Kerzen selber machen wie ein Profi: Die ehrliche Anleitung für perfektes Ergebnis
Jedes Jahr das Gleiche: Sobald es draußen ungemütlich wird, fängt es in meiner Werkstatt an, nach Bienenwachs und einem Hauch von Fichtenharz zu duften. Das ist für mich der offizielle Startschuss für die gemütliche Jahreszeit. Ich liebe dieses Handwerk, es hat etwas unglaublich Beruhigendes und Ehrliches.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Erstmal die Einkaufsliste: Was brauchst du wirklich und was kostet der Spaß?
- 2 Das Material-Duell: Welches Wachs für welche Kerze?
- 3 Jetzt geht’s in die Werkstatt: Kerzen gießen Schritt für Schritt
- 4 Hilfe, meine Kerze zickt! Die häufigsten Probleme und ihre Lösung
- 5 Ein kleines Erfolgserlebnis für den Anfang?
- 6 Bildergalerie
Und anscheinend bin ich da nicht allein. Immer mehr Leute wollen ihre Kerzen selber machen. Finde ich super! Eine selbstgemachte Kerze ist nicht nur ein tolles Geschenk, sie schafft auch eine ganz besondere Atmosphäre. Aber, ganz ehrlich, was man da teilweise im Internet an Anleitungen findet … da stellen sich mir die Nackenhaare auf. Mit Wachsmalstiften färben? Klopapierrollen als Gießform? Das mag für einen schnellen Bastelnachmittag mit Kindern okay sein, aber mit solidem Handwerk hat das nichts zu tun. Eine wirklich gute Kerze brennt nämlich ruhig, rußt nicht und ist vor allem sicher.
Deshalb gibt’s jetzt mal Klartext. In dieser Anleitung zeige ich dir, wie es richtig geht – mit dem Wissen aus unzähligen Versuchen, Erfolgen und auch dem einen oder anderen Missgeschick. Wir reden über das richtige Material, die saubere Technik und die Sicherheitsregeln, bei denen es keine Kompromisse gibt. Am Ende hast du nicht nur eine schöne Kerze, sondern eine, auf die du richtig stolz sein kannst.

Erstmal die Einkaufsliste: Was brauchst du wirklich und was kostet der Spaß?
Bevor du loslegst, brauchst du natürlich das richtige Zeug. Und die gute Nachricht ist: Für den Anfang braucht man gar nicht so viel. Die größte Hürde ist oft die Frage: Wo kriege ich das alles her und was kostet es?
Die Minimal-Ausrüstung für deine allererste Kerze:
- Wachs: Paraffin oder Sojawachs sind super für den Einstieg. Rechne mal mit ca. 8-15 € pro Kilo.
- Dochte: Ein Päckchen gewachste Dochte mit Metallfuß kostet vielleicht 5-10 € und reicht ewig.
- Ein Schmelztopf: Eine saubere, leere Konservendose, die du in einen normalen Kochtopf mit Wasser stellst, ist perfekt und kostet nichts!
- Ein Küchenthermometer: Absolut unverzichtbar! Ein digitales Einstechthermometer bekommst du schon für unter 10 €.
- Eine Gießform: Ein altes, hitzebeständiges Glas (Marmeladenglas, alte Tasse) ist ideal für den Start.
- Dochthalter: Zwei Eisstiele oder Schaschlikspieße und ein Gummiband tun’s auch. Oder einfach eine Wäscheklammer.
Du siehst, mit einer Investition von vielleicht 20-30 € bist du schon voll dabei. Kaufen kannst du das alles in gut sortierten Bastel-Onlineshops. Such einfach mal nach „Kerzenzubehör“ oder „Wachs für Kerzen“, da findest du schnell seriöse Anbieter.

Das Material-Duell: Welches Wachs für welche Kerze?
Okay, ans Eingemachte. Wachs ist nicht gleich Wachs. Die Wahl entscheidet darüber, ob deine Kerze ein Prachtstück oder ein trauriger, tropfender Stumpen wird. Hier die wichtigsten Kandidaten im Überblick:
Für freistehende Kerzen (Stumpenkerzen, Figuren etc.): Hier brauchst du ein hartes Wachs, das die Form hält.
- Paraffin & Stearin-Mischung: Das ist der Klassiker und mein Tipp für Anfänger. Reines Paraffin ist das Standard-Industriewachs, günstig und brennt super sauber. Der Clou ist die Mischung! Gib etwa 10-20 % Stearin (ein pflanzliches oder tierisches Fett) dazu. Das macht die Kerze härter, sie brennt länger und – ganz wichtig – sie zieht sich beim Abkühlen zusammen. Dadurch löst sie sich später kinderleicht aus der Form.
- Bienenwachs: Das ist die Königsklasse. Riecht fantastisch, brennt extrem lange und hat eine wunderschöne, warme Farbe. Es ist aber auch deutlich teurer und braucht etwas dickere Dochte. Achte darauf, dass es gut gereinigt ist, sonst verstopfen kleine Partikel den Docht.
Für Kerzen im Glas oder Behälter: Hierfür eignen sich weichere Wachse, die gut am Glas haften.

