Dein wichtigstes Werkzeug kostet nichts: Wie ich mit der richtigen Atmung den Werkstatt-Alltag meistere

von Augustine Schneider
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Ganz ehrlich? Jahrelang endete mein Arbeitstag in der Werkstatt immer gleich. Der Rücken war ein einziger Knoten, der Kopf hat vom Lärm gedröhnt. Das ständige Heben, die volle Konzentration an der Kreissäge, der ewige Termindruck … Ich dachte immer, das gehört halt dazu zum Handwerk. Zähne zusammenbeißen und durch. Das ganze Gerede über „richtig atmen“ hab ich als Esoterik-Kram für Leute mit zu viel Freizeit abgetan.

Bis mir ein älterer Kollege, ein Tischlermeister kurz vor der Rente, mal einen dezenten Hinweis gab. Er sah, wie ich nach dem Schleppen einer schweren Eichenbohle nach Luft japste und meinte nur trocken: „Junge, du nutzt dein wichtigstes Werkzeug falsch.“

Er meinte meinen Atem. Zuerst war ich skeptisch. Atmen? Das passiert doch von allein, was kann man da schon falsch machen? Aber er hat mir ein paar simple Grundlagen gezeigt. Keine komplizierte Philosophie, sondern pure, handfeste Mechanik. Es ging einfach nur darum, die Luft nicht in der Brust zu parken, sondern tief in den Bauch zu schicken. Diese eine Anweisung hat für mich alles verändert. Mein Umgang mit Stress, mit körperlicher Anstrengung und die Fähigkeit, mich zu konzentrieren – alles wurde besser. Heute ist das der erste Tipp, den ich meinen Lehrlingen gebe. Denn ein guter Handwerker kennt nicht nur sein Holz und seine Maschinen. Er kennt auch seinen Körper.

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Keine Zeit? Dein 3-Minuten-Gewinn für heute

Für alle Ungeduldigen, hier ist der absolute Kern der Sache. Das kannst du sofort ausprobieren und spüren, was ich meine. Das ist die Basis für alles Weitere.

Leg dich einfach mal für drei Minuten auf den Boden. Winkel die Beine an, Füße flach auf den Boden. Leg eine Hand auf den Bauch und die andere auf die Brust. Jetzt atme einfach mal durch die Nase ein und stell dir vor, du schickst die Luft direkt unter deine Bauch-Hand. Dein Bauch sollte sich heben, die Brusthand aber möglichst ruhig bleiben. Beim Ausatmen sinkt der Bauch wieder. Das ist alles. Mach das ein paar Mal und spüre einfach nur nach. Das ist der erste Schritt, um deinem Körper wieder das richtige Atmen beizubringen.

Die simple Mechanik: Warum die meisten von uns falsch atmen

Um zu verstehen, warum dieser kleine Trick so viel bewirkt, müssen wir uns kurz die Mechanik ansehen. Die meisten von uns atmen im Alltag flach und schnell in die Brust. Das ist eine Art Notfall-Atmung des Körpers, gedacht für kurze Stressmomente. Das Problem ist nur: Unser Alltag ist oft ein einziger Stressmoment. Termindruck, Lärm, Sorgen – der Körper bleibt im Alarmmodus.

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Diese flache Brustatmung hat fiese Nachteile:

  • Du kriegst zu wenig Sprit: Nur der obere Teil der Lunge arbeitet. Weniger Sauerstoff kommt ins Blut, was zu Müdigkeit und Konzentrationsschwäche führt. Kennst du, oder?
  • Der Nacken wird zum Brett: Die Hilfsmuskeln in Hals und Nacken müssen die ganze Arbeit machen und sind irgendwann total überlastet. Das sind die typischen Verspannungen, die wir alle kennen.
  • Dein Stress-System läuft heiß: Flaches, schnelles Atmen signalisiert deinem Nervensystem: „Gefahr!“ Dein Körper schüttet Stresshormone aus, das Herz rast, der Blutdruck steigt.

Die richtige, natürliche Atmung ist die Zwerchfellatmung, also die Bauchatmung. Dein Zwerchfell ist eine riesige Muskelplatte unter der Lunge. Wenn du einatmest, senkt es sich ab, massiert dabei die Bauchorgane (hilft übrigens super bei Verdauungsproblemen nach dem Mittagessen!) und saugt die Luft tief in die Lungen. Dadurch wölbt sich der Bauch nach vorne. Das ist keine Einbildung, sondern simple Physiologie, wie mir auch ein befreundeter Physio bestätigt hat. Noch wichtiger: Durch das Zwerchfell verläuft ein Hauptnerv unseres Ruhesystems. Eine tiefe, langsame Bauchatmung stimuliert diesen Nerv und ist quasi der Schalter, um vom Stress- in den Erholungsmodus zu wechseln.

