Art Deco für dein Zuhause: So erkennst du echte Schätze (und pflegst sie richtig!)
Ganz ehrlich? Es gibt kaum etwas Schöneres, als ein altes Möbelstück zu entdecken, das eine echte Geschichte erzählt. Ich meine nicht die rustikale Bauernkommode, sondern diese eleganten, fast schon arroganten Stücke aus einer Zeit des Aufbruchs – die man heute als Art Deco kennt. Oft kommen Leute zu mir in die Werkstatt, haben ein Teil geerbt und fragen: „Was ist das eigentlich?“ Und wenn ich ihnen dann die feinen Details zeige, fallen sie aus allen Wolken.
Inhaltsverzeichnis
Dieser Stil war damals eine echte Revolution. Weg mit den verspielten Blumenranken des Jugendstils, her mit klaren, geometrischen Formen! Die Inspiration kam von der Technik, von schnellen Autos und den ersten Wolkenkratzern. Gleichzeitig war es purer Luxus. Man scheute keine Kosten für die edelsten Materialien. Genau diese Mischung aus kühler Modernität und handwerklichem Luxus macht diese Möbel bis heute so unglaublich faszinierend.
Aber woran erkennt man nun so ein Prachtstück? Hier ist mein kleiner Spickzettel für dich:

- Die Form: Alles ist geometrisch und oft symmetrisch. Denk an Stufen, Kreise, klare Linien.
- Das Material: Die Oberfläche ist der Star! Dunkle, stark gemaserte Hölzer sind ein Top-Zeichen.
- Der Kontrast: Holz trifft oft auf glänzendes Metall wie Chrom oder Messing.
Klingt einfach? Der Teufel steckt wie immer im Detail. Lass uns mal einen richtigen Blick unter die Haube werfen.
1. Die Materialien: Ein Fest für die Sinne
Vergiss massive Eiche, wie du sie von Omas Schrank kennst. Im Art Deco ging es um die Show, um die perfekte Oberfläche. Deshalb war Furnier das A und O. Die Kunst war es, hauchdünne Holzblätter so auf ein Trägermaterial zu leimen, dass makellose, gemusterte Flächen entstanden.
Edle Hölzer, die Geschichten erzählen
Die Designer damals griffen tief in die Trickkiste und nutzten Hölzer, die heute fast unbezahlbar sind. Ein klares Statement von Wohlstand.
Makassar-Ebenholz: Das ist sozusagen der Popstar unter den Furnieren. Es hat eine dramatische, schwarz-braune Streifung und ist extrem hart. Ich hatte mal einen Schreibtisch hier, bei dem die Platten spiegelbildlich furniert waren – die Maserung lief perfekt symmetrisch über die ganze Fläche. Eine absolute Meisterleistung, denn das Zeug splittert beim Schneiden, wenn man nicht höllisch aufpasst.

Palisander: Ein tief rotbraunes bis violettes Holz, das beim Bearbeiten einen ganz leicht süßlichen Duft verströmt. Oft für die Innenfächer von Sekretären oder für schicke Kommoden genutzt. Wunderschön, aber auch eine echte Herausforderung für jeden Handwerker.
Wurzelholz: Das ist Holz von knolligen Wucherungen am Baum, meist Nussbaum. Die Maserung ist wild, fast chaotisch. Diese Furniere waren extrem teuer und sind super schwierig zu verarbeiten, besonders auf runden Formen. Wenn du das siehst, hast du oft ein echtes Qualitätsstück vor dir.
Übrigens, ein kleiner Profi-Tipp: Die Furniere von damals waren oft 1,5 bis 2,5 Millimeter dick. Heutige Industriefurniere haben manchmal nur 0,6 Millimeter. Das macht alte Möbel nicht nur robuster, sondern auch leichter zu restaurieren. Man hat einfach mehr „Fleisch“ zum Schleifen.
Mehr als nur Holz: Chrom, Perlmutt und Haifischhaut
Art Deco liebte den Materialmix. Griffe, Scharniere und Zierleisten waren oft aus hochglänzendem Chrom oder poliertem Messing – massiv gegossen, nicht nur billiges Blech. Für feine Einlegearbeiten kamen edle Materialien wie Perlmutt für schimmernde Akzente zum Einsatz. Für verbotene Materialien wie Elfenbein gibt es heute zum Glück fantastische Ersatzstoffe wie die Tagua-Nuss, die dem Original zum Verwechseln ähnlich sieht.

