Gastro-Möbel: Der ehrliche Werkstatt-Guide, der dich vor teuren Fehlern bewahrt

von Angela Schmidt
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Ich hab in meiner Laufbahn unzählige Restaurants, Bars und Cafés eingerichtet. Ich habe Läden aufblühen und andere sang- und klanglos untergehen sehen. Und ganz ehrlich? Oft lag der Unterschied nicht nur am Essen, sondern an diesem ungreifbaren Gefühl, das ein Raum ausstrahlt. Dieses Gefühl fängt bei der allersimpelsten Sache an: den Möbeln.

Ein Gast setzt sich. Das passiert unbewusst. Aber sein Körper registriert sofort: Ist der Stuhl stabil? Fühlt sich die Tischplatte gut an? Ist die Höhe angenehm? Das sind die ersten, entscheidenden Sekunden, die darüber mitbestimmen, ob er sich wohlfühlt, noch ein Dessert bestellt oder überhaupt jemals wiederkommt. Möbel sind keine Deko – sie sind das wichtigste Werkzeug für jeden Gastgeber. In diesem Guide packe ich aus, was wirklich zählt. Keine Werbe-Sprüche, sondern knallharte Fakten aus der Werkstatt.

Die Psychologie des Sitzens: Warum ein guter Stuhl den Umsatz steigert

Wer denkt, ein Stuhl muss nur schick aussehen, verbrennt Geld. So einfach ist das. Hinter einem guten Gastro-Stuhl steckt handfeste Ergonomie, und die hat direkten Einfluss auf deine Kasse.

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Wir Profis sprechen da von der „Verweildauer“. Ein Gast, dem nach 20 Minuten der Rücken zwickt, bestellt kein zweites Glas Wein mehr. Er will nur noch weg. Achte mal auf diese Maße, die sind Gold wert:

  • Sitzhöhe: Der Sweetspot liegt zwischen 45 und 48 cm. Das passt perfekt zu einer Standard-Tischhöhe von 74 bis 76 cm. So kommen die meisten Leute mit den Füßen flach auf den Boden, was die Oberschenkel entlastet.
  • Sitztiefe: Ideal sind 40 bis 45 cm. Ist der Sitz zu tief, drückt die Kante fies in die Kniekehlen. Ist er zu flach, fehlt die Auflage und es wird ungemütlich.
  • Rückenlehne: Der Winkel ist entscheidend! Für ein schnelles Café, wo die Leute nur kurz einen Espresso trinken, ist eine steilere Lehne (um die 95 Grad) okay. Aber in einem Restaurant, wo die Gäste einen ganzen Abend verbringen sollen, sind entspannte 103 bis 105 Grad viel besser. Das entlastet die Wirbelsäule und lädt zum Bleiben ein.

Kleiner Tipp aus der Praxis: Setz dich selbst auf jeden Stuhl, den du kaufen willst. Schließ die Augen. Wo spürst du Druck? Fühlt es sich nach fünf Minuten noch gut an? Das ist der ehrlichste Test, den es gibt.

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Material-Check: Was im harten Gastro-Alltag wirklich überlebt

Die Materialwahl ist pure Physik. Ein wunderschönes, aber empfindliches Material ist nach einem Jahr Schrott – und damit eine Fehlinvestition. Hier eine schonungslose Einschätzung.

Massivholz, wie Eiche oder Buche, ist der ungeschlagene Klassiker. Es ist extrem langlebig und, ganz wichtig, reparabel. Eine Delle in einer Eichenplatte? Kann man rausschleifen. Bei einem billigen Furniertisch ist das oft das Todesurteil. Buche ist unglaublich zäh und perfekt für Stuhlgestelle, Eiche mit ihrer markanten Maserung ideal für Tischplatten. Aber Achtung: Holz „arbeitet“ und reagiert auf Luftfeuchtigkeit. Ein guter Hersteller berücksichtigt das aber in der Konstruktion.

Eine super robuste und pflegeleichte Alternative, gerade für Bistros oder stark frequentierte Bereiche, sind HPL-Platten (High-Pressure Laminate). Das ist im Grunde das gleiche Zeug wie bei Küchenarbeitsplatten. Extrem kratzfest, hygienisch und in tausenden Designs verfügbar. Man kann eine Macke zwar nicht reparieren, aber es dauert verdammt lange, bis überhaupt eine reinkommt. Preislich liegen die Platten oft günstiger als Massivholz, was sie für Gründer sehr attraktiv macht.