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Die Grundlage: So bringst du deinem Bauch das Atmen wieder bei

Die größte Hürde ist, diesen wichtigen Muskel überhaupt wieder zu spüren. Die Übung aus dem „Quick Win“-Abschnitt ist dafür perfekt. Hier noch mal etwas ausführlicher:

  1. Bequem hinlegen: Am besten auf den Rücken, Knie anwinkeln, Füße flach aufstellen. So ist der untere Rücken entspannt.
  2. Hände als Fühler: Eine Hand auf den Bauch (über dem Nabel), die andere auf die Brust.
  3. Erstmal nur beobachten: Augen zu und normal atmen. Welche Hand bewegt sich mehr? Wahrscheinlich die auf der Brust.
  4. Luft nach unten schicken: Atme langsam durch die Nase ein. Versuch ganz bewusst, die Bauchdecke gegen deine Hand zu heben. Die Brusthand bleibt ruhig.
  5. Langsam loslassen: Atme langsam wieder aus und spür, wie der Bauch sinkt. Der Ausatem darf gern länger sein als der Einatem.

Kleiner Tipp aus der Praxis: Kein Druck! Das soll sich leicht anfühlen. Wenn du merkst, dass du die Schultern hochziehst, bist du zu verkrampft. Geduld ist hier das A und O. Es hat Jahre gedauert, es sich falsch anzugewöhnen, also gib dir ein paar Wochen, es umzulernen. Fünf Minuten täglich, am besten morgens oder abends im Bett, reichen am Anfang völlig aus.

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So vergisst du es im Alltag nicht

Die Übung auf der Matte ist gut, aber der wahre Gewinn liegt im Alltag. Das Problem: Man vergisst es ständig. Deshalb brauchst du feste Auslöser. Hier sind meine:

  • Jedes Mal, wenn du zum Handy greifst: Ein tiefer, bewusster Bauch-Atemzug, bevor du entsperrst.
  • Während die Kaffeemaschine läuft: Die perfekte Zeit für drei, vier ruhige Atemzüge.
  • An jeder roten Ampel im Transporter: Hände aufs Lenkrad, Schultern locker lassen und tief in den Bauch atmen, bis es wieder grün wird.
  • Bevor du beim Kunden aussteigst: Einmal tief ein- und laaaang ausatmen. Das erdet ungemein.

Meine persönliche Werkzeugkiste für den Kopf

Wenn die Bauchatmung sitzt, kannst du gezielte Techniken für bestimmte Situationen nutzen. Das hier ist mein bewährtes Trio, das ich auch in Meisterkursen weitergebe.

Werkzeug 1: Der Notfallknopf (4-7-8-Atmung)

Diese Technik ist mein Erste-Hilfe-Koffer, wenn der Ärger hochkocht. Ein Kunde nervt kurz vor Feierabend, eine Schraube reißt ab, du machst einen teuren Fehler … Der extrem lange Ausatem ist hier der Trick, er haut voll auf die Bremse deines Stress-Systems.

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  • Atme durch die Nase ein und zähle dabei bis 4.
  • Halte die Luft an und zähle bis 7.
  • Atme hörbar durch den Mund aus und zähle dabei bis 8.

Wiederhole das drei- bis viermal. Achtung! Davon kann dir anfangs schwindelig werden. Das ist normal. Mach die Übung also am Anfang nur im Sitzen und NIEMALS beim Autofahren oder an einer laufenden Maschine.

Werkzeug 2: Das Fokus-Tool (Kastenatmung)

Die nutze ich, wenn absolute Konzentration gefragt ist. Vor einem kniffligen Gehrungsschnitt an einer teuren Platte oder vor einem wichtigen Gespräch. Sie macht den Kopf klar und ruhig, ohne müde zu machen. Nicht umsonst nutzen das auch Profis in Spezialeinheiten.

  • Durch die Nase einatmen, 4 Sekunden lang.
  • Luft anhalten, 4 Sekunden lang.
  • Durch die Nase ausatmen, 4 Sekunden lang.
  • Luft anhalten (mit leerer Lunge), 4 Sekunden lang.

