Schleim selber machen – aber richtig! Die ultimative Anleitung aus der Werkstatt
Ganz ehrlich? Als meine Kinder das erste Mal mit diesem „Schleim“-Thema ankamen, dachte ich mir nur: Was für eine klebrige Sauerei. In meiner Werkstatt arbeite ich täglich mit Lacken, Harzen und Klebstoffen – alles komplexe Polymere. Mein täglich Brot, sozusagen. Und als ich mir den Schleim dann mal genauer ansah, merkte ich schnell: Hey, das ist ja im Grunde dasselbe Prinzip! Es geht um Chemie, um das richtige Mischverhältnis und sauberes Arbeiten. Schleim ist quasi der erste, spielerische Einstieg in die faszinierende Welt der Materialkunde.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Was ist Schleim eigentlich? Ein kurzer Blick unter die Haube
- 2 Sicherheit geht vor! Eine ernste Warnung des Meisters
- 3 Das Standardwerk: Der klassische PVA-Schleim
- 4 Die Alternative ohne Kleber: Flohsamenschalen-Schleim
- 5 PVA vs. Flohsamen: Welcher Schleim passt zu dir?
- 6 Fehlersuche: Wenn mal was schiefgeht
- 7 Für Fortgeschrittene: Schleim-Tuning wie die Profis
- 8 Bildergalerie
Nur, was man da so im Internet findet … puh. Viele Anleitungen sind ungenau oder, schlimmer noch, potenziell gefährlich. Als alter Hase im Handwerk kann ich da nicht wegschauen. Kinder sollten nicht einfach mit irgendwelchen Chemikalien hantieren. Darum habe ich mich hingesetzt und eine Anleitung geschrieben, die Hand und Fuß hat. So, wie ich es auch einem meiner Lehrlinge erklären würde: gründlich, sicher und mit dem nötigen Hintergrundwissen.

Was ist Schleim eigentlich? Ein kurzer Blick unter die Haube
Bevor wir loslegen, sollten wir kurz verstehen, was wir da eigentlich tun. Das ist die erste Regel in jeder guten Werkstatt. Schleim ist eine sogenannte nicht-newtonsche Flüssigkeit. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Stell dir Wasser vor: Egal, ob du langsam oder schnell mit der Hand durchfährst, der Widerstand bleibt quasi gleich.
Schleim tickt da anders. Wenn du ihn langsam ziehst, fließt er wie zäher Honig. Aber sobald du schnell daran reißt oder draufhaust, wird er schlagartig fest. Seine Zähflüssigkeit (die Profis sagen Viskosität) ändert sich je nach Krafteinwirkung.
Das liegt an seiner inneren Struktur. Die Hauptzutat, der Bastelkleber, enthält lange Molekülketten (PVA), die wie ein Haufen gekochter Spaghetti im Wasser schwimmen. Dann kommt der „Aktivator“ ins Spiel – in unserem Fall eine harmlose Zutat aus der Kontaktlinsenlösung. Diese kleinen Helferlein verbinden die Spaghetti-Ketten zu einem riesigen, flexiblen Netz. Das Wasser wird darin gefangen, und zack – fertig ist die glibberige Masse. Dieses Wissen hilft uns später enorm bei der Fehlersuche. Ist der Schleim zu flüssig? Dann fehlen Verbindungen. Ist er zu fest? Dann haben wir es mit dem Verbinden übertrieben.

Sicherheit geht vor! Eine ernste Warnung des Meisters
Ich kann das nicht oft genug sagen: Bei der Sicherheit gibt es keine Kompromisse. Hände weg von Rezepten mit reinem Borax-Pulver oder irgendwelchen Waschmitteln! Borax kann die Haut reizen und ist bei Verschlucken giftig – das hat in Kinderhänden absolut nichts verloren. Bei Waschmitteln weißt du nie genau, was drin ist, und die Duftstoffe können fiese Allergien auslösen.
Also, halten wir uns an ein paar einfache Werkstatt-Regeln:
- Arbeitsplatz schützen: Leg eine alte Zeitung oder eine abwaschbare Tischdecke unter. Schleim kann auf unbehandeltem Holz fiese Flecken hinterlassen.
- Hände waschen: Davor und danach ist Pflicht. Immer!
- Keine Snacks am Arbeitsplatz: Essen und Trinken haben hier nichts zu suchen, um Verwechslungen zu vermeiden.
- Aufsicht ist alles: Gerade kleinere Kinder dürfen niemals allein mit den Zutaten hantieren. Schleim ist zum Spielen da, nicht zum Essen.
- Entsorgung: Kleine Reste gehören in den Restmüll. Spül das Zeug niemals die Toilette runter! Es kann die Rohre verstopfen, und das wird eine teure Reparatur, glaub mir.