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Bei den Polstern ist der sogenannte Martindale-Wert dein bester Freund. Der misst die Scheuerfestigkeit. Alles unter 30.000 Scheuertouren ist für die Gastronomie komplett ungeeignet. Ernsthaft, fass das nicht an. Für normale Beanspruchung solltest du mindestens 40.000 anpeilen, für stark genutzte Bänke oder Stühle lieber 50.000 oder mehr. Frag auch nach dem Schaumstoff! Billiger Schaum hat ein Raumgewicht (RG) von vielleicht 20-25 kg/m³ und sitzt sich in Monaten durch. Guter Kaltschaum für Sitzflächen sollte mindestens ein RG von 40 haben. Der kostet in der Anschaffung vielleicht 30% mehr, hält aber drei- bis viermal so lange. Das rechnet sich immer.

Die 3 teuersten Fehler, die fast jeder Gründer macht

Gerade am Anfang ist das Budget eng, das kenne ich. Aber an den falschen Ecken zu sparen, wird am Ende richtig, richtig teuer. Hier sind die drei Klassiker, die ich immer wieder sehe:

  1. An den Stühlen sparen und doppelt kaufen. Ich hatte mal einen Kunden, der hat im Internet super schicke Design-Stühle für 70 € pro Stück gefunden. Ein echtes Schnäppchen, dachte er. Nach acht Monaten wackelten die ersten Stuhlbeine, nach einem Jahr waren die Verbindungen so ausgenudelt, dass er alle 60 Stück austauschen musste. Am Ende hat er doppelt gezahlt. Ein solider Gastro-Stuhl, der was aushält, kostet selten unter 150 €, je nach Material und Ausführung eher 200-300 €.
  2. Die falsche Tischoberfläche wählen. Eine wunderschöne, geölte Eichenplatte fühlt sich toll an, keine Frage. Aber sie ist auch empfindlich. Weinflecken ziehen ein, die Pflege ist aufwendig. Für die meisten Gastronomen ist ein 2K-PUR-Lack (ein Zweikomponenten-Lack) die sicherste Bank. Der bildet eine knallharte, widerstandsfähige Schicht gegen Kratzer, Alkohol und Reinigungsmittel.
  3. Brandschutz-Zertifikate ignorieren. Das ist der absolute Super-GAU. Ich kannte einen Wirt, der musste seine komplette, nagelneue Bestuhlung wieder rausreißen, weil der Polsterschaum kein B1-Zertifikat für „schwer entflammbar“ hatte. Ein finanzielles Desaster, das durch eine einzige Frage beim Kauf vermeidbar gewesen wäre. Lass dir IMMER die Zertifikate schriftlich geben!
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Der Meister-Blick: So erkennst du Qualität auf den ersten Griff

Es gibt Details, die ein Laie übersieht, an denen ein Profi aber sofort die Qualität erkennt. Wenn du Möbel auswählst, sei ein Detektiv. Achte auf diese Dinge:

  • Die Verbindungen: Ein Stuhl ist nur so stark wie seine Verbindungen. Die traditionelle und stabilste Methode bei Holz ist „gezapft und verleimt“. Finger weg von Stühlen, die nur einfach verschraubt sind! Die Schrauben lockern sich durch die ständige Bewegung garantiert. Bei Metallgestellen schau dir die Schweißnähte an. Sind sie sauber und durchgehend? Eine nur punktgeschweißte Verbindung ist eine geplante Sollbruchstelle.
  • Der berühmte Rütteltest: Das ist mein Standardverfahren. Stell einen Stuhl auf einen ebenen Boden. Greif ihn diagonal (z. B. vorne links am Bein und hinten rechts an der Lehne) und versuch, ihn zu verwackeln. Er darf absolut kein Spiel haben. Null. Wenn da was nachgibt, lass ihn stehen.
  • Die Oberfläche: Fahr mal mit der Hand über eine Tischplatte. Fühlt sie sich glatt und versiegelt an? Bei Lackoberflächen sollten keine Staubeinschlüsse oder „Orangenhaut“ zu sehen sein. Das zeugt von sauberer Arbeit.

Probier’s doch gleich mal aus! Geh jetzt durch dein Lokal und mach bei fünf verschiedenen Stühlen den Rütteltest. Wackelt was? Dann weißt du, wo du als Nächstes investieren musst.

