Blick hinter die Fassade: Was du von Profi-Architektur für dein Zuhause lernen kannst

von Angela Schmidt
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Ich bin Handwerksmeister und hab in meinem Leben schon unzählige Gebäude wachsen sehen. Mit der Zeit lernt man, Bauten anders zu lesen. Man sieht nicht nur die Form, sondern die Fugen, die Materialwahl und die Stunden, die da drinstecken. Das Museum Folkwang in Essen ist so ein Fall. Auf den ersten Blick wirkt es vielleicht schlicht, fast minimalistisch. Aber wenn man genauer hinsieht, ist es ein offenes Buch über cleveres Bauen und den Respekt vor dem, was schon da ist.

Viele denken bei Essen immer noch an Industrie, an rauen Charme. Soll ein moderner Kulturbau da wie ein bunter Vogel herausstechen oder sich einfügen? Die Architekten hier haben einen smarten Mittelweg gefunden. Kein lauter Kontrast, sondern eine Verfeinerung der lokalen Sprache. Und genau das ist die hohe Kunst – ein tiefes Verständnis für den Ort und seine Materialien zu zeigen.

Die Fassade: Mehr als nur eine schicke Hülle

Das Erste, was ins Auge sticht, ist die Außenhaut des Neubaus. Aus der Ferne wirkt sie wie ein heller, sanfter Stein, fast wie Alabaster. In Wahrheit ist es aber polierter Beton, dem feine Partikel aus recyceltem Glas beigemischt wurden. Eine geniale Idee, die perfekt ins Ruhrgebiet passt. Sie greift die Themen Recycling und industrielle Werkstoffe auf, sieht aber gleichzeitig unglaublich edel aus.

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Solche Fassadenplatten herzustellen, ist übrigens eine Wissenschaft für sich. Die Mischung muss exakt stimmen, damit jede Platte am Ende gleich aussieht. Nach dem Aushärten werden sie dann geschliffen und poliert. Erst dann kommt das Glasgranulat an die Oberfläche und fängt an, mit dem Licht zu spielen. Je nach Wetter und Tageszeit schimmert die Fassade leicht grünlich. Sie lebt förmlich.

Aber was bedeutet das für dich? Klar, so eine Fassade sprengt jedes private Budget. Nur damit du eine Vorstellung hast: Rechne hier mal locker mit 500-700 € pro Quadratmeter, während ein hochwertiger Außenputz vielleicht bei 150-200 € liegt. Die Lehre daraus ist aber eine andere: Denk über deine Fassade nach! Es gibt so viel mehr als den Standardputz. Manchmal kann schon ein kleiner Bereich mit Holz oder Metall einen riesigen Unterschied machen.

Licht und Luft: Die unsichtbaren Hauptdarsteller

Im Inneren des Museums fällt sofort auf, wie hell alles ist. Das liegt an den großen Innenhöfen und den raumhohen Glasfronten. Als Praktiker gehen bei mir da sofort die Alarmglocken an: Viel Glas bedeutet oft viel Ärger. Hitze im Sommer, Kälte im Winter und vor allem UV-Strahlung – der Tod für jedes Kunstwerk und auch für deine Möbel zu Hause.

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Hier wurde aber mitgedacht. Zum Einsatz kommt spezielles Sonnenschutzglas, meist eine Dreifachverglasung. Im Inneren befinden sich hauchdünne, unsichtbare Metallschichten, die den Großteil der schädlichen UV- und Infrarotstrahlung filtern. Es kommt also massig Licht rein, aber die Hitze und die Bleichmacher bleiben draußen.

Kleiner Tipp aus der Praxis: Planst du einen Wintergarten oder große Fenster zur Südseite? Spare NIEMALS am Glas! Gutes Sonnenschutzglas kostet anfangs vielleicht 20-30% mehr, aber es erspart dir später eine teure Klimaanlage und verblichene Holzböden. Eine Investition, die sich immer lohnt.

Ach ja, und dann gibt es da noch einen alten Trick, den die Profis hier angewendet haben: Die Hauptsäle sind nach Norden ausgerichtet und haben sogenannte Sheddächer – diese sägezahnartigen Dächer. Nordlicht ist perfekt für Kunst, weil es diffus und gleichmäßig ist, ohne direkte Sonneneinstrahlung. Das ist ein Prinzip aus dem Atelierbau, das heute noch genauso gut funktioniert. Gutes Bauen heißt eben nicht immer, das Rad neu zu erfinden.