- Sojawachs: Sehr beliebt und ideal für Duftkerzen, weil es Düfte extrem gut bindet. Es ist ein Naturprodukt und brennt sehr sauber. Die Herausforderung: Es neigt manchmal zu „Frosting“ (weiße Flecken) oder unschönen Oberflächen. Das ist aber nur ein optischer Makel und ein Zeichen für reines Sojawachs.
- Rapswachs: Eine tolle europäische Alternative zu Soja. Hat ähnliche Eigenschaften, ist aber oft etwas cremiger in der Optik. Auch hier gilt: Perfekt für Glaskerzen, aber nicht für freistehende Formen.
Die Seele der Kerze: Der Docht
Der Docht ist der Motor deiner Kerze. Ist er zu dünn, brennt die Kerze einen tiefen Tunnel und der Rand bleibt stehen. Ist er zu dick, bekommst du eine riesige, rußende Flamme, die alles vollschmiert. Die richtige Dicke hängt vom Durchmesser der Kerze und der Wachsart ab. Jeder Händler gibt dazu Empfehlungen – halte dich daran! Kleiner Tipp: Kauf für den Anfang gewachste Dochte mit einem kleinen Metallfuß. Die sind steifer und lassen sich viel einfacher gerade positionieren.

Jetzt geht’s in die Werkstatt: Kerzen gießen Schritt für Schritt
So, genug Theorie. Ran an die Töpfe! Aber bevor wir anfangen, das Allerwichtigste:
Achtung, Sicherheit geht vor!
Wir arbeiten hier mit heißem, brennbarem Fett. Das ist kein Witz. Deck deine Arbeitsfläche gut ab, am besten mit alten Zeitungen. Und der wichtigste Satz, den du dir merken musst: Lass schmelzendes Wachs NIEMALS allein auf dem Herd. Niemals. Und sollte doch mal was passieren: Einen Wachsbrand löscht man nie mit Wasser (das führt zu einer Fettexplosion!), sondern erstickt ihn mit einem Deckel.
Glaub mir, ich hab einmal kurz nicht aufgepasst und das Wachs wurde zu heiß. Die Sauerei auf der Arbeitsplatte wollte ich wochenlang nicht mehr sehen. Seitdem ist das Thermometer mein bester Freund.
Der Gießprozess am Beispiel einer Stumpenkerze
Nehmen wir an, wir gießen eine klassische Stumpenkerze in einer festen Form (z.B. aus Polycarbonat).
1. Vorbereitung ist alles: Führe den Docht durch das Loch am Boden der Form. Dichte das Loch von außen gut ab. Dafür gibt es spezielle Dichtmasse, aber ganz ehrlich, ein Stück Knetgummi oder ein Klebepad aus dem Haushalt tun es auch. Spanne den Docht oben mit deinem Dochthalter schön mittig und straff.

2. Wie viel Wachs brauche ich? Hier kommt ein super Trick: Fülle deine leere Form mit Wasser und wiege dieses Wasser. Nimm dieses Gewicht (in Gramm) mal 0,9 – das ist ungefähr die Menge Wachs, die du brauchst. Ein echter Game-Changer, oder?
3. Schmelzen im Wasserbad: Gib die berechnete Wachsmenge (z.B. 80% Paraffin, 20% Stearin) in dein Schmelzgefäß (die Konservendose) und erhitze es langsam im Wasserbad. Rühre ab und zu. Erhitze das Wachs auf ca. 80-85 °C. Das Thermometer ist hier dein Freund!
4. Farbe & Duft – die richtige Dosis: Nimm den Topf vom Herd. Wenn du Farbe nutzen willst, gib sie jetzt dazu. Weniger ist mehr! Fang mit einer Messerspitze an, das Zeug ist super ergiebig. Für Duftöl lässt du das Wachs etwas abkühlen (meist auf ca. 70-75 °C, steht oft auf der Flasche). Eine gute Faustregel sind 6-10 % Duftöl vom Wachsgewicht. Also: auf 100 g Wachs kommen 6-10 g Öl. Rühre langsam für zwei Minuten, damit sich alles gut verteilt und du keine Luftblasen einarbeitest.

