eine Mineralfarbe mit dem Untergrund und dem Licht. Sie trägt eine geologische Vergangenheit in sich und bringt ein Stück authentische, greifbare Natur in unser Zuhause.




