Kölner Karneval für Anfänger: So feierst du wie ein echter Local (und überlebst es auch)
Jedes Jahr, wenn es draußen langsam ungemütlich wird, fängt es bei mir an zu kribbeln. Das ist diese ganz besondere Vorfreude, die wohl jeder hier in Köln kennt. Ich bin mit dem Fastelovend groß geworden, stand schon als kleiner Knirps auf Papas Schultern und hab lauthals nach „Kamelle!“ gebrüllt. Heute, viele Züge später, bin ich selbst einer von denen, die versuchen, diese Tradition in unserem Veedel lebendig zu halten.
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Und ganz ehrlich: Der Kölner Karneval ist keine simple Party. Er ist ein Lebensgefühl, eine ernste und gleichzeitig wundervoll bekloppte Angelegenheit. Viele kommen von außerhalb, sehen nur den Alkohol und die laute Musik und verpassen dabei komplett das Herzstück. Ich will dir zeigen, wie du den Karneval richtig erlebst – nicht als Tourist, sondern als wärst du einer von uns. Das hier ist kein schneller 5-Punkte-Plan, sondern die gesammelte Lebenserfahrung eines Jecken.
Die Basics: Was den Kölner Karneval im Kern ausmacht
Bevor wir über Kostüme und Kölsch reden, müssen wir eine Sache verstehen. Der Karneval, oder „Fastelovend“, wie wir sagen, hat tiefe Wurzeln. Er ist seit jeher das Ventil dieser Stadt. Traditionell waren es die Tage vor der Fastenzeit, an denen die normalen Leute mal so richtig auf den Putz hauen und die Obrigkeit auf die Schippe nehmen durften. Soldaten wurden parodiert, Politiker bekamen ihr Fett weg.

Diese freche Respektlosigkeit ist bis heute geblieben. Genau darum geht’s: die Rollen tauschen, sich selbst nicht so furchtbar ernst nehmen und für ein paar Tage alle Sorgen über Bord werfen.
Die wichtigsten Tage im Kalender eines Jecken
Der Kalender gibt den Rhythmus vor, und jeder Tag hat seine eigene Stimmung. Das zu kennen, ist entscheidend.
- Der 11. im 11. um 11:11 Uhr: Der offizielle Startschuss. Tausende versammeln sich auf dem Heumarkt, die Stimmung ist elektrisierend. Für uns Kölner ist das aber eher ein Vorgeschmack, danach wird es bis zum neuen Jahr wieder ruhiger.
- Weiberfastnacht: Das ist der Donnerstag vor Rosenmontag und der Tag, an dem die Stadt explodiert. Ab 11:11 Uhr wird der Straßenkarneval eröffnet, und die Frauen übernehmen symbolisch die Macht. Kleiner Tipp aus Erfahrung: Trag an diesem Tag auf keinen Fall deine Lieblingkrawatte. Sie wird abgeschnitten, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
- Rosenmontag: Der absolute Höhepunkt. Der Tag des großen Umzugs, des „Zochs“. Hier schlägt das Herz des Karnevals. Hunderttausende säumen die Straßen. Es ist laut, es ist bunt, es ist unfassbar emotional.
- Veilchendienstag: Der letzte Tag. Die Stimmung ist eine seltsame Mischung aus Wehmut und dem Willen, nochmal alles zu geben. Abends wird in den Veedeln der „Nubbel“ verbrannt – eine Strohpuppe, die für all unsere Sünden der letzten Tage herhalten muss. Ein wirklich berührender Brauch.
- Aschermittwoch: Alles ist vorbei. Die Stadt wacht mit einem kollektiven Kater auf. In den Brauhäusern trifft man sich zum traditionellen Fischessen. Der Kontrast ist brutal.
Die Sprache des Karnevals (damit du nicht sofort auffällst)

Ein paar Vokabeln sind Pflicht. Sie sind dein Schlüssel zur kölschen Seele.
- Alaaf: Unser Gruß, unser Schlachtruf. Es heißt so viel wie „Köln über alles“. Sag es laut und mit Überzeugung, am besten mit Betonung auf dem zweiten A: „AlAAAaf!“.
- Helau: Das Wort aus der verbotenen Stadt (Düsseldorf). Sag es niemals. Ernsthaft. Niemals. Man wird dich nicht verprügeln, aber mit unendlichem Mitleid strafen.
- Bützen: Ein harmloses Küsschen auf die Wange. Ein Zeichen der Freude und Freundschaft, mehr nicht. Wenn du nicht willst, dreh einfach höflich den Kopf weg, das versteht jeder.
- Kamelle & Strüßjer: Süßigkeiten und kleine Blumensträuße, die vom Zoch geworfen werden. Einfach laut danach rufen!
- Jeck: Ein Narr, ein Karnevalsfan. An Karneval ist jeder Jeck. Und unsere oberste Regel lautet: Jeder Jeck is anders. Das bedeutet Toleranz und Akzeptanz für jeden.
Deine Ausrüstung: Was ein Profi wirklich braucht
Ein guter Jeck geht nicht unvorbereitet auf die Straße. Deine Ausrüstung entscheidet darüber, ob du einen grandiosen Tag hast oder nach zwei Stunden frierend und frustriert aufgibst.

