BARF für Einsteiger: So klappt die Rohfütterung für deinen Hund wirklich
Ich stehe schon seit Jahrzehnten in der Metzgerei. Ein Handwerk, das ich von der Pike auf gelernt habe – vom Zerlegen ganzer Tiere bis zur feinsten Wurst. In all der Zeit habe ich eines verstanden: Fleisch ist nicht gleich Fleisch. Und ein Tier ist so viel mehr als nur sein Filet. Diese einfache Wahrheit hat nicht nur meine Arbeit geprägt, sondern auch, wie ich heute meine eigenen Hunde füttere.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Warum überhaupt roh füttern? Ein Blick in die Natur
- 2 Die Bausteine für einen vollen Napf: Was gehört rein?
- 3 Die praktische Umsetzung: So packst du’s an!
- 4 Für Fortgeschrittene: Das flüssige Gold aus dem Topf
- 5 Sicherheit und Verantwortung: Wann du einen Profi fragen solltest
- 6 Meine letzten Gedanken aus der Metzgerei
Ganz ehrlich? Früher kamen bei mir auch einfach die praktischen Trockenfutter-Brocken in den Napf. Aber ich sah stumpfes Fell, Zahnstein und diese seltsame Trägheit bei meinen Hunden. Als jemand, der täglich mit frischen, natürlichen Rohstoffen hantiert, fühlte sich das einfach falsch an. Warum füttere ich meinem besten Freund etwas, das mit dem ursprünglichen Lebensmittel kaum noch etwas zu tun hat? So begann meine Reise zum BARF – also zur „Biologisch Artgerechten Rohen Fütterung“. Das ist keine neue Wissenschaft, sondern eine Rückkehr zu den Wurzeln. In diesem Guide teile ich mein Wissen aus der Praxis. Nichts aus Büchern, sondern direkt von der Werkbank. Ich zeige dir, wie es geht, was wirklich wichtig ist und welche Fehler du locker vermeiden kannst.

Warum überhaupt roh füttern? Ein Blick in die Natur
Um zu kapieren, warum BARF so gut funktioniert, müssen wir uns nur den Hund ansehen. Sein direkter Vorfahre ist der Wolf, und sein Verdauungstrakt ist im Grunde immer noch derselbe: kurz, effizient und perfekt auf die Verwertung von rohem Fleisch, Knochen und Innereien ausgelegt. Seine Magensäure ist extrem stark – stark genug, um Fleisch und Knochen zu zersetzen und die meisten Bakterien unschädlich zu machen.
Industrielles Fertigfutter hingegen ist oft voll mit Getreide, Mais und anderen Füllstoffen. Das sind Kohlenhydrate, mit denen der Hundekörper nur schwer etwas anfangen kann. Sie können den Organismus belasten und stehen oft im Zusammenhang mit Allergien, Hautproblemen oder Verdauungsstörungen. Mit BARF ahmen wir im Grunde ein Beutetier nach. Ein Wolf frisst ja auch nicht nur das Muskelfleisch, sondern alles: Knochen, Organe, Mageninhalt, Fell. Jedes Teil hat seine Aufgabe. Ziel ist es also, dieses natürliche Gleichgewicht in den Futternapf zu bringen. Es geht nicht darum, deinem Hund einfach ein rohes Steak hinzuwerfen – es ist ein System, aber eines, das mit etwas Grundwissen wirklich einfach umzusetzen ist.

