Ziegel, Beton & Seele: Was du von diesem genialen Theater für dein Zuhause lernen kannst

von Mareike Brenner
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Als jemand, der sich beruflich jeden Tag mit dem Bauen beschäftigt, sehe ich Gebäude anders. Ich sehe nicht nur Wände und Dächer, sondern die Entscheidungen, die dahinterstecken. Die endlosen Stunden, das Herzblut, das Handwerk. Und ganz ehrlich? Manchmal stolpert man über ein Projekt, das einfach alles richtig macht. Ein Theater in Liverpool ist genau so ein Fall. Ich hab’s nicht selbst gebaut, aber ich habe es studiert wie ein Uhrmacher ein Meisterwerk von einem Kollegen. Warum? Weil es uns unglaublich viel darüber beibringt, was wirklich zählt: Respekt vor dem Ort, ehrliche Materialien und Architektur, die für Menschen gemacht ist.

Viele denken bei einem Neubau sofort an einen kalten Bruch mit der Vergangenheit. Hier lief es komplett anders. Man hat das alte, etwas marode Theater nicht einfach abgerissen und ersetzt. Nein, man hat seine Seele ganz vorsichtig geborgen und in einen neuen Körper verpflanzt. Das ist eine Aufgabe, die so viel mehr erfordert als nur Pläne zu zeichnen – sie erfordert Demut und ein echtes Gespür für die Menschen, die diesen Ort lieben.

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Mehr als nur ein Neubau: Den Geist bewahren

Das ursprüngliche Theater war in einer alten Kapelle untergebracht. Absolut charmant, aber technisch eine Katastrophe. Die Bühnentechnik war veraltet, Barrierefreiheit ein Fremdwort und die Energiebilanz zum Gruseln. Die Entscheidung für einen kompletten Neubau war also mutig. Ein bisschen sanieren wäre der einfachere Weg gewesen. Doch die Profis wussten: Ein Flickenteppich hätte dem Geist dieses „Theaters für jedermann“ nicht entsprochen.

Die größte Hürde: Das Gefühl erhalten

Die wirkliche Herausforderung war nicht die Technik, sie war emotional. Wie zur Hölle schafft man ein hochmodernes, perfekt funktionierendes Gebäude, das sich trotzdem noch wie der alte, geliebte Ort anfühlt? Die Antwort lag im Material. Man hat entschieden, so viel wie möglich vom alten Gebäude wiederzuverwenden. Und das war keine sentimentale Geste, sondern eine knallharte handwerkliche und ökologische Entscheidung.

Wir reden hier von 25.000 Ziegeln aus der alten Fassade. Jeder einzelne Stein wurde von Hand geborgen, gereinigt und geprüft. Viele Maurerlehrlinge lernen heute ja kaum noch den Umgang mit Altmaterial – eine Palette neuer Steine ist eben viel bequemer. Aber genau hier zeigt sich wahre Meisterschaft. Diese alten Ziegel sind nicht perfekt. Sie haben Macken, Farbunterschiede und die Spuren der Zeit. Genau das macht sie so unglaublich wertvoll. Sie tragen die Erinnerung des Ortes in sich und bilden heute die Wände im neuen Theatersaal. Wer dort sitzt, ist also buchstäblich umgeben von der Geschichte des Hauses.

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Was du davon für dein Projekt lernen kannst: Die Magie alter Ziegel

Du findest die Idee, alten Materialien eine neue Chance zu geben, auch genial? Super! Das kannst du auch im Kleinen umsetzen.

