IKEA-Sessel im Werkstatt-Check: Welcher ist sein Geld wert und welcher nicht?
In meiner Werkstatt hab ich über die Jahre so ziemlich alles gesehen, was man sich an Möbeln vorstellen kann. Echte Meisterwerke für die Ewigkeit, aber auch Teile, die schon vom schief Anschauen fast auseinandergefallen sind. Und immer wieder kommt diese eine Frage, oft mit einem fast entschuldigenden Lächeln: „Du, sag mal, was hältst du eigentlich von IKEA?“
Inhaltsverzeichnis
Ganz ehrlich? Meine Antwort ist immer dieselbe: Es kommt drauf an. Ein Sessel ist ja nicht nur was zum Draufsitzen. Er ist dein kleiner Rückzugsort, die Leseecke, der Platz zum Abschalten. Darum muss er was aushalten und vor allem bequem sein. Bei IKEA gibt’s eine riesige Auswahl, und ja, da sind echte Perlen dabei. Aber eben auch Blender, von denen ich die Finger lassen würde.
Vergiss irgendwelche Top-10-Listen. Ich gebe dir hier was Besseres an die Hand: mein Handwerker-Auge. Damit kannst du bald selbst im Laden stehen und zielsicher erkennen, welcher Sessel eine gute Investition ist und welcher nur hübsch aussieht.
1. Das Fundament: Was unter dem Stoff wirklich zählt
Alles fängt mit dem an, was man nicht sieht: dem Rahmen. Das ist das Skelett deines Sessels. Wenn das schwach ist, nützt der schönste Bezug nichts. Und genau hier trennt sich die Spreu vom Weizen.
Die üblichen Verdächtigen beim Material
- Massivholz: Das ist echtes Holz, wie Kiefer, Buche oder Birke. Stabil, langlebig und man kann es sogar reparieren. Ein Rahmen aus Massivholz ist immer ein super Zeichen. Bei IKEA findest du es oft an den sichtbaren Teilen, zum Beispiel bei den Beinen oder Armlehnen.
- Spanplatte: Zusammengepresste Holzspäne. Günstig und hat absolut seine Berechtigung. Aber sie hasst Feuchtigkeit, und Schrauben können bei zu viel Belastung einfach ausreißen. Ein kompletter Rahmen nur aus Spanplatte ist ein Warnsignal, wenn der Sessel täglich ranmuss.
- Schicht- und Formholz: Hier werden dünne Holzschichten unter Druck verleimt. Das Ergebnis ist mega stabil und gleichzeitig flexibel. Der klassische POÄNG-Sessel ist das beste Beispiel dafür. Aus handwerklicher Sicht ist das oft eine brillante und langlebige Lösung.
Dein Test im Möbelhaus: Der Wackel-Check
So, jetzt wird’s praktisch. Wenn du vor einem Sessel stehst, werd aktiv! Pack ihn oben an der Lehne, als würdest du ihn am Schlafittchen packen, und rüttel mal kräftig. Fühlt er sich an wie ein Fels? Oder wackelt und knarzt es, als würde er gleich um Hilfe rufen? Ein Knarzen deutet auf unsaubere Verbindungen oder schwaches Material hin.
Ein ganz wichtiger Punkt ist die Befestigung der Beine. Achtung, rote Flagge: Sind die Beine direkt in die nackte Spanplatte gedreht? Das ist eine absolute Schwachstelle. Früher oder später gibt die Verbindung nach, besonders wenn man sich mal schwungvoll in den Sessel fallen lässt. Besser ist es, wenn die Beine an einem massiven Holzelement oder einem Metallwinkel befestigt sind. Glaub mir, ich hatte schon Kunden, bei denen ein Sesselbein einfach aus der Spanplatte gerissen ist. Sowas lässt sich vermeiden.
2. Polster, Stoff und das geheime Innenleben
Der stabilste Sessel bringt nichts, wenn das Polster nach einem Jahr durchgesessen ist. Die Qualität hier zu beurteilen ist kniffliger, aber es gibt ein paar verräterische Anzeichen.
Der Stoff: Mehr als nur ’ne hübsche Farbe
Die Haltbarkeit eines Stoffes misst man in „Martindale“. Das ist quasi die Anzahl der Scheuertouren, die ein Stoff aushält. Für einen Sessel, der täglich genutzt wird, sollten es mindestens 15.000 Martindale sein. Hast du Kinder oder Haustiere, würde ich eher zu 25.000 oder mehr raten.
Gut zu wissen: Diesen Wert findest du selten auf dem Preisschild. Zück einfach dein Handy, geh auf die IKEA-Seite und schau in der Produktbeschreibung unter „Details“ nach. Wenn der Hersteller diesen Wert angibt, ist das meist ein gutes Zeichen!
