Altbau sanieren, aber richtig: Was dir im Hochglanz-Magazin niemand verrät
Neulich hat mir ein Bekannter ganz stolz Bilder von seiner neuen Wohnung gezeigt. Ein Traum in Weiß, irgendwo in einer schicken europäischen Altstadt. Alles super schlicht, glatte Wände, coole Gewölbedecken – dieser nahtlose Mix aus alt und modern. Die meisten Leute sehen so was und denken: „Wow, das will ich auch!“
Inhaltsverzeichnis
- 1 Warum dein Altbau anders tickt (und was du kaputt machst, wenn du das ignorierst)
- 2 So machen’s die Profis: Die richtigen Techniken für alte Mauern
- 3 Planung, Kosten und was du selbst machen kannst (und was nicht!)
- 4 Achtung, Gift! Die versteckten Gefahren im Altbau
- 5 Ein letztes Wort aus der Werkstatt
- 6 Bildergalerie
Ganz ehrlich? Ich sehe solche Bilder und denke an den Staub, den Lärm und die unzähligen unerwarteten Probleme, die man lösen muss, um so ein Ergebnis hinzubekommen. Ich stecke seit über zwei Jahrzehnten bis zum Hals im Handwerk, Schwerpunkt Stuck und Trockenbau. Ich hab wahrscheinlich mehr alte Mauern von innen gesehen als die meisten Touristen von außen.
Und eins kann ich dir sagen: Eine echte Altbausanierung hat null mit dem zu tun, was du in Wohnzeitschriften siehst. Das ist ehrliche, harte Arbeit, die Wissen und vor allem Respekt vor dem alten Gemäuer erfordert. Jeder Altbau hat eine Seele. Er atmet, er bewegt sich und er hat seine Macken. Wenn man die nicht kapiert, macht man am Ende mehr kaputt als heil. Hier teile ich mal ein paar Einblicke – nicht aus dem Lehrbuch, sondern direkt von der Baustelle. So, dass es am Ende nicht nur schön aussieht, sondern auch die nächsten Jahrzehnte überlebt.

Warum dein Altbau anders tickt (und was du kaputt machst, wenn du das ignorierst)
Bevor wir auch nur an Werkzeug denken, müssen wir das Haus verstehen. Ein traditionell gebautes Haus ist ein komplett anderes System als ein Neubau von heute. Der größte und teuerste Fehler, den ich immer wieder sehe: Leute versuchen, einen Altbau mit modernen Materialien „totzudichten“. Die alten Baumeister waren ja nicht dumm. Ihre Häuser waren so gebaut, dass sie atmen können.
Thema Nr. 1: Feuchtigkeit – der unsichtbare Feind
Wasser ist im Altbau alles entscheidend. Alte Mauern aus Ziegel oder Naturstein sind ein bisschen wie ein Schwamm. Sie können Feuchtigkeit aufnehmen und langsam wieder an die Luft abgeben. Man nennt das „diffusionsoffen“ – stell es dir wie eine gute Gore-Tex-Jacke für die Wand vor. Sie lässt Dampf raus, aber nicht so viel rein. Dieses Gleichgewicht ist heilig.
Wenn du jetzt kommst und eine dichte Dispersionsfarbe draufklatschst oder einen knallharten Zementputz aufziehst, sperrst du die Feuchtigkeit ein. Die Folge? Der Putz platzt ab, es riecht muffig, und im schlimmsten Fall hast du hinter deiner schönen neuen Wand eine heimliche Schimmelparty am Laufen.

Wir Profis sprechen auch von der „Kapillarwirkung“. Das bedeutet, Wasser steigt aus dem Fundament in der Mauer nach oben. Das ist wie bei einem Zuckerwürfel, den du in Kaffee tunkst. Früher war das normal, heute wollen wir trockene Wände. Aber anstatt die Wand mit Chemie vollzupumpen, nutzen wir lieber Materialien, die mit dem Haus arbeiten. Kalk- oder Lehmputz sind da genial. Sie helfen der Wand, die Feuchtigkeit an die Raumluft abzugeben, wo du sie einfach weglüften kannst. Das Raumklima wird dadurch übrigens fantastisch.
Ein Lehrling von mir hat mal einen Zementsockelputz zu hoch gezogen. Ein halbes Jahr später durfte er ihn wieder abklopfen. Warum? Weil die Feuchtigkeit einfach darüber aus der Wand kam und den nagelneuen Kalkputz ruiniert hat. Die Lektion hat er nie vergessen, das kannst du glauben.
Kleiner Tipp für den Start: Kauf dir für 15 Euro ein einfaches Hygrometer im Baumarkt oder online. Wenn die Luftfeuchtigkeit in deinem Altbau dauerhaft über 60 % liegt, hast du ein Thema, das du vor allen Malerarbeiten angehen musst.