SOS: Was tun, wenn doch mal alles klebt?
Passiert dem besten Handwerker. Keine Panik! Ein wenig Essig ist oft die Rettung. Bei Kleidung oder Stoffen einfach etwas weißen Haushaltsessig auf die Stelle geben, kurz einwirken lassen und dann mit warmem Wasser und einer Bürste auswaschen. Bei Haaren hilft oft eine Spülung oder etwas Öl (z.B. Kokos- oder Olivenöl), um den Schleim zu lösen. Auf glatten Oberflächen wie Tischen reicht meist warmes Wasser mit Spüli.
Das Standardwerk: Der klassische PVA-Schleim
Dieses Rezept ist der Goldstandard. Zuverlässig und mit der perfekten Glibber-Konsistenz. Plan für die ganze Aktion mal etwa 15-20 Minuten ein (5 Minuten Mischen, 10-15 Minuten Kneten). Am Ende hast du eine gute, handtellergroße Portion Schleim.
STOPP! Der Meister-Check, bevor du loslegst:
Schnapp dir deine Kontaktlinsenlösung. Dreh die Flasche um und lies die Inhaltsstoffe. Steht da „Borsäure“ (boric acid) oder „Natriumborat“ (sodium borate) drauf? Super, dann kann es losgehen! Wenn nicht, funktioniert das Rezept nicht.

Die Einkaufsliste (und was der Spaß kostet)
Rechne für den ersten Einkauf mit etwa 8 bis 15 Euro. Der Vorteil: Natron und die Kontaktlinsenlösung reichen locker für 5-10 Portionen Schleim, du musst also nur den Kleber nachkaufen.
- PVA-Bastelkleber (lösungsmittelfrei): 125 ml. Achte darauf, dass er auf Wasserbasis ist und PVA (Polyvinylacetat) enthält. Klebestifte gehen nicht. UHU Bastelkleber oder Ponal Classic sind gute Optionen, kosten ca. 3-5 €.
- Natron: Ein halber Teelöffel. Ganz normales Back-Natron aus dem Supermarkt. Eine Packung kostet kaum einen Euro.
- Kontaktlinsen-Kombilösung: 1-2 Esslöffel. Das ist der Knackpunkt! Such bei DM, Rossmann oder in der Apotheke nach einer Lösung, die Borsäure enthält. Viele Eigenmarken (z.B. von „SauBär“ bei DM oder die Standardlösungen für weiche Linsen) funktionieren super. Eine Flasche kostet zwischen 4-8 €.
- Wasser: 60 ml lauwarmes Wasser aus dem Hahn.
- Lebensmittelfarbe (optional): Ein paar Tropfen. Gelfarben geben oft ein kräftigeres Ergebnis.
- Eine Schüssel und ein Löffel.
Anleitung: Schritt für Schritt zum Erfolg
- Kleber vorbereiten: Gib den Kleber (125 ml) und das lauwarme Wasser (60 ml) in die Schüssel. Rühr so lange, bis eine gleichmäßige, milchige Flüssigkeit entsteht. Das Verdünnen macht den Schleim später geschmeidiger.
- Farbe rein: Wenn du bunten Schleim willst, ist jetzt der Moment. 2-3 Tropfen Farbe rein und gut verrühren. Denk dran: Die Farbe wird nach dem Aktivieren etwas blasser.
- Natron dazu: Streu das Natron drüber und rühr es gründlich unter, bis keine Klümpchen mehr zu sehen sind. Das Natron stabilisiert die ganze Reaktion.
- Der magische Moment – Aktivieren: Gib jetzt EINEN Esslöffel von der Kontaktlinsenlösung dazu und rühr sofort kräftig. Du siehst sofort, wie die Masse andickt und sich von der Schüsselwand löst. Das ist die Vernetzung live!
- Kneten, kneten, kneten: Sobald die Masse ein zäher Klumpen ist, nimm sie raus. Am Anfang wird sie noch super klebrig sein – das ist völlig normal! Jetzt heißt es kneten, für mindestens 5 bis 8 Minuten. Das ist der wichtigste Schritt. Durch die Wärme und Bewegung verteilt sich alles perfekt.
- Feintuning: Klebt er nach langem Kneten immer noch zu sehr? Dann gib ein paar TROPFEN der Lösung auf deine Hände (nicht in die Schüssel!) und knete weiter. Hier ist weniger mehr. Zu viel Aktivator macht den Schleim hart und brüchig.

