Funktionsjacken: Warum du im Regen trotzdem schwitzt – und was wirklich hilft
Ganz ehrlich? In meiner Werkstatt habe ich über die Jahre unzählige Jacken, Hosen und Zelte auf dem Tisch gehabt. Ich habe Stoffe kommen und gehen sehen, und fast jeder Hersteller verspricht alle paar Saisons die nächste große Revolution. Meistens ist es aber nur eine kleine Verbesserung, die in riesige Marketing-Worte verpackt wird. Als also vor einer Weile diese „Futurelight“-Technologie aufkam, war ich, wie immer, erstmal skeptisch. Ein neuer Wunderstoff, der alles besser können soll? Klar doch, die Story kenne ich schon.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Das Problem: Warum wir nass werden, obwohl die Jacke „dicht“ ist
- 2 Der neue Weg: Eine Membran, die von Anfang an atmet
- 3 Mehr als nur die Membran: Worauf es bei einer guten Jacke ankommt
- 4 Pflege ist alles: So ruinierst du deine 500-Euro-Jacke nicht
- 5 Wo sind die Grenzen? Eine ehrliche Einschätzung
- 6 Für wen lohnt sich das also?
Aber dieses Mal war irgendwas anders. Der Ansatz dahinter, das sogenannte Nanospinning, ist eben nicht nur eine Weiterentwicklung. Es ist ein Versuch, das Kernproblem von Funktionskleidung von Grund auf neu zu denken. Und dieses Problem ist so alt wie die erste Regenjacke: Wie zum Teufel bleibe ich von außen trocken, ohne von innen im eigenen Saft zu garen?
Genau diese Frage entscheidet am Berg über einen super Tag oder einen, den man nur noch verflucht. Im schlimmsten Fall geht es sogar um die Sicherheit. Deshalb habe ich mir das Zeug mal ganz genau angesehen – nicht die Hochglanz-Broschüren, sondern den Stoff selbst. Hier sind meine ehrlichen Erkenntnisse direkt vom Werktisch.

Das Problem: Warum wir nass werden, obwohl die Jacke „dicht“ ist
Um zu kapieren, was hier anders läuft, müssen wir kurz zurückspulen. Jeder kennt das doch: Man wandert bei kühlem Wetter los, der Berg wird steiler, man fängt an zu schwitzen. Zuerst wird’s nur ein bisschen klamm. Sobald man aber eine Pause macht, wird es schlagartig eiskalt. Das ist nicht nur unangenehm, das kann gefährlich werden. Nasse Kleidung leitet die Körperwärme nämlich bis zu 25-mal schneller vom Körper weg als trockene. Das Risiko für eine Unterkühlung steigt dramatisch.
Eine gute Funktionsmembran soll genau das verhindern. Sie hat zwei simple Aufgaben:
- Wasserdicht sein: Regen und Schnee müssen draußen bleiben.
- Atmungsaktiv sein: Schweiß in Form von Wasserdampf muss raus können.
Das klappt, weil ein Wasserdampfmolekül winzig ist, während ein Wassertropfen aus Tausenden von Molekülen besteht, die aneinanderkleben – er ist im Vergleich riesig. Die Poren der Membran sind also groß genug für den Dampf, aber zu klein für den Tropfen. Soweit die Theorie.

Der klassische Ansatz: Warten, bis der Motor anspringt
Der langjährige Standard auf dem Markt basiert meist auf einer hauchdünnen Kunststofffolie (oft aus ePTFE), die so gedehnt wird, dass Milliarden winziger Poren entstehen. Das funktioniert, hat aber einen Haken: Die Poren würden durch Körperfette, Sonnencreme und Schmutz schnell verstopfen. Um das zu verhindern, wird die Membran von innen mit einer ultradünnen Schutzschicht aus Polyurethan (PU) versiegelt. Diese Schicht hat aber keine Poren mehr, sie ist nicht luftdurchlässig.
Wie kommt der Schweiß da also durch? Durch einen chemischen Prozess. Die PU-Schicht nimmt die Feuchtigkeit auf der einen Seite auf und gibt sie auf der anderen wieder ab. Das funktioniert aber erst richtig, wenn sich innen ein feuchtwarmes Klima aufgebaut hat – du musst also schon ordentlich schwitzen, damit dieser „Motor“ überhaupt anspringt.
Der neue Weg: Eine Membran, die von Anfang an atmet
Und genau hier setzt die Nanospinning-Technologie an. Statt eine dichte Folie zu nehmen und Poren reinzumachen, geht man den umgekehrten Weg. Man kann es sich so vorstellen: Flüssiges Polyurethan wird durch tausende winzige Düsen auf ein Trägermaterial gesprüht. Dort bildet es eine Struktur wie ein extrem feines Spinnennetz. Es ist keine geschlossene Folie mehr, sondern ein Vlies aus Nanofasern.

