Bowen-Technik: Was diese sanften Griffe wirklich können (und was nicht)

von Adele Voß
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Ich arbeite schon ewig mit der Bowen-Technik, und wenn ich eines gelernt habe, dann das: Dein Körper ist verdammt schlau. Er will von Natur aus im Gleichgewicht sein und hat eine unglaubliche Fähigkeit zur Selbstregulation. Manchmal braucht er nur einen kleinen, gezielten Anstoß, einen Stups in die richtige Richtung. Und genau das ist die Bowen-Technik für mich. Kein esoterischer Hokuspokus und auch keine knallharte Massage. Es ist ein präzises Handwerk, das auf einem tiefen Verständnis unserer Körperstruktur aufbaut.

Ganz ehrlich? Viele, die zum ersten Mal auf meiner Liege landen, sind skeptisch. Sie erwarten kräftiges Kneten und Drücken. Stattdessen gibt’s sanfte, rollende Bewegungen und dann … Pausen. „Und das soll jetzt helfen?“, ist die Frage, die ich oft in den Augen lese. Meine Antwort ist immer dieselbe: Gib deinem Körper einen Moment. Er hört zu. In diesem Artikel nehme ich dich mal mit in meine Praxis und zeige dir, was wirklich hinter dieser faszinierenden Methode steckt.

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Das Geheimnis liegt im Bindegewebe: Wie Bowen wirklich funktioniert

Um zu verstehen, was bei Bowen passiert, müssen wir kurz über Faszien reden. Stell sie dir wie ein feines, dreidimensionales Spinnennetz vor, das einfach alles in deinem Körper umhüllt: jeden Muskel, jeden Knochen, jedes Organ. Lange Zeit hat die Medizin das als reines „Füllmaterial“ abgetan. Heute wissen wir: Dieses Netz ist ein gigantisches Kommunikationssystem, vollgepackt mit Nervenenden.

Und genau hier setzen wir an. Der typische „Bowen-Griff“ ist eine sanfte, rollende Bewegung über einen Muskel oder eine Sehne. Stell es dir ein bisschen so vor, als würdest du eine Gitarrensaite sanft zupfen und sie nachschwingen lassen. Dieser kurze Impuls ist wie eine Nachricht ans Nervensystem: „Hey, schau mal hier, da ist eine Spannung. Überprüf das mal bitte.“

Das Besondere sind aber die Pausen. Nach ein paar Griffen lasse ich meine Klienten für zwei bis fünf Minuten komplett in Ruhe. In dieser Stille passiert die eigentliche Magie. Das Gehirn verarbeitet die Signale und fängt an, den Ist-Zustand mit einem inneren „Ideal-Bauplan“ abzugleichen. Dann leitet es von selbst Korrekturen ein. Ich sehe das jeden Tag: Die Atmung wird tiefer, ein Muskel zuckt kaum merklich, die Anspannung im Gesicht lässt nach. Das System arbeitet.

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Ach ja, und dann ist da noch unser autonomes Nervensystem. Das hat zwei Hauptspieler: den Sympathikus (unser Gaspedal für Stress und Flucht) und den Parasympathikus (unsere Bremse für Erholung und Regeneration). Im Dauerstress hängen wir oft im Gaspedal-Modus fest. Die sanften Bowen-Griffe helfen dem Körper, wieder auf die Bremse zu treten und in den Erholungsmodus zu schalten. Das ist der Grund für diese tiefe Entspannung, die viele schon bei der ersten Sitzung spüren.

Bowen vs. Massage: Wo liegt der Unterschied?

Viele fragen sich, ob das nicht einfach eine extrem sanfte Massage ist. Gute Frage! Aber nein, es ist grundlegend anders. Bei einer klassischen Massage wird oft mit Öl direkt auf der Haut gearbeitet, um durch kräftiges Kneten und Streichen Muskeln zu lockern. Das Ziel ist eine direkte, mechanische Entspannung.

Bei der Bowen-Technik bleibst du in der Regel leicht bekleidet. Es geht nicht darum, einen Muskel „durchzuwalken“. Die sanften, rollenden Griffe sind eher Impulse. Das Ziel ist nicht die direkte Muskelentspannung, sondern die Anregung des Nervensystems, damit der Körper die Entspannung von selbst einleitet. Weniger ist hier oft mehr.

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So läuft eine Sitzung ab: Ein Blick hinter die Kulissen

Eine Bowen-Sitzung ist ein ruhiger, fast meditativer Prozess. Hektik hat hier nichts verloren. Jede Behandlung ist individuell, aber ein roter Faden ist immer da.