Die Bausteine für einen vollen Napf: Was gehört rein?
Ein gutes BARF-Menü besteht aus verschiedenen Komponenten. Ich erkläre das meinen Kunden immer mit einer einfachen Faustregel: Die tägliche Futtermenge sollte etwa 2–3 % des Körpergewichts deines Hundes betragen. Ein 30-kg-Hund bekommt also rund 600 bis 900 Gramm Futter pro Tag. Und diese Menge teilt sich dann auf.
Grob gesagt sieht die Aufteilung so aus:
- Ca. 80 % tierische Anteile: Also Muskelfleisch, rohe fleischige Knochen (RFK) und Innereien.
- Ca. 20 % pflanzliche Anteile: Das sind püriertes Gemüse und ein wenig Obst.
Schauen wir uns die Zutaten mal genauer an.
1. Muskelfleisch (ca. 50 % der Ration)
Das ist der Hauptenergielieferant, voll mit hochwertigem Protein und Fett. Hier kannst du dich austoben: Rind, Lamm, Huhn, Pute oder auch mal Pferd sind super. Kleiner Tipp: Wechsle die Fleischsorten regelmäßig, denn jede Tierart liefert ein anderes Nährstoffprofil. So ist dein Hund rundum versorgt. Das Fleisch sollte übrigens nicht zu mager sein, ein Fettanteil von 15–25 % ist ideal. Fett liefert Energie! Beim Metzger deines Vertrauens bekommst du oft günstigere Abschnitte wie Kronfleisch oder Stichfleisch vom Rind, die für den Hund perfekt sind.

2. Rohe fleischige Knochen (RFK) (ca. 15 % der Ration)
Das hier ist einer der wichtigsten und gleichzeitig am meisten missverstandenen Punkte beim BARFen. Rohe Knochen sind die natürliche Kalziumquelle und lebenswichtig für stabile Knochen. Außerdem sind sie die beste Zahnbürste der Welt und eine super Beschäftigung für den Kopf.
Achtung, das ist WIRKLICH wichtig: Füttere NIEMALS gekochte, gebratene oder gegrillte Knochen! Sie werden spröde, splittern wie Glas und können zu schlimmsten Verletzungen im Maul und Darm führen. Ich hatte mal einen Kunden, der es gut meinte und seinem Hund einen großen Markknochen aus der Suppe gab – das endete mit einem Darmverschluss. Seitdem bin ich bei diesem Thema noch deutlicher. Auch tragende Röhrenknochen von großen Tieren sind zu hart und können die Zähne ruinieren. Ideal sind weichere Knochen mit Fleisch dran, zum Beispiel Hühnerhälse, Putenhälse, Lammrippen oder Kalbsbrustbein.
3. Innereien (ca. 15 % der Ration)
Innereien sind die Vitamin- und Mineralstoff-Bomben. Unverzichtbar! Aber auch hier kommt es auf die richtige Mischung an. Der Innereien-Anteil sollte sich ungefähr so zusammensetzen:

- Leber (ca. 1/3 der Innereien): Extrem reich an Vitamin A. Hier bitte die Menge genau einhalten, da zu viel davon auf Dauer schädlich sein kann.
- Niere und Milz (ca. 1/3 der Innereien): Liefern viel Eisen und B-Vitamine.
- Herz und Lunge (ca. 1/3 der Innereien): Herz ist eigentlich ein Muskel, zählt aber klassisch zu den Innereien und ist reich an Taurin. Lunge ist sehr fettarm und super für den Einstieg.
Viele Metzger stellen dir auf Anfrage fertige Innereien-Mischungen zusammen. Einfach mal fragen!
4. Pansen und Blättermagen (als Teil des Muskelfleischs)
Ah, Pansen. Der Vormagen von Wiederkäuern. Für uns Menschen riecht er, sagen wir mal, gewöhnungsbedürftig. (Ich erinnere mich noch gut an das Gesicht meiner Frau, als ich das erste Mal grünen Pansen für unsere Hunde mit nach Hause brachte…). Aber für Hunde ist es eine Delikatesse! Grüner Pansen enthält vorverdaute Pflanzenfasern und wertvolle Enzyme, die super für die Darmflora sind. Ein starker Geruch ist hier ein Frischezeichen. Ich empfehle, 2-3 Mal pro Woche Pansen oder den feineren Blättermagen als Teil der Fleischration zu füttern.

