Ankleidezimmer nach Maß: Worauf es wirklich ankommt – Ein Profi packt aus
In meiner Werkstatt riecht es eigentlich immer nach Holz. Mal ist es dieser harzige, frische Duft von Kiefer, mal das herbe, satte Aroma von Eiche. Seit ich denken kann, arbeite ich mit diesem Material. Ich habe über die Jahre unzählige Schränke gebaut, von der einfachen Kommode bis hin zu ganzen, raumfüllenden Ankleidezimmern. Und eines habe ich dabei gelernt: Ein guter Schrank ist so viel mehr als nur ein paar Bretter, die man zusammenschraubt. Er ist ein treuer Begleiter, oft für Jahrzehnte.
Inhaltsverzeichnis
- 0.1 Die Planung – Das A und O für dein Traumzimmer
- 0.2 Materialkunde: Mehr als nur eine Frage der Optik
- 0.3 Die Konstruktion: Hier zeigt sich die wahre Qualität
- 0.4 Innenausstattung: Praktische Helfer für deinen Alltag
- 0.5 Butter bei die Fische: Was kostet der Spaß?
- 0.6 Dein Spickzettel für das Gespräch mit dem Profi
- 0.7 Ein letztes Wort vom Meister
- 1 Bildergalerie
Immer wieder kommen Leute zu mir, inspiriert von Bildern aus Hochglanzmagazinen. Sie zeigen mir Fotos von riesigen, luxuriösen Ankleiden und fragen: „Geht das auch bei mir?“ Meine Antwort ist eigentlich immer dieselbe: „Klar, aber lass uns mal darüber reden, was du wirklich brauchst und was einen Schrank wirklich gut macht.“ Denn hinter der perfekten Fassade stecken solides Handwerk, ein bisschen Physik und vor allem eine verdammt gute Planung. Und genau darum soll es hier gehen. Nicht um unerreichbare Träume, sondern um handfestes Wissen, damit du eine Entscheidung triffst, über die du dich auch in vielen Jahren noch freust.

Die Planung – Das A und O für dein Traumzimmer
Jedes gute Möbelstück beginnt mit einem Gespräch und einem Bleistift. Der schönste Schrank der Welt ist nutzlos, wenn er nicht zu deinem Leben passt. Bevor wir also über Holzarten oder Griffe philosophieren, stelle ich immer die gleichen, entscheidenden Fragen:
- Was muss da eigentlich alles rein? Mach mal eine ehrliche Bestandsaufnahme. Wie viele Hemden und Blusen sollen hängen? Wie viele Hosen? Gibt es lange Kleider oder Mäntel? Und, ganz ehrlich, wie viele Paar Schuhe besitzt du wirklich? Zähl auch deine Pullover, T-Shirts und die Kisten mit dem Winter- oder Sommerzeug.
- Wie lebst du mit deiner Kleidung? Greifst du morgens in Hektik zu oder zelebrierst du die Auswahl? Bist du eher der Typ, der alles aufhängt, oder liebst du ordentlich gefaltete Stapel? Das entscheidet am Ende über das Verhältnis von Kleiderstangen zu Regalböden und Schubladen.
- Wie sieht der Raum aus? Jetzt wird’s technisch. Ich messe einen Raum nie nur an einer Stelle. Gerade in Altbauten sind Wände selten kerzengerade und Böden haben oft ein leichtes Gefälle. Ein Profi plant das von Anfang an mit ein. Wir arbeiten dann mit sogenannten Passleisten, die diese kleinen Unebenheiten ausgleichen, damit der Schrank am Ende perfekt im Lot steht. Eine Dachschräge ist übrigens kein Hindernis, sondern eine Gestaltungs-Chance! Den Raum dahinter kann man wunderbar für Koffer oder selten genutzte Sachen verwenden.