5. Der erste Guss: Gieße das Wachs langsam und vorsichtig in die Form. Fülle sie bis ca. 1-2 cm unter den Rand. Es ist normal, dass sich beim Abkühlen in der Mitte ein tiefer Krater bildet. Das ist sogar ein gutes Zeichen, es zeigt, dass das Wachs richtig „arbeitet“.
6. Der Nachguss: Lass die Kerze ein paar Stunden abkühlen. Sobald die Oberfläche fest ist, der Kern aber noch weich, stichst du mit einem Holzspieß ein paar Mal nahe am Docht tiefe Löcher. So entweicht eingeschlossene Luft. Erwärme das restliche Wachs nochmal (ruhig wieder auf 85 °C) und fülle den Krater und die Löcher auf, bis die Oberfläche wieder schön glatt ist.
7. Geduld, junger Padawan: Jetzt heißt es warten. Lass die Kerze mindestens 24 Stunden bei Raumtemperatur komplett aushärten. Stell sie bloß nicht in den Kühlschrank, sonst kann sie Risse bekommen! Danach kannst du sie entformen und den Docht oben auf ca. 1 cm kürzen. Fertig!

Übrigens, ein kleiner Profi-Tipp: Lass deine Kerze, besonders Duftkerzen, noch ein paar Tage oder sogar eine Woche „reifen“, bevor du sie anzündest. Dann entfaltet sich das Aroma viel besser.
Hilfe, meine Kerze zickt! Die häufigsten Probleme und ihre Lösung
Nicht jeder erste Versuch wird perfekt. Das ist im Handwerk völlig normal. Hier die typischen Anfängerfehler:
- Problem: Die Kerze rußt wie ein alter Diesel.
Lösung: Der Docht ist zu dick oder die Kerze steht in Zugluft. Kürze den Docht auf 1 cm. Wenn das nichts hilft, brauchst du beim nächsten Mal eine Nummer dünner. - Problem: Sie brennt einen tiefen Tunnel in die Mitte.
Lösung: Der Docht ist zu dünn. Versuch’s mit dem „Memory-Effekt“: Lass die Kerze beim allerersten Anzünden so lange brennen, bis die gesamte Oberfläche flüssig ist. Das kann schon mal 3-4 Stunden dauern, aber es lohnt sich! - Problem: Die Oberfläche hat Risse oder komische Flecken.
Lösung: Wahrscheinlich ist sie zu schnell abgekühlt. Sorge für eine gleichmäßige Raumtemperatur ohne Zugluft. Bei Sojakerzen ist das oft einfach eine Eigenschaft des Wachses – nimm es als Zeichen von Natürlichkeit. - Problem: Überall sind Luftblasen!
Lösung: Du hast zu schnell gegossen oder beim Rühren zu viel Luft untergehoben. Sei beim nächsten Mal etwas sanfter. Ein leichtes Vorwärmen der Gießform kann auch helfen.
Und noch eine ganz klare Warnung: Bitte gib niemals brennbare Deko wie getrocknete Blumen, Gewürze oder Orangenscheiben direkt ins Wachs. Das sieht vielleicht hübsch aus, ist aber eine ernsthafte Brandgefahr. In eine Kerze gehört nur Wachs, Docht, Farbe und passendes Duftöl. Punkt.

Ein kleines Erfolgserlebnis für den Anfang?
Noch nicht bereit für die große Stumpenkerze? Kein Problem. Fang doch mal mit einem Teelicht in einer alten, schönen Tasse an. Das Prinzip ist genau dasselbe, du brauchst aber weniger Material, keine komplizierte Form und hast ein super schnelles Erfolgserlebnis. Perfekt, um ein Gefühl für das Wachs und die Temperaturen zu bekommen.
Eine Kerze von Hand zu machen, ist mehr als nur Bastelei. Es ist ein ehrliches Handwerk, das Geduld lehrt und uns mit einer uralten Tradition verbindet. Wenn du Fehler machst, super! Daraus lernst du am meisten. Und wenn dann an einem gemütlichen Abend eine Kerze brennt, die du mit deinen eigenen Händen geschaffen hast … dann ist das einfach ein unschlagbares Gefühl. Das warme, ehrliche Licht der eigenen Arbeit.
Bildergalerie


Hilfe, meine Kerze hat nach dem Abkühlen einen unschönen Krater in der Mitte!
Keine Sorge, das ist ein häufiges Phänomen, besonders bei Naturwachsen. Man nennt diesen Hohlraum „Lunker“. Er entsteht, weil sich das Wachs beim Erstarren zusammenzieht. Profis beheben das mit einem zweiten Guss: Halten Sie einen kleinen Rest des flüssigen Wachses zurück. Nachdem die Kerze größtenteils fest geworden ist (nach ca. 1-2 Stunden), stechen Sie mit einem Schaschlikspieß einige Löcher um den Docht herum, um Lufteinschlüsse zu lösen. Gießen Sie dann den Rest des erwärmten Wachses vorsichtig nach, bis die Oberfläche wieder glatt ist. Perfektion liegt im Detail!