  • Woher nehmen? Schau mal bei Abrissfirmen in deiner Nähe, auf Baustoffbörsen im Internet oder ganz klassisch bei eBay Kleinanzeigen. Oft werden dort historische Ziegel, sogenannte „Reichsformatziegel“, für 1 bis 2 Euro pro Stück angeboten.
  • Qualitäts-Check für Laien: Nimm zwei Steine und schlag sie sachte aneinander. Klingt es hell und klar, ist der Stein gut gebrannt und frostfest. Ein dumpfer Ton deutet auf schlechte Qualität hin.
  • Kostenfaktor Arbeit: Die Steine selbst sind oft günstig, aber die Verarbeitung ist aufwendiger. Ein Maurer braucht länger, um ungleichmäßige Steine sauber zu verlegen. Rechne hier mit etwa dem doppelten Arbeitsaufwand im Vergleich zu neuen Ziegeln. Das ist es aber wert!
  • Achtung, Falle! Bei Ziegeln aus alten Ställen oder Kellern kann es zu Salzausblühungen kommen (weiße Flecken). Bevor du die im Wohnzimmer verbaust, lass einen Stein mal ein paar Wochen in einem Eimer Wasser liegen. Bildet sich ein weißer Rand, ist Vorsicht geboten.

Eine kleine Wand im Flur, eine Einfassung für dein Hochbeet oder eine Küchenrückwand aus alten Ziegeln – das sind Projekte, die sofort Charakter in dein Zuhause bringen.

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Materialien mit Charakter: Der ehrliche Dreiklang

Die Architekten haben sich bewusst auf wenige, aber dafür sehr ausdrucksstarke Materialien beschränkt: roter Ziegel, Sichtbeton und Holz. Diese Kombination ist kein Zufall. Sie erzählt eine Geschichte über die Stadt, das Theater und ehrliches Handwerk.

Der Beton: Rohe Stärke, die Wärme spendet

Sichtbeton hat bei vielen einen schlechten Ruf – kalt, brutal, Bunker-Atmosphäre. Hier zeigt er aber sein wahres, ehrliches Gesicht. Man sieht die Abdrücke der Holzbretter von der Schalung, kleine Lufteinschlüsse und die Spuren des Gießens. Nichts wird versteckt oder verputzt. Das schafft eine unglaublich authentische und ruhige Atmosphäre.

Aber der Beton kann noch viel mehr. Er ist ein fantastischer Wärmespeicher. Dank seiner hohen thermischen Masse nimmt er tagsüber Wärme auf (zum Beispiel durch Sonneneinstrahlung oder die Körperwärme der Zuschauer) und gibt sie nachts langsam wieder ab. Im Sommer kühlt er, im Winter heizt er nach. Das spart Unmengen an Energie für Heizung und Kühlung. Ich habe schon oft in Projekten gesehen, wie viel Geld man sparen kann, wenn man die Physik der Baustoffe klug nutzt, statt auf teure Technik zu setzen.

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Was du davon für dein Projekt lernen kannst: Beton, aber gemütlich

Du liebst den Look, hast aber Angst vor dem Bunker-Feeling? Kein Problem. Der Trick ist die Kombination. Sichtbeton braucht immer einen warmen Gegenspieler. Kombiniere ihn mit weichem, warmem Holz (z.B. Eiche), flauschigen Teppichen, vielen Textilien und, ganz wichtig, indirektem Licht. Eine Betonwand, die von unten mit einer LED-Leiste angestrahlt wird, wirkt sofort edel und alles andere als kalt.

Kleiner Tipp für den schmalen Geldbeutel: Eine ganze Betonwand ist dir zu aufwendig? Wie wär’s mit einer Küchenarbeitsplatte aus Beton? Die gibt’s ab ca. 250 € pro laufendem Meter. Oder fang noch kleiner an: Ein schöner Beistelltisch oder große Deko-Objekte aus Beton setzen ein starkes Statement, ohne den Raum zu dominieren.

Das Holz: Wärme für Hand und Ohr

Als dritter im Bunde bringt das Holz Wärme und eine angenehme Haptik ins Spiel. Im Theatersaal sind der Boden und Teile der Sitze aus Holz. Es ist das Material, das die Menschen am direktesten berühren. Und auch für den Klang ist es entscheidend: Während der raue Ziegel den Schall bricht und streut, sorgt das Holz für die warmen Töne, die wir als so angenehm empfinden.

