Schere, Zappelphilipp & Co: Dein ehrlicher Guide zum Haareschneiden bei Kindern
Ganz ehrlich? Kaum etwas bringt Eltern so ins Schwitzen wie der Gedanke, mit einer Schere am Kopf des eigenen Kindes hantieren zu müssen. Ich stehe seit Jahren im Salon und habe unzählige Haarschnitte gemacht, aber die größte Herausforderung ist und bleibt ein kleiner, zappeliger Mensch auf dem Stuhl. Da ist die Angst vor dem Kitzeln der Haare, das laute Brummen der Maschine… alles ist neu und aufregend.
Inhaltsverzeichnis
- 0.1 Warum Kinderhaar eine ganz eigene Liga ist
- 0.2 Dein Starter-Kit: Was du wirklich brauchst (und was nicht)
- 0.3 Wann ist es überhaupt Zeit für einen Schnitt?
- 0.4 So klappt’s: Schritt für Schritt zum neuen Look
- 0.5 Ups, verschnitten! Deine Erste-Hilfe-Anleitung
- 0.6 Wann du lieber zum Profi gehst
- 0.7 Der perfekte Salon-Besuch: So redest du mit dem Profi
- 1 Bildergalerie
Und ich geb’s zu: Selbst mir als Profi ist es beim eigenen Sohn schon passiert, dass eine Seite plötzlich kürzer war als die andere, weil er im entscheidenden Moment nach einer Fliege geschnappt hat. Passiert den Besten! Darum soll es hier gehen: ein ehrlicher Guide von Elternteil zu Elternteil, gespickt mit Profi-Wissen. Ja, du kannst deinem Kind die Haare selbst schneiden. Und mit ein paar Tricks wird das auch kein Drama.
Warum Kinderhaar eine ganz eigene Liga ist
Bevor du zur Schere greifst, müssen wir kurz über das Material sprechen. Kinderhaar ist nicht einfach nur eine Mini-Version von unserem. Es ist anders. Meistens ist es viel feiner, weicher und hat kaum Eigengewicht. Stell dir vor, du arbeitest mit Seide statt mit dicker Wolle. Ein Schnitt, der bei Erwachsenen super aussieht, kann bei feinem Kinderhaar schnell kraftlos wirken. Klare, kompakte Linien sind hier oft die bessere Wahl.
Dazu kommt die empfindliche Kopfhaut. Sie mag keine scharfen Kämme oder zu heiße Föhnluft. Sanftheit ist hier das A und O.
Und dann ist da noch der Endgegner jedes Haarschnitts: der Wirbel. Du kennst ihn bestimmt – diese eine Stelle, oft am Hinterkopf, wo die Haare machen, was sie wollen. Der wichtigste Tipp, den ich je gelernt habe: Arbeite MIT dem Wirbel, nicht gegen ihn. Das bedeutet, das Haar an dieser Stelle immer einen Tick länger zu lassen. Gib ihm genug Gewicht, damit es liegen bleibt, sonst stellt es sich unweigerlich auf. Das ist keine Frage der Technik, das ist reine Physik.
Dein Starter-Kit: Was du wirklich brauchst (und was nicht)
Gutes Werkzeug ist die halbe Miete. Bitte, tu dir und deinem Kind einen Gefallen und leg die Küchen- oder Bastelschere wieder in die Schublade. Sie quetscht das Haar nur, was zu Spliss führt und einen geraden Schnitt unmöglich macht.
Deine Einkaufsliste für den Start:
- Echte Haarschneideschere: Ein Einsteigermodell bekommst du im Friseurbedarf oder online schon für 20-30€. Der Unterschied ist gewaltig. Sie schneidet sauber und präzise.
- Haarschneidemaschine: Unverzichtbar für Jungs. Achte auf verschiedene Aufsätze für die Längeneinstellung. Gut zu wissen: Modelle von Marken wie Wahl oder Philips sind oft robust und nicht zu laut, was für Kinderohren angenehmer ist. Rechne hier mit ca. 40-60€.
- Kamm & Klammern: Ein einfacher Stielkamm und ein paar Haarklammern kosten nur wenige Euro und helfen dir ungemein beim Abteilen der Haare.
- Sprühflasche & Umhang: Ein altes Handtuch tut’s auch, aber ein Umhang verhindert das fiese Jucken der kleinen Haare im Nacken – oft der Hauptgrund für Unruhe.
Rechne also mit einer Erstinvestition von etwa 85€. Das klingt vielleicht erstmal viel, aber nach drei bis vier gesparten Friseurbesuchen hat sich das schon gelohnt.
Profi-Tipp: Reinige die Klingen deiner Maschine nach jeder Benutzung mit der mitgelieferten Bürste und gib ab und zu einen Tropfen Öl drauf. So bleibt sie scharf und ziept nicht!
Wann ist es überhaupt Zeit für einen Schnitt?
