Kopfsache Handwerk: Wenn der Hammer zur Last wird – Dein Werkzeugkasten für mentale Stärke

von Julia Steinhoff
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Ich erinnere mich noch gut an einen Dienstagnachmittag vor einiger Zeit. Es war das pure Chaos. Ein Großauftrag drohte zu platzen, weil ein Lieferant Murks geliefert hatte. Parallel dazu rief ein ungeduldiger Privatkunde zum gefühlt zehnten Mal an. Mein bester Geselle hatte sich krankgemeldet und der Azubi hatte gerade eine sündhaft teure Maschine fast geschrottet. Ich stand da, mitten in der Werkstatt, der Lärm der Kreissäge im Ohr, der Geruch von Leim in der Nase, und spürte diesen fiesen Druck auf der Brust. In dem Moment dachte ich nur: Das packst du nicht mehr.

Dieser Moment war ein echter Weckruf für mich. Ganz ehrlich, ich bin Schreinermeister, kein Psychologe. Aber in all den Jahren habe ich eines gelernt: Unser wichtigstes Werkzeug ist nicht die Oberfräse oder der Akkuschrauber, sondern unser Kopf. Und wenn der streikt, kannst du die beste Ausrüstung der Welt haben – es nützt dir gar nichts.

Wir im Handwerk sind es gewohnt, die Ärmel hochzukrempeln und zu machen, nicht zu quatschen. Aber der ständige Druck, die körperliche Schufterei, die Verantwortung für Termine, Qualität und die Jungs und Mädels im Team… das alles geht nicht spurlos an einem vorbei. Das ist kein Gejammer, sondern eine Tatsache. Deshalb will ich hier mal ein paar Dinge aus der Praxis teilen. Nichts aus dem Lehrbuch, sondern direkt vom Späneboden. Es geht darum, die Warnsignale zu erkennen und sich einen soliden Werkzeugkasten für die Birne zuzulegen.

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Was ist Stress eigentlich? Mehr als nur „viel um die Ohren“

Wir schmeißen ja ständig mit dem Wort „Stress“ um uns. Aber was ist das überhaupt? Stell dir deinen Körper wie einen alten, zuverlässigen Dieselmotor vor. Wenn Gefahr droht – sagen wir, ein schweres Bauteil droht von der Werkbank zu kippen – schüttet der Körper Adrenalin und Cortisol aus. Der Motor springt sofort an, gibt Vollgas. Puls hoch, Muskeln angespannt. Das ist super, denn so reagieren wir blitzschnell und fangen das Ding auf. Das ist positiver Stress, der uns kurzfristig leistungsfähig macht.

Das Problem fängt an, wenn der Motor einfach nicht mehr in den Leerlauf schaltet. Der Kunde nörgelt, das Finanzamt schickt Post, das Material ist immer noch nicht da – und der Motor läuft und läuft auf Hochtouren. Dauerhafter Alarmzustand. Das ist negativer Stress, der uns auslaugt. Es ist wie bei einer Maschine, die du pausenlos am Limit fährst. Irgendwann ist ein Lager hinüber. Bei uns Menschen sind das dann oft Rückenschmerzen (kommt nicht immer nur vom Heben!), Kopfweh oder Magenprobleme. Der Nacken ist übrigens oft das erste, was sich meldet.

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Ach ja, und der Gesetzgeber hat das auch auf dem Schirm. Laut Arbeitsschutzgesetz ist jeder Betrieb verpflichtet, eine „Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung“ durchzuführen. Klingt furchtbar bürokratisch, ich weiß. Aber keine Panik! Das ist im Grunde nur eine Checkliste, die dich zwingt, mal ehrlich hinzuschauen: Was genau macht uns hier eigentlich fertig? Vorlagen dafür gibt’s zum Beispiel super easy und kostenlos bei der BG Bau. Das kannst du ganz unkompliziert im Team machen, einfach mal in der Frühstückspause die Punkte durchgehen. Das ist keine Therapiestunde, sondern professionelle Werkstatt-Optimierung.

Die üblichen Verdächtigen: Wo der Druck im Handwerk herkommt

Um ein Problem zu lösen, muss man es erstmal kennen. Ich hab über die Jahre gelernt, die Stressquellen genau zu beobachten. Meistens sind es dieselben paar Dinge.