Achte auch auf die Pilling-Neigung (die Bildung dieser nervigen kleinen Stoffknötchen) – ein Wert von 4 oder 5 ist super. Bei der Lichtechtheit sollte es ebenfalls ein Wert von 5 oder höher sein, damit dein senfgelber Sessel nicht nach einem Sommer am Fenster zu einem traurigen Blassgelb wird.
Leder ist nicht gleich Leder
Bei Ledersesseln wird oft mit Begriffen getrickst. Echtes, durchgefärbtes Narbenleder ist die Königsklasse – robust, atmungsaktiv und fühlt sich einfach gut an. Oft wird aber an den Seiten oder der Rückseite günstigeres Spaltleder oder sogar Kunstleder (gerne als „Bomstad“ oder Ähnliches bezeichnet) verwendet. Das ist an sich okay, um den Preis zu drücken, aber du solltest es wissen. Echte Haut hat immer eine individuelle Struktur, Kunstleder wirkt oft perfekt und fühlt sich kälter an.
Das Herzstück: Was im Polster steckt
Der Schaumstoff entscheidet über den Sitzkomfort. Die wichtigste Kennzahl ist das Raumgewicht (RG). Je höher, desto langlebiger. Leider gibt IKEA das fast nie an. Aber es gibt einen simplen Test: Drück mit der flachen Hand fest ins Sitzpolster und nimm die Hand schnell wieder weg. Springt der Schaumstoff sofort zurück in seine Form? Super! Bleibt für ein paar Sekunden eine Delle sichtbar? Das deutet auf ein weniger hochwertiges Material hin, das schnell schlappmachen wird.
3. Beliebte IKEA-Modelle im Kurz-Check
Okay, lass uns das Ganze mal auf ein paar bekannte Modelle anwenden. Das ist keine Kaufempfehlung, sondern eine Übung für dein neues Handwerker-Auge.
- Der Klassiker: POÄNG
Meister-Pluspunkt: Das Gestell aus formgebogenem Schichtholz ist genial und fast unkaputtbar. Ich habe schon Jahrzehnte alte Exemplare gesehen, deren Rahmen noch topfit war. Der leicht federnde Komfort ist legendär.
Die Schwachstelle: Ganz klar die Auflage. Der Schaumstoff ist oft von einfacher Qualität und sitzt sich mit der Zeit platt.
Profi-Tipp: Das ist der beste Upgrade-Hack überhaupt! Online, zum Beispiel auf Plattformen wie Etsy, gibt es unzählige kleine Anbieter, die maßgeschneiderte und viel hochwertigere Ersatzpolster für den POÄNG verkaufen. Damit machst du aus einem günstigen Sessel ein echtes Komfortwunder. - Der Gemütliche: STRANDMON
Meister-Pluspunkt: Dieser Ohrensessel wirkt nicht nur stabil, er ist es oft auch. Die tragenden Teile des Rahmens, an denen die Beine sitzen, sind in der Regel solide gebaut. Die Polsterung ist schön fest und bietet guten Halt.
Die Schwachstelle: Der feste Bezug. Sieht toll aus, aber ein Rotweinfleck kann zum Drama werden. Eine Reinigung ist hier viel aufwändiger.
Kleiner Tipp: Für Flecken auf festen Polstern ist Gallseife oft ein Retter. Einfach ein feuchtes, weißes Tuch mit etwas Gallseife an einer unsichtbaren Stelle testen und dann den Fleck vorsichtig von außen nach innen bearbeiten. - Der Design-Purist: EKENÄSET
Meister-Pluspunkt: Hier siehst du, was du kriegst. Der sichtbare Rahmen aus Massivholz ist ehrlich und transparent. Die Konstruktion ist einfach, aber genau deshalb oft sehr langlebig.
Die Schwachstelle: Der Komfort ist, sagen wir, minimalistisch. Für stundenlanges gemütliches Lümmeln ist die straffe Polsterung nicht für jeden die erste Wahl.
4. Der Aufbau: Hier machst du den Unterschied!
Ein Möbelstück ist nur so gut wie sein Zusammenbau. Nimm dir dafür ruhig eine Stunde Zeit und arbeite sorgfältig. Akkuschrauber sind bei Spanplatten tabu – die Gefahr, das Gewinde zu überdrehen, ist riesig. Nutze den mitgelieferten Inbusschlüssel und zieh die Schrauben „handfest“ an.
