Wenn die Welt Kopf steht: Der ultimative Guide für dich und deinen Hund in jeder Krise
Erinnerst du dich noch an diese seltsame Zeit, als die Welt plötzlich den Atem anzuhalten schien? Die Straßen waren wie leer gefegt, aber in den Parks und auf den Feldwegen wimmelte es auf einmal von Hunden. Viele von uns waren plötzlich nur noch zu Hause, hatten Zeit und sehnten sich nach einem treuen Begleiter. Das war im Grunde eine wunderbare Sache, brachte aber auch eine Lawine an Fragen und Sorgen mit sich.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Erstmal durchatmen: Die Fakten einfach erklärt
- 2 Der Alltag im Ausnahmezustand: Deine Checkliste für alle Fälle
- 3 Wenn die Wände näher kommen: Beschäftigung für drinnen
- 4 Die unsichtbaren Folgen: Wenn die Psyche leidet
- 5 Gesundheit und Hygiene: Bitte mit Verstand!
- 6 Für die Zukunft gelernt: Vorbereitung ist alles
Ganz ehrlich, mein Telefon stand damals nicht mehr still. Als jemand, der sein ganzes Leben mit Hunden verbringt und auch den Nachwuchs in der Tierpflege ausbildet, wurde ich mit Fragen bombardiert: „Kann mein Hund das Virus kriegen?“, „Was mache ich, wenn ich in Quarantäne muss?“, „Darf ich überhaupt noch raus zum Gassi gehen?“. Ich hatte sogar einen Anrufer, der allen Ernstes fragte, ob er seinen Hund mit Sagrotan desinfizieren sollte … da musste ich erstmal tief durchatmen und ganz ruhig erklären, warum das eine katastrophale Idee ist.

Diese Ausnahmesituationen, egal welcher Art, fordern uns alle heraus. Die Regeln ändern sich, Informationen sind widersprüchlich und die Unsicherheit ist riesig. Heute, mit etwas Abstand, können wir die Dinge viel klarer sehen und die Lehren daraus ziehen. Dieser Ratgeber ist kein wissenschaftlicher Text, sondern pure Praxis. Geballtes Wissen aus unzähligen Gesprächen mit Tierärzten, der täglichen Arbeit mit Hundebesitzern und ja, auch aus den Erfahrungen im Tierheim. Er soll dir helfen, deinen Hund sicher und entspannt durch jede noch so verrückte Zeit zu bringen.
Erstmal durchatmen: Die Fakten einfach erklärt
Um die Panik zu verstehen, müssen wir kurz die Fakten sortieren. Damals sorgte das Wort „Coronavirus“ für massive Verwirrung und hat viele Hundebesitzer unnötig in Angst versetzt.
Nicht jedes „Corona“ ist gleich
Also, in der Hundewelt kennen wir Coronaviren schon ewig. Das Canine Coronavirus (CCoV) ist ein ziemlich alter Hut und verursacht bei Hunden meist nur leichte Magen-Darm-Probleme, vor allem bei Welpen. Dieses Virus hat aber mit dem neuartigen Virus, das uns Menschen zu schaffen machte, so gut wie nichts zu tun. Stell es dir wie zwei entfernte Verwandte mit demselben Nachnamen vor: Der eine ist Klempner und wohnt in Hamburg (befällt den Darm des Hundes), der andere ist Bäcker und lebt in München (befällt die Atemwege des Menschen). Zwei komplett verschiedene Baustellen.

Die große Frage: Können Hunde das Virus übertragen?
Das war natürlich die 1-Million-Euro-Frage. Die führenden Experten und Tiergesundheitsinstitute in Deutschland waren sich von Anfang an ziemlich einig: Haustiere spielen bei der Verbreitung von Viren wie SARS-CoV-2 keine nennenswerte Rolle. Weltweit gab es zwar vereinzelte Nachweise bei Tieren, die in super engem Kontakt mit infizierten Menschen lebten, aber die Tiere zeigten kaum Symptome. Die Ansteckung lief fast immer vom Mensch zum Tier, nicht andersherum.
Viel größer war die Sorge, ob ein Hund das Virus auf seinem Fell tragen könnte, so wie eine Einkaufstüte. Aber auch hier gaben die Profis Entwarnung. Das Fell eines Hundes ist porös und faserig – eine denkbar schlechte Oberfläche für Viren, um zu überleben. Eine glatte Türklinke ist da um ein Vielfaches riskanter. Die Chance, sich über das Streicheln eines Hundes anzustecken, wurde als extrem gering eingestuft. Panisches Desinfizieren des Hundes war also nicht nur überflüssig, sondern brandgefährlich. Mehr dazu später.