Der alles entscheidende Unterschied ist die Luftdurchlässigkeit. Weil es keine geschlossene Schicht gibt, kann Luft tatsächlich durch die Membran zirkulieren. Schweiß muss nicht erst kompliziert diffundieren, er kann als feuchte Luft direkt entweichen. Der Motor der Atmungsaktivität läuft also von der ersten Sekunde an, nicht erst, wenn du schon nass bist.
Kleiner Test, den du selbst machen kannst: Schnapp dir deine alte Regenjacke, halt den Ärmel fest an den Mund und versuch mal durchzuatmen. Da geht fast nichts, oder? Bei einem Stück Futurelight-Stoff spürt man einen leichten Luftzug. DAS ist der Unterschied, den man in der Praxis sofort fühlt.
Mehr als nur die Membran: Worauf es bei einer guten Jacke ankommt
Die beste Membran bringt natürlich nichts, wenn der Rest der Jacke Murks ist. Als Handwerker achte ich hier auf ganz bestimmte Details.
Das Laminat: 3, 2.5 oder 2 Lagen – was ist das Beste für dich?
Die hauchdünne Membran wird immer mit anderen Stoffen zu einem „Laminat“ verklebt. Je nach Einsatzzweck gibt es verschiedene Bauweisen:

- 3-Lagen-Laminat: Das ist die Königsklasse. Robust, langlebig und für den harten Einsatz gemacht. Die Membran liegt geschützt zwischen einem widerstandsfähigen Außenstoff und einem fest verbundenen Innenfutter. Das ist der Standard für teure Alpin- und Tourenjacken, die auch mal Felskontakt aushalten müssen. Rechne hier mal mit Preisen von 500 € bis über 750 €.
- 2.5-Lagen-Laminat: Hier spart man sich das Innenfutter. Stattdessen wird eine dünne Schutzschicht direkt auf die Membran gedruckt. Das macht die Jacke leichter und kleiner im Packmaß – ideal als Notfall-Regenjacke im Rucksack. Der Nachteil: Sie ist von innen nicht so robust und fühlt sich manchmal etwas klebrig auf der Haut an.
- 2-Lagen-Laminat: Hier wird die Membran nur mit dem Außenstoff verbunden. Innen hängt ein separates Futter aus Netz oder Stoff lose in der Jacke. Diese Bauweise ist oft etwas günstiger, aber auch schwerer und voluminöser. Man findet sie häufig bei Alltags- oder Pisten-Skijacken.
Nähte und Reißverschlüsse: Die üblichen Verdächtigen
Jede Naht bedeutet tausende kleiner Nadellöcher. Deshalb müssen alle Nähte von innen mit einem speziellen Dichtungsband (Tape) versiegelt werden. Die Qualität dieser Verklebung ist absolut entscheidend für die Langlebigkeit einer Jacke. Auch Reißverschlüsse sind potenzielle Schwachstellen und müssen entweder wasserabweisend beschichtet oder durch eine Sturmleiste abgedeckt sein.