Die hohe Kunst des richtigen Kostüms
Dein Kostüm ist deine Uniform, nicht einfach nur eine Verkleidung. Es geht weniger um sexy oder gruselig, sondern um Kreativität, Witz und vor allem: Praxistauglichkeit. Der wichtigste Grundsatz lautet: Zwiebellook! Unter das coole Piratenhemd gehören Skiunterwäsche und ein dickes Shirt. Ich habe Rosenmontag schon im T-Shirt gefeiert und bin im Schneesturm fast erfroren. Sei auf alles vorbereitet.
Dein Kostüm braucht Taschen. Viele Taschen! Am besten mit Reißverschluss. Und die Schuhe… ach, die Schuhe. Du wirst stundenlang stehen. Trage die bequemsten, wasserdichtesten Treter, die du hast. Ich hab mir mal an Weiberfastnacht meine Lieblingssneaker ruiniert, weil ich dachte, die halten das aus. Großer Fehler! Seitdem schwöre ich auf meine ältesten Wanderschuhe. Lernt aus meinem Fehler!
Übrigens: Ein gutes Kostüm muss nicht teuer sein. Die großen Ketten wie Deiters sind eine Option, aber oft überlaufen. Mein Geheimtipp: Stöber mal durch die Second-Hand-Läden auf der Venloer Straße in Ehrenfeld. Da findest du oft für 15 bis 40 Euro echte Schätze mit Charakter.

Dein Überlebenspaket für die Straße
Was kommt also in die Taschen? Nur das Nötigste. Hier ist deine Einkaufs- und Packliste:
- Bargeld: Plane pro Tag mindestens 50-70 € ein, wenn du auch mal in eine Kneipe willst. Ein Kölsch kostet auf der Straße oder in der Kneipe zwischen 2,50 € und 3,50 €. Verteile das Geld auf verschiedene Taschen. Geldautomaten sind oft leer.
- Ein altes Handy: Lass dein teures Smartphone zu Hause. Ein altes Tastenhandy mit vollem Akku ist Gold wert.
- Ausweise: Mach eine laminierte Kopie von Perso und Krankenkassenkarte. Das Original bleibt im Hotel.
- Ein Plastikbecher mit Kordel: In der Innenstadt herrscht striktes Glasverbot. Aus gutem Grund! Einen Becher mit Kordel zum Umhängen bekommst du an jedem Kiosk für ca. 5 €. Damit hast du die Hände frei.
- Taschentücher & Feuchttücher: Die Toilettenfrage… ja, die ist heikel. Öffentliche Dixi-Klos kosten oft 1-2 €, die Schlangen sind ewig. Ein guter Trick ist die „Nette Toilette“: Viele Kneipen und Cafés lassen dich für einen kleinen Obolus ihre Toilette benutzen, auch ohne was zu trinken. Aber verlass dich nicht drauf, dass es Klopapier gibt.
- Eine solide Grundlage: Iss vorher gut! Eine in Alufolie gewickelte Frikadelle vom Metzger (ca. 2-3 €) hat schon so manchen vor dem schnellen Absturz bewahrt.

Die tollen Tage: So kommst du durch den Wahnsinn
Wenn du gut vorbereitet bist, kann’s losgehen. Aber welcher Tag ist der richtige für dich?
Weiberfastnacht ist der pure, unkontrollierte Ausbruch. Der Vibe ist absolut ekstatisch und ein bisschen wild. Das Publikum ist jünger und extrem partyorientiert. Die beste Aktivität ist, sich einfach mit einer Gruppe treiben zu lassen, am besten in der Südstadt rund um die Severinstorburg – da ist es etwas familiärer als auf dem proppevollen Alter Markt. Aber Achtung: Legt vorher einen festen Treffpunkt fest. Die Handynetze brechen garantiert zusammen.
Rosenmontag ist das Herzstück. Der Vibe ist fröhlicher, bunter und emotionaler. Das Publikum ist total gemischt, von Familien mit Kindern bis zu den hartgesottenen Jecken. Die beste Aktivität ist natürlich, den „Zoch“ zu schauen. Mein Rat: Meide die absolute Enge am Dom. Versuch’s mal am Hohenzollernring in der Nähe vom Friesenplatz. Dort ist es breiter und du hast eine bessere Chance, Kamelle zu fangen. Ein umgedrehter Regenschirm ist übrigens der klassische Trick dafür!

