Dein Messe-Guide für Möbel & Design: So findest du Gold statt nur Glanz

von Mareike Brenner
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Warum ein Handwerker wie ich auf Designmessen pilgert

Jedes Jahr im Frühling packe ich meine Koffer. Aber nicht für den Strandurlaub, sondern meistens für die große Möbelmesse in Mailand. Viele meiner Kollegen schütteln da nur den Kopf. „Was willst du denn da? Das ist doch nur teurer Schnickschnack für Architekten“, höre ich oft. Und ganz ehrlich, ich kann den Gedanken verstehen. Auf den ersten Blick wirken die riesigen Messen in Mailand, Köln oder Paris wie eine andere Welt. Alles glänzt, alles ist super modern und die Preise? Oft jenseits von Gut und Böse.

Trotzdem fahre ich seit Ewigkeiten hin. Meinen Azubis predige ich immer: Wenn ihr euer Handwerk wirklich leben und weiterentwickeln wollt, müsst ihr wissen, was außerhalb der eigenen vier Werkstattwände passiert. Für mich sind diese Events keine reinen Modenschauen. Sie sind gigantische Materialbibliotheken, Technologiebörsen und die beste Fortbildung, die man für Geld kaufen kann. Hier sehe ich nicht nur, was vielleicht in ein paar Jahren in den Wohnzimmern stehen könnte. Ich sehe vor allem, wie es gemacht wird.

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Ich entdecke dort neue Beschläge, innovative Werkstoffe oder eine Oberflächenbehandlung, die ein Problem löst, das mich seit Monaten beschäftigt. Man muss nur wissen, wo man hingucken muss. In diesem kleinen Guide nehme ich dich mit auf die Reise und zeige dir, wie du als Praktiker den wahren Wert hinter dem Hochglanz findest.

Die knallharte Frage zuerst: Was kostet der Spaß und wer kommt rein?

Bevor wir abheben, reden wir mal über Geld und Tickets. Das ist nämlich der Punkt, an dem viele schon abwinken. Ein Messebesuch ist eine Investition, keine Frage. Wenn du nach Mailand willst, solltest du früh buchen – also wirklich, Monate im Voraus. Rechnen wir mal grob: Für drei bis vier Tage musst du mit allem Drum und Dran (Flug, einfaches Hotel, Messeticket, Verpflegung) schon mal zwischen 800 € und 1.500 € einplanen. Köln ist da meist etwas günstiger.

Und die Tickets? Die großen Messen sind in der Regel Fachmessen. Das heißt, du brauchst oft einen Nachweis, dass du aus der Branche kommst – ein Gewerbeschein, ein Mitarbeiter-Ausweis oder eine Studienbescheinigung für Design- oder Architekturstudenten tun es meistens. An den letzten Tagen sind die Messen aber oft auch für die Öffentlichkeit zugänglich, dann sind die Tickets aber meist teurer. Kleiner Tipp: Die parallel stattfindenden Events in den Städten (Fuorisalone in Mailand, Passagen in Köln) sind fast immer kostenlos und für jeden zugänglich!

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Mailand, Köln, Paris: Ein kurzer Charakter-Check

Jede Messe hat ihre eigene Seele. Es hilft ungemein zu wissen, was einen erwartet, um nicht völlig erschlagen zu werden. Hier ist meine persönliche Einschätzung:

  • Mailand: Die kreative Explosion. Hier geht es um die große Vision, um Inspiration und die neuesten Trends. Es ist laut, chaotisch und unglaublich anregend. Perfekt, um den Kopf freizubekommen und völlig neue Ideen zu tanken.
  • Köln: Die deutsche Ingenieurskunst. Die Kölner Messe ist strukturierter, geschäftlicher und sehr auf Funktion und Technik fokussiert. Hier geht es darum, wie Dinge funktionieren, um Systeme und um gute Geschäftsbeziehungen. Ideal, um konkrete Lösungen und verlässliche Lieferanten zu finden.
  • Paris: Die Kunst des Wohnens. In Paris steht weniger das einzelne Möbel im Fokus als das gesamte Ambiente. Es geht um Textilien, Deko, Leuchten und die kleinen Dinge, die einen Raum erst lebendig machen. Super, um sein Auge für Farben und Stimmungen zu schulen.

Du musst nicht zu allen fahren. Überleg dir, was du gerade für deine Arbeit brauchst: pure Inspiration oder eine konkrete technische Lösung?

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Ein genauerer Blick: Wo ich das echte Gold finde

Mailand: Zwischen den Giganten und in den Hinterhöfen

In Mailand gibt es zwei Welten: die riesigen Messehallen und den „Fuorisalone“, die Events in der ganzen Stadt. In den Hallen stelle ich mich nicht ewig bei den großen, bekannten Marken an. Mein Weg führt mich oft in die hinteren Bereiche, zu den Zulieferern. Dort habe ich mal an einem unscheinbaren Stand einen komplett unsichtbaren Scharniertyp entdeckt. Der erlaubte es, eine schwere Tür perfekt flächenbündig einzubauen. Der Designer hatte die Vision, aber der Techniker am Stand konnte mir die exakten Fräsmaße, die Belastbarkeit und die Justierung erklären. Das ist der wahre Schatz!

Fast noch wichtiger ist aber der Fuorisalone in Stadtvierteln wie Brera oder Lambrate. In alten Werkstätten und Hinterhöfen zeigen junge Talente ihre Experimente. Nicht alles ist alltagstauglich, aber es sprengt die Denkmuster. Dort habe ich mal gesehen, wie hauchdünnes Holz gedämpft und zu 3D-Objekten geformt wurde. Aus dieser Inspiration habe ich später eine geschwungene Thekenfront für einen Kunden entwickelt.