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Gebraucht kaufen: Schätze finden, ohne Schrott zu angeln

Gebrauchte Gastro-Möbel aus einer Geschäftsauflösung können ein Segen sein. Oft sind das hochwertige Stücke, die besser sind als jede billige Neuware. Aber du musst wissen, worauf du schaust. Hier ist meine persönliche Checkliste, die du direkt auf dem Handy mitnehmen kannst:

  • [ ] Der Rütteltest bei JEDEM Stuhl: Keine Kompromisse. Wackelt er, ist er raus (oder du planst direkt die Reparaturkosten ein).
  • [ ] Leimfugen checken: Schau dir die Verbindungen genau an. Siehst du offene Fugen oder Spalten, wo der Leim nachgegeben hat? Das ist ein schlechtes Zeichen.
  • [ ] Polster-Check: Fass mal unter den Sitz. Ist der Schaumstoff noch fest oder total durchgesessen? Rechne damit, dass du neu beziehen musst (kann sich aber lohnen). Ein Neubezug kostet je nach Stoff und Aufwand zwischen 60 € und 120 € pro Stuhl.
  • [ ] Geruchsprobe (kein Witz!): Riecht das Polster oder das Holz stark nach Rauch oder Fritteuse? Diesen Geruch kriegst du nur sehr schwer wieder raus.

Gut zu wissen: Manchmal kann ein lokaler Schreiner alte Schätze für wenig Geld wieder fit machen. Eine neue Verleimung und ein frischer Lack wirken Wunder und kosten nur einen Bruchteil des Neupreises.

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Sicherheit und Vorschriften: Der unsexy Teil, der dein Geschäft rettet

Okay, jetzt wird’s kurz trocken, aber dieser Teil ist überlebenswichtig. Fehler hier können dich nicht nur deinen Ruf, sondern auch dein Geld kosten.

Brandschutz ist nicht verhandelbar. In öffentlichen Räumen müssen Polsterstoffe und Schäume in der Regel als „schwer entflammbar“ (meist B1 nach DIN 4102-1) zertifiziert sein. Lass dir das schriftlich vom Hersteller bestätigen und hefte es ab. Wenn die Feuerwehr zur Kontrolle kommt, wollen die das sehen.

Achte auch auf die Standsicherheit, besonders bei Barhockern. Die brauchen einen schweren, breiten Fuß, damit sie nicht kippen, wenn sich ein Gast mal ungeschickt anlehnt. Und zum Thema Hygiene: Die Oberflächen müssen glatt, fugenlos und leicht zu reinigen sein, um die HACCP-Vorschriften zu erfüllen. Rissige Holzplatten oder abgenutzte Stoffe sind Keimfallen.

Am Ende des Tages ist das hier meine gesammelte Erfahrung aus der Werkstatt. Sie soll dir helfen, die richtigen Fragen zu stellen und kluge Entscheidungen zu treffen. Investiere lieber in weniger, aber dafür hochwertige Stücke. Qualität zahlt sich immer aus. Dann haben du und deine Gäste viele Jahre Freude an einer Einrichtung, die nicht nur gut aussieht, sondern sich auch so anfühlt.

Inspirationen und Ideen

Massivholz-Tischplatte: Bietet eine unschlagbare, warme Haptik und jede Platte ist ein Unikat. Kratzer lassen sich abschleifen, sie altert in Würde. Der Nachteil: Sie ist pflegeintensiv und empfindlich gegenüber Flüssigkeiten und Hitze.

HPL-Schichtstoffplatte (z.B. von Fundermax oder Werzalit): Die pragmatische Wahl. Extrem robust, kratzfest, hitzebeständig und absolut pflegeleicht. Ideal für hohe Frequenzen. Der Nachteil: Fühlt sich kühler an, und eine tiefe Beschädigung ist irreparabel.

Für ein schnelllebiges Café ist HPL oft die schlauere Wahl, während Massivholz im Fine-Dining-Restaurant seine Stärken ausspielt.

Wussten Sie, dass professionelle Gastro-Stühle oft nach der Norm DIN EN 16139 geprüft werden? Sie müssen dabei Belastungstests mit bis zu 160 kg standhalten und Zyklen überstehen, die einer Nutzung von 10 Jahren im öffentlichen Raum entsprechen. Ein normaler Esszimmerstuhl würde hier oft schon nach wenigen Monaten kapitulieren.

Hören Sie mal hin! Das Material Ihrer Möbel formt die Akustik Ihres Raumes. Stühle mit Metallbeinen auf einem harten Fliesenboden erzeugen ein lautes, kratziges Geräusch und eine kühle, bistroartige Atmosphäre. Holzmöbel, kombiniert mit Stoffpolstern oder Filzgleitern, schlucken den Schall und schaffen eine gedämpftere, intimere und ruhigere Umgebung. Denken Sie an den „Sound“ Ihres Konzepts – er ist genauso wichtig wie die Optik.