Diesen „Kasten“ einfach für ein, zwei Minuten wiederholen. Das hilft super gegen Prüfungsangst und Lampenfieber.

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Werkzeug 3: Der Kaffee-Ersatz (Blasebalg-Atmung)

Kennst du das Mittagstief? Anstatt zur dritten Tasse Kaffee zu greifen, nutze ich diese Technik. Sie ist wie ein innerer Blasebalg, der das Feuer wieder anfacht.

Setz dich aufrecht hin. Atme schnell und kraftvoll durch die Nase ein und aus. Die Bewegung kommt nur aus dem Bauch, der sich schnell vor und zurück bewegt. Fang mit einer Runde von 20–30 Atemstößen an, dann atme einmal tief ein, halte kurz an und atme laaangsam aus. Spür nach. Nach einer kurzen Pause kannst du eine zweite Runde machen.

Ganz ehrlich? Als ich das zum ersten Mal probiert habe, hab ich’s übertrieben und mir wurde so schwindelig, dass ich mich am Werktisch festhalten musste. Lektion gelernt: Langsam anfangen! Und Achtung: Das ist ein starkes Stimulans. Mach das nicht abends, sonst guckst du die ganze Nacht an die Decke. Bei Bluthochdruck oder Herzproblemen solltest du hier vorsichtig sein.

Atmung beim Heben: Das Fundament für einen gesunden Rücken

Jeder von uns kennt den Spruch: „Aus den Knien heben, nicht aus dem Rücken!“ Aber niemand redet darüber, wie man dabei atmet. Die meisten halten instinktiv die Luft an und pressen. Das erhöht den Druck im Bauchraum ins Unermessliche – ein Hauptgrund für Leistenbrüche und Bandscheibenprobleme.

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Puste wie ein Profi: Das Handwerker-Geheimnis für eine bärenstarke Lunge

Die Profi-Technik ist anders:

  1. Vorbereiten: Atme TIEF in den Bauch ein, bevor du die Last anfasst. Stell dir vor, du hast einen Gürtel um den Bauch und drückst mit der Luft sanft von innen dagegen.
  2. Anspannen: Bauch- und Rückenmuskeln fest machen. Du baust ein inneres Korsett aus Muskeln und Luft.
  3. Heben & Ausatmen: Während des anstrengendsten Teils der Hebebewegung atmest du langsam und kontrolliert aus (z.B. mit einem leisen Zischen). Das reduziert den gefährlichen Spitzendruck.
  4. Absetzen: Beim Absetzen wieder einatmen.

Das zu üben, am besten erst mit leichten Dingen, ist eine der besten Investitionen in deine Gesundheit. Dein Rücken wird es dir danken.

Typische Fehler und wie du sie vermeidest

Auf dem Weg lauern ein paar Stolpersteine. Wenn du sie kennst, sparst du dir Frust.

  1. Der Mund bleibt offen. Versuche, so oft wie möglich durch die Nase zu atmen. Die Nase ist unser eingebauter Filter, sie wärmt die Luft an und verbessert die Sauerstoffaufnahme. Klingt verrückt, aber ein Tipp für Hartnäckige: Nachts den Mund mit einem sanften Pflaster (sog. Mouth Tape, gibt’s für ein paar Euro online) zukleben. Das zwingt den Körper zur gesünderen Nasenatmung. Hat bei mir Wunder gewirkt!
  2. Du denkst zu viel nach. Am Anfang ja, aber das Ziel ist, dass es wieder automatisch passiert. Wenn du dich verkrampfst, lass einfach los und beobachte nur. Der Körper weiß es eigentlich.
  3. Du übst nur auf der Matte. Die wahre Magie passiert im Alltag. Nutze die Wartezeit an der Kasse, den Stau, die Kaffeepause.
  4. Du bist zu ungeduldig. Du wirst nicht über Nacht ein Zen-Meister. Aber du wirst merken, dass du besser schläfst, gelassener reagierst und abends mehr Energie hast. Das sind die Siege, die zählen.
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Grenzen und Verantwortung: Wann der Fachmann ranmuss

Ich bin Handwerksmeister, kein Arzt. Diese Techniken sind für gesunde Menschen gedacht, um Stress abzubauen und das Wohlbefinden zu steigern. Wenn du aber unter anhaltender Atemnot, chronischem Husten, Schmerzen in der Brust oder bekannten Krankheiten wie Asthma, COPD oder Angststörungen leidest, dann sprich bitte zuerst mit einem Arzt oder Therapeuten. Atemübungen können eine Behandlung super unterstützen, aber sie ersetzen sie niemals.