Das oft vergessene Detail: Die Luft muss zirkulieren!
Ein Punkt, den fast jeder Laie übersieht, ist die Luftzirkulation. Holz „atmet“, und deine Kleidung kann Feuchtigkeit aufnehmen. Ein Schrank, der press an einer kalten Außenwand steht, ist ein Garant für Stockflecken und Modergeruch. Das ist simple Bauphysik: Die warme Raumluft kühlt an der kalten Wand ab, Feuchtigkeit kondensiert, und Schimmel freut sich über den perfekten Nährboden.
Achtung! Deshalb planen wir als Profis immer eine sogenannte Hinterlüftung ein. Das heißt, der Schrankkorpus hält mindestens zwei bis drei Zentimeter Abstand zur Wand. Oft bohren wir zusätzlich unauffällige Löcher in den Sockel und die obere Abdeckplatte. So kann die Luft von unten nach oben zirkulieren und Feuchtigkeit abtransportieren. Ein winziges Detail mit einer riesigen Wirkung für die Langlebigkeit deiner Kleidung und des Möbels selbst.
Materialkunde: Mehr als nur eine Frage der Optik
Die Wahl des Materials bestimmt nicht nur, wie dein Schrank aussieht, sondern auch, wie stabil er ist, wie er sich anfühlt und was er am Ende kostet. Es gibt hier kein „bestes“ Material, nur das richtige für deinen Anspruch und dein Budget.

Massivholz: Der ehrliche Klassiker
Ein Schrank aus massivem Holz ist eine Anschaffung fürs Leben. Er ist unglaublich robust, kann bei Kratzern einfach abgeschliffen und neu behandelt werden und verbessert sogar das Raumklima.
- Eiche: Mein persönlicher Favorit für alles, was was aushalten muss. Hart, langlebig und mit einer wunderschönen, markanten Maserung. Eichenholz strahlt Ruhe und Wertigkeit aus.
- Buche: Ebenfalls sehr hart und stabil, aber mit einer etwas ruhigeren, feineren Maserung. Gedämpfte Buche hat einen schönen, rötlichen Ton und verzieht sich weniger.
- Zirbe (Arve): Besonders im Alpenraum ein Hit. Das Holz ist zwar weicher, hat aber diesen unverkennbaren, wahnsinnig angenehmen Duft. Man sagt den ätherischen Ölen nach, dass sie den Schlaf fördern und Motten fernhalten. Wenn du die Schranktür öffnest und dir dieser Duft entgegenströmt … einfach herrlich.
- Kiefer: Eine preiswertere, weichere Holzart mit einer lebhaften Maserung. Für ein Kinderzimmer oder den rustikalen Landhausstil super, aber für ein täglich genutztes Ankleidezimmer ist sie anfälliger für Dellen.
Wichtig bei Massivholz: Es „arbeitet“. Es dehnt sich bei Feuchtigkeit aus und zieht sich bei Trockenheit zusammen. Ein guter Handwerker berücksichtigt das in der Konstruktion, damit nichts klemmt oder sich verzieht.

Plattenwerkstoffe: Die vielseitigen Alleskönner
Nicht immer muss es Massivholz sein. Für große, glatte oder farbig lackierte Flächen sind Plattenwerkstoffe oft sogar die bessere und preiswertere Wahl.
- Tischlerplatte: Der beste Kompromiss. Sie besteht aus einem Kern aus Massivholzstäben, der beidseitig stabilisiert wird. Sie ist leichter als Massivholz, aber deutlich stabiler als eine Spanplatte. Hier halten Schrauben bombenfest.
- MDF (Mitteldichte Faserplatte): Der Star für Lackierungen. Die Platte ist aus fein zerfasertem Holz gepresst und hat eine extrem glatte, dichte Oberfläche. Perfekt, wenn du eine makellose, spiegelglatte farbige Oberfläche ohne Holzstruktur möchtest.
- Spanplatte: Die günstigste Variante. Und ehrlich gesagt, meistens auch die schlechteste. Ich hatte mal einen Kunden, der für sein Ankleidezimmer unbedingt auf die billigste Spanplatte bestand, um zu sparen. Nach nicht mal zwei Jahren rief er an, weil seine schweren Pulloverstapel auf den durchhängenden Böden eine richtige Welle machten. Für ein einfaches Kellerregal mag sie okay sein. Für einen hochwertigen Kleiderschrank, der täglich schwere Lasten tragen soll, ist sie ungeeignet. Die Schrauben lockern sich, und bei Feuchtigkeit quillt sie auf und zerfällt. Wenn es doch sein muss, achte auf eine geringe Schadstoffausdünstung, die nach den geltenden Normen klassifiziert ist.
Die Oberfläche: Fühlen und Schützen
Die Behandlung schützt das Holz und gibt ihm den finalen Charakter.
- Geölt oder gewachst: Meine liebste Methode für Massivholz. Das Öl dringt tief ein und feuert die Maserung an. Man spürt das Holz, es fühlt sich warm und natürlich an. Nachteil: Etwas pflegeintensiver.
- Lackiert: Bildet eine geschlossene, sehr robuste Schicht. Super pflegeleicht. Moderne Lacke auf Wasserbasis sind umweltfreundlich und vergilben kaum noch. Dafür geht die natürliche Haptik des Holzes etwas verloren.
- Furniert: Hier wird eine dünne Schicht Echtholz (ca. 0,6 mm) auf eine stabile Trägerplatte (oft Tischlerplatte oder MDF) geleimt. So bekommst du die edle Optik von teurem Massivholz auf einem formstabilen und oft preiswerteren Trägermaterial. Ein gutes Furnier ist für Laien kaum von Massivholz zu unterscheiden.
Die Konstruktion: Hier zeigt sich die wahre Qualität
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Die Qualität eines Schranks steckt oft im Verborgenen. Du spürst sie aber jeden Tag, wenn nichts wackelt, klemmt oder nachgibt.