Wärmebrücken: Die geheimen Autobahnen für Kälte
Eine Wärmebrücke ist ein Bauteil, das Wärme schneller nach draußen leitet als der Rest der Wand. Klassiker im Altbau: Fensterlaibungen, ungedämmte Balkonanschlüsse oder die Ecken des Hauses. An diesen kalten Stellen kondensiert die warme, feuchte Luft aus dem Raum. Das Ergebnis: ein nasser Fleck und kurz darauf schwarzer Schimmel. So wird die romantische Fensternische im Schlafzimmer schnell zur Gesundheitsfalle.
Bei einer Sanierung spüren wir diese Schwachstellen auf und packen sie an. Oft geht das gut mit einer speziellen Innendämmung, zum Beispiel mit Kalziumsilikatplatten. Die sind auch wieder diffusionsoffen und können Feuchtigkeit puffern. Perfekt für den Altbau, aber die kriegst du meist nur im Baustoff-Fachhandel, nicht im Standard-Baumarkt.
Statik: Bitte nicht einfach Wände einreißen!
„Die Wand kann doch weg, die ist doch dünn.“ Diesen Satz hab ich schon viel zu oft gehört. In Altbauten ist das aber verdammt kompliziert. Manchmal haben selbst dünne Wände eine stabilisierende Funktion für das ganze Haus. Besonders bei alten Holzbalkendecken ist höchste Vorsicht geboten. Die Lasten werden da oft ganz anders verteilt, als man es heute machen würde.

Mein Rat: Immer, wirklich IMMER, einen erfahrenen Statiker draufschauen lassen, bevor eine Wand rausfliegt. Ich hab schon Decken gesehen, die sich nach so einer Aktion um mehrere Zentimeter gesenkt haben. Die Reparaturkosten sind dann höher als der Wert des ganzen Umbaus. Kein Witz.
So machen’s die Profis: Die richtigen Techniken für alte Mauern
Erinnerst du dich an die perfekten Wände aus der Wohnung vom Anfang? Das ist das Ergebnis von viel Know-how und präziser Arbeit. Hier sind ein paar Techniken, die wir anwenden, um so ein Finish zu erzielen, ohne dem Haus zu schaden.
Der richtige Putz ist die halbe Miete
Die Wahl des Putzes ist eine der wichtigsten Entscheidungen überhaupt. Vergiss den Standard-Gipsputz aus dem Neubau für einen Moment. Im Altbau spielen wir mit anderen Materialien:
- Kalkputz: Mein absoluter Favorit für die meisten Altbauwände. Er ist von Natur aus alkalisch und wirkt dadurch schimmelhemmend. Außerdem ist er super diffusionsoffen und reguliert die Feuchtigkeit im Raum. Der Geruch nach frischem Kalkputz ist für mich der Geruch einer gesunden Baustelle. Rechne hier mit Kosten zwischen 40 € und 70 € pro Quadratmeter, je nach Aufbau und Finish.
- Lehmputz: In Sachen Feuchtigkeitsregulierung ist Lehm der Champion. Er kann extrem viel Wasser aufnehmen und wieder abgeben, was für ein unvergleichliches Raumklima sorgt. Aber Achtung: Er ist nicht für Feuchträume wie Duschbereiche geeignet und ist mechanisch nicht so belastbar wie Kalkputz. Preislich liegt er oft noch etwas höher, so bei 50 € bis 80 € pro Quadratmeter.
- Gipsputz: Im modernen Trockenbau ist er Standard, im Altbau oft ein No-Go. Gips hasst Feuchtigkeit. Auf einer alten, leicht feuchten Kellerwand wird er weich wie Haferschleim. Wir setzen ihn nur ein, wenn wir zu 100 % sicher sind, dass die Wand trocken ist und bleibt. Dafür ist er mit 25 € bis 40 € pro Quadratmeter die günstigste Variante.
Der Ablauf ist eigentlich immer ähnlich: Alter, loser Putz muss runter. Dann wird die Wand gesäubert. Ein Vorspritz als Haftbrücke sorgt für den richtigen Halt. Darauf kommt der Unterputz, oft mit einem Armierungsgewebe verstärkt, um Risse zu minimieren. Und dann heißt es: warten. Als Faustregel gilt: Pro Millimeter Putzstärke rechnet man einen Tag Trocknungszeit. Geduld ist hier alles! Erst dann folgt der feine Oberputz für die finale Oberfläche.