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Was unter den Füßen passiert: Boden und Akustik

Die Böden im Museum sind aus geschliffenem Estrich, den viele auch als Terrazzo kennen. Ein extrem widerstandsfähiger und langlebiger Boden, der fugenlos und edel wirkt. Aber so harte Oberflächen haben einen riesigen Nachteil: die Akustik. In großen Räumen mit viel Glas und Beton hallt es schnell wie in einer Turnhalle.

Ich war mal auf einer Baustelle für ein schickes Loft – riesige Fenster, Betonboden, minimalistisch eingerichtet. Es sah super aus, aber man konnte sich kaum unterhalten, so hat es geschallt. Am Ende mussten wir nachträglich hässliche Lochplatten an die Decke schrauben. Eine Notlösung.

Im Museum haben die Experten das von Anfang an richtig gemacht. Man sieht es kaum, aber in den Decken oder Wänden sind schallabsorbierende Materialien versteckt. Spezielle Platten mit Vlies auf der Rückseite schlucken den Schall und sorgen für eine angenehme, ruhige Atmosphäre.

Die Lehre für dein Zuhause: Wenn du harte Böden wie Fliesen, polierten Estrich oder Parkett liebst, plane die Akustik von Anfang an mit ein. Das müssen keine teuren Speziallösungen sein. Ein großer, dicker Teppich, schwere Vorhänge oder sogar ein großes Bücherregal können schon Wunder wirken.

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Alt trifft Neu: Eine Lektion in Respekt

Der Neubau ist ja eine Erweiterung eines bestehenden Gebäudes aus der Nachkriegsmoderne. Zwei Bauten aus unterschiedlichen Epochen zu verbinden, ist eine der kniffligsten Aufgaben am Bau. Sie haben andere Fundamente, andere Materialien und „bewegen“ sich über die Jahre unterschiedlich. Setzungsrisse sind da vorprogrammiert.

Die Lösung sind präzise geplante Bewegungsfugen. Das sind kleine Spalten zwischen den Bauteilen, die mit elastischem Material gefüllt werden. Sie fangen die minimalen Bewegungen beider Gebäude auf, ohne dass Spannungen entstehen. Als Besucher merkst du davon nichts, der Übergang ist fließend. Das ist ein Zeichen für exzellente Planung.

Deine Checkliste für den nächsten Museumsbesuch (aus Handwerkersicht)

Lust bekommen, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen? Wenn du das nächste Mal dort (oder in einem anderen modernen Bau) bist, achte mal auf diese Dinge. Das macht Spaß und du siehst das Gebäude mit ganz anderen Augen!

  • Finde die Fuge: Wo genau ist der Übergang vom alten zum neuen Gebäude? Kannst du die Bewegungsfuge entdecken?
  • Der Klatsch-Test: Such dir einen großen, leeren Raum. Klatsch einmal leise in die Hände. Wie ist der Nachhall? Kurz und trocken oder lang und scheppernd?
  • Jagd nach den Lüftungsschlitzen: Die Klimaanlage ist eine riesige Maschine. Wo sind die unauffälligen Schlitze im Boden, in der Wand oder an der Decke versteckt, aus denen die Luft strömt?
  • Detail-Detektiv: Schau dir an, wie verschiedene Materialien aufeinandertreffen. Stoßen Glas und Beton scharfkantig aufeinander oder gibt es Leisten? Scharfe Kanten sind ein Zeichen für extrem präzise Arbeit.
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Was wirklich zählt: Das Unsichtbare

Am Ende sind es oft die Dinge, die man nicht sieht, die ein Gebäude wirklich gut machen. Die Klimatechnik zum Beispiel. Kunstwerke brauchen eine konstante Temperatur und Luftfeuchtigkeit, oft um die 20 Grad und 50 % Feuchte. Das in einem Glaskasten konstant zu halten, ist eine technische Meisterleistung. Die ganze Technik dafür ist unsichtbar in Decken und Wänden versteckt.