Der Alltag im Ausnahmezustand: Deine Checkliste für alle Fälle
Die wirklichen Hürden lagen im täglichen Leben. Ausgangsbeschränkungen, Kontaktverbote und die ständige Sorge vor Quarantäne haben den Alltag mit Hund gehörig durcheinandergewirbelt.
Gassi gehen mit Köpfchen
Spaziergänge waren fast immer erlaubt, denn die Versorgung des Tieres musste ja sichergestellt sein. Aber es galt, klug vorzugehen. Der Abstand zu anderen Menschen war das A und O – nicht wegen des Hundes, sondern wegen der Menschen untereinander.
Ein kleiner Tipp, den ich damals vielen gegeben habe: „Deine Hundeleine ist der perfekte Abstandshalter!“ Die meisten Leinen sind 1,5 bis 2 Meter lang, also genau das richtige Maß.
- Meide die Rushhour: Geh frühmorgens, wenn die Welt noch schläft, oder spät am Abend spazieren.
- Entdecke neue Pfade: Verlasse die ausgetretenen Gassi-Autobahnen und erkunde neue Wege, wo du kaum einer Menschenseele begegnest.
- Keine Rudelbildung: Auch wenn es schwerfiel, die üblichen Hundetreffs auf der Wiese mussten ausfallen, um die menschlichen Kontakte zu reduzieren.
- Leine dran: Selbst dort, wo keine Leinenpflicht herrschte, war es einfach clever, den Hund bei sich zu behalten. So behältst du die Kontrolle und wahrst den Abstand ganz automatisch.

Der Ernstfall: Was tun bei Quarantäne?
Das war die Horrorvorstellung für viele: „Ich darf die Wohnung nicht verlassen – wer geht mit meinem Hund?“ Ohne einen Plan B stehst du da vor einem echten Problem. Ein guter Notfallplan ist Gold wert.
1. Dein Helfer-Netzwerk
Sprich ganz offen mit Nachbarn, Freunden oder Familie. Wer könnte im Notfall einspringen? Wichtig ist, dass diese Person deinen Hund kennt und ihm vertraut. Legt eine kleine WhatsApp-Gruppe an oder tauscht Nummern aus. Erklär die wichtigsten Gewohnheiten deines Hundes.
2. Die kontaktlose Übergabe – auch im 4. Stock
Wenn du in Quarantäne bist, darf dein Helfer die Wohnung nicht betreten. Für Leute mit Haus und Garten ist das einfach, aber was macht man in einer Mietwohnung ohne direkten Zugang nach draußen?
Hier eine praxiserprobte Methode:
- Der Helfer braucht eine eigene Leine. Das minimiert jedes Risiko.
- Du bringst deinen Hund mit deiner Leine ins Treppenhaus und befestigst ihn sicher (und nur für einen ganz kurzen Moment!) am Treppengeländer, weit weg von der Wohnungstür.
- Geh zurück in die Wohnung und schließe die Tür.
- Dein Helfer kommt hoch, leint den Hund an seine eigene Leine an, macht deine Leine ab und legt sie vor deine Tür.
- Beim Zurückbringen läuft es genau umgekehrt. Das klingt vielleicht kompliziert, aber einmal durchgespielt, ist es ein sicherer und schneller Prozess. Achtung: Das funktioniert natürlich nur in einem sicheren Treppenhaus und wenn dein Hund dabei ruhig bleibt!