Das Skelett des Schranks
Ein Billigschrank wird oft nur mit einfachen Schrauben und Exzenterverbindern zusammengehalten. Das geht schnell und ist billig. Eine professionelle Lösung ist aufwendiger, hält aber ewig. Wir nutzen massive Holzdübel mit Leim oder moderne Dübelsysteme, die eine riesige Verbindungsfläche schaffen.
Aber der wahre Held ist die Rückwand! Bei Billigmöbeln ist das oft nur eine 3 mm dünne Pappe, die aufgenagelt wird und null Stabilität bringt. Ein hochwertiger Schrank hat eine mindestens 8 mm starke Rückwand, die in eine Nut eingeschoben wird. Das verleiht dem ganzen Korpus eine enorme Stabilität und sorgt dafür, dass er absolut rechtwinklig bleibt.
Beschläge: Die Technik, die du täglich spürst
Ein alter Meister-Spruch lautet: Spar niemals an den Beschlägen! Nichts nervt mehr als eine klemmende Schublade oder eine quietschende Tür. Ich setze hier immer auf bewährte Markenhersteller aus Deutschland oder Österreich.
- Scharniere: Ein Dämpfungssystem (Soft-Close) ist heute eigentlich Standard. Die Tür schließt sanft und leise. Achte auch auf einen weiten Öffnungswinkel, damit du an innenliegende Schubladen gut herankommst.
- Schubladenführungen: Vollauszüge sind ein Muss, damit du siehst, was ganz hinten liegt. Auch hier ist eine Dämpfung Gold wert. Wusstest du, dass eine breite Schublade voller Jeans locker 20-30 kg wiegen kann? Die Führung sollte das aushalten, mindestens 40 kg Tragkraft sind ein guter Wert.
- Kleiderlifte: Eine geniale Lösung für hohe Räume. Damit kannst du die Kleiderstange bequem nach unten schwenken. Aber hier gilt: Auf Qualität achten! Ein laufender Meter Kleiderstange voller Wintermäntel kann locker 60 kg wiegen. Das ist das Gewicht eines Menschen! Deshalb ist die Mechanik und eine stabile Befestigung keine Option, sondern lebenswichtig.
Innenausstattung: Praktische Helfer für deinen Alltag
Wenn der Rahmen steht, geht’s ans Innenleben.

Das richtige Licht
Gutes Licht im Schrank ist kein Luxus. Wer will schon morgens im Halbdunkel rätseln, ob das Hemd nun schwarz oder dunkelblau ist? Heute sind LED-Bänder die beste Wahl. Am besten in die Böden eingefräst. Ich empfehle ein warmweißes Licht mit etwa 2700 bis 3000 Kelvin – das wirkt gemütlich und verfälscht die Farben nicht so stark.
Kleiner Tipp für den schmalen Geldbeutel: Kein Budget für eine komplette Elektroinstallation? Ein schneller Trick: Kauf dir für 15 bis 20 Euro ein paar batteriebetriebene LED-Spots zum Einkleben aus dem Baumarkt oder online. Macht sofort einen riesigen Unterschied und hilft dir vielleicht bei der Entscheidung für eine permanente Lösung.
Ach ja, und ganz wichtig: Alle elektrischen Arbeiten am 230V-Netz müssen von einem zertifizierten Elektriker durchgeführt werden. Wir Tischler bereiten alles vor, aber den Anschluss macht der Fachmann.
Praktische Helferlein
Hier kannst du dich austoben: Schubladen-Einteilungen für Krawatten und Gürtel, spezielle Hosen-Auszüge gegen Knitterfalten oder Schuh-Regale. Bei Schuhen sind offene oder schräge Fächer am besten, damit die Luft zirkulieren kann und es nicht müffelt.