1. Das Gespräch am Anfang
Alles startet mit einem guten Gespräch. Mich interessiert nicht nur, wo es gerade zwickt. Ich will den ganzen Menschen verstehen. Gibt es alte Verletzungen, vielleicht einen Bänderriss vor zehn Jahren? Wie sieht der Arbeitsalltag aus? Ich erinnere mich an einen Klienten mit chronischen Rückenschmerzen. Im Gespräch erwähnte er einen alten Unfall mit dem Sprunggelenk. Wir haben dann auch den Fuß und die Wade mitbehandelt – und siehe da, nach ein paar Sitzungen war der Rücken deutlich besser. Der Körper ist ein Meister im Kompensieren!

2. Die Behandlung auf der Liege
Du liegst ganz entspannt auf einer Liege. Übrigens, ein kleiner Tipp: Am besten kommst du in bequemer, dünner Kleidung, zum Beispiel einer Leggings oder Jogginghose und einem T-Shirt. Hauptsache, du fühlst dich wohl und nichts engt dich ein. Ich beginne fast immer mit ein paar Basisgriffen am unteren Rücken, um das Fundament des Körpers zu beruhigen und auszurichten.

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3. Die entscheidenden Pausen
Nach einer kurzen Serie von Griffen verlasse ich oft den Raum oder setze mich still in eine Ecke. Diese Pausen sind, wie gesagt, das Herzstück. Dein Körper braucht diese Zeit, um die Impulse zu integrieren und zu antworten. Ihn dabei zu stören, wäre kontraproduktiv.

Eine komplette Sitzung dauert meist zwischen 45 und 60 Minuten. Danach fühlen sich viele leichter, entspannter, manche auch ein bisschen „schwebend“. Das ist ein super Zeichen!

Für wen ist Bowen geeignet (und wann eher nicht)?

Da die Technik das gesamte System anspricht, ist das Anwendungsfeld ziemlich breit. Besonders gute Erfahrungen mache ich bei allen Themen rund um den Bewegungsapparat.

  • Rücken- und Nackenschmerzen: Der absolute Klassiker. Vom Hexenschuss bis zum typischen „Büro-Nacken“ bringt die Entspannung oft schnelle Linderung.
  • Schulterprobleme: Bei Bewegungseinschränkungen wie der „Frozen Shoulder“ kann die Methode helfen, Schritt für Schritt wieder mehr Beweglichkeit zu erlangen.
  • Kopfschmerzen & Migräne: Oft sind Verspannungen im Nacken oder Kiefer die Übeltäter. Hier gezielt anzusetzen, kann die Häufigkeit und Stärke von Attacken reduzieren.
  • Stress und Erschöpfung: Perfekt, um aus der Stress-Spirale auszusteigen und dem Nervensystem eine wohlverdiente Pause zu gönnen.

Aber, und das ist mir wichtig: Bowen ist kein Allheilmittel. Es ersetzt niemals den Arztbesuch bei akuten oder schweren Krankheiten. Bei Verdacht auf einen Knochenbruch, eine Infektion oder andere ernste Erkrankungen ist eine ärztliche Abklärung das A und O. Ein seriöser Bowen-Anwender wird dich immer zuerst zum Arzt schicken, wenn etwas unklar ist.

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Wenn’s mal komplizierter wird: Der Blick aus der Praxis

Manchmal reagiert der Körper in den ersten Tagen nach einer Sitzung etwas stärker. Das nennt man Heilungsreaktion. Die bekannten Symptome können sich kurz verstärken oder du fühlst dich, als hättest du Muskelkater an komischen Stellen. Keine Sorge, das ist meist ein gutes Zeichen! Es zeigt, dass der Körper mit der „Umbauarbeit“ begonnen hat. Er räumt quasi auf. Viel Wasser trinken und etwas Ruhe helfen dem System in dieser Phase enorm.

Was, wenn sich gar nichts tut? Dann schaue ich genauer hin. Trinkt der Klient genug? Faszien brauchen Wasser! Gibt es andere Störfaktoren? Ein ganz wichtiger Punkt ist oft das Kiefergelenk. Zähneknirschen oder alter emotionaler Stress können hier zu massiven Spannungen führen, die in den ganzen Körper ausstrahlen. Manchmal ist die gezielte Behandlung des Kiefers der Schlüssel zum Erfolg.

Konkrete Tipps und was du wissen musst

Damit du das Beste aus deiner Behandlung herausholst, hier ein paar praxiserprobte Ratschläge.