Genauso der Brandschutz. Das Gebäude ist in Brandabschnitte mit feuerfesten Wänden (sogenannter F90-Standard, hält 90 Minuten Feuer stand) unterteilt. Es gibt Rauchmelder und automatische Klappen im Dach, die im Notfall aufgehen, damit der Rauch abziehen kann. Alles Dinge, die man nicht wahrnimmt, die aber im Ernstfall Leben retten.

Und, ganz ehrlich, man muss auch über den Unterhalt sprechen. So eine helle Fassade und hunderte Quadratmeter Glas sehen am Eröffnungstag fantastisch aus. Aber die Reinigungsrechnung möchte ich nicht bezahlen müssen. Das ist ein Faktor, der bei der Planung oft unter den Tisch fällt, aber für den Betreiber am Ende entscheidend ist.

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Dieses Gebäude ist also weit mehr als nur ein Haus für die Kunst. Es ist ein Lehrstück, das uns zeigt, dass gutes Bauen im Detail steckt, den Bestand respektiert und immer an die Menschen denkt, die es nutzen. Und ein paar dieser Profi-Tricks, die kann sich jeder von uns für die eigenen vier Wände abschauen.

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Wie meistert man bei großen Glasflächen den Spagat zwischen maximalem Lichteinfall und effektivem Hitzeschutz?

Die Antwort liegt in intelligentem Glas. Sogenanntes elektrochromes Glas, wie das „SageGlass“ von Saint-Gobain, kann seine Tönung auf Knopfdruck oder vollautomatisch ändern. An heißen Tagen wird es dunkler, um Blendung und Hitze zu reduzieren, während es bei schwachem Licht völlig klar bleibt. Es filtert schädliche UV-Strahlen, schützt Möbel sowie Kunstwerke und macht schwere Vorhänge oder außenliegende Jalousien oft überflüssig. Eine Investition in Komfort und Energieeffizienz, die direkt aus der High-Tech-Architektur in den modernen Wohnbau überschwappt.

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„Wir waren daran interessiert, ein Gebäude zu schaffen, das mit der Stadt verbunden ist und nicht nur ein Juwel in einer Kiste.“

Dieser Gedanke von David Chipperfield, dem Architekten des Museum Folkwang, bringt es auf den Punkt: Gute Architektur entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern im Dialog mit ihrer Umgebung. Ein Prinzip, das auch für das eigene Zuhause gilt – sei es durch die Aufnahme von Materialien oder Farben aus der Nachbarschaft.

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Die Fassade neu denken – Zwei moderne Alternativen zum Putz:

Faserzementplatten: Extrem langlebig, farbstabil und überraschend vielseitig. Hersteller wie Eternit bieten Platten in glatter Betonoptik an, die den puristischen Look des Museums in einer leichteren, budgetfreundlicheren Variante nachahmen.

Cortenstahl: Ein „lebendiges“ Material, das mit der Zeit eine charakteristische, schützende Rostschicht bildet. Die warmen, erdigen Töne des Stahls passen perfekt zu einem industriell geprägten Umfeld und schaffen eine Fassade mit unverwechselbarer Identität.

Um die klare, ruhige Atmosphäre professioneller Architektur zu Hause zu erreichen, hilft ein einfacher Trick: materielle Kontinuität.

  • Bodenbeläge durchziehen: Verwenden Sie dieselben großformatigen Feinsteinzeug-Platten von der Terrasse bis in den Wohnbereich, um eine nahtlose Verbindung von innen und außen zu schaffen.
  • Eine Holzart definieren: Wählen Sie eine Holzart, z.B. Eiche, und setzen Sie diese konsequent ein – für Parkett, Einbaumöbel und vielleicht sogar als Akzent für die Fensterrahmen.
  • Farbklammern setzen: Der Anthrazit-Ton der Fensterrahmen kann sich an der Haustür oder in den Fugen der Fassade wiederfinden.
Angela Schmidt

Nach dem Abschluss meines Studiums für Journalismus an der Uni- München, arbeite ich freiberuflich für diverse Formate und Produktionen. Freshideen ist für mich ein gegenseitiges Langzeitprojekt, mit dem ich meinen Alltag viel schöner gestalte. Die Themen der Nachhaltigkeit und der Umwelt bewegen mich am meisten, aber auch die kreativen DIY Ideen finden Platz in meinem Herzen.