1. Die Arbeitsorganisation

Ganz ehrlich, hier liegt oft der Hund begraben. Ständige Unterbrechungen sind pures Gift. Das Telefon klingelt, ein Vertreter schneit rein, der Kunde will „nur mal ganz kurz“ was… und zack, bist du wieder raus aus dem Flow. Dazu kommen oft unrealistische Zeitpläne, die einem von außen aufgedrückt werden. Du weißt vom ersten Tag an, dass es verdammt eng wird. Und nach Feierabend wartet dann noch der Papierkram – Angebote, Rechnungen, Bestellungen. Eine unsichtbare zweite Schicht.

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2. Die Arbeitsumgebung

Unsere Arbeitsplätze sind oft rau. Der Lärm von Maschinen ist nicht nur schlecht für die Ohren, er ist ein permanenter Stressfaktor. Staub, Hitze im Sommer, Kälte im Winter, mieses Licht… klar, man gewöhnt sich dran. Aber unser Nervensystem vergisst das nicht. Es muss diese Störfaktoren ständig ausgleichen, und das kostet Kraft. Übrigens: Ein guter Lärmschutzkopfhörer mit Radio oder Bluetooth-Funktion kostet vielleicht zwischen 40 € und 80 €, ist aber eine der besten Investitionen in deinen Seelenfrieden.

3. Die sozialen Faktoren

Menschen können Segen und Fluch zugleich sein. Ein unzuverlässiger Kollege, ein Azubi, der einfach nicht mitdenkt, oder der Druck als Chef, für alles den Kopf hinhalten zu müssen. Die Verantwortung für die Arbeitsplätze wiegt manchmal verdammt schwer. Und dann die Kunden. 99 % sind super, aber der eine, der ständig reklamiert und ewig nicht zahlt, kann dir wochenlang den Schlaf rauben.

4. Die Arbeit an sich

Monotone, stupide Arbeiten können einen genauso zermürben wie hochkomplexe Aufgaben, bei denen die Angst mitschwingt, einen teuren Fehler zu machen. Ein falscher Schnitt in eine edle Eichenplatte und schon sind mehrere hundert Euro im Eimer. Und natürlich die körperliche Belastung. Wer den ganzen Tag buckelt, ist abends nicht nur körperlich, sondern auch mental platt.

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Unterschiedliche Rollen, unterschiedlicher Druck

Der Stress im Handwerk ist nicht für jeden gleich. Ich hab’s ja selbst alles durchgemacht und weiß, jede Stufe hat ihre eigenen Tücken.

  • Der Azubi: Alles ist neu, die Angst vor Fehlern ist riesig. Er muss sich ins Team einfügen, den oft rauen Ton verstehen und nebenbei noch für die Berufsschule büffeln. Eine gewaltige Umstellung.
  • Der Geselle: Steht oft zwischen den Stühlen. Er muss die Erwartungen vom Chef erfüllen, schnell und sauber arbeiten, vielleicht schon den Azubi anleiten und will sich beweisen. Der Leistungsdruck ist enorm.
  • Der Meister: Seine Belastung ist am breitesten. Unternehmerisches Risiko, Kundenkontakt, Mitarbeiterführung, Organisation… Viele Meister sind die Ersten, die kommen, und die Letzten, die gehen. Die Sorgen des Betriebs nimmst du mit ins Bett.

Mein persönlicher Werkzeugkasten gegen den Stress

So, genug geredet. Wir sind Macher. Was also tun? Hier sind ein paar Methoden, die sich bei mir im Betrieb bewährt haben. Keine Wundermittel, sondern solides Handwerk für die Seele.

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1. Struktur ist King

Mein alter Lehrmeister hat immer gesagt: „Ein aufgeräumter Arbeitsplatz ist ein aufgeräumter Kopf.“ Und er hatte so recht. Wenn du nicht ständig nach dem 13er-Schlüssel suchen musst, spart das Zeit und vor allem Nerven. Ein fester Platz für alles! Das Gleiche gilt für den Tag. Wir starten jeden Morgen mit einer 10-Minuten-Besprechung. Was steht an? Wer macht was? Das verhindert stundenlanges Chaos. An der Wand hängt bei uns ein simples Whiteboard als Wochenplaner. Hat drei Spalten: „Projekt“, „Zuständig“ und „Status“ (z.B. in Arbeit / wartet auf Material / fertig). Kostet fast nichts und bringt unfassbar viel Übersicht.