Veilchendienstag ist der melancholische Abschied. Der Vibe ist ruhiger, fast schon andächtig, aber immer noch sehr gemeinschaftlich. Das Publikum sind vor allem Einheimische und Kenner. Die beste Aktivität ist die Nubbelverbrennung am Abend vor einer traditionellen Veedelskneipe. Such dir eine im Belgischen Viertel oder in Ehrenfeld und erlebe diesen Gänsehaut-Moment mit.
Und wie kommst du von A nach B? Die KVB (Kölner Verkehrs-Betriebe) fährt, aber die Bahnen sind so voll, dass du manchmal kaum atmen kannst. Oft ist ein 20-minütiger Fußweg die schnellere und angenehmere Alternative. Ansonsten ist ein 24-Stunden-Ticket meist die beste und günstigste Wahl.
Abseits der Straße: Wo die echte Party steigt
Karneval ist mehr als nur draußen feiern. Ein riesiger Teil spielt sich drinnen ab.
Die Kneipe: Das Wohnzimmer des Jecken
In den Karnevalstagen verwandelt sich jede Kneipe in eine Sauna mit Musik. Es ist eng, heiß und der Boden klebt. Hier lernst du das Schunkeln: einfach beim Nachbarn einhaken und im Takt wiegen. Und hier musst du die Lieder kennen. Wenn du mitsingen kannst, gehörst du sofort dazu.

Kleiner Crashkurs: Hör dir vorher unbedingt ein paar Lieder an! Die absoluten Pflicht-Hymnen, die JEDER kennt, sind zum Beispiel „Viva Colonia“ von den Höhnern, „Et jitt kei Wood“ von Cat Ballou und „Stadt met K“ von Kasalla. Wenn du die Refrains draufhast, bist du der Held des Abends.
Die Sitzung: Organisiertes Chaos
Eine Karnevalssitzung ist eine Bühnenshow mit Rednern, Tanzgruppen und Live-Bands. Die traditionellen „Prunksitzungen“ sind oft etwas steif und teuer. Viel spannender sind die alternativen Formate wie die berühmte „Stunksitzung“, die politisch, frech und urkomisch ist (Karten sind aber quasi unmöglich zu bekommen). Es lohnt sich aber, nach kleineren Veedelssitzungen Ausschau zu halten.
Ein letztes Wort zur Sicherheit
Ich muss es nochmal sagen, weil mir das am Herzen liegt. Karneval ist wundervoll, aber wo viele Menschen und viel Alkohol zusammenkommen, gibt es Risiken.
- Taschendiebe: Die sind Profis. Wertsachen gehören nicht in die Gesäßtasche. Eine Bauchtasche unter dem Pullover ist die beste Lösung.
- Glasverbot: Haltet euch dran. Die Strafen sind saftig und es dient der Sicherheit von uns allen.
- Respekt: „Jeder Jeck is anders“ ist unser oberstes Gesetz. Das bedeutet Toleranz. Belästigung hat hier keinen Platz. Und passt aufeinander auf. Wenn du siehst, dass jemand Hilfe braucht, sprich die Person an oder hol Hilfe. Wir Kölner sind da eigentlich ganz gut drin.
Am Ende ist der Kölner Karneval eine Einladung. Eine Einladung, mal komplett durchzudrehen, mit wildfremden Menschen zu singen und die Welt für ein paar Tage nicht ganz so ernst zu nehmen. Wenn du mit offenem Herzen und guter Vorbereitung kommst, wirst du eine Zeit erleben, die du nie vergisst. Es ist eben mehr als eine Party. Es ist unsere Kultur.

In diesem Sinne: Dreimol Kölle Alaaf!
Bildergalerie

Kostüm von der Stange oder Marke Eigenbau?
Ein häufiger Fehler von „Imis“ (so nennen die Kölner liebevoll die Zugezogenen) ist die Wahl des Kostüms. In Köln geht es weniger um das perfekte, gekaufte Hochglanz-Outfit. Viel wichtiger ist die Kreativität und das Herzblut. Anstatt zum x-ten Mal das gleiche Polyester-Cowboy-Set von der Stange zu tragen, versuch es mal anders: Werde zur „kölsche Tapas-Bar“, indem du Kölschdeckel und Frikadellen an einen alten Hut klebst, oder verwandle einen simplen Overall mit Leuchtstreifen in ein „kölsches Ufo“. Der Applaus auf der Straße und die besten Gespräche sind dir sicher. Es zählt die Idee, nicht das Budget!