3. Die Notfalltasche – Dein „Go-Bag“
Pack eine Tasche, die immer griffbereit ist. Das ist nicht nur in Pandemie-Zeiten, sondern bei jedem unvorhergesehenen Notfall (z.B. Krankenhausaufenthalt) ein Lebensretter.
Deine Notfall-Checkliste:
- Futter für 3-5 Tage: Luftdicht verpackt (Kosten: ca. 5-15 €, je nach Futter).
- Wichtige Medikamente: Mit einer idiotensicheren Anleitung zur Dosierung und Einnahmezeiten.
- Dokumente: Eine Kopie des Impfausweises und der Tasso-Registrierung.
- Kontaktdaten: Deine Nummer, die deines Tierarztes und die eines weiteren Notfallkontakts.
- Eine Vollmacht: Ein kurzes Schreiben, das deiner Betreuungsperson erlaubt, im Notfall mit deinem Hund zum Tierarzt zu gehen und Entscheidungen zu treffen. Frag am besten deinen Tierarzt mal nach einem Vordruck!
- Ein „Steckbrief“: Charakter, Ängste (Gewitter, Staubsauger), Vorlieben und Unverträglichkeiten deines Hundes.
Diese Tasche kann im schlimmsten Fall den entscheidenden Unterschied machen. Ein Helfer schnappt sie sich und dein Hund ist bestens versorgt.
Wenn die Wände näher kommen: Beschäftigung für drinnen
Kürzere Spaziergänge und keine Hundekumpels bedeuten oft eines: Langeweile. Und ein gelangweilter Hund sucht sich seine eigenen Hobbys – meistens solche, die wir nicht so toll finden. Möbel anknabbern, Dauerbellen, Unruhe. Viele machen dann den Fehler und versuchen, den Hund in der Wohnung körperlich auszupowern. Das macht ihn aber nur noch fitter. Was er wirklich braucht, ist Kopfarbeit!

Wusstest du schon? 15 Minuten intensive Nasenarbeit sind für einen Hund oft anstrengender als eine ganze Stunde stramm spazieren zu gehen.
Geniale Spiele, die fast nichts kosten
- Suchspiele: Versteck Leckerlis in der Wohnung. Erst ganz einfach, sodass dein Hund zusieht, später dann richtig knifflig, während er im Nebenzimmer wartet.
- Schnüffelteppich: Kann man für 20-40 € online oder im Fachhandel (z.B. Fressnapf) kaufen, aber auch super einfach selbst machen. Nimm eine alte Fleecedecke und ein paar Stoffreste und verknote sie wild auf einer Gummimatte mit Löchern (gibt’s im Baumarkt). Trockenfutter reinrieseln lassen, fertig!
- Tricks lernen: Fünf Minuten „Pfote“, „Rolle“ oder „High Five“ trainieren, fordert den Kopf enorm und stärkt eure Bindung.
- Dein Quick-Win für heute: Nimm eine leere Klopapierrolle, fülle 2-3 Leckerlis hinein, knicke die Enden fest ein und lass deinen Hund das Rätsel lösen. Dauert eine Minute vorzubereiten, sorgt für zehn Minuten glückliche Konzentration!
Ganz wichtig: Sorge auch für bewusste Ruhephasen. Ein Hund, der rund um die Uhr bespaßt wird, überdreht und lernt nie, abzuschalten. Nach jeder Spieleinheit folgt eine Pause, in der absolut nichts passiert.

Die unsichtbaren Folgen: Wenn die Psyche leidet
Die Zeit des Zuhausebleibens hat nicht nur unseren Alltag, sondern auch das Verhalten vieler Hunde nachhaltig geprägt. Mit den Folgen haben wir als Trainer heute noch täglich zu tun.
Die „Lockdown-Welpen“: Eine Generation mit Startschwierigkeiten
Viele haben sich in dieser isolierten Zeit einen Welpen geholt. Gut gemeint, aber die Bedingungen waren katastrophal. Hundeschulen zu, keine Sozialkontakte erlaubt. Diese Welpen hatten oft nie die Chance, den normalen, höflichen Umgang mit Artgenossen zu lernen. Die Folge: Viele dieser Hunde sind heute extrem unsicher, ängstlich oder reagieren sogar aggressiv auf andere Hunde.
Wenn du so einen Hund hast: Sei geduldig und suche dir professionelle Hilfe. Aber woran erkennt man einen guten Trainer? Achte darauf, dass er oder sie gewaltfrei und über positive Verstärkung arbeitet, nicht mit Druck oder Einschüchterung. Frag nach Zertifizierungen von anerkannten Verbänden (wie z.B. IBH oder VDH). Eine gute Trainerstunde kostet je nach Region zwischen 60 € und 100 €, ist aber eine Investition, die sich tausendfach auszahlt.

