Weiberfastnacht für Einsteiger: Dein ultimativer Guide, um den Tag zu überleben (und zu lieben!)
Ganz ehrlich? Ich stecke seit über 40 Jahren mitten im Karneval. Als junger Spund im Zoch, später im Vereinsvorstand und heute bin ich der, der dem Nachwuchs die alten Lieder und Bräuche näherbringt. Jedes Jahr das gleiche Spiel: Sobald der Donnerstag vor Aschermittwoch näher rückt, kribbelt es überall. „Wann ist endlich Weiberfastnacht?!“
Inhaltsverzeichnis
- 0.1 Was zum Geier feiern wir da eigentlich?
- 0.2 Die Wurzeln: Als die Wäscherinnen die Nase voll hatten
- 0.3 Das Krawatten-Ritual: Mehr als nur ein Stück Stoff
- 0.4 Ein typischer Tag: So läuft der Wahnsinn ab
- 0.5 Dein Überlebens-Kit für Weiberfastnacht
- 0.6 Rheinland vs. Schwaben: Nicht überall wird gebützt
- 0.7 Ein Fazit aus dem Herzen
- 1 Bildergalerie
Für viele ist es nur eine gigantische Party. Aber für mich und die echten Jecken ist es so viel mehr. Ein Tag voller Symbole, Geschichte und, ja, auch ungeschriebener Gesetze. Und genau darum soll es hier gehen – nicht um den schnellen Rausch, sondern um das Herz dieses Brauchs, das tiefer schlägt, als die meisten ahnen.
Was zum Geier feiern wir da eigentlich?
Kurz und knapp: An Weiberfastnacht reißen die Frauen die Macht an sich. Punkt. Es ist der offizielle Startschuss für den Straßenkarneval im Rheinland. An diesem Tag wird die Welt einfach mal auf den Kopf gestellt, und die Männer haben symbolisch für ein paar Stunden Sendepause. Das bekannteste Zeichen dafür ist natürlich das Abschneiden der Krawatten, aber dazu kommen wir gleich noch.

Der Name „Weiberfastnacht“ sagt schon alles. „Weiber“ klingt heute vielleicht etwas altbacken, aber im Karneval ist es ein Ehrentitel, der für geballte Frauenpower steht. Je nach Ecke nennt man den Tag auch „Altweiber“. Und dann gibt es noch den „Schmotzige Dunschtig“ im süddeutschen Raum, wo die schwäbisch-alemannische Fastnacht zu Hause ist. „Schmotzig“ heißt dort so viel wie „fettig“, weil vor der Fastenzeit nochmal ordentlich in Schmalz gebacken wurde. Die Bräuche dort sind aber, Achtung, eine komplett andere Welt!
Die Wurzeln: Als die Wäscherinnen die Nase voll hatten
Die Weiberfastnacht, so wie wir sie heute kennen, hat eine ziemlich coole Entstehungsgeschichte. Alles begann in Beuel, heute ein Teil von Bonn. Damals war Karneval reine Männersache. Die Herren der Schöpfung feierten in ihren Komitees, während die Frauen am Rheinufer schufteten und die Wäsche wuschen.
Irgendwann hatten die Beueler Wäscherinnen einfach die Nase voll. Sie schlossen sich zusammen, gründeten ihr eigenes „Damenkomitee“, stürmten das Rathaus und übernahmen die Herrschaft. Das war eine kleine Revolution! Sie wollten nicht mehr nur die unsichtbaren Helferinnen sein, sondern selbst auf den Putz hauen. Genau dieser Sturm auf das Rathaus ist bis heute der Höhepunkt in vielen Städten – eine direkte Verbeugung vor dem Mut dieser Frauen.