Die perfekte Oberfläche: Was zum Teufel ist „Q4“?
Um diese spiegelglatten Wände zu bekommen, braucht es eine perfekte Oberflächenqualität. Wir Handwerker sprechen von Qualitätsstufen, von Q1 (ganz einfach) bis Q4 (absolutes High-End). Für eine glatt gestrichene Wand brauchst du mindestens Q3, besser Q4.
Aber was heißt das für dich? Stell es dir so vor:
- Q2: Das ist die Standardqualität für Raufasertapete. Man sieht noch Spachtelgrate, aber es ist eben.
- Q3: Schon deutlich glatter. Man zieht die ganze Fläche nochmal mit einem feinen Spachtel ab. Kleine Unebenheiten sind im Streiflicht aber noch sichtbar.
- Q4: Das ist die Luxus-Version. Die Fläche wird mehrfach gespachtelt und extrem fein geschliffen. Das Ergebnis ist so glatt wie ein Autolack. Jede noch so kleine Unebenheit würde man später im Licht sofort sehen. Das ist sehr zeit- und damit auch kostenintensiv, aber das Ergebnis ist eben auch beeindruckend.
Planung, Kosten und was du selbst machen kannst (und was nicht!)
Eine Altbausanierung ist ein Abenteuer. Gute Planung ist wichtig, aber Flexibilität ist noch wichtiger. Denn Überraschungen sind quasi garantiert.

Kosten und Zeit: Sei realistisch!
Meine wichtigste Regel für Kunden: Plane immer, wirklich immer, ein finanzielles Polster von mindestens 20 % für Unvorhergesehenes ein. Wenn deine erste Schätzung bei 50.000 € liegt, hab 10.000 € in der Hinterhand. Es taucht fast immer etwas auf: ein morscher Deckenbalken, alte Bleirohre in der Wand oder – der absolute Super-GAU – ein Befall mit Echtem Hausschwamm.
Auch der Zeitplan ist oft zu optimistisch. Die Trocknungszeiten für Putz und Estrich kann man nicht einfach abkürzen. Wer hier pfuscht, baut sich Feuchtigkeit ein und handelt sich massive Schäden ein. Ein seriöser Handwerker wird dir niemals einen unrealistisch schnellen Fertigstellungstermin versprechen.
DIY: Wo du Geld sparen kannst – und wo nicht
Klar kannst du einiges selbst machen, um die Kosten zu senken:
- Abrissarbeiten: Alte Tapeten abkratzen, nichttragende Wände rausreißen (nachdem ein Profi gesagt hat, dass es okay ist!), alte Bodenbeläge entfernen.
- Malerarbeiten: Nach einer sauberen Vorarbeit durch den Stuckateur kannst du die Wände selbst streichen. Aber bitte, bitte nimm diffusionsoffene Farben (Silikat- oder Kalkfarben), sonst war die ganze Arbeit am Putz umsonst.
- Boden verlegen: Einen Klick-Vinyl- oder Fertigparkettboden zu verlegen, ist für viele machbar.
Mini-Anleitung: Alten Putz richtig abschlagen

- Sicherheit zuerst! Schutzbrille und Staubmaske sind Pflicht, kein Witz. Der Staub ist extrem fein.
- Der Klopftest: Nimm einen Hammer und klopf die Wand systematisch ab. Überall, wo es hohl klingt, muss der Putz runter.
- Ran an die Arbeit: Mit einem breiten, flachen Meißel und einem Fäustel (ein kleiner, schwerer Hammer) kannst du die losen Stellen einfach abhebeln. Fang an den hohlen Stellen an, von dort aus arbeitet es sich am leichtesten.
Bei diesen Dingen solltest du aber UNBEDINGT einen Meisterbetrieb rufen:
- Alles, was mit der Statik zu tun hat.
- Putz- und Stuckarbeiten (das braucht einfach jahrelange Erfahrung).
- Elektro- und Wasserinstallationen (hier geht’s um deine Sicherheit und die Versicherung).
- Umgang mit Gefahrstoffen wie Asbest oder Schimmel. Finger weg!
Wie erkenne ich einen guten Handwerker?
Frag ihn Löcher in den Bauch! Ein guter Profi wird sich Zeit für deine Fragen nehmen. Hier ein paar Ideen:
- „Welche Materialien würden Sie für meine alten Wände empfehlen und warum?“ (Wenn als Antwort nur „Gipsputz“ kommt, sei skeptisch.)
- „Haben Sie Erfahrung mit Kalkputz oder Lehmputz?“
- „Können Sie mir ein Referenzobjekt in der Nähe zeigen, das Sie saniert haben?“
- „Wie stellen Sie sicher, dass die Trocknungszeiten eingehalten werden?“