Die Alternative ohne Kleber: Flohsamenschalen-Schleim
Manchmal will man einfach keinen Kleber verwenden. Dann ist dieser natürliche Glibber eine tolle Sache. Das Ergebnis ist anders – eher ein wabbeliges Gel –, aber es ist absolut unbedenklich und faszinierend.
Materialliste:
- Ganze Flohsamenschalen: 1 Esslöffel. Kriegst du für wenige Euro im Reformhaus, in der Drogerie oder online. Nimm nicht das Pulver!
- Wasser: 250 ml.
- Lebensmittelfarbe (optional).
- Ein kleiner Topf und ein Schneebesen.
So wird’s gemacht (Dauer ca. 15 Min + Abkühlzeit)
- Mischen und erhitzen: Gib Wasser, Flohsamenschalen und Farbe in den Topf und erhitze alles bei mittlerer Hitze. Wichtig: Immer rühren, damit nichts anbrennt!
- Andicken lassen: Nach wenigen Minuten wird die Masse dick und gelartig. Die Schalen quellen auf und binden das Wasser.
- Aufkochen und abkühlen: Sobald es einmal kurz kocht und eine dicke Glibbermasse entstanden ist, nimm den Topf vom Herd. Und jetzt: Abkühlen lassen! Das Zeug ist höllisch heiß. Das kann gut eine Stunde dauern.
Wichtiger Hinweis: Dieser Schleim ist ein reines Naturprodukt und daher nur 2-3 Tage haltbar. Bewahre ihn im Kühlschrank in einer Dose auf. Wenn er komisch riecht, gehört er in den Biomüll.

PVA vs. Flohsamen: Welcher Schleim passt zu dir?
Kurz gesagt, es sind zwei komplett unterschiedliche Materialien. Der PVA-Schleim ist der Klassiker: super dehnbar, glatt und wochenlang haltbar. Er ist in der Herstellung etwas anspruchsvoller und die Zutaten kosten anfangs etwas mehr. Dafür ist das Spielgefühl unschlagbar.
Der Flohsamen-Schleim ist die schnelle, supergünstige und essbare (aber nicht leckere!) Alternative. Er ist eher glibberig und etwas körnig, nicht wirklich dehnbar. Dafür ist er in 10 Minuten gemacht und absolut sicher für die Allerkleinsten. Seine Haltbarkeit ist mit wenigen Tagen aber sehr kurz.
Fehlersuche: Wenn mal was schiefgeht
Kein Meister ist vom Himmel gefallen. Wenn der erste Versuch nicht klappt, ist das eine Chance zu lernen. Hier die typischen Pannen:
- Problem: Der Schleim wird einfach nicht fest.
Lösung: Überprüfe deine Zutaten. 99% der Fälle liegt es an der falschen Kontaktlinsenlösung ohne Borsäure/Borat. Wenn die stimmt, gib tröpfchenweise mehr davon hinzu und knete kräftig. - Problem: Er ist furchtbar klebrig!
Lösung: Kneten! Ehrlich, in den meisten Fällen hilft einfach noch ein paar Minuten geduldiges Kneten. Erst wenn das nichts bringt, ein paar Tropfen Aktivator auf die Hände geben und weiterkneten. - Problem: Der Schleim ist steinhart und reißt sofort.
Lösung: Oje, zu viel Aktivator. Mein Jüngster hat mal die halbe Flasche reingekippt – das Ergebnis war ein Gummiball, kein Schleim. Daraus haben wir gelernt! Manchmal hilft es, den Klumpen in warmes Wasser zu legen und vorsichtig zu massieren. Ein kleiner Klecks Handlotion kann ihn auch geschmeidiger machen.