Kleiner Tipp für einen Sofort-Erfolg: Nimm dir JETZT 5 Minuten Zeit. Nur 5! Und räume EINE einzige Schublade in deinem Werkstattwagen auf. Nur die eine. Fühlt sich gut an, oder?

2. Klartext reden

Missverständnisse sind eine riesige Stressquelle. Darum: Kommunikation! Mit dem Kunden heißt das: Schriftliche Angebote, in denen alles genau drinsteht. Mit den Mitarbeitern: Klare Anweisungen. Und ganz wichtig: Auch mal loben! Ein ehrliches „Top, gut gemacht!“ kostet nichts und bewirkt Wunder. Kritik? Immer unter vier Augen, nie vor der versammelten Mannschaft.

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3. Pausen ernst nehmen

Die Pausen sind heilig. Und eine Pause ist mehr als nur schnell ein Brötchen reinschieben. Das heißt: Handy weg. Raus aus der Werkstatt, fünf Minuten frische Luft schnappen. Probier mal die „5-Minuten-Regel“: Setz dich hin und schau einfach nur 5 Minuten aus dem Fenster. Kein Handy, kein Fachgespräch. Klingt albern, aber es resetet das Gehirn erstaunlich gut.

4. Den Feierabend verteidigen

Das war für mich das Schwierigste. Als Selbstständiger neigst du dazu, endlos zu arbeiten. Aber du brauchst Erholung. Zieh eine klare Grenze. Wenn das Werkstatttor zu ist, ist Feierabend. Punkt. Such dir einen Ausgleich, ein Hobby, das nichts mit der Arbeit zu tun hat. Nur so lädst du die Akkus wieder auf.

5. Verantwortung abgeben (Delegieren lernen)

Ganz ehrlich, das war für mich der größte Brocken. Als Meister will man alles kontrollieren. Ich hab jahrelang die Angebote abends selbst geschrieben, bis ich fast umgekippt bin. Dann hab ich meinem besten Gesellen gezeigt, wie’s geht. Die ersten drei Angebote waren ziemlicher Murks, aber danach hatte er’s drauf und ich hatte plötzlich meine Abende wieder. Seinen Leuten zu vertrauen, entlastet nicht nur dich, es motiviert auch dein Team enorm.

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Achtung: Wann der Profi ranmuss (und das ist nicht der Meister)

Hier muss ich eine ganz klare Linie ziehen. Ich bin Handwerker, kein Arzt. Meine Tipps sind für den Alltagsstress. Aber manchmal reicht das nicht. Psychische Belastung kann zu einer ernsten Erkrankung wie einer Depression werden.

Wenn du über Wochen hinweg mehrere der folgenden Anzeichen bei dir oder einem Kollegen bemerkst, ist es Zeit für professionelle Hilfe. Sieh es als Checkliste:

  • Dauerhafte Schlafprobleme: Du kommst nicht zur Ruhe, wachst nachts auf oder bist morgens wie gerädert.
  • Gefühlschaos: Eine ständige innere Leere, Hoffnungslosigkeit oder du bist nur noch traurig.
  • Interesse verloren: Hobbys und Dinge, die dir früher Spaß gemacht haben, sind dir plötzlich egal.
  • Kurze Zündschnur: Du rastest wegen Kleinigkeiten aus und bist ständig gereizt.
  • Körper spielt verrückt: Du hast Schwindel, Herzrasen oder andere Beschwerden, für die der Arzt keine Ursache findet.
  • Dunkle Gedanken: Du denkst daran, dass alles keinen Sinn mehr hat oder dir etwas anzutun.

Wenn hier was klingelt, ist der erste Ansprechpartner dein Hausarzt. Der ist kein Seelenklempner, aber er ist die erste Anlaufstelle und kann dich an die richtigen Leute überweisen. Sich hier Hilfe zu suchen, ist kein Zeichen von Schwäche. Es ist so, als würdest du mit einem komplizierten Bruch ins Krankenhaus gehen. Das versuchst du ja auch nicht selbst zu schienen.

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Wie spreche ich einen Kollegen an, dem es schlecht geht?