Pflege ist alles: So ruinierst du deine 500-Euro-Jacke nicht
Eine teure Jacke ist eine Investition. Und ich sehe in der Werkstatt leider viel zu oft, wie diese Investitionen durch falsche Pflege zunichtegemacht werden. Letztens kam ein Kunde mit einer fast neuen Jacke, bei der sich innen die Nahtbänder lösten. Sein Fehler? Er hatte sie mit Weichspüler gewaschen. Das tut bei einer 600-Euro-Jacke einfach nur in der Seele weh.
Das Wichtigste zuerst: Was du außen auf deiner Jacke siehst, ist NICHT die wasserdichte Schicht. Das ist nur eine Imprägnierung (DWR), die Wasser abperlen lässt. Wenn die nachlässt, saugt sich der Oberstoff voll. Die Jacke ist dann zwar noch dicht, fühlt sich aber nass und kalt an und die Atmungsaktivität bricht komplett zusammen.
Mein Praxistipp in drei einfachen Schritten:
- Waschen, waschen, waschen! Schmutz, Schweiß und Öle zerstören die Imprägnierung. Nutze unbedingt ein Spezialwaschmittel für Funktionskleidung (bekommst du für ca. 10–15 €). Normales Waschmittel ist tabu!
- Wärme reaktiviert. Nach dem Waschen für 20-30 Minuten bei niedriger Temperatur in den Trockner. Die Wärme frischt die Imprägnierung wieder auf. Alternativ kannst du sie auch auf niedrigster Stufe bügeln (leg ein Handtuch dazwischen!).
- Nachimprägnieren. Wenn das Wasser trotzdem nicht mehr abperlt, wird es Zeit für eine neue Imprägnierung. Ich empfehle Sprays, da man sie gezielt außen auftragen kann. So ein Spray kostet auch etwa 10–15 € und hält für mehrere Anwendungen.
Ach ja, und noch ein kleiner Tipp: Stopf deine Jacke nicht monatelang komprimiert in einen Packsack. Das knickt die Membran und kann sie auf Dauer schädigen. Häng sie lieber locker in den Kleiderschrank.

Wo sind die Grenzen? Eine ehrliche Einschätzung
Kein Material ist perfekt für alles. Im direkten Vergleich mit anderen bekannten Technologien wird das klar:
- Im Vergleich zu Gore-Tex Pro: Die Pro-Membran ist der absolute Maßstab für Robustheit. Sie ist wie eine Ritterrüstung und für extreme alpine Expeditionen gebaut. Dafür ist sie steifer und die Atmungsaktivität funktioniert nach dem klassischen, etwas trägeren Prinzip. Futurelight ist spürbar weicher und atmungsaktiver, aber ob es nach zehn Jahren Rucksack-Misshandlung noch genauso aussieht, muss die Zeit zeigen.
- Im Vergleich zu Gore-Tex Active: Die Active-Membran ist ebenfalls auf hohe Atmungsaktivität bei schnellen Sportarten ausgelegt. Sie ist extrem gut, arbeitet aber immer noch nach dem Prinzip der Feuchtigkeitsdiffusion. Futurelight hat durch die permanente Luftdurchlässigkeit die Nase vorn, was das gefühlte Klima in der Jacke angeht.
Für wen lohnt sich das also?
Ganz klar: Diese Technologie spielt ihre Stärken vor allem für Leute aus, die sich draußen richtig anstrengen.

- Skitourengeher, Alpinisten, Eiskletterer: Perfekt. Bei diesen Stop-and-Go-Aktivitäten, wo man stark schwitzt und dann wieder im kalten Wind steht, ist die sofortige Atmungsaktivität Gold wert.
- Trailrunner und Mountainbiker: Sehr gut. Leichte Jacken dieser Art schützen vor dem Wetter, ohne das gefürchtete „Plastiktüten-Gefühl“ zu erzeugen. Leichte Modelle gibt es oft so im Bereich von 250 € bis 400 €.
- Wanderer und Trekker: Eine Top-Wahl, vor allem wenn du die Jacke oft und lange am Stück trägst.
- Alltagsnutzer: Mal ehrlich, für den Weg zur Arbeit oder die Hunderunde ist diese Technologie fast schon Overkill. Hier tut es auch eine günstigere Alternative, wie zum Beispiel die hauseigene DryVent-Membran der gleichen Marke, die für einen Bruchteil des Preises absolut ausreichend ist.
Am Ende ist eine Jacke nur ein Teil deiner Ausrüstung. Die beste Membran nützt nichts, wenn du darunter ein Baumwoll-T-Shirt trägst. Baumwolle saugt sich voll, trocknet ewig und kühlt dich aus. Trag darunter Funktionsunterwäsche aus Kunstfaser oder Merinowolle, dann funktioniert das ganze System.
Futurelight ist keine Magie, aber es ist eine verdammt durchdachte und spürbar funktionierende Ingenieursleistung, die das alte Schwitz-Problem besser löst als viele andere. Für alle, die draußen wirklich Gas geben, ist es eine der interessantesten Optionen, die ich seit Langem gesehen habe.