Für Fortgeschrittene: Schleim-Tuning wie die Profis
Wenn das Grundrezept sitzt, kannst du experimentieren.
- Fluffy Slime: Gib vor dem Aktivator eine ordentliche Menge Rasierschaum dazu. Das macht den Schleim luftig, weich und matt.
- Butter Slime: Knete eine kleine Menge weiche Modelliermasse (Soft Clay) in den fertigen Schleim. Die Textur wird butterweich, matt und lässt sich toll verstreichen.
- Clear Slime: Nimm durchsichtigen Bastelkleber. Nach der Herstellung ist er voller Luftbläschen. Lass ihn ein paar Tage in einer Dose ruhen, dann wird er glasklar.
- Texturen: Mische kleine Perlen, Schaumstoffkügelchen oder Glitzer unter für ein neues haptisches Erlebnis und coole Knistergeräusche.
Am Ende ist die Schleim-Herstellung eine tolle Übung. Man lernt, genau zu arbeiten, bekommt ein Gefühl für Materialien und sieht direkt das Ergebnis seiner Arbeit. Und das, liebe Leute, ist die Grundlage für jedes gute Handwerk. Viel Spaß beim Ausprobieren!
Bildergalerie


Warum warnen so viele vor Borax im Schleim?
Gute Frage! Borax-Pulver ist zwar ein effektiver Aktivator, aber es ist auch ein starkes Reinigungsmittel, das bei direktem Hautkontakt zu Reizungen oder sogar leichten Verätzungen führen kann. Die sicherere Alternative, die auch wir empfehlen, ist eine Kombi-Lösung für Kontaktlinsen. Sie enthält Borsäure und Natriumborat in einer stark verdünnten, pH-neutralen und hautverträglichen Konzentration. So erhält man den gewünschten chemischen Effekt ohne das Risiko – perfekt für neugierige Kinderhände.

Wussten Sie, dass auch Ketchup eine nicht-newtonsche Flüssigkeit ist?
Genau wie Schleim widersetzt er sich den normalen Fließgesetzen. Er bleibt erst zäh in der Flasche, bis ein kräftiger Stoß (Krafteinwirkung) seine Viskosität schlagartig verändert und ihn fließen lässt. Dieses Prinzip, Scherentzähung genannt, ist der Grund, warum man die Ketchupflasche oft schütteln oder auf den Boden klopfen muss. Der Schleim in Ihren Händen ist also ein direkter Verwandter des Kleckses auf Ihren Pommes!

Der richtige Kleber ist entscheidend: Nicht jeder Bastelkleber funktioniert. Sie benötigen einen Kleber auf PVA-Basis (Polyvinylacetat), der wasserlöslich ist. Transparenter Kleber (z.B. von UHU oder Elmer’s Clear Glue) erzeugt einen glasigen, durchsichtigen Schleim, während weißer Bastelkleber zu einem undurchsichtigen, pastellfarbenen Ergebnis führt.
Die goldene Regel lautet: Wenn „lösungsmittelfrei“ auf der Flasche steht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er auf Wasser- und PVA-Basis hergestellt ist und sich perfekt für Ihr Schleim-Labor eignet.

Machen Sie aus dem Schleim-Projekt ein Fest für die Sinne! Mit ein paar sicheren Zusätzen wird aus der Basis-Masse ein individuelles Erlebnis:
- Butter Slime: Eine kleine Menge Soft-Knete (z.B. Fimo Soft oder eine ähnliche Modelliermasse) unter den fertigen Schleim kneten. Das Ergebnis ist eine samtige, matte und wunderbar streichfähige Textur.
- Crunchy Slime: Kleine Styroporkügelchen oder spezielle Plastik-„Floam Beads“ sorgen für ein befriedigendes Knister-Geräusch beim Kneten.
- Duft-Schleim: Ein paar Tropfen Lebensmittelaroma wie Vanille- oder Mandelextrakt verleihen dem Schleim einen angenehmen Duft.
Option A – Glitzer: Kosmetischer, feiner Glitzerstaub verteilt sich gleichmäßig und sorgt für einen funkelnden, fast magischen Schimmer. Er bleibt gut im Schleim gebunden und verursacht weniger Sauerei.
Option B – Lebensmittelfarbe: Ein paar Tropfen genügen, um intensive, leuchtende Farben zu erzeugen. Ideal, um verschiedene Schleim-Portionen in den Grundfarben einzufärben und dann das Mischen von Farben zu beobachten.
Unsere Empfehlung: Beginnen Sie mit Lebensmittelfarbe, um die Grundmasse zu färben, und fügen Sie dann für den letzten Schliff etwas kosmetischen Glitzer hinzu.