Und jetzt kommt mein wichtigster Tipp überhaupt:
Meisters ultimativer Aufbau-Hack (kostet 5 € und 5 Minuten)
Die Anleitung sieht das nicht vor, aber es macht den Sessel um ein Vielfaches stabiler! Fahr kurz in den Baumarkt und hol dir eine kleine Flasche Holzleim (z.B. Ponal für unter 5 Euro) und ein altes Tuch. Wenn Holzdübel verwendet werden, gib einen winzigen Tropfen Leim in die Bohrlöcher, bevor du den Dübel einsetzt. Überschüssigen Leim sofort abwischen. Das verhindert das typische Wackeln, das sich nach ein paar Jahren oft einstellt. Einmal gemacht, hält die Verbindung bombenfest.
Wann ist ein IKEA-Sessel also die richtige Wahl?
Seien wir ehrlich: Ein Sessel für 200 Euro kann nicht mit einem handgefertigten Möbelstück für 2000 Euro mithalten. Das wäre unfair. Ein IKEA-Sessel ist aber eine super Wahl, wenn…
- dein Budget begrenzt ist.
- du in deiner ersten eigenen Wohnung lebst oder oft umziehst.
- du deinen Einrichtungsstil gerne mal änderst.
- der Sessel nur gelegentlich im Gästezimmer genutzt wird.
Vorsichtig wäre ich, wenn der Sessel der zentrale, täglich genutzte Platz für eine schwere Person sein soll oder du ein Erbstück für die nächste Generation suchst.
Mein Fazit aus der Werkstatt
Du siehst, man kann bei IKEA absolut solide und langlebige Sessel finden, wenn man weiß, worauf man achten muss. Lass dich nicht nur vom Design blenden. Sei neugierig, rüttel am Gestell, drück auf die Polster und wirf einen Blick in die Online-Beschreibung. Mit dem Wissen hier bist du bestens gerüstet, um selbst eine gute Entscheidung zu treffen. Du musst kein Meister sein, um Qualität zu erkennen – manchmal reicht es, genau hinzusehen.
Und jetzt bin ich neugierig: Welchen IKEA-Sessel hast du zu Hause und was sind deine Erfahrungen? Schreib es doch mal in die Kommentare!
Bildergalerie
- Der Rüttel-Test: Fassen Sie die Armlehnen fest an und wackeln Sie. Gibt der Sessel stark nach oder knarzt verdächtig? Ein solides Gestell aus Massiv- oder Schichtholz bleibt fast stumm und steif.
- Gewicht verlagern: Setzen Sie sich nicht nur mittig, sondern lehnen Sie sich bewusst in die Ecken. Spüren Sie einen harten Rahmen durch die Polsterung? Das ist ein schlechtes Zeichen für den Komfort auf Dauer.
- Reißverschluss-Check: Haben die Kissen abnehmbare Bezüge? Öffnen Sie den Reißverschluss ein Stück. Ein Blick auf den Schaumstoffkern verrät viel über die Qualität. Ist er bröselig oder fest und dicht?
Der Teufel steckt im Detail, genauer: in der Naht. Achten Sie auf saubere, gerade und dichte Nähte, besonders an den Kanten und Ecken. Eine doppelte Naht (Kappnaht) ist ein klares Qualitätsmerkmal, das Sie zum Beispiel bei teureren Modellen wie dem LANDSKRONA Ledersessel finden. Lose Fäden oder ungleichmäßige Stiche sind hingegen ein Warnsignal – hier wurde an der Verarbeitung gespart.
„Design ist nicht nur, wie es aussieht und sich anfühlt. Design ist, wie es funktioniert.“ – Steve Jobs
Ein Zitat, das perfekt auf den POÄNG-Sessel zutrifft. Seine simple, federnde Schichtholz-Konstruktion ist seit über 40 Jahren ein Bestseller – nicht nur, weil sie gut aussieht, sondern weil sie ergonomisch brillant funktioniert und den Körper optimal stützt.
Der SÖDERHAMN ist anders. Seine tiefe, niedrige Sitzfläche und die losen Rückenkissen erzeugen ein extrem lässiges Lounge-Gefühl. Der Clou liegt im Gestell: Statt eines massiven Korpus setzt IKEA hier auf ein elastisches Gurtgeflecht als Sitzunterlage. Das sorgt für ein leicht federndes, fast schwebendes Sitzgefühl und macht den Sessel überraschend leicht und luftig im Design. Es ist ein moderner Ansatz, der Komfort und minimalistische Ästhetik clever verbindet.
Kann ich die Beine meines IKEA-Sessels einfach austauschen?
Ja, das ist einer der beliebtesten „IKEA-Hacks“! Bei vielen Modellen wie dem TILLSTA oder älteren EKENÄSET-Versionen sind die Beine mit einer Standard-M8-Gewindeschraube befestigt. Das eröffnet eine Welt der Individualisierung. Firmen wie Prettypegs oder Superfront bieten eine riesige Auswahl an Ersatzbeinen in verschiedenen Stilen – von konischen Mid-Century-Beinen aus Teak bis zu modernen Metallvarianten. So wird aus einem günstigen Sessel schnell ein individuelles Designerstück.