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Nach der Behandlung:

  • Wasser, Wasser, Wasser: Versuch, an den folgenden Tagen bewusst 2 Liter stilles Wasser zu trinken. Das hilft dem Körper, aufzuräumen und hält die Faszien geschmeidig.
  • Sanfte Bewegung: Ein 20-minütiger Spaziergang an der frischen Luft ist ideal. Vermeide aber für 2-3 Tage harten Sport oder schwere Gartenarbeit.
  • Keine Extreme: Ein sehr heißes Bad oder ein langer Saunagang direkt danach können die feinen Impulse stören. Normal duschen ist natürlich okay.
  • Keine anderen Therapien: Gib deinem Körper eine Woche Zeit, die Bowen-Signale zu verarbeiten, bevor du eine andere manuelle Therapie wie Massage oder Osteopathie buchst.

Die Kosten und der richtige Therapeut:
Jetzt zur Frage aller Fragen: Was kostet der Spaß? Rechne je nach Region und Erfahrung des Therapeuten mit Kosten zwischen 60 und 90 Euro für eine Sitzung. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen das in der Regel nicht. Viele private Versicherungen oder Heilpraktiker-Zusatzversicherungen erstatten aber einen Teil der Kosten. Ein kurzer Anruf bei deiner Kasse schafft da schnell Klarheit!

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Achte bei der Wahl darauf, dass der Anwender in Deutschland Arzt oder Heilpraktiker ist, wenn du wegen konkreter Beschwerden kommst. Seriöse Therapeuten findest du oft über die Verzeichnisse der großen Bowen-Akademien oder -Verbände. Aber am wichtigsten: Hör auf dein Bauchgefühl. Fühlst du dich gut aufgehoben und ernst genommen? Das ist die halbe Miete.

Mein Fazit

Die Bowen-Technik ist eine faszinierende Art, mit dem Körper zu kommunizieren. Statt ein Problem mit Kraft zu bekämpfen, geben wir einen Impuls und treten dann einen Schritt zurück. Wir vertrauen darauf, dass der Körper am besten weiß, was zu tun ist. Wenn du nach einer sanften, aber tiefgreifenden Methode suchst, die die Ursachen angeht und nicht nur Symptome überdeckt, könnte das genau dein Weg sein. Dein Körper ist schlauer, als du denkst. Manchmal braucht er nur eine leise Erinnerung daran.

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Wer war eigentlich der Mann hinter der Methode?

Tom Bowen (1916–1982) war kein Arzt oder Physiotherapeut, sondern ein australischer Fabrikarbeiter aus Geelong mit einem außergewöhnlichen Beobachtungssinn. Er entwickelte seine Griffe intuitiv, indem er die Bewegungsmuster seiner Kollegen und von Tieren studierte. Ohne formelle medizinische Ausbildung schuf er eine der faszinierendsten manuellen Techniken, die sich allein durch ihre erstaunlichen Ergebnisse weltweit verbreitete. Seine Philosophie: Der Körper besitzt alle Mittel zur Selbstheilung, er braucht nur den richtigen Impuls zur richtigen Zeit.

Nach der Behandlung ist vor der Heilung. Ihr Körper „verdaut“ die gesetzten Impulse noch bis zu einer Woche lang. Um diesen Prozess optimal zu unterstützen, gibt es ein paar einfache, aber entscheidende Verhaltensregeln:

  • Wasser marsch: Trinken Sie über den Tag verteilt mehr Wasser als gewöhnlich. Das hilft dem Bindegewebe, sich neu zu organisieren und „Schlacken“ abzutransportieren.
  • Signalstörung vermeiden: Verzichten Sie in den nächsten 4-5 Tagen auf andere manuelle Therapien wie Massagen, Osteopathie oder Chiropraktik, um die Signale der Bowen-Griffe nicht zu „überschreiben“.
  • Sanfte Bewegung: Ein Spaziergang ist ideal, exzessiver Sport hingegen kann kontraproduktiv sein. Hören Sie auf Ihren Körper.
Adele Voß

Adele Voß ist 1979 in Wien geboren und hat dort Kunstgeschichte studiert. Deshalb sind ihre Interessen als Online-Autorin auf die Bereiche Kunst und Kultur gerichtet.  Ihrer Meinung nach muss man Mode und Design ebenso als Quellen kreativer Inspiration betrachtet und als Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit. Adele macht ihre Leser gerne aufmerksam auf die tiefere Bedeutung der Trends im Innendesign im Konkreten und auch in der modernen Lebensweise im Allgemeinen. Adele Voß schreibt darüber hinaus gerne übers Thema Gesundheit. Es umfasst Artikel über gesundes Abnehmen, gesunde Speisen und Getränke und auch über sportliche Aktivitäten in jedem Alter. In ihrer Freizeit kocht sie gern für die Familie und sie alle reisen oft zusammen.