Achtung, Gift! Die versteckten Gefahren im Altbau
Dieses Thema ist mir extrem wichtig. Unwissenheit kann hier nicht nur teuer werden, sondern deine Gesundheit ruinieren.
Sei extrem vorsichtig bei:
- Asbest: Kann in alten PVC-Bodenplatten, Rohrisolierungen oder sogar im Fliesenkleber stecken. Das Einatmen der Fasern ist hochgradig krebserregend. Beim kleinsten Verdacht: Arbeit sofort stoppen und eine Fachfirma für eine Probeentnahme anrufen. NIEMALS selbst daran rumsägen oder rausreißen!
- Blei: Alte Wasserrohre können aus Blei sein. Auch in alten Rostschutzfarben kann Blei enthalten sein.
- Giftige Holzschutzmittel: Früher wurden Dachstühle oft mit üblen Chemikalien behandelt. Der Staub davon ist giftig.
Ein Moment der Unachtsamkeit kann lebenslange Folgen haben. Sicherheit geht immer, immer vor.
Ein letztes Wort aus der Werkstatt
Ein altes Haus zu sanieren, ist eine Reise. Es gibt Momente, da zweifelst du an allem, wenn das nächste Problem auftaucht. Aber dann kommt der Tag, an dem du in den fertigen Räumen stehst, den leichten Geruch von frischem Kalk in der Nase hast und über die kühle, glatte Wand streichst. Wenn du siehst, wie das Licht durch die alten Fenster auf einen neuen Boden fällt.

In diesem Moment weißt du, dass sich all der Dreck, der Staub und die Planung gelohnt haben. Du hast nicht nur einen Wohnraum geschaffen, sondern ein Stück Geschichte bewahrt. Und das, ehrlich gesagt, ist eine der schönsten Aufgaben, die unser Handwerk zu bieten hat.
Bildergalerie


„Etwa 75% aller Bauschäden in Altbauten sind feuchtebedingt.“
Diese Schätzung von Bausachverständigen unterstreicht die Warnung des Artikels. Das Problem ist oft hausgemacht: Moderne, dichte Materialien sperren die natürliche Kapillarwirkung der alten Mauern ab. Feuchtigkeit, die früher unbemerkt verdunsten konnte, sammelt sich, kondensiert und schafft ideale Bedingungen für Schimmel und Salzausblühungen. Bevor Sie also zu Acryl-Dichtstoffen oder Latexfarbe greifen, denken Sie daran: Sie lösen kein Problem, sondern schaffen oft ein viel größeres, das unsichtbar hinter der Wand wächst.

Der Charme des Echten oder die Perfektion des Neuen? Ein Bodendilemma.
Option A: Originaldielen aufarbeiten. Das bedeutet Knochenarbeit: Schleifen, Fugen auskratzen, vielleicht einzelne Dielen ersetzen. Das Ergebnis ist aber unbezahlbar – ein Boden mit Charakter, der Jahrzehnte an Geschichte erzählt. Mit einem hochwertigen Hartwachs-Öl, zum Beispiel von Osmo, wird die Holzmaserung betont und die Oberfläche bleibt atmungsaktiv.
Option B: Neuen Boden darüberlegen. Schnell, sauber und oft günstiger. Doch Vorsicht: Wird der alte Boden nicht richtig vorbereitet und belüftet, kann sich darunter Schwitzwasser bilden. Die alte Substanz erstickt langsam. Diese Methode ist nur eine Option, wenn der Untergrund irreparabel beschädigt ist.
Die Wände atmen wieder, aber welche Farbe verträgt sich mit dem neuen Kalk- oder Lehmputz? Hier sind drei diffusionsoffene Alternativen zur klassischen Dispersionsfarbe:
- Silikatfarbe: Geht eine unlösbare chemische Verbindung mit mineralischen Untergründen ein (Verkieselung). Extrem langlebig, wetterfest und von Natur aus schimmelwidrig. Ideal für Fassaden, aber auch für Innenräume mit Feuchtigkeitsbelastung.
- Kalkfarbe: Der Klassiker im Altbau. Wirkt feuchtigkeitsregulierend, desinfizierend und sorgt für ein helles, mattes Finish. Marken wie Kreidezeit bieten hier rein ökologische Varianten.
- Lehmfarbe: Bietet eine samtige, warme Optik und verbessert das Raumklima spürbar, da sie exzellent Luftfeuchtigkeit puffert. Perfekt für Wohn- und Schlafräume.