Sessel aus Naturfasern wie der RADVIKEN aus Rattan oder der kultige PS GULLHOLMEN aus Bananenfasern bringen Wärme und Textur in den Raum. Damit sie lange schön bleiben, brauchen sie aber etwas Zuwendung:
- Staub entfernen: Am besten regelmäßig mit einem Staubsauger mit Bürstenaufsatz absaugen.
- Vorsichtig abwischen: Bei leichten Verschmutzungen ein weiches, mit milder Seifenlauge angefeuchtetes Tuch verwenden und sofort trockenreiben.
- Trockenheit vermeiden: Naturfasern können bei zu trockener Heizungsluft spröde werden. Gelegentlich mit einem Wasserzerstäuber ganz leicht einnebeln, um die Elastizität zu erhalten.
Ein häufiger Fehler ist, die Proportionen zu ignorieren. Ein wuchtiger Ohrensessel wie der STRANDMON kann ein kleines Wohnzimmer erdrücken, während ein zierlicher Sessel wie der TILLSTA in einem großen, offenen Raum verloren wirkt. Kleiner Trick aus der Werkstatt: Kleben Sie die Grundfläche des Sessels mit Malerkrepp auf dem Boden ab. So bekommen Sie ein echtes Gefühl für den Platz, den der neue Mitbewohner einnehmen wird, bevor Sie ihn kaufen.
- Die Polsterung behält über Jahre ihre Form und sitzt sich nicht durch.
- Der Rahmen aus Massivholz und Stahl verzieht sich nicht und hält Umzügen stand.
- Der hochwertige Lederbezug kann Jahrzehnte überdauern und wird mit der Zeit nur schöner.
Das Geheimnis? Modelle wie der STOCKHOLM-Sessel kosten anfangs deutlich mehr als ein einfacher Stoff-Sessel. Auf lange Sicht sind sie aber oft die günstigere Wahl, weil sie nicht nach wenigen Jahren ersetzt werden müssen. Eine Investition, die sich auszahlt.
Schließen Sie kurz die Augen. Stellen Sie sich das sanfte Nachgeben des federnden Gestells vor, den weichen Stoff im Rücken, eine Tasse Tee in der Hand und das Rascheln von Buchseiten. Seit Generationen ist der POÄNG mehr als ein Sessel – er ist das Synonym für die kleine, persönliche Auszeit. Sein unaufdringliches skandinavisches Design macht ihn zum perfekten Begleiter für jene stillen Momente, in denen die Welt draußen kurz warten muss.
IKEA verbraucht rund 1 % des weltweit kommerziell geschlagenen Holzes und ist damit einer der größten Holzverbraucher im Einzelhandel.
Diese enorme Menge bedeutet auch eine riesige Verantwortung. Das Unternehmen setzt stark auf FSC-zertifiziertes oder recyceltes Holz. Wenn Sie also einen Sessel mit Massivholzrahmen wie den STRANDMON wählen, unterstützen Sie oft eine nachhaltigere Forstwirtschaft – ein Punkt, der über die reine Stabilität hinausgeht.
Stoffbezug (z.B. STRANDMON in Djuparp Samt): Bietet Wärme, Gemütlichkeit und eine riesige Farbvielfalt. Ideal für eine kuschelige Leseatmosphäre. Der Nachteil: Anfälliger für Flecken und Verschleiß durch Haustiere.
Echtleder (z.B. bei LANDSKRONA): Extrem langlebig, pflegeleicht und entwickelt mit der Zeit eine wunderschöne Patina. Fühlt sich im Sommer kühler an. Der höhere Preis ist eine Investition in die Langlebigkeit.
Die Wahl hängt vom Lebensstil ab: Familie mit Kindern und Hund? Leder ist oft die praktischere Wahl. Wer reine Gemütlichkeit sucht, ist mit Stoff besser beraten.
Der schlichte Ohrensessel STRANDMON ist eine leere Leinwand. Kreative Köpfe verpassen ihm nicht nur neue Bezüge von Anbietern wie Bemz, sondern gehen noch weiter. Mit Ziernagel-Borten entlang der Armlehnen bekommt er einen edlen Chesterfield-Look. Andere beizen die Holzfüße in einem dunkleren Ton oder streichen sie in einer knalligen Akzentfarbe. Mit wenig Aufwand wird aus dem Bestseller ein echtes Unikat, das niemand sonst im Wohnzimmer stehen hat.