Trennungsangst: Plötzlich allein zu Haus
Im Homeoffice war man plötzlich immer da. 24/7. Hunde, die in dieser Zeit aufwuchsen, haben nie gelernt, allein zu sein. Als es dann zurück ins Büro ging, brach für viele eine Welt zusammen. Bellen, Jaulen, Zerstörungswut.
Wenn dein Hund damit ein Problem hat, müsst ihr das Alleinbleiben wie ein Muskel trainieren – in winzigen Schritten:
- Bring nur den Müll raus. Komm sofort wieder rein.
- Verlasse für 30 Sekunden die Wohnung. Dann eine Minute, dann zwei.
- Steigere die Zeit langsam und unvorhersehbar. Mal fünf Minuten, am nächsten Tag nur drei.
- Mach keine große Sache draus. Keine dramatische Verabschiedung, keine überschwängliche Begrüßung. Es muss das Normalste der Welt werden.
Aufgepasst! Der häufigste Fehler ist: Du kommst zurück, weil dein Hund bellt. Damit lernt er nur: „Super, wenn ich laut genug Theater mache, kommt mein Mensch zurück!“ Geh nur wieder rein, wenn er für einen kurzen Moment still ist.

Gesundheit und Hygiene: Bitte mit Verstand!
Die Angst vor Ansteckung führte zu einigen wirklich gefährlichen Ideen. Und hier muss ich als Fachmann ganz deutlich werden.
ACHTUNG: Finger weg von Desinfektionsmitteln!
Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Benutze NIEMALS Desinfektionsmittel, Sagrotan-Tücher oder scharfe Seifen an deinem Hund! Die Geschichten, die ich damals hörte, waren schockierend. Leute haben die Pfoten ihrer Hunde mit Sterillium abgerieben. Das Resultat waren schmerzhafte Verätzungen und schwere allergische Reaktionen. Die Hundehaut ist empfindlich, die Ballen sind seine Schuhe. Zerstör sie nicht!
Außerdem lecken Hunde sich die Pfoten. Nehmen sie dabei Chemie auf, kann das zu schweren Vergiftungen führen. Wenn du die Pfoten nach dem Gassi reinigen willst, nimm lauwarmes Wasser und ein altes Handtuch. Das reicht. Völlig.
Tierarztbesuche unter besonderen Umständen
Auch die Tierärzte mussten ihre Praxen umkrempeln. Termine nur nach Anruf, Warten im Auto, Übergabe des Tieres an der Tür. Das war für alle stressig. Dein Job war es, die Ruhe zu bewahren, denn deine Nervosität überträgt sich 1:1 auf deinen Hund. Bereite den Besuch vor, schreib deine Fragen auf einen Zettel. Und vergiss nicht: Das Praxis-Team hat unter enormem Druck gearbeitet, um für unsere Tiere da zu sein. Ein ehrliches „Danke“ war in dieser Zeit oft die schönste Medizin.

Für die Zukunft gelernt: Vorbereitung ist alles
Jede Krise zeigt uns, wo wir verwundbar sind. Aber sie ist auch eine Chance. Wir haben gelernt, wie verdammt wichtig ein guter Notfallplan ist. Der sollte so selbstverständlich sein wie der Verbandskasten im Auto.
Nimm dir einen Nachmittag Zeit und arbeite deinen Plan aus. Deponiere ihn an einem Ort, wo deine Helfer ihn finden, und gib ihnen Bescheid. Das gibt dir eine unglaubliche Sicherheit.
Was wir aber vor allem gelernt haben, ist die Bedeutung von Routine und Gelassenheit. Hunde lieben Rituale. Feste Fütterungs-, Spiel- und Ruhezeiten geben ihnen Halt in einer Welt, die Kopf steht. Und das Wichtigste: Deine Ruhe ist der Anker für deinen Hund. Wenn du souverän bleibst, wird auch er jede noch so merkwürdige Situation besser meistern. Du bist sein Fels in der Brandung.
Diese besonderen Zeiten waren eine Prüfung, ja. Aber sie haben uns auch gezeigt, wie unglaublich stark die Bindung zwischen Mensch und Hund sein kann. Für so viele war der Hund der einzige Grund, vor die Tür zu gehen, ein stiller Tröster und der beste Kollege im Homeoffice. Unsere Aufgabe ist es, ihnen diese Treue mit Verantwortung und Weitsicht zurückzuzahlen. Pass auf dich und deinen Vierbeiner auf.