Butter bei die Fische: Was kostet der Spaß?
Okay, reden wir Klartext. Ein maßgefertigter Schrank vom Tischler ist eine Investition. Er ist teurer als ein Möbelstück von der Stange, keine Frage. Aber warum? Du zahlst für hochwertiges Material, für viele Stunden sorgfältiger Planung und präziser Handarbeit und vor allem für Langlebigkeit. Diesen Schrank kaufst du einmal, und er überlebt wahrscheinlich drei Umzüge, ohne mit der Wimper zu zucken.
Als grobe Hausnummer, damit du eine Vorstellung hast, kannst du pro laufendem Meter Schrank mit Folgendem rechnen:
- Lackiertes MDF: ca. 800 € – 1.200 €
- Furnierte Tischlerplatte: ca. 1.000 € – 1.600 €
- Massivholz (z.B. Eiche): ab 1.500 € aufwärts
Gut zu wissen: Extras kosten extra. Eine gute Schublade mit Vollauszug und Dämpfung schlägt mit etwa 80 € bis 150 € zu Buche. Ein Kleiderlift kann je nach Qualität auch schnell ein paar Hundert Euro kosten. Plane für ein komplettes Ankleidezimmer vom ersten Gespräch bis zum Einbau realistisch acht bis zwölf Wochen ein. Qualität braucht eben Zeit.

Dein Spickzettel für das Gespräch mit dem Profi
Bevor du einen Auftrag vergibst, frag dem Handwerker deines Vertrauens ruhig ein paar Löcher in den Bauch. Das zeigt ihm, dass du dich informiert hast. Hier sind ein paar Punkte, die du unbedingt ansprechen solltest:
- Verwenden Sie eine eingenutete Rückwand und wie stark ist diese (mindestens 8 mm sollten es sein)?
- Welche Beschläge-Hersteller werden verwendet? (Frage nach namhaften Qualitätsmarken).
- Ist eine Hinterlüftung zur Wand eingeplant?
- Wie werden die Korpusse verbunden (Dübel, moderne Verbindungssysteme)?
- Wie werden die Schränke sicher an der Wand befestigt (besonders bei Leichtbauwänden wichtig!)?
Ein letztes Wort vom Meister
Ein Kleiderschrank ist ein sehr persönliches Möbelstück. Er bewahrt die Dinge auf, die uns am nächsten sind. Für mich als Handwerker gibt es nichts Schöneres, als aus einem Stück Holz oder einer einfachen Platte etwas zu verwandeln, das nicht nur nützlich ist, sondern auch eine Seele hat. Ein Schrank, der gut riecht, sich gut anfühlt und dessen Türen satt und leise ins Schloss fallen. Das ist die Art von Qualität, die man nicht auf einem Foto sieht, aber jeden einzelnen Tag spüren kann.

Bildergalerie

Der wahre Luxus eines maßgefertigten Ankleidezimmers offenbart sich oft erst beim Öffnen der Türen. Es ist das Gefühl, wenn alles seinen perfekten Platz hat und sanftes Licht die Auswahl am Morgen erleichtert. Die Magie liegt in den Details, die den Alltag nicht nur organisieren, sondern zelebrieren.
- Licht ins Dunkel bringen: Integrierte LED-Lichtleisten, wie die aus dem Loox-System von Häfele, sind heute Standard im gehobenen Möbelbau. Entlang der Kleiderstangen oder unter den Fachböden montiert, eliminieren sie dunkle Ecken. Ein Sensor, der das Licht beim Öffnen der Tür automatisch aktiviert, sorgt für einen Hauch von Magie.
- Alles an seinem Platz: Denken Sie über spezielle Einsätze nach. Ein ausziehbarer Hosenhalter verhindert Knitterfalten, ein Krawatten- und Gürtelauszug schafft Ordnung im Kleinkram. Besonders praktisch: ein ausziehbarer Garderobenhaken (Valet Rod), an dem Sie das Outfit für den nächsten Tag bereitlegen können.
- Die Schmuck-Bühne: Eine flache, mit Samt oder Filz ausgelegte Schublade schützt nicht nur Uhren und Schmuck, sondern inszeniert sie auch. Mit einer Glasplatte als Abdeckung wird sie zum eleganten Highlight und Staubschutz zugleich.