Und dann war da noch Galuchat, also gegerbte und polierte Rochen- oder Haifischhaut. Ein extrem seltenes und luxuriöes Material, das für kleine Dosen oder Tischplatten verwendet wurde. Die Haptik ist einzigartig, rau und weich zugleich. Wenn du so etwas findest, hast du einen echten Schatz gehoben.
2. Die Konstruktion: Außen modern, innen traditionell
Ein Art-Deco-Möbel erkennt man sofort an seiner Silhouette. Kühne, geschwungene Linien, die an Flugzeugtragflächen erinnern, oder abgestufte Profile, die aussehen wie kleine Wolkenkratzer. Aber darunter? Da steckt meist grundsolides Tischlerhandwerk.
Ich rate immer: Zieh eine Schublade raus! Sind die Ecken mit klassischen Schwalbenschwanzzinken verbunden? Das ist eine extrem stabile Verbindung, die für die Ewigkeit gemacht ist. Laufen die Schubladen sanft und ohne zu klemmen? Sind die Spaltmaße an den Türen gleichmäßig? Das alles sind Zeichen für sorgfältige Handarbeit aus einer Zeit ohne computergesteuerte Maschinen.
3. Der perfekte Glanz: Schellack gegen Nitrolack
Die Oberfläche musste spiegeln, das war das Wichtigste. Dafür gab es zwei Hauptmethoden, und die zu unterscheiden, ist für dich als Besitzer Gold wert.

Die Königsklasse: Schellackpolitur
Das ist die traditionelle, extrem aufwendige Methode. Schellack, ein Naturharz, wird in Alkohol gelöst und in unzähligen, hauchdünnen Schichten mit einem Baumwollballen aufgetragen. Eine gute Politur kann Wochen dauern und ist eine meditative Arbeit. Das Ergebnis ist ein unglaublich tiefer, warmer Glanz, der die Holzmaserung richtig zum Leuchten bringt. Der riesige Vorteil: Schellack ist reversibel. Ein Fachmann kann die Politur erneuern oder reparieren, ohne das Möbelstück zu beschädigen.
Der Industrielle: Nitrolack
Dieser Lack kam aus der Autoindustrie und war eine kleine Revolution. Er trocknete viel schneller und konnte gespritzt werden, was die Produktion beschleunigte. Viele Art-Deco-Möbel sind damit lackiert. Die Oberfläche ist sehr hart und hochglänzend. Der Nachteil: Nitrolack neigt dazu, mit der Zeit zu vergilben und ein feines Netz von Rissen zu bilden (nennt sich Krakelee). Das ist ein typisches Alterszeichen. Reparaturen sind hier viel schwieriger und oft nicht ohne komplette Neulackierung möglich.
Achtung, hier wird’s ernst! Ein ganz wichtiger Sicherheitshinweis: Wenn du ein altes Möbelstück selbst abschleifen willst, sei EXTREM vorsichtig. Alter Nitrolack und seine Dämpfe sind hochentzündlich. Sorge für perfekte Lüftung, keine Zündquellen! Zudem können in alten Lacken, vor allem in schwarzen, Schwermetalle stecken. Trage IMMER eine hochwertige Atemschutzmaske (FFP3, gibt’s im Baumarkt für ca. 5-10€) und Handschuhe. Im Zweifel: Finger weg und den Profi ranlassen!

4. Auf Schatzsuche: Was kostet der Spaß und worauf achten?
Okay, Butter bei die Fische: Was darf so ein Möbelstück kosten? Ein signiertes Stück eines berühmten Pariser Ateliers ist natürlich unbezahlbar. Aber eine qualitativ hochwertige, unsignierte Kommode aus einer deutschen oder belgischen Werkstatt? Da solltest du dich auf Preise zwischen 800 € und 3.000 € einstellen, je nach Zustand, Holz und Design. Ein kleiner Beistelltisch ist vielleicht schon für 300 € bis 600 € zu haben.
Hier ist deine Checkliste für den Flohmarkt oder das Online-Portal:
- Fühl mal hin: Fühlen sich die Metallgriffe schwer und massiv an? Ist das Furnier dick und echt?
- Der Blick dahinter: Schau dir die Rückwand an. Massivholz oder billiges Sperrholz?
- Der Schubladen-Test: Zieh eine Schublade und prüfe die Eckverbindungen. Klassische Zinken sind ein super Zeichen.
- Die Proportionen: Echte Art-Deco-Möbel wirken trotz ihrer Masse elegant. Spätere Kopien sehen oft etwas plump oder übertrieben aus.
- Zustand: Eine gewisse Patina ist Charme, große Wasserflecken, abgeplatztes Furnier oder wackelige Beine sind teure Probleme.