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Übrigens, in den Werkstätten und Büros wurde oft ganz einfaches Sperrholz verwendet. Das ist eine super pragmatische und günstige Lösung, die trotzdem eine warme, kreative Arbeitsatmosphäre schafft. Ein tolles Beispiel dafür, dass gutes Design nicht immer teuer sein muss. Manchmal reicht schon eine Platte Birkensperrholz aus dem Baumarkt (kostet um die 40-60 €), um eine inspirierende Arbeitsnische zu gestalten.

Das Herzstück: Ein Raum, der Nähe schafft

Der Theatersaal selbst ist das Zentrum des Ganzen. Statt einer klassischen „Guckkastenbühne“, bei der das Publikum wie durch ein Fenster auf das Geschehen blickt, ragt die Bühne hier weit in den Zuschauerraum hinein. Man sitzt an drei Seiten drumherum.

Das Ergebnis? Eine unglaubliche Intimität. Kein Zuschauer ist weiter als 13 Meter von den Schauspielern entfernt. Man kann das kleinste Flüstern hören, jede Mimik erkennen. Das verändert natürlich die Art, wie gespielt und wie zugeschaut wird, fundamental. Diese Nähe erfordert aber auch eine extrem clevere Planung bei Licht und Bühnenbild, damit von jedem Platz aus alles perfekt funktioniert – eine Meisterleistung der Zusammenarbeit zwischen Architekten und erfahrenen Theaterberatern.

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Die Fassade: Das Gesicht der Stadt

Ein absolutes Highlight ist die Fassade zur Hauptstraße. Das ist nicht nur eine Hülle, sondern ein Kunstwerk und ein technisches Wunderwerk zugleich. Sie besteht aus 105 beweglichen Aluminium-Paneelen. Aus diesen wurden lebensgroße Porträts von echten Menschen aus Liverpool herausgeschnitten – keine Promis, sondern normale Bürger, die ein lokaler Fotograf zufällig auf der Straße abgelichtet hat.

Das Gebäude zeigt der Stadt also buchstäblich ihre eigenen Gesichter. Eine stärkere Metapher für ein „Theater für jedermann“ kann man sich kaum vorstellen. Technisch sind diese Platten gleichzeitig ein cleverer Sonnenschutz. Je nach Sonnenstand können sie gedreht werden, um das Foyer dahinter kühl zu halten. Tagsüber werfen die Porträts faszinierende Schatten ins Innere, und nachts leuchten sie von innen heraus. Genial, oder?

Ein Haus, das atmet und einlädt

Dieses Gebäude hat für seine Nachhaltigkeit eine der höchsten britischen Auszeichnungen erhalten. Und das nicht wegen sündhaft teurer Technik, sondern wegen eines intelligenten Gesamtkonzepts. Ein Kernelement ist die natürliche Belüftung. Statt einer energiefressenden Klimaanlage setzt man auf den simplen Kamineffekt: Kühle, frische Luft wird von unten angesaugt, durchströmt das Gebäude, erwärmt sich und steigt nach oben, wo sie durch Klappen im Dach entweicht. Simpel, aber extrem effektiv.

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Ich sage immer: Die beste Technik ist die, die man gar nicht erst braucht. Und genau das wird hier gelebt.

Diese Offenheit spürt man auch im Inneren. Das Erdgeschoss ist kein elitäres Foyer, sondern ein öffentliches Wohnzimmer mit Café und Bar, in das jeder einfach so hineinspazieren kann. Das Theater ist so nicht nur ein Ort für Kultur, sondern ein echter Treffpunkt für die Nachbarschaft. Natürlich immer mit einem ausgeklügelten Sicherheitskonzept im Hintergrund, das die öffentlichen Bereiche klar von den internen Arbeitsbereichen trennt.