5. Obst & Gemüse (ca. 20 % der Ration)
Die pflanzlichen Anteile liefern Ballaststoffe und Vitamine. Wichtig: Hunde können Pflanzenzellen nicht aufspalten. Du musst das Gemüse und Obst also immer pürieren, raspeln oder leicht andünsten. Sonst kommt es hinten wieder raus, wie es vorne reinkam. Gut geeignet sind Karotten, Zucchini, Brokkoli, Spinat, Äpfel (ohne Kerne!) oder Beeren. Giftig sind hingegen Zwiebeln, Weintrauben, Rosinen und Avocados. Eine kurze Google-Suche liefert dir da schnell eine komplette Liste.
6. Sinnvolle Zusätze
Bei einer guten BARF-Fütterung brauchst du nicht viel Schnickschnack. Unverzichtbar ist aber ein hochwertiges Öl für die Omega-3-Fettsäuren. Lachsöl ist hier der Klassiker, es sorgt für glänzendes Fell und wirkt entzündungshemmend. Ein Teelöffel pro 10 kg Körpergewicht ein paar Mal die Woche reicht völlig. Wenn du wenig oder keinen Fisch fütterst, ist etwas Seealgenmehl zur Jodversorgung sinnvoll. Aber bitte immer genau an die Dosierung halten! Das alles bekommst du im gut sortierten Tierfachhandel oder online.

Die praktische Umsetzung: So packst du’s an!
Die Theorie klingt vielleicht erstmal nach viel, aber in der Praxis wird das schnell zur Routine. Versprochen!
Was du wirklich brauchst
Du brauchst keine Profi-Ausstattung. Ein paar Dinge helfen aber ungemein:
- Ein paar gute Messer und ein stabiles Schneidebrett aus Kunststoff (das ist hygienischer als Holz).
- Eine digitale Küchenwaage. Unerlässlich, um die Portionen genau abzuwiegen.
- Ein Fleischwolf? Nicht zwingend! Kleiner Metzger-Trick: Frag deinen Metzger, ob er dir das Fleisch und die Innereien direkt durch den Wolf lassen kann. Das spart dir die Anschaffung und eine Menge Sauerei zu Hause.
- Gefrierdosen oder -beutel, um die Tagesportionen vorzubereiten und einzufrieren.
Einkauf, Kosten und Zeitaufwand
Die größte Hürde für viele ist der Anfang. Was kostet der Spaß und wie lange dauert das? Mal ein ehrliches Beispiel:
Für einen 15-kg-Hund brauchst du für die erste Woche ungefähr: 2 kg Muskelfleisch-Mix vom Rind (ca. 10–15 €), 500 g Hühnerhälse (ca. 2–3 €), 500 g grünen Pansen (ca. 3–5 €) und etwas püriertes Gemüse. Du landest also bei etwa 15–25 € pro Woche. Natürlich geht es günstiger mit Geflügel oder teurer mit Wild oder Pferd.

Und der Zeitaufwand? Rechne mit einer Stunde pro Woche, in der du das Futter für die nächsten 7–10 Tage vorbereitest, portionierst und einfrierst. Das tägliche Füttern dauert dann nur noch wenige Minuten: abends aus dem Gefrierfach holen, im Kühlschrank auftauen lassen, morgens in den Napf – fertig!
Ein Wochenplan als Beispiel (für einen 30-kg-Hund)
Damit du dir das besser vorstellen kannst, hier ein ganz konkreter Plan. Denk dran, das ist nur ein Beispiel zur Orientierung!
Die Tagesration beträgt hier ca. 600 g (2 % von 30 kg). Davon sind 480 g tierisch und 120 g pflanzlich.
- Montag: 300 g Rindermuskelfleisch, 90 g Kalbsbrustbein, 90 g Innereien-Mix, 120 g pürierter Karotten-Apfel-Mix + 1 TL Lachsöl.
- Dienstag: 480 g grüner Pansen (hier braucht es keine weiteren Zusätze), 120 g pürierter Zucchini-Spinat-Mix.
- Mittwoch: 300 g Hühnerfleisch, 180 g Hühnerhälse (ersetzen den Innereien- und Knochenanteil an diesem Tag), 120 g Beerenmix.
- …und so weiter. Du siehst das Prinzip: Abwechslung ist der Schlüssel!