5. Erste Hilfe und Pflege: So bleibt dein Schatz schön
Du hast ein tolles Stück ergattert? Super! Jetzt bloß nicht mit der falschen Pflege alles ruinieren. Hier die absoluten Basics für den Alltag:
Pflege für Dummies: – Staubwischen nur mit einem weichen, trockenen Tuch. – Wenn es sein muss, „nebelfeucht“ wischen. Das heißt: Tuch anfeuchten und dann so stark auswringen, dass es sich fast wieder trocken anfühlt. – Untersetzer für Gläser sind dein allerbester Freund! Wasserringe auf einer Schellackpolitur sind der absolute Endgegner. – Niemals, wirklich NIEMALS scharfe Reiniger, Möbelpolitursprays oder Mikrofasertücher verwenden. Die zerkratzen und zerstören die empfindliche Oberfläche.
Kleine Reparaturen selbst machen?
Eine kleine, lose Furnierblase kannst du manchmal selbst bändigen. Der alte Knochenleim darunter lässt sich mit Wärme reaktivieren. Aber bitte mit Gefühl! 1. Leg ein sauberes, dünnes Baumwolltuch auf die Blase. 2. Stell dein Bügeleisen auf eine niedrige Stufe (Wolle), UNBEDINGT ohne Dampf. 3. Kleiner Trick: Leg noch ein Blatt Backpapier zwischen Tuch und Bügeleisen, damit nichts anklebt. 4. Drücke nun mit dem warmen Bügeleisen für ein paar Sekunden sanft auf die Stelle. Oft legt sich die Blase dann wieder an.

Wann muss der Profi ran (und was kostet das)?
Ich hatte mal einen Kunden, der seine Kommode selbst abbeizen wollte. Das Ende vom Lied: Das Furnier war hin, das Holz fleckig und die Reparatur am Ende doppelt so teuer. Geh zu einem Fachmann, wenn große Furnierstücke fehlen, die Oberfläche tiefe Kratzer oder Wasserringe hat oder das Möbel wackelt.
Damit du eine Vorstellung hast: Eine professionelle Schellackpolitur für die Deckplatte einer mittelgroßen Kommode kann, je nach Aufwand, schnell zwischen 400 € und 900 € kosten. Das klingt nach viel, aber es sind viele, viele Stunden reine Handarbeit. Gute Restauratoren findest du zum Beispiel über den Verband der Restauratoren (VDR).
Ein Art-Deco-Möbel ist eben mehr als nur ein Gegenstand. Es ist ein Stück Handwerksgeschichte. Ich erinnere mich an einen kleinen Beistelltisch, bezogen mit dieser seltenen Haifischhaut. Die Restaurierung war ein Albtraum, aber als er fertig war… einfach atemberaubend. Wenn du so ein Stück besitzt, hast du auch die Verantwortung, es für die nächste Generation zu bewahren. Und mit der richtigen Pflege wird es nicht nur die Geschichte seiner Entstehung, sondern auch deine erzählen.

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Achten Sie auf die Griffe und Knöpfe! Originale Stücke aus den 20er und 30er Jahren verwenden oft Bakelit oder Galalith – die ersten edlen Kunststoffe, die damals als hochmodern und luxuriös galten. Ihre typische Haptik und der satte, tiefe Glanz sind durch moderne Plastikimitate kaum zu ersetzen.

Wie integriere ich ein so dominantes Stück in meine moderne Einrichtung?
Der Trick liegt im Kontrast, nicht in der kompletten Anpassung. Behandeln Sie Ihr Art-Deco-Möbel wie ein Kunstwerk. Ein geometrisch furnierter Cocktail-Schrank entfaltet seine volle Wirkung neben einem schlichten, modernen Sofa in einer neutralen Farbe. Statt den ganzen Raum im Stil zu gestalten, schaffen Sie eine bewusste Stil-Insel, die alle Blicke auf sich zieht.

Chrom: Kühl, maschinell und futuristisch. Es spiegelt den Glauben an den technischen Fortschritt wider und wird oft für Gestelle von Stühlen oder Leuchten im Stil von Eileen Gray oder Le Corbusier verwendet.
Messing: Warm, opulent und luxuriös. Es fängt das Licht sanft ein und verleiht Kommoden, Spiegeln oder Tischbeinen eine glamouröse Note, die an die goldenen Zwanziger erinnert.
Beide Metalle definieren den Look, aber mit völlig unterschiedlicher emotionaler Wirkung.