Was wir davon wirklich lernen können

Am Ende ist dieses Theater so viel mehr als nur ein cleveres Gebäude. Es ist ein Stück gebaute Gemeinschaft und ein fantastischer Lehrmeister. Es zeigt, dass moderne Architektur nicht kalt und seelenlos sein muss. Sie kann warm, einladend und voller Geschichten sein, wenn man sie mit Respekt, handwerklichem Können und viel Herzblut angeht. Und vielleicht ist das die größte Lektion von allen: Bau nicht nur ein Haus, sondern schaffe einen Ort, der seine Arme für jeden öffnet.

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Was bedeutet es eigentlich, die „Seele“ eines Ortes zu bewahren?

Architekten nennen dieses Prinzip „Genius Loci“ – den Geist des Ortes. Es geht darum, die einzigartige Identität eines Raumes zu verstehen und zu ehren, anstatt ihm eine fremde Vision aufzuzwingen. Beim Everyman Theatre war es die Wiederverwendung der Ziegelsteine, die die Geschichten von Jahrzehnten in sich tragen. In Ihrem Zuhause könnte es etwas ganz anderes sein: Vielleicht ist es die Erhaltung eines knarrenden Dielenbodens, das Freilegen einer alten Wandmalerei oder sogar die Beibehaltung des ursprünglichen Grundrisses, der die Lebensweise der früheren Bewohner widerspiegelt. Es ist eine Einladung, genau hinzuschauen und zu fragen: Was macht diesen Ort besonders, noch bevor ich überhaupt anfange, ihn zu verändern?

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Wussten Sie schon? Beton besitzt eine hohe thermische Masse. Das bedeutet, er kann Wärme (oder Kühle) über lange Zeit speichern und langsam wieder abgeben.

Genau diese Eigenschaft macht den oft als „kalt“ verschrienen Baustoff zum heimlichen Helden eines angenehmen Raumklimas. Statt ihn zu verstecken, wird er in Projekten wie dem Everyman Theatre bewusst gezeigt. In Kombination mit der rauen Textur von Holzschalungen, warmen Lichtquellen und weichen Stoffen verliert der Beton seine Härte und wird zur ehrlichen, beruhigenden Leinwand für das Leben, das darin stattfindet.

Die Idee, altes Baumaterial zu nutzen, ist faszinierend. Doch wie setzt man das im Kleinen um?

  • Echte alte Ziegelriemchen: Sie werden aus den Fassaden historischer Gebäude geschnitten. Jedes Stück ist ein Unikat mit echter Patina und Geschichte. Ideal für eine charakterstarke Akzentwand.
  • Klinkerriemchen im „Used-Look“: Diese werden neu produziert, aber künstlich gealtert. Sie bieten eine gleichmäßigere Optik und sind oft einfacher zu verarbeiten. Marken wie Vandersanden oder Roben bieten hier überzeugende Kollektionen an.

Für die Seele eines Raumes ist das Original unschlagbar, doch für ein stimmiges Gesamtbild kann auch die moderne Interpretation eine gute Wahl sein.

Mareike Brenner

Mareike ist 1991 in Bonn geboren und hat ihr Diplom in der Fachrichtung Journalistik an der TU Dortmund erworben. Sie hat einen Hintergrund im Bereich Design, da sie an der HAW Hamburg Illustration studiert hat. Mareike hat aber einen Sprung in die Welt des Journalismus gemacht, weil sie schon immer eine Leidenschaft für kreatives Schreiben hatte. Derzeit ist sie in der Redaktion von Freshideen tätig und schreibt gern Berichte über Schönheitstrends, Mode und Unterhaltung. Sie kennt übrigens alle Diäten und das Thema „Gesund abnehmen“ wird von ihr oft bevorzugt. In ihrer Freizeit kann man sie beim Kaffeetrinken mit Freunden antreffen oder sie bleibt zu Hause und zeichnet. Neulich hat sie eine neue Leidenschaft entdeckt, und das ist Online-Shopping.