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Dein Plan für Mailand: Nimm die bequemsten Schuhe, die du hast! Wenn du nur einen Tag Zeit hast: Konzentrier dich auf zwei Zulieferer-Hallen und spaziere abends durch Brera. Das gibt dir einen super Querschnitt.

Köln: Die Tugend der Funktion

In Köln fühle ich mich als deutscher Meister oft wie zu Hause. Alles ist klarer strukturiert. Hier kann man Schubladen aufreißen, Scharniere testen und die Mechanik von Schlafsystemen wirklich verstehen. Ein super Beispiel sind Boxspringbetten. Auf der Messe konnte ich mir die Dinger mal von innen ansehen und habe gelernt, die Spreu vom Weizen zu trennen. Wo ist ein echter Federkern drin und wo nur ein billiger Schaumstoffrahmen? Dieses Wissen ist bei der Kundenberatung Gold wert, um Preisunterschiede von Tausenden von Euro zu erklären.

Paris: Über den Tellerrand der Werkstatt

Nach Paris fahre ich, um mein Auge zu schulen. Hier geht es um Haptik und Atmosphäre. Ich entdecke neue Stoffe für Polstermöbel, sehe geniale Farbkombinationen und lerne, wie meine Arbeit im Gesamtkontext eines Raumes wirkt. Ein perfekt gearbeiteter Eichentisch braucht vielleicht einen mutigen Teppich als Kontrapunkt. Diese ganzheitliche Sicht hilft mir, Kunden viel besser zu beraten.

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Dein Schlachtplan: Wie du eine Messe strategisch zerlegst

Einfach nur rumlaufen bringt nichts. Das ist verlorene Zeit und verlorenes Geld. Hier ist meine über Jahre verfeinerte Taktik:

1. Vorbereitung ist alles: Wochen vorher studiere ich online die Ausstellerlisten und Hallenpläne. Ich markiere mir die Firmen, die mich interessieren – oft sind das kleine Spezialisten für Beschläge oder Oberflächen. Mit wichtigen Lieferanten mache ich feste Termine.

2. Vor Ort – Jäger & Sammler: Ich habe immer einen Notizblock und mein Handy dabei. Sehe ich was Gutes, mache ich ZWEI Fotos: eins vom Produkt, eins vom Firmenschild am Stand. Glaub mir, sonst findest du es nie wieder! Und ich frage gezielt: „Wie ist das versiegelt? Ist das für Feuchträume geeignet? Habt ihr dafür eine Zulassung?“

3. Die Nachbereitung (der wichtigste Schritt!): Zuhause wird sortiert. Ich fordere Muster an. Und jetzt kommt’s: Jedes vielversprechende neue Material wird in der Werkstatt gequält. Ich säge es, bohre rein, schraube, kratze dran rum und kippe Kaffee drüber. Nur was diesen Härtetest besteht, wird jemals einem Kunden angeboten.

Eine Lehre, die mich viel Geld gekostet hat: Ich war mal von einer neuen Hochglanz-Acrylfront total begeistert. Sah auf der Messe mega aus. Ich hab sie direkt für eine Kundenküche verbaut – ohne Test. Eine Katastrophe! Das Zeug war so kratzempfindlich, dass man es nicht mal putzen konnte. Wir mussten alle Fronten auf meine Kosten austauschen. Seitdem gilt: Erst testen, dann verbauen.

Achtung, Falle! Der kritische Blick des Profis

Eine Messe ist eine Showbühne. Nicht alles, was du dort siehst, ist im echten Leben sicher oder erlaubt. Als Handwerker hast du die Verantwortung. Schau also kritisch hin.

Frage immer nach Normen und Zulassungen. Ein schicker Stoff aus dem Ausland mag toll aussehen, aber hat er auch die nötigen Brandschutzzertifikate für ein öffentliches Gebäude? Entspricht die schicke Platte den hiesigen Emissionsstandards? Und bei filigranen Regalen, die an der Wand zu schweben scheinen, frage ich mich immer: Hält das wirklich? Oft sind die Ausstellungsstücke nur für die Show gebaut. Verlass dich auf deine Erfahrung und dein Bauchgefühl.

Unterm Strich sind diese Messen eine unbezahlbare Quelle für Wissen und Inspiration. Du musst dich nur trauen, hinter die glänzende Fassade zu blicken. Denn dort, in der Verbindung aus kreativer Vision und solider Technik, liegt die Zukunft unseres Handwerks.

Mareike Brenner

Mareike ist 1991 in Bonn geboren und hat ihr Diplom in der Fachrichtung Journalistik an der TU Dortmund erworben. Sie hat einen Hintergrund im Bereich Design, da sie an der HAW Hamburg Illustration studiert hat. Mareike hat aber einen Sprung in die Welt des Journalismus gemacht, weil sie schon immer eine Leidenschaft für kreatives Schreiben hatte. Derzeit ist sie in der Redaktion von Freshideen tätig und schreibt gern Berichte über Schönheitstrends, Mode und Unterhaltung. Sie kennt übrigens alle Diäten und das Thema „Gesund abnehmen“ wird von ihr oft bevorzugt. In ihrer Freizeit kann man sie beim Kaffeetrinken mit Freunden antreffen oder sie bleibt zu Hause und zeichnet. Neulich hat sie eine neue Leidenschaft entdeckt, und das ist Online-Shopping.