Klar, Feste, bei denen die Ordnung umgedreht wird, gab es schon im Mittelalter, um die Wintergeister zu vertreiben. Aber die moderne, laute und selbstbewusste Weiberfastnacht? Die verdanken wir ganz klar den Wäscherinnen.
Das Krawatten-Ritual: Mehr als nur ein Stück Stoff
Ah, das berühmte Krawattenschneiden. Für Außenstehende oft ein bizarrer Anblick. Dahinter steckt aber eine klare Symbolik: Der Schlips ist seit jeher ein Zeichen für männliche Macht und Business-Ernsthaftigkeit. Schneidet eine Frau ihn ab, stutzt sie den Mann spielerisch auf Normalmaß zurück und sagt: „Heute gelten meine Regeln.“
Dafür gibt’s natürlich einen kleinen Knigge:
- Für die Männer: Tragt um Himmels willen nicht die teure Seidenkrawatte von Tante Erna! Ein altes, billiges Stück für 5 Euro tut’s auch. Ehrlich gesagt, die wird dran glauben müssen. Ein einfaches Kostüm, vielleicht als Handwerker oder Pirat, kommt immer gut an und lenkt von der Krawatte ab.
- Für die Frauen: Eine kleine, stumpfe Schere (Kinderscheren aus dem 1-Euro-Laden sind perfekt) gehört in die Handtasche. Man fragt kurz oder deutet es mit einem Lächeln an. Als „Entschädigung“ für den Verlust gibt es traditionell ein „Bützchen“ – ein harmloses Küsschen auf die WANGE. Kein Zungenkuss, Leute!
Das Wichtigste dabei: Respekt. Wenn ein Mann deutlich signalisiert, dass er nicht möchte, wird das akzeptiert. Karneval ist ein Spiel, kein Freibrief.

Ein typischer Tag: So läuft der Wahnsinn ab
Der Morgen: Die Luft knistert. Ernsthaft. Schon um 8 Uhr morgens siehst du die ersten kostümierten Gruppen, die sich beim Bäcker mit Berlinern eindecken. Viele Frauengruppen starten mit einem Sektfrühstück zu Hause. Man legt die berühmte „Grundlage“, denn der Tag wird lang und flüssig.
11:11 Uhr – Der Startschuss: Jetzt geht’s los! In den Hochburgen versammeln sich Zehntausende. Die Hotspots, die ihr ansteuern müsst: In Köln der Alter Markt, in Düsseldorf der Rathausplatz und in Bonn-Beuel natürlich der Sturm aufs Rathaus. Der Bürgermeister übergibt symbolisch den Stadtschlüssel an die Frauen („Möhnen“), und der Jubel ist ohrenbetäubend. Ein Tipp: Wenn ihr den Refrain von „Viva Colonia“ oder „Et jitt kei Wood“ mitsingen könnt, gehört ihr sofort dazu!
Der Nachmittag und Abend: Danach zieht die Menge los. Von Kneipe zu Kneipe, auf den Plätzen, überall wird gesungen und geschunkelt. Man ist sofort per Du, egal mit wem. Aber Vorsicht: Wenn es dunkel wird und der Alkoholpegel steigt, kann die Stimmung auch mal kippen. Bleibt bei euren Freunden und passt aufeinander auf.

Dein Überlebens-Kit für Weiberfastnacht
Aus meiner jahrelangen Erfahrung habe ich ein paar Tipps, die euch den Tag retten können. Seht es als eure persönliche Checkliste:
- Kleidung ist alles: Zwiebel-Look! Draußen ist es kalt, drinnen in den Kneipen tropisch heiß. Zieht mehrere dünne Schichten an. Und das Wichtigste: BEQUEME, WASSERDICHTE SCHUHE. Ihr werdet stundenlang stehen. High Heels sind der Endgegner. Kleiner Trick, wenn Regen angesagt ist: Schneidet drei Löcher (Kopf, Arme) in einen großen Müllsack. Bester und billigster Regenschutz über dem Kostüm!
- Was kostet der Spaß? Plant mal mit 40-60 Euro Bargeld. Ein Kölsch kostet an dem Tag schnell 2,50 € bis 3,50 €. Nehmt am besten kleine Scheine mit, das macht es einfacher.
- Dein Gepäck: Nur das Nötigste! Handy (mit voller Powerbank!), Ausweis (oder eine Kopie), Bargeld. Alles in eine verschließbare Innentasche oder einen Brustbeutel. Taschendiebe lieben das Gedränge.
- Anreise-Profi-Tipp: Lasst das Auto zu Hause! Kauft euer Tagesticket für Bus & Bahn schon am Vortag oder online in der App. An den Automaten am Donnerstagmorgen sind die Schlangen die Hölle!
- Trinken mit Köpfchen: Esst vorher gut! Trinkt zwischendurch immer mal ein Wasser. Wer zu betrunken ist, wird leichtsinnig und ein leichtes Opfer – nicht nur für Krawattenscheren.
- Der Notfallplan: Das Handynetz ist oft überlastet. Macht mit eurer Gruppe VORHER einen festen Treffpunkt aus, falls ihr euch verliert (z.B. „am Reiterstandbild um Punkt 15 Uhr“).