Warum sollte mich das Gewicht eines Stuhls überhaupt interessieren?

Weil Ihr Personal ihn täglich dutzende Male anheben muss – zum Wischen, Umstellen, Schließen. Ein schwerer Eichenstuhl wird schnell zur Qual und verlangsamt die Abläufe. Leichte, aber stabile Modelle, wie der klassische Tolix A-Stuhl aus Stahlblech oder moderne Varianten aus Polypropylen von Marken wie Pedrali, sind eine Wohltat für Ihr Team und ein oft übersehener Faktor für einen effizienten Betrieb.

Der gekonnte Stilbruch: Stühle wild zu mischen, kann schnell chaotisch wirken. Der Trick der Profis? Suchen Sie ein verbindendes Element. Das kann die gleiche Farbe bei unterschiedlichen Modellen sein, das gleiche Material (z.B. nur Holzstühle, aber in verschiedenen Formen von HAY bis Thonet) oder eine einheitliche Epoche. So entsteht ein lebendiger, kuratierter Look statt eines Flohmarkt-Durcheinanders.

Manchmal ist das Original unschlagbar. Der Tolix „Chaise A“, entworfen 1934 von Xavier Pauchard, ist ein Paradebeispiel für Gastro-taugliches Design.

  • Robust: Aus verzinktem Stahl gebaut, fast unzerstörbar.
  • Praktisch: Leicht, stapelbar und mit Löchern im Sitz für den Wasserablauf im Außenbereich.
  • Stilvoll: Der rohe Industrie-Look ist zeitlos und passt vom Hipster-Café bis zum Edel-Bistro.

Psychologische Studien zeigen, dass runde Tische die soziale Interaktion und das Gespräch fördern, da sich alle Anwesenden ansehen können.

Das macht sie ideal für kommunikative Ecken und Gruppenbereiche. Eckige Tische hingegen sind wahre Raumwunder. Sie lassen sich flexibel zu größeren Tafeln zusammenschieben und nutzen den Platz maximal aus. Für ein effizientes Layout sind sie oft unerlässlich. Die beste Strategie ist eine smarte Mischung aus beiden Formen, um unterschiedliche Zonen und Stimmungen im Raum zu schaffen.

  • W: Nur mit wasserbasierten Reinigungsmitteln säubern.
  • S: Nur mit lösungsmittelbasierten (chemischen) Reinigern behandeln.
  • W/S: Beides ist möglich – die flexibelste Option für den hektischen Gastro-Alltag.
  • X: Nur absaugen oder bürsten. Absolutes No-Go für ein Restaurant!

Bevor Sie sich in einen Polsterstoff verlieben: Prüfen Sie seinen Reinigungscode! Dieses kleine Kürzel auf dem Stoffmuster entscheidet darüber, ob ein Rotweinfleck eine Kleinigkeit oder eine Katastrophe ist.

Ein kleines Detail mit großer Wirkung: Lassen Sie Ihr Logo dezent in eine Ecke der Holztische lasern oder als Brandstempel einbrennen. Das kostet nicht die Welt, wirkt aber extrem hochwertig und individuell. Es ist eine unaufdringliche Erinnerung an Ihre Marke, die der Gast bei jedem Blick auf den Tisch unbewusst wahrnimmt.

  • Gruppen von 2 bis 10 Personen flexibel platzieren.
  • Den Raum für Events oder Stoßzeiten schnell umgestalten.
  • Eine gemütliche, nischenartige Atmosphäre schaffen.

Das Geheimnis? Modulare Sitzbänke. Anders als fest eingebaute Bänke lassen sich Systeme wie die von Objektaustattern wie GO IN oder May neu anordnen und anpassen. Eine Investition in Flexibilität, die sich bei jeder neuen Reservierungsanfrage auszahlt.

Angela Schmidt

Nach dem Abschluss meines Studiums für Journalismus an der Uni- München, arbeite ich freiberuflich für diverse Formate und Produktionen. Freshideen ist für mich ein gegenseitiges Langzeitprojekt, mit dem ich meinen Alltag viel schöner gestalte. Die Themen der Nachhaltigkeit und der Umwelt bewegen mich am meisten, aber auch die kreativen DIY Ideen finden Platz in meinem Herzen.