Das ist verdammt schwierig, aber wichtig. Du willst helfen, aber nicht auf die Nerven gehen. Aus meiner Erfahrung funktioniert ein direkter, aber unaufdringlicher Weg am besten.

Was du sagen kannst (unter vier Augen):

  • „Hey, mir ist aufgefallen, dass du in letzter Zeit nicht so gut drauf bist. Ist alles okay bei dir?“
  • „Du wirkst ziemlich gestresst. Wenn du mal quatschen willst, sag Bescheid.“
  • „Ich mach mir ein bisschen Sorgen um dich. Brauchst du irgendwie Unterstützung?“

Was du unbedingt vermeiden solltest:

  • „Reiß dich mal zusammen!“
  • „Anderen geht’s noch schlechter.“
  • „Lach doch mal wieder.“
  • Ungefragte Ratschläge geben.

Oft hilft es schon, einfach nur zuzuhören, ohne zu werten. Zeig dem anderen, dass er nicht allein ist.

Mein Notfall-Werkzeugkasten: Wichtige Nummern & Adressen

Für den Fall der Fälle, hier ein paar wichtige Anlaufstellen, die du dir abspeichern solltest:

  • Dein Hausarzt: Immer die erste Anlaufstelle für eine professionelle Einschätzung.
  • Telefonseelsorge: Erreichbar rund um die Uhr, anonym und kostenlos unter 0800 / 111 0 111 oder 0800 / 111 0 222.
  • Berufsgenossenschaft & Krankenkasse: Die haben oft eigene Beratungsangebote und Programme. Ein Blick auf die Webseite (z.B. der BG Bau) lohnt sich.
  • Handwerkskammer: Viele Kammern bieten ebenfalls psychologische Beratungen für ihre Mitglieder an. Einfach mal nachfragen!

Unsere mentale Gesundheit ist unser wichtigstes Kapital. Eine gut gewartete Maschine hält ewig. Ein gut gepflegter Kopf auch. Es gehört zu unserer Professionalität, nicht nur auf unser Werkzeug, sondern auch auf uns und unsere Kollegen aufzupassen. Denn am Ende des Tages sind wir Handwerker – mit geschickten Händen und einem klaren Kopf. Pass auf dich auf.

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Mitten im Chaos und keine Minute Zeit für eine Pause?

Wenn der Druck akut wird, probier den „Werkbank-Reset“. Es dauert weniger als eine Minute: Lehn dich kurz gegen deine Werkbank, schließe die Augen und atme tief durch die Nase ein, zähle dabei langsam bis vier. Halte die Luft an und zähle bis sieben. Atme dann geräuschvoll durch den Mund aus, während du bis acht zählst. Wiederhole das dreimal. Das ist kein Hokuspokus – diese Technik, bekannt als 4-7-8-Atmung, zwingt dein Nervensystem buchstäblich dazu, vom Alarm- in den Ruhemodus zu schalten. Der Puls sinkt, der Kopf wird klarer für den nächsten, präzisen Handgriff.

Julia Steinhoff

Meine Interessen für Design haben im großen Teil meine berufliche Laufbahn bestimmt. Zuerst habe ich einen Hochschulabschluss in Journalistik (BJO) an der Universität Hannover erworben, wo ich anschließend ein Magisterstudium in Fernsehjournalismus und Dokumentarfilm (MTV) gemacht habe. Gleich nach diesem Studium habe ich meine Arbeitskarriere als Journalistin bei verschiedenen Medien begonnen. Im Jahr 2017 habe ich ein interessantes Arbeitsangebot von Freshideen.com erhalten und es sofort angenommen. So hat meine Karriere bei Freshideen begonnen. Als Online-Autorin schreibe ich seit Jahren spannende Artikel über Innendesign, Outdoor-Gestaltung, Dekoration, Mode und Lifestyle. Genau in diesen Themenbereichen liegen auch meine beruflichen Interessen. Ich bemühe mich ständig darum, unsere Leser/innen über die Neuigkeiten und die letzten Trends im Interieur und Exterieur zu informieren und sie zu neuen kreativen Projekten zu motivieren. In meiner Freizeit gehe ich gern schwimmen, jogge oder spiele Tennis. Natürlich finde ich auch Zeit für Bücher lesen und fernsehen.