- Dramatische, spiegelbildlich angelegte Furniere (sog. „book-matching“)
- Lackoberflächen mit tiefem Glanz, oft im Klavierlack-Stil
- Intarsien aus Elfenbein, Perlmutt oder kontrastierenden Hölzern
Das Geheimnis liegt in der Oberfläche. Während andere Stile die massive Holzkonstruktion betonen, zelebriert Art Deco die makellose, fast schon grafische Veredelung der sichtbaren Flächen. Es ist eine Kunst der perfekten Illusion.

Die Pariser Weltausstellung von 1925, die „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“, gilt als die Geburtsstunde und der Namensgeber des Stils.
Über 15 Millionen Besucher bestaunten dort die Pavillons, die eine radikale Abkehr von den floralen Mustern des Jugendstils zeigten. Hier wurde ein neuer, urbaner Luxus definiert, der von der Ästhetik der Maschine, exotischen Kulturen und geometrischer Abstraktion inspiriert war. Ein Stil für eine neue, moderne Welt.

Die Farbpalette des Art Deco geht weit über Schwarz, Weiß und Gold hinaus. Um eine authentische Atmosphäre zu schaffen, denken Sie in Juwelentönen. Diese Farben wurden oft als Akzente in Textilien oder auf lackierten Oberflächen eingesetzt.
- Smaragdgrün: Für Samtbezüge auf Sesseln oder als Wandfarbe.
- Saphirblau: Oft in Kombination mit Chrom für einen kühlen, eleganten Look.
- Tiefes Bordeauxrot oder Aubergine: Verleiht einem Raum eine intime, luxuriöse Stimmung.

Der häufigste Fehler: Art Deco mit dem unmittelbar vorausgehenden Jugendstil (Art Nouveau) zu verwechseln. Während der Jugendstil von organischen, fließenden und oft asymmetrischen Linien geprägt ist (denken Sie an Pflanzenranken), feiert Art Deco die strikte Geometrie, Symmetrie und klare Kanten. Eine geschwungene Linie im Art Deco ist fast immer ein perfekter Bogen oder Kreisausschnitt, niemals eine verspielte Ranke.

Echtes Art Deco ist nicht nur etwas für Auktionshäuser. Halten Sie die Augen auf, denn der Stil hat die Wohnkultur nachhaltig geprägt. Einige moderne Marken greifen die Ästhetik gekonnt auf. So finden Sie beispielsweise bei Marken wie Gubi Neuauflagen von Designklassikern dieser Epoche oder bei Westwing und Maisons du Monde stark inspirierte Kollektionen mit Samtsofas, goldenen Beistelltischen und geometrischen Leuchten, die den Glamour für ein kleineres Budget zugänglich machen.

Das Licht ist die Seele des Art-Deco-Ambientes. Es ist selten grell oder direkt, sondern dient dazu, Dramatik zu erzeugen und Texturen hervorzuheben. Typisch sind Wandleuchter, die das Licht nach oben und unten werfen (sog. Up- & Downlights), um architektonische Linien zu betonen. Tischlampen mit Schirmen aus Milchglas oder Alabaster, wie die berühmten Pilzleuchten, spenden ein weiches, diffuses Licht, das die glänzenden Oberflächen der Möbel geheimnisvoll schimmern lässt.

Achtung bei Schellack-Polituren: Viele Originalmöbel sind mit Schellack handpoliert, nicht mit modernen Lacken versiegelt. Diese Oberflächen sind extrem empfindlich gegenüber Alkohol und Wasser! Stellen Sie niemals ein nasses Glas direkt darauf ab – es hinterlässt sofort einen weißen, matten Ring. Zur Pflege genügt ein trockenes, weiches Tuch. Bei leichten Kratzern kann ein professioneller Restaurator mit einer speziellen Politur wahre Wunder wirken.
Der Stil ist nicht nur in Möbeln zu finden. Echte Schätze verbergen sich oft im Detail. Achten Sie auf originale Türgriffe, Lichtschalter oder Heizungsverkleidungen in Häusern aus den späten 20er und 30er Jahren. Oft wurden diese Elemente aus vernickeltem oder verchromtem Messing mit klaren, geometrischen Formen gefertigt. Ein Original-Fundstück wie ein „Frankfurter Normgriff“ von Ferdinand Kramer kann einem Raum sofort einen Hauch authentischer Zeitgeschichte verleihen.