Wussten Sie, dass über 95% der Kerzen im Mittelalter aus tierischem Talg hergestellt wurden? Sie rußten stark und verbreiteten einen unangenehmen Geruch. Eine Bienenwachskerze war damals ein seltener Luxus, der nur dem Adel und der Kirche vorbehalten war.
Diese historische Perspektive lässt uns die heutigen, hochwertigen Materialien wie Soja- oder Rapswachs umso mehr schätzen. Wir können mit sauberen, angenehm duftenden Rohstoffen arbeiten, die einst Königen vorbehalten waren – ein schöner Gedanke bei der nächsten selbstgemachten Kerze.

Paraffinwachs: Der Klassiker. Ein Nebenprodukt der Erdölverarbeitung, das Farben brillant leuchten lässt und Düfte sehr intensiv wiedergibt. Ideal für kräftige, farbenfrohe Kerzenprojekte und stark duftende Kreationen.
Sojawachs: Die natürliche Alternative. Ein pflanzliches Wachs, das aus dem Öl von Sojabohnen gewonnen wird. Es brennt langsamer und rußärmer. Die Optik ist eher cremig-matt und der Duft entfaltet sich etwas subtiler. Perfekt für einen natürlichen Look und eine vegane Lebensweise.

Der Zauber einer Duftkerze entsteht erst durch die richtige Technik. Der häufigste Fehler ist, ätherische Öle oder spezielle Duftöle (z.B. von CandleCraft) ins zu heiße Wachs zu geben, wodurch der Duft einfach verfliegt. Die ideale Temperatur, um den Duft beizumischen, liegt zwischen 75 und 85 °C. Rühren Sie das Öl langsam und gründlich für etwa zwei Minuten ein, bevor Sie das Wachs in die Form gießen. So binden sich die Duftmoleküle optimal an das Wachs und werden erst beim Abbrennen wieder freigesetzt.

- Eine ruhige, gleichmäßige Flamme ohne wildes Flackern.
- Kein unschöner, schwarzer Ruß, der sich am Glasrand absetzt.
- Die Kerze brennt bis zum Boden fast vollständig ab, ohne einen dicken Wachsrand stehen zu lassen.
Das Geheimnis? Der perfekt gewählte Docht. Ein zu dicker Docht führt zu einer riesigen Flamme und Ruß, ein zu dünner „ertrinkt“ im Wachs. Die Dochtstärke muss immer exakt zum Durchmesser des Kerzengefäßes und zur Wachsart passen – hier lohnt sich das genaue Lesen der Herstellerangaben!

Statt Wachsmalstiften, die den Docht verstopfen können, zu verwenden, greifen Profis zu speziellen Wachsfarben. Das sorgt nicht nur für ein sicheres Abbrennen, sondern auch für ein professionelles Ergebnis.
- Wachs-Farbpastillen: Hochkonzentriert und einfach zu dosieren. Schon eine kleine Menge färbt eine große Menge Wachs intensiv.
- Flüssige Kerzenfarben: Ideal, um individuelle Farbtöne zu mischen. Einfach ins flüssige Wachs tropfen und verrühren.

Ein entscheidender Moment: Der allererste Abbrand ist der wichtigste im Leben einer Kerze! Lassen Sie die Kerze beim ersten Anzünden so lange brennen, bis die gesamte Oberfläche bis zum Rand flüssig geworden ist. Das Wachs hat eine Art „Gedächtnis“. Wird dieser „Memory Pool“ nicht vollständig ausgebildet, brennt die Kerze bei den folgenden Malen nur noch in diesem engeren Tunnel weiter nach unten. Das verschwendet nicht nur Wachs, sondern verkürzt auch die Lebensdauer Ihrer Kreation drastisch.

Laut einer Studie des European Candle Journal kann eine falsch gewählte Dochtgröße die Brenndauer einer Kerze um bis zu 40% reduzieren und die Rußemissionen um mehr als 50% erhöhen.
Upcycling ist eine tolle Idee, aber es muss stilvoll sein. Statt alter Klopapierrollen, die oft unsaubere Ränder hinterlassen, können Sie leere Verpackungen von hochwertigen Produkten als Gießform nutzen. Ein leerer, runder Karton von edlen Spirituosen wie einem Single Malt Whisky oder einer zylindrischen Teedose aus Pappe (innen mit Backpapier auskleiden!) ergibt eine perfekt geformte Stumpenkerze mit einer glatten Oberfläche, die sofort einen wertigen Eindruck macht.