Rheinland vs. Schwaben: Nicht überall wird gebützt
Wer an Weiberfastnacht aus Versehen in den Schwarzwald fährt, erlebt eine Überraschung. Die schwäbisch-alemannische Fastnacht ist ein ganz anderes Kaliber. Es ist weniger Party, mehr gelebtes, altes Brauchtum.
Im Rheinland ist der Tag laut, bunt und fröhlich. Die Kostüme sind kreativ, individuell und oft selbstgemacht. Es geht um das gemeinsame Feiern mit modernen Karnevalshits auf der Straße. Hier wird gebützt und gelacht.
Ganz anders beim „Schmotzige Dunschtig“. Dort dominieren traditionelle Narrenzünfte mit ihren vererbten Kostümen („Häs“) und handgeschnitzten Holzmasken („Larven“). Die Stimmung ist ursprünglicher, fast mystisch. Statt Krawatten zu schneiden, schwärzen die Narren den Leuten die Gesichter mit Ruß, um den Winter zu vertreiben. Beides hat seinen Reiz, aber man sollte den Unterschied kennen!
Ein Fazit aus dem Herzen
Weiberfastnacht ist ein fantastischer, befreiender Tag. Ein Denkmal für mutige Frauen und der Startschuss für die jeckste Zeit des Jahres. Aber es ist auch ein Tag, der von jedem ein bisschen Verantwortung fordert – für sich selbst und für die Leute um einen herum.

Hinter der bunten Fassade steckt die monatelange, ehrenamtliche Arbeit tausender Menschen in den Vereinen. Wenn ihr also das nächste Mal feiert, denkt kurz daran: Ihr seid Teil einer lebendigen Geschichte. Tragt sie mit Freude, Respekt und einem Lächeln im Gesicht. Dann wird es genau das, was es sein soll: ein unvergessliches Fest der puren Lebensfreude.
Bildergalerie


An Weiberfastnacht werden allein in Köln die Krawatten von tausenden Männern symbolisch gekürzt.
Aber es ist mehr als nur ein Scherz – es ist ein Ritual. Der abgeschnittene Schlips wird oft von der „Jägerin“ als Trophäe behalten. Der „beraubte“ Mann erhält als Entschädigung traditionell ein „Bützchen“ (ein Küsschen) auf die Wange. Männer, die an diesem Tag eine teure Seidenkrawatte von Hermès tragen, haben den Brauch entweder nicht verstanden oder sind außerordentlich mutig.

Plötzlich ohne Krawatte – und jetzt?
Keine Sorge, als Mann ist man auf den Verlust vorbereitet. Viele tragen bewusst eine alte oder günstige Krawatte, die sie nicht vermissen werden. Einige clevere Jecken haben sogar eine zweite, bereits gekürzte Krawatte in der Tasche, die sie nach dem „Angriff“ hervorzaubern. Das Wichtigste ist, den „Überfall“ mit Humor zu nehmen. Ein schmollendes Gesicht ist der größte Fauxpas. Lachen Sie, prosten Sie der Dame zu und feiern Sie mit – das ist der wahre Geist des Tages.

Für die richtige Stimmung ist der Soundtrack entscheidend. Wer mitsingen kann, ist sofort mittendrin statt nur dabei. Hier ist Ihre musikalische Grundausstattung für den Tag:
- Der Klassiker zum Schunkeln: „Schenk mir dein Herz“ von den Höhnern.
- Die Party-Hymne: „Viva Colonia“ ebenfalls von den Höhnern.
- Für das kölsche Gefühl: „Et jit kei Wood“ von Cat Ballou.
- Wenn die Stimmung rockig wird: „Superjeilezick“ von Brings.
Die richtige Ausrüstung: Ein kleiner Beutel ist Gold wert. Verzichten Sie auf große Handtaschen und Rucksäcke. Ein Jutebeutel oder eine kleine Umhängetasche, die man eng am Körper tragen kann, ist ideal.
Das richtige Schuhwerk: Komfort über alles! Sie werden stundenlang stehen, tanzen und laufen. Alte, bequeme Sneaker oder feste Stiefel sind die beste Wahl. Absätze oder neue Schuhe sind ein Garant für einen frühen Feierabend.