Eine Frage, die mir oft gestellt wird. Eine feste Regel gibt es nicht, aber hier sind ein paar Anhaltspunkte:
- Der Pony hängt ständig in den Augen. Das ist das offensichtlichste Zeichen.
- Die Haare sehen an den Spitzen trocken und splissig aus.
- Die Frisur hat keine Form mehr und die Haare über den Ohren oder im Nacken werden zu lang.
Als grobe Faustregel: Der Pony braucht oft alle 4-6 Wochen einen kleinen Stupser, ein kompletter Schnitt ist meist alle 2-4 Monate fällig, je nach Wachstum und Frisur.
So klappt’s: Schritt für Schritt zum neuen Look
Okay, jetzt wird’s ernst. Aber keine Panik! Wähle einen Zeitpunkt, an dem dein Kind satt, munter und entspannt ist. Ein Tablet mit der Lieblingsserie oder ein Hörspiel sind deine besten Freunde. Erkläre immer, was du gerade machst – das nimmt die Angst vor dem Unbekannten.
Für Anfänger: Nur die Spitzen bei langen Haaren schneiden
Der einfachste Einstieg! Das Haar sollte leicht feucht sein. Kämme es superglatt nach unten. Teile es in der Mitte und lege die Haare über die Schultern nach vorne. Nimm nun eine Strähne zwischen Zeige- und Mittelfinger, ziehe die Finger straff nach unten bis zu den Spitzen und schneide alles ab, was unter den Fingern hervorschaut. Wiederhole das Strähne für Strähne. So bekommst du eine saubere, gerade Kante ohne großen Aufwand.
Der klassische Bob für Mädchen
Hier ist eine ruhige Hand gefragt. Das Haar sollte ebenfalls leicht feucht sein. Stecke das obere Haar weg. Beginne im Nacken mit einer dünnen, unteren Haarpartie. Ganz wichtig: Das Kind muss den Kopf GERADE halten, nicht nach unten schauen, sonst wird’s im Nacken zu kurz. Schneide diese erste Partie exakt auf die gewünschte Länge. Das ist deine Führungslinie. Lass nun die nächste dünne Haarpartie herunter. Nimm sie zusammen mit einer dünnen Strähne deiner bereits geschnittenen Führungslinie zwischen die Finger. So siehst du genau, wo du schneiden musst. Arbeite dich so Sektion für Sektion nach oben.
Der einfache Jungen-Kurzhaarschnitt
Hier hilft die Maschine. Beginne immer mit einem langen Aufsatz (z.B. 9mm oder 12mm) – kürzer geht immer! Fahre von unten nach oben gegen die Wuchsrichtung. Oben angekommen, bewege die Maschine in einer leichten Kurve vom Kopf weg. Für den Übergang nimmst du einen kürzeren Aufsatz (z.B. 6mm) und bearbeitest nur den unteren Bereich. Das Deckhaar oben feuchtest du an und schneidest es mit der Schere, indem du die Strähnen senkrecht nach oben ziehst.
Ups, verschnitten! Deine Erste-Hilfe-Anleitung
Atme tief durch. Das ist kein Weltuntergang! Hier sind die häufigsten Pannen und wie du sie rettest:
- Ein kleines Loch oder eine Stufe ist da: Bloß nicht versuchen, alles auf die Länge der kürzesten Stelle zu schneiden! Nimm die Schere und schneide ganz vorsichtig mit der Scherenspitze senkrecht in die Kante der Stufe (Point-Cut). Das macht den Übergang weicher und kaschiert das Malheur.
- Der Pony ist zu kurz geworden: Tja, das passiert. Jetzt heißt es, es als coolen, frechen Look zu verkaufen. Und denk dran: Haare wachsen. Schon gewusst? Im Schnitt wächst das Haar etwa 1 cm pro Monat. In 4-6 Wochen ist der Pony also schon wieder auf Augenbrauenlänge. Das nimmt den Druck raus, oder?
Wann du lieber zum Profi gehst
Ehrlichkeit ist hier alles. Wenn du merkst, dass du super nervös bist, das Kind panische Angst hat oder sich extrem wehrt – hör auf. Es ist keine Schande, den Versuch abzubrechen und einen Termin im Salon zu machen. Wir sind darauf trainiert, eine ruhige Atmosphäre zu schaffen.
Bei starken Locken, komplexen Wirbeln oder wenn eine komplette Typveränderung von lang auf kurz gewünscht ist, ist der Gang zum Profi ebenfalls die stressfreiere und oft bessere Wahl. Lockiges Haar zu schneiden ist eine Kunst für sich!
Der perfekte Salon-Besuch: So redest du mit dem Profi
Wenn du dich für den Salon entscheidest, hilft eine gute Vorbereitung. Bring ruhig Fotos mit, aber sei realistisch – das Haar deines Kindes hat vielleicht eine ganz andere Struktur. Beschreibe, was dir wichtig ist: „Die Seiten und der Nacken kurz mit der Maschine, aber der Übergang soll weich sein“ ist hilfreicher als nur „einmal kurz“.
Kleiner Tipp: Frag den Friseur doch einfach, ob er dir zeigen kann, wie du ZWISCHENDURCH zu Hause den Pony oder die Nackenhaare selbst ein bisschen nachschneiden kannst. Viele Profis geben da gerne einen Tipp für ihre Stammkunden.
Am Ende zählt nur eins: Dass dein Kind sich wohlfühlt und gerne in den Spiegel schaut. Ob im heimischen Badezimmer oder im großen Salon – das ist der schönste Lohn für die Mühe.
Bildergalerie
Der Schnitt ist perfekt, aber der Pony sieht zu streng aus?
Das passiert oft, wenn man versucht, eine perfekt gerade Linie zu schneiden. Profis nutzen einen Trick, um das Ergebnis weicher und natürlicher wirken zu lassen: das „Point Cutting“. Halten Sie die Schere senkrecht zur Haarsträhne und schneiden Sie ganz vorsichtig kleine, vertikale Schnitte in die Spitzen. Das bricht die harte Kante auf, verleiht dem Pony Textur und sorgt dafür, dass er viel schöner und unauffälliger nachwächst. Ideal für feines Kinderhaar, bei dem jede harte Linie sofort ins Auge sticht.
Wussten Sie schon? Das Haar eines Kindes kann seine Farbe und Struktur bis zur Pubertät mehrfach ändern. Die feinen Babyflusen weichen oft einer kräftigeren Mähne, und ein kleiner Blondschopf kann sich über die Jahre in einen Brünetten verwandeln.
Die Haarschneidemaschine: Freund oder Feind?
Für Jungs- und Kurzhaarschnitte ist sie unschlagbar, aber das laute Brummen und die Vibration können einschüchternd wirken. Wählen Sie ein leises, kabelloses Modell wie den Philips Haarschneider der Serie 7000, der oft einen leiseren Betriebsmodus hat. Lassen Sie Ihr Kind die Maschine im ausgeschalteten Zustand anfassen. Schalten Sie sie kurz ein, ohne die Haare zu berühren, damit sich Ihr Kind an das Geräusch gewöhnen kann. Ein kleiner Klecks Hautcreme auf dem Aufsatz verhindert unangenehmes Ziepen auf der empfindlichen Nackenhaut.
- Ein spezielles Hörbuch, das es nur beim Haareschneiden gibt.
- Ein Tablet in einer Schutzhülle mit der Lieblingsserie.
- Ein „magischer“ Umhang statt eines kratzigen Handtuchs.
- Ein Lutscher oder ein anderes besonderes Leckerli als Belohnung.
Der Schlüssel zum Erfolg? Ablenkung ist alles! Schaffen Sie ein Ritual, das Ihr Kind positiv mit dem Haareschneiden verbindet.
Profi-Schere vs. Effilierschere: Was ist der Unterschied?
Profi-Haarschere (z. B. Jaguar Pre Style Ergo): Dies ist Ihr Hauptwerkzeug. Sie hat zwei glatte Klingen für präzise, saubere Schnitte. Perfekt, um die Grundlänge festzulegen und klare Linien wie bei einem Bob oder Pony zu schneiden.
Effilier- oder Modellierschere: Eine Klinge ist glatt, die andere gezahnt. Sie schneidet nicht alle Haare, sondern dünnt sie nur aus. Ideal, um bei sehr dickem Haar Volumen zu reduzieren, Übergänge weicher zu gestalten oder „Löcher“ von kleinen Fehlern zu kaschieren.
Für den Anfang reicht eine gute Profi-Schere. Die Effilierschere ist der nächste Schritt für Fortgeschrittene.
Ein frischer Haarschnitt ist die perfekte Leinwand für ein bisschen Alltagsmagie. Anstatt das Haar nur offen zu tragen, nutzen Sie die neue, saubere Form für kreative Akzente. Bunte, spiralförmige Haargummis von Marken wie Invisibobble halten selbst feines Haar ohne zu ziepen. Für einen besonderen Anlass oder einfach nur zum Spaß können temporäre Haar-Kreidestifte (z.B. von Hair-Flair) eine tolle Überraschung sein. Sie lassen sich leicht auftragen und waschen sich bei der nächsten Haarwäsche einfach wieder aus – für einen Hauch von Farbe ohne Verpflichtung.
„Der größte Fehler ist, nasses Kinderhaar zu schneiden. Da es so fein ist, zieht es sich beim Trocknen stark zusammen. Was nass perfekt aussah, kann trocken plötzlich viel zu kurz und ungleichmäßig sein.“ – Erfahrungswert aus vielen Salons.
Schneiden Sie Kinderhaar daher am besten im trockenen, gekämmten Zustand. So sehen Sie sofort das Endergebnis und vermeiden unliebsame Überraschungen, besonders beim empfindlichen Pony.