Anfänger-Probleme? Kein Stress! (Erste Hilfe)
- Mein Hund hat Durchfall! Ganz normal am Anfang. Die Verdauung muss sich umstellen. Reduziere sofort den Fettgehalt, lass die Knochen erstmal weg und füttere nur mageres Fleisch wie Huhn oder Pute mit etwas Karottenpüree. Meistens ist es nach ein, zwei Tagen wieder gut.
- Mein Hund verweigert das Futter! Manche sind skeptisch. Brate das Fleisch ganz kurz scharf an, sodass es außen leicht gar ist, aber innen noch roh. Oder mische etwas Leberwurst oder Thunfischsaft unter. Das wirkt Wunder!
Selber mischen oder fertig kaufen?
Du musst nicht alles selbst machen. Es gibt heute tolle Anbieter, die fertige BARF-Komplettmenüs verkaufen. Das ist praktisch, gerade für den Anfang oder für den Urlaub. Auf Dauer ist es natürlich teurer als der Eigenbau. Viele machen auch eine Mischung: An stressigen Tagen gibt es ein Fertigmenü, am Wochenende wird frisch gemischt.
Für Fortgeschrittene: Das flüssige Gold aus dem Topf
Wenn du die Grundlagen draufhast, kannst du noch mehr Gutes tun. Mein absoluter Favorit ist selbstgemachte Knochenbrühe. Dafür nimmst du einfach 1 kg Gelenkknochen vom Rind oder Kalb, gibst sie in einen großen Topf, fügst 2 EL Apfelessig hinzu und bedeckst alles mit Wasser. Das Ganze lässt du dann auf niedrigster Stufe für 12 bis 24 Stunden köcheln. Die fertige Brühe ist ein nährstoffreiches Gelee, das Gelenke, Darm und Immunsystem unterstützt. Ein Löffel davon über dem Futter ist pures Gold!

Sicherheit und Verantwortung: Wann du einen Profi fragen solltest
BARFen bedeutet, du übernimmst die volle Verantwortung für die Ernährung deines Hundes. Das ist toll, erfordert aber Sorgfalt.
Hygiene ist das A und O. Behandle das rohe Fleisch wie in einer Profi-Küche: Hände waschen, separate Bretter benutzen, nach jeder Mahlzeit den Napf heiß ausspülen. Dein Hund ist durch seine Magensäure gut geschützt, aber du nicht.
Wichtig bei Fleischsorten: Schweinefleisch sollte wegen des (für Hunde tödlichen) Aujeszky-Virus niemals roh gefüttert werden. Bei Wildfleisch empfiehlt es sich, es vorher für mindestens zwei Wochen bei -18 °C durchzufrieren, um eventuelle Parasiten abzutöten.
Und wann zum Profi? Sprich vor der Umstellung mit deinem Tierarzt. Ein jährlicher Bluttest gibt dir Sicherheit. Wenn dein Hund chronisch krank ist oder du dir unsicher bist, hol dir Hilfe von einem zertifizierten Tierernährungsberater. Die können dir einen perfekten, individuellen Plan erstellen.
Meine letzten Gedanken aus der Metzgerei
Die Umstellung auf Rohfutter war eine der besten Entscheidungen für meine Hunde. Ihr Fell glänzt, der typische „Hundegeruch“ ist weg und die Zähne sind blitzsauber. Aber das Schönste ist ihre pure Lebensfreude beim Fressen. Sie kauen, schmatzen und genießen ihre Mahlzeit mit einer Kraft, die man bei Trockenfutter nie sieht.
Ja, BARF ist mehr Arbeit, als eine Tüte aufzureißen. Es braucht ein bisschen Planung und sauberes Arbeiten. Aber es ist eine Mühe, die sich tausendfach auszahlt. Es ist eine Form von Respekt und Liebe für das Tier an unserer Seite. Du weißt ganz genau, was im Napf landet: keine Füllstoffe, keine Chemie, sondern pures, ehrliches Futter. Und das, mein Freund, ist ein verdammt gutes Gefühl.