Mein Fazit und eine kleine Werkzeugkiste für dich

Früher dachte ich, meine besten Werkzeuge liegen im Koffer. Heute weiß ich: Das wichtigste hab ich immer dabei. Mein Atem kostet nichts, wiegt nichts und ist immer verfügbar. Ihn bewusst zu nutzen, hat mir eine innere Ruhe und Stabilität gegeben, die im lauten Handwerker-Alltag unbezahlbar ist.

Wenn du tiefer einsteigen willst, hier meine Empfehlungen:

  • Apps: Es gibt viele kostenlose oder günstige Atem-Apps im App Store (z.B. „Breathe+“ oder „Atemübung“). Eine Einmalinvestition von unter 10 € lohnt sich oft für geführte Übungen.
  • Bücher: Es gibt ein fantastisches Buch von einem bekannten Wissenschaftsjournalisten, das die Wissenschaft hinter dem Atmen erklärt. Du findest es in jeder guten Buchhandlung, wenn du nach „Atem“ oder „Breath“ suchst.
  • Videos: Auf den gängigen Videoplattformen findest du unzählige kostenlose Anleitungen zu „Box Breathing“ oder „Zwerchfellatmung“.
  • Für Fortgeschrittene: Wenn dir das alles leichtfällt, schau dir mal die Techniken an, die von Extremsportlern genutzt werden. Aber Vorsicht: Informiere dich gut und geh es langsam an, das ist die nächste Stufe!

Behandle deinen Atem wie ein gutes Werkzeug. Lerne ihn kennen, übe den Umgang damit und pflege ihn täglich. Das ist vielleicht die wertvollste Lektion, die ich in all meinen Jahren in der Werkstatt gelernt habe.

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Wie hilft mir bewusstes Atmen konkret an der Tischkreissäge oder der Fräse?

Ganz einfach: Es ist Ihre eingebaute Sicherheitsbremse. Wenn ein Schnitt knifflig wird, neigen wir dazu, die Luft anzuhalten oder flach zu atmen. Das erhöht sofort die Muskelspannung in Schultern und Händen – Gift für präzises Arbeiten. Eine ruhige, tiefe Bauchatmung hingegen senkt den Puls und entspannt genau diese Muskelgruppen. Ihre Hände bleiben ruhiger, Ihr Blick fokussierter. Der Unterschied zwischen einem sauberen Schnitt mit einer Festool oder Mafell und einem teuren Fehler liegt oft nur in ein paar bewussten Atemzügen.

Der Heber-Trick: Atmen Sie beim Anheben schwerer Lasten – wie einer massiven Bohle oder einem Zementsack – kräftig und hörbar AUS. Warum? Das kraftvolle Ausatmen spannt automatisch Ihre tiefe Rumpfmuskulatur an. Dieses natürliche Korsett stabilisiert die Lendenwirbelsäule und schützt den Rücken effektiv vor Verletzungen. Einatmen beim Vorbereiten, Ausatmen bei der Anstrengung.

Augustine Schneider

Augustine ist eine offene und wissenshungrige Person, die ständig nach neuen Herausforderungen sucht. Sie hat ihren ersten Studienabschluss in Journalistik an der Uni Berlin erfolgreich absolviert. Ihr Interesse und Leidenschaft für digitale Medien und Kommunikation haben sie motiviert und sie hat ihr Masterstudium im Bereich Media, Interkulturelle Kommunikation und Journalistik wieder an der Freien Universität Berlin abgeschlossen. Ihre Praktika in London und Brighton haben ihren beruflichen Werdegang sowie ihre Weltanschauung noch mehr bereichert und erweitert. Die nachfolgenden Jahre hat sie sich dem kreativen Schreiben als freiberufliche Online-Autorin sowie der Arbeit als PR-Referentin gewidmet. Zum Glück hat sie den Weg zu unserer Freshideen-Redation gefunden und ist zurzeit ein wertvolles Mitglied in unserem motivierten Team. Ihre Freizeit verbringt sie gerne auf Reisen oder beim Wandern in den Bergen. Ihre kreative Seele schöpft dadurch immer wieder neue Inspiration und findet die nötige Portion innerer Ruhe und